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Erstes kapitel

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Seit die ‹Flying Star› den Hellerup-Hafen in Kopenhagen verlassen hatte, um ihre Weltreise anzutreten, hatten Jan und seine Freunde eine Menge Abenteuer bestanden. Schon in den vergangenen Jahren hatten die Jungen mehr erlebt als die meisten ihres Alters, aber diese Ereignisse waren doch immer auf ihr Heimatland Dänemark beschränkt geblieben. Jetzt war der Schauplatz ihrer spannenden Abenteuer die große, weite Welt. In London hatte sich die Mannschaft der ‹Flying Star› um den Chinesenjungen Yan Loo vergrößert. Yan Loo, der in der Hauptstadt Großbritanniens als Taschendieb hatte wirken müssen, war nun als «Junge für alles» an Bord der ‹Flying Star›, und dies bedeutete für den kleinen Chinesen eine geradezu märchenhafte Veränderung seines bisherigen Lebens. Dem starken Carl war es hauptsächlich zu verdanken, daß der Junge aus seiner schrecklichen Umgebung befreit worden war. Aber nicht genug damit. Das Schiff geriet mitten in der Biskaya in einen furchtbaren Orkan, und Carl rettete seinen kleinen chinesischen Freund, als dieser beinahe in den Wellen des Atlantik ertrunken wäre. Carl hatte für Yan Loo sein Leben aufs Spiel gesetzt, und es war daher nicht verwunderlich, daß Yan Loo seinen starken Freund wie einen Helden verehrte. So verständlich diese Anbetung war, so wirkte sie sich manchmal doch etwas ermüdend für Carl aus, denn Yan Loo folgte seinem ‹Herrn› wie ein Schatten; wo immer Carl anzutreffen war, Yan Loo stand bestimmt in seiner Nähe.

Der Seemann Marstal, den Ingenieur Smith unter gefährlichsten Umständen während des Orkans operiert hatte, war in Santander in ein Krankenhaus eingeliefert worden. Die Ärzte erklärten, er werde bald gesund sein, und daher hatte man sich geeinigt, daß er nach Casablanca fliegen sollte, um dort wieder an Bord der ‹Flying Star› zu gehen. Ingenieur Smith hatte keine Zeit in Santander zu verlieren, da seine Geschäfte ihn nicht dorthin geführt hätten. Nur Marstals bedrohlicher Zustand hatte ein Anlaufen dieses Hafens erfordert. Die Reise ging also weiter nach Lissabon. Schon einige Jahre vorher waren Jan und Erling in dieser herrlichen Stadt gewesen. Zusammen mit den übrigen Freunden erlebten sie dort auch jetzt wieder einige schöne Tage. Es war außerordentlich interessant, die bekannten Stätten wiederzusehen, wo man alte Erinnerungen auffrischen konnte, aber schon nach einer Woche fuhren sie weiter nach Casablanca. Dort hatte Ingenieur Smith im Auftrag seiner Firma wichtige Gespräche zu führen. Die Verhandlungen mit den französischen Hafenbehörden würden sicher einige Zeit in Anspruch nehmen. Auf diesen längeren Aufenthalt freuten die Jungen sich sehr, denn Casablanca erschien ihnen als eine besonders abenteuerliche Stadt, wo man sicher viel sehen und erleben konnte. Wenn sie im voraus gewußt hätten, was ihnen dort bevorstand, wären sie vielleicht etwas unsicher geworden. Ganz bestimmt hätte der kleine Jesper eine blasse Nase bekommen!

Mit der Zeit hatten sich unsere Freunde an das Bordleben gewöhnt. Carl und Jan hatten nie Schwierigkeiten gehabt, sie waren ja geborene Seeleute vom echten Schlag, aber jetzt hatten sich auch Erling, Jack Morton und Yan Loo damit abgefunden, daß die Natur hier und da die Zähne zeigen konnte und daß bewegte Wellen manchmal Turmhöhe erreichten. Der kleine Jesper behauptete nun sogar, daß er jedem Orkan die Stirn bieten und nie mehr seekrank werden würde. Eine Behauptung, die von den übrigen Jungen nicht so ganz ernst genommen wurde. Während des Orkans in der Biskaya war Jesper nicht viele Heringe wert gewesen, und es blieb eine offene Frage, ob er inzwischen ganz seefest geworden war. Schließlich war es aber auch ein Unterschied, ob man im Öresund oder auf den Weltmeeren segelte!

Zum großen Leidwesen der Jungen hatte Ingenieur Smith keine Veranlassung, Tanger anzulaufen. Diese internationale und als abenteuerlich geltende Stadt, die mit einer gewissen Berechtigung das «Paradies der Schwindler» genannt wurde, schien den Jungen einen Besuch wert. Smith erklärte ihnen jedoch lächelnd, daß sie möglicherweise auf der Rückreise Zeit für einen kurzen Besuch in Tanger haben würden. So blieb es denn bei der Vorfreude auf einen eventuellen Besuch dieser Stadt. Während sie nun über den Atlantik in Richtung Casablanca fuhren, freuten sich alle darüber, daß sich das Meer diesmal von seiner liebenswürdigsten Seite zeigte. Carl und Peter Nielsen wechselten am Steuer ab, und meist befand sich auch Jan auf der Brücke, wo er ab und zu seine beiden Freunde ablöste. Wenn alles so ruhig wie jetzt verlief, war es ja ein Leichtes, die ‹Flying Star› zu manövrieren. In der Kombüse regierte Erling, dem Jesper zur Hand ging, und niemand hatte Anlaß, sich über das Essen zu beschweren, das die beiden auf den Tisch brachten. Nur mußte Erling aufpassen wie ein Luchs, wenn sein kleiner Freund als Küchenjunge fungierte, denn Jesper brachte es durchaus fertig, aus Versehen Salz statt Zucker in den Nachtisch zu geben. Wenn es Erling kurz vor einem solchen Unglück gelang, das Schlimmste zu verhindern, pflegte er die Augen zu verdrehen und die Finger vor Verzweiflung weit auseinander zu spreizen, während er stöhnte: «Krümel, du wirst noch der Nagel zu meinem Sarg!»

Aber Jesper lachte dann bloß und antwortete: «Ach Quatsch, du dickes Kamel! Jetzt bin ich doch schon seit vielen Jahren mit Erfolg Küchenjunge gewesen, und ihr seid mit meinem Essen alle zufrieden, auch dann wenn ich ... na ja, manchmal ... die Gewürze verwechsle. Peter jedenfalls findet, ich sei ein Genie im Nachtischzubereiten.»

«Peter», unterbrach Erling seufzend. «Mit dem kannst du doch nicht rechnen, der ist ein Allesesser aus Fünen! Dem ist es egal, ob du Mehl, Gelatine oder Senf in den Nachtisch tust.»

Und auf diese Weise konnten die beiden Freunde lange diskutieren. Erling betrachtete es als eine Ehre, wenn man in ihm einen Meisterkoch sah, während Jesper das Ganze etwas großzügiger ansah ...

Gegen Abend kam die afrikanische Küste in Sicht. Wie eine dünne, dunkle Linie zeichnete sie sich am südöstlichen Horizont ab, und nach den Berechnungen sollte es der ‹Flying Star› schon am nächsten Tag gegen Mittag möglich sein, in den Hafen von Casablanca einzulaufen. Die Jungen waren so gespannt, daß sie kaum noch wußten, wie sie die Zeit bis dahin verbringen sollten. Peter Nielsen versuchte ihre Vorfreude zu dämpfen. Verschmitzt sagte er: «Nein, Jungen, erwartet nicht allzuviel von Casablanca, sonst werdet ihr womöglich enttäuscht.»

«Bist du schon dort gewesen?» fragte Erling.

«Millionen Male», nickte Peter Nielsen, der nie mit kleinen Ziffern rechnete. «Eigentlich kann man mit Recht behaupten, daß Casablanca meine zweite Heimat ist. Ich habe Tausende von Freunden in der Stadt. Wenn ich komme, wird ein roter Teppich ausgerollt, und zwar von ganz oben am Luxushotel bis hinunter zu dem Dampfer, mit dem ich komme. Ihr könnt euch drauf verlassen, daß wir Spaß in der Stadt haben. Und ein paarmal die Woche gehen wir auf Großwildjagd in der Umgebung ...»

«Großwildjagd, nein wirklich?» murmelte Jesper hingerissen. «Das hast du auch schon mitgemacht, Peter? Hattest du keine Angst?»

Peter Nielsen brüstete sich: «Angst? Faß dich an deine Nase! Natürlich hatte ich keine Angst. Ich habe in ganz Marokko einen großen Namen als Jäger. Hm und ob, ich habe schon eine Unzahl von Elefanten erlegt ... und Nashörner, Tiger und dergleichen.»

«Ach, Tiger auch?» unterbrach ihn Erling munter.

«Ja, Tausende», erklärte Peter Nielsen stolz. «Im Verlauf der Jahre habe ich so viele erlegt, daß die Behörden fast schon Schutzbestimmungen erlassen mußten, um das Wild zu schonen. Sie hatten Angst, ich würde so viele Tiger schießen, daß für die zoologischen Gärten keine übrigblieben ...»

«Sehr merkwürdig», lachte Erling. «Wir anderen haben da etwas in der Schule gelernt über Afrika ... na ja, es soll hier nämlich gar keine Tiger geben.»

Peter zögerte ein wenig. «Ja ... hm ... na ja, nein, kann schon sein, daß es jetzt keine mehr gibt. Hm ... ich glaube ... ich habe vor fünf Jahren den letzten erlegt!»

Die Jungen amüsierten sich köstlich, denn in den vergangenen Wochen waren sie mit Peters Seemannsgarn ganz vertraut geworden. Der Gute legte immer so dick auf, daß niemals Zweifel über seine Geschichten bestehen konnten. Und langweilig war es nie, wenn er seine Geschichten von Stapel ließ. Wäre Peter Nielsen nicht ein so großartiger Seemann geworden, dann hätte er ohne Schwierigkeiten Schriftsteller sein können. Zumindest fehlte es ihm nicht an der nötigen Phantasie!

Casablanca – oder wie die Araber die Stadt nennen: Dar el Beida – wurde Anfang des 15. Jahrhunderts von den Portugiesen angelegt. Mehrere Jahrhunderte hindurch blieb die Stadt ohne besondere Bedeutung, aber inzwischen ist sie zur größten Stadt in Französisch-Marokko herangewachsen. Casablanca ist auch der wichtigste Hafen, während Rabat nach wie vor der Sitz der Regierung ist.a Zu Beginn dieses Jahrhunderts zählte Casablanca nur etwa 10 000 Einwohner, aber schon um 1950 war die Einwohnerzahl auf 560 000 angewachsen, was fast einem Weltrekord der schnellen Entwicklung einer Stadt gleichkommt.

Die Stadt hat einen prächtigen Hafen, der aus mehreren Hafenbecken besteht, welche von einem zweieinhalb Kilometer langen Deich gegen die oft hohen Wellen des Atlantik geschützt werden. Unten am Hafen befindet sich die Altstadt, die fast ausschließlich von den Eingeborenen bewohnt wird. Um diesen Stadtteil ist die neue Stadt in großen Halbkreisen entstanden, die sich landeinwärts ausbreiten. In großen Zügen läßt sich die neue Stadt in einen Stadtteil des Handels, einen der Industrie und einen der Vergnügungen aufteilen. Natürlich gehen diese Stadtteile ineinander über, aber besonders das Vergnügungsviertel ist abends deutlich erkennbar. Aus den großen Tanzlokalen ertönt Jazzmusik, die Kinos zeigen die neuesten amerikanischen Filme, und es werden auch moderne europäische Stücke gespielt. Bunte Neonreklamen und moderne amerikanische Autos beleben das ohnehin schon farbenprächtige Straßenbild. Wenn man auf dem breiten Boulevard de la Gare steht und sich die Palmenallee wegdenkt, die in der Mitte der Straße verläuft, kann man wirklich vergessen, daß man sich mitten in einer afrikanischen Stadt befindet. Im Stadtbild dominiert natürlich die eingeborene Bevölkerung, aber dem Straßenverkehr und den modernen Gebäuden nach zu urteilen, könnte man sich ebensogut in Europa oder Amerika befinden. Selbstverständlich hat Casablanca auch einen modernen Flughafen, verschiedene Eisenbahnlinien strahlen von Casablanca aus, und im Hafen ist immer etwas los.

Während des Zweiten Weltkrieges – im November 1942 – wurde die Stadt von alliierten Marineeinheiten angegriffen und erobert, und einige Monate später wurde dort die berühmte ‹Casablanca-Konferenz› abgehalten, bei der Winston Churchill, der damalige britische Premierminister, und der amerikanische Präsident Roosevelt wichtige Abmachungen über die Weiterführung des Krieges trafen. Auch Stalin wurde zu diesem Zusammentreffen eingeladen, glänzte jedoch durch Abwesenheit. Es ging auch sehr gut ohne ihn.

Wenn man aus einem modernen Stadtteil in die Altstadt kommt, befindet man sich sogleich in einer ganz anderen Welt. Im Eingeborenenviertel sind die Straßen eng und ziemlich schmutzig; die Häuser haben kaum je Fenster zur Straße und sehen wie halbverfallene Ruinen aus. Das Leben auf der Straße ist ganz anders als in den modernen Vierteln. Wie man weiß, sind die Araber nicht übermäßig fleißig, aber sie sind recht gute Handwerker, und in den vielen Läden werden Waren ausgestellt, die jeden Touristen anlokken. Besonders die schönen handgewebten Teppiche und die aus Kamelleder gefertigten Artikel sind als Mitbringsel bei den ausländischen Käufern sehr beliebt. Das Handeln mit den Arabern erfordert allerdings eine Engelsgeduld, denn der eingeborene Händler beginnt meist mit einem Preis, der fast doppelt so hoch ist wie der, zu dem er schließlich mehr als gern verkauft.

Die ‹Flying Star› legte in einem der inneren Hafenbecken an, aber es war doch schon so spät geworden, daß Ingenieur Smith die Hafenbehörden erst am folgenden Morgen aufsuchen konnte. Dies teilte er während des Abendessens in der Kajüte mit und gab den Jungen gleichzeitig ein paar gute Ratschläge für den Aufenthalt in Casablanca.

«Wie ihr ja schon alle wißt, sind die Verhältnisse in den marokkanischen Städten längst nicht mehr so friedlich wie früher. In den Zeitungen haben wir immer wieder gelesen, wie häufig sich hier Morde und andere blutige Auseinandersetzungen ereignen. Der Haß gegen die Europäer ist erneut gewachsen. Natürlich ist die Gefahr in einsamen Gegenden am größten, aber auch in den Städten sollte man auf der Hut sein. Habt ihr vor, das Eingeborenenviertel zu besuchen?»

«Ja ... doch ... davon haben wir gesprochen», gab Jan zu.

Der Ingenieur nickte. «In Ordnung. Ich habe nichts dagegen, aber ich verlange von euch, daß ihr immer zusammen geht und daß ihr Peter Nielsen mitnehmt.»

«Ist es denn ... ich meine, ist es so gefährlich?» murmelte der kleine Jesper und schielte ängstlich seine Freunde an.

«Es könnte gefährlich werden, Jesper», sagte Ingenieur Smith. «Ich glaube zwar nicht, daß das Risiko sehr groß ist, aber ihr solltet immer zusammenbleiben.»

«Besteht denn die Gefahr, daß man erschlagen wird?» wollte Jesper wissen. Dabei schaute er verängstigt auf die Tür, als erwarte er jeden Moment einen wilden Araber mit erhobenem Messer auftauchen zu sehen.

«Wäre es nicht besser, wenn wir alle hier auf dem Schiff blieben und es uns gemütlich machten?»

Erling klopfte seinem kleinen Freund freundschaftlich auf die Schulter. «Lieber Krümel, sei ohne Angst! Wenn du dich nur hinter dem breiten Rücken deines Onkels Erling hältst, wird dir schon nichts zustoßen. Die blutdürstigen Araber werden dich dann einfach nicht sehen.»

«Ja, das mag ja sein. Aber dich können sie unmöglich übersehen», meinte Jesper. «Was habe ich schon davon, hinter deinem Rücken zu stehen, wenn du mit der Nase in die Luft gestreckt und einem Messer im Rücken daliegst?»

«Dann würdest du flach wie ein Pfannkuchen gedrückt werden, mein Freund ... und dann hast du auch keinen Grund zur Angst mehr.»

Ingenieur Smith mußte lächeln, aber seine Stimme blieb dennoch ernst. «Na ja, Jungen, es wird schon alles in Ordnung gehen, wenn ihr euch bloß nach meinen Anweisungen richtet. Und solltet ihr vorhaben, im Eingeborenen viertel einzukaufen, dann möchte ich euch noch ein paar Tips geben. Ohne Zweifel könnt ihr eine Menge schöner Dinge dort finden, aber aufpassen müßt ihr! Vieles, was den gutgläubigen Touristen hier aufgeschwatzt wird, ist keineswegs von fleißigen Eingeborenen hergestellt worden, sondern wird schlicht und einfach aus Deutschland und Japan eingeführt.»

«Das darf nicht wahr sein», ertönte es im Chor.

Smith nickte lächelnd. «Worauf ihr euch verlassen könnt! Deutschland und Japan exportieren eine Menge Waren nach Marokko, die dann hier als ‹echte Heimarbeit afrikanischer Herkunft› verkauft werden. Wenn die Touristen dann zu ihren Familien zurückkehren und stolz ihre Einkäufe vorzeigen, werden sie natürlich nicht schlecht ausgelacht, wenn das wunderschöne Zeichen ‹Made in Germany› entdeckt wird. Und schließlich noch eins. Zahlt niemals den Preis, den ein arabischer Kaufmann zu Beginn verlangt. Wenn es einen bestimmten Artikel gibt, den ihr unbedingt haben möchtet, dann müßt ihr mit dem Kaufmann so lange handeln, bis er ihn für ein Drittel des ursprünglich verlangten Preises hergibt.»

«Darauf läßt sich doch ein Araber nie ein», meinte Carl.

Der Ingenieur lachte. «Aber gewiß, du mußt nur genügend Geduld haben. Vergiß nicht, daß ein Araber richtig enttäuscht ist, wenn du nicht mit ihm handelst. Nach Herzenslust Handeln ist ja sein ganzer Spaß, und er weiß genau, daß er nicht übervorteilt wird. Ja, so sind nun einmal die Handelsbräuche in Casablanca und anderen afrikanischen Städten, man muß es bloß wissen. Wenn ein Fremder das zahlt, was zu Anfang verlangt wird, dann verachten ihn die Araber höchstens ein wenig.»

«Vielleicht kommt er sich obendrein etwas geprellt vor?» fragte Jan lächelnd.

«Ja, so kann man es ausdrücken», nickte der Ingenieur. «Und damit habe ich euch ein paar Ratschläge gegeben, die ihr tunlichst befolgen solltet. Vor allem bestehe ich darauf, daß ihr nur gemeinsam ausgeht. Sind wir uns darin einig?»

«Vollkommen», ertönte es im Chor. «Wir werden schon aufpassen!»

«Gibt es im Araberviertel nicht französische Polizei?» fragte Jesper etwas bedrückt.

Der Ingenieur lächelte. «Doch, natürlich, Jesper, aber ab und zu sieht man sie nicht. Und du darfst nicht vergessen, daß sich Europäer auf eigene Gefahr in die Araberviertel begeben. Das wird von den französischen Behörden immer wieder betont. Wenn man erst auf mysteriöse Weise in einem der Eingeborenenviertel verschwunden ist, besteht die Möglichkeit, daß man nie wieder auftaucht. Die Araber halten zusammen ... das mußt du dir merken!»

«Ja», murmelte Jesper. «Das werde ich mir bestimmt merken, darauf können Sie sich verlassen. Sind die Araber geschickt im Umgang mit Messern?»

«Erstklassige Spezialisten», nickte Smith.

Es schüttelte Jesper beim bloßen Gedanken, und er war noch immer bedrückt und schweigsam, als er eine halbe Stunde später mit seinen Freunden zusammen draußen auf Deck saß. Erling bemerkte das und sagte tröstend: «Nun laß den Kopf nicht hängen, mein Freund; ich habe gute Nachrichten für dich ...»

«Wie?»

Erling nickte. «Ja, morgen, wenn wir unseren ersten Besuch in der Altstadt machen, muß einer hier als Wache zurückbleiben ... und das wirst du sein!»

Jesper zuckte zusammen, und einen Augenblick lang blieb er ganz stumm sitzen. Natürlich wollte er einerseits ganz gern dem Ausflug entgehen, aber andererseits war er zu kameradschaftlich, um sich auf diese Weise zu drücken. Obwohl er nie ein Held im üblichen Sinn des Wortes gewesen war, hatte er sich doch immer als guter Kamerad erwiesen, wenn echte Gefahr bestand. Mag sein, daß er manchmal mit zitternden Knien und klopfendem Herzen seinen Mann gestanden hatte, aber gerade damit hatte er seine gute Kameradschaft bewiesen. Es ist ja nicht sonderlich großartig, wenn man in einer gefährlichen Lage hilft und sich dabei ganz furchtlos darauf verläßt, daß schon alles gutgehen wird ... nein, derjenige, der Angst hat, aber diese überwindet und seinen Kameradschaftsgeist siegen läßt, der ist der eigentliche Held. Daran dachte der kleine Jesper in diesem Moment nicht. Aber er richtete sich auf und warf Erling einen entschlossenen Blick zu, während er sagte: «Nein, soweit kommt es nun doch nicht, du dickes Kamel! Yan Loo kann als Wache hier an Bord bleiben. Wir haben durch die Jahre so viele Gefahren gemeinsam überstanden, und wenn jetzt etwas schiefgeht, dann will ich auch bei euch sein!»

«Bravo, Krümel!» sagte Jan ganz ernst. Sicher war er derjenige, der seinen kleinen Freund am besten kannte.

Jan und die Marokkaner

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