Читать книгу Jan wird Detektiv - Carlo Andersen - Страница 6
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ОглавлениеEinige Tage später radelte Jan zur Polizeidirektion, um seinen Vater abzuholen. Kriminalkommissar Helmer hatte inzwischen angestrengt an der Aufklärung des Bankraubs gearbeitet. Trotzdem schien die Lösung des Verbrechens noch in weiter Ferne zu liegen.
«Ich bin der festen Überzeugung», sagte der Kriminalkommissar, während er mit Jan durch die Stadt radelte, «daß wir die Verbrecher erwischen werden; aber das kann noch einige Zeit dauern. Wir kommen nur langsam vorwärts.»
«Hast du noch niemand in Verdacht?», fragte Jan.
Helmer blickte in das aufgeweckte Gesicht seines Sohnes. Er sprach gern mit Jan von seiner Arbeit; denn damit versuchte er, den Jungen dazu zu erziehen, Schlußfolgerungen anzustellen, auf Einzelheiten zu achten und klar und rasch zu denken. Aus diesem Grunde brachte er oft die Rede auf die Arbeit der Polizei und wachte darüber, daß Jan jede Frage gründlich durchdachte. «Ja», sagte er, «ich habe schon an einen alten Bekannten der Polizei gedacht, der gewöhnlich ‚Gentleman-Harry‘ genannt wird. Er ist vor ein paar Monaten aus dem Staatsgefängnis von Horsens entlassen worden; dort hat er wegen Raubes drei Jahre abgesessen. Mancherlei deutet darauf hin, daß Gentleman-Harry bei dem Bankraub seine Hand im Spiele hatte. Aber Beweise habe ich dafür noch nicht.»
«Was für ein Bursche ist er denn?»
«Er ist kein gewöhnlicher Dieb. Unter anderm ist er berühmt als Pistolenschütze. Auf diesem Gebiet hat er ganz einzigartige Fähigkeiten.»
«Und wo steckt er augenblicklich?»
«Das weiß ich nicht... noch nicht. Nach der Entlassung aus dem Gefängnis hat er sich eine kleine Wohnung am Frederiksberg gemietet. Er erzählte einem meiner Beamten, der sich eines Tages mit ihm unterhielt, daß er von nun an ein ehrenhaftes Leben führen und irgendeine Vertretung übernehmen wolle.»
«Ist er denn jetzt nicht mehr in seiner Wohnung?»
«Nein. Wir haben uns nach ihm umgesehen; aber der Vogel ist ausgeflogen. Die Hausbewohner sagen, daß ‚Kaufmann Larsen sich auf eine Geschäftsreise begeben hat‘, und das klingt ja ganz hübsch. Aber wohin ist dieser ‚Kaufmann‘ gereist? Ich will dir übrigens von einer Entdeckung erzählen, die wir bei der Durchsuchung von Gentleman-Harrys Wohnung gemacht haben, und sehen, ob du damit etwas anfangen kannst.»
«Ja, laß hören, Vater!» Jans Augen blitzten.
«Also paß auf: Im Badezimmer war noch nicht reingemacht worden, und wir sahen infolgedessen ein wenig über der Mitte der Badewanne einen dunklen Streifen, innen natürlich. Was besagt so ein Streifen?»
Jan antwortete ohne Zögern: «Er zeigt an, wie hoch das Badewasser stand. Seife und Schmutz bilden oft so einen Streifen.»
«Richtig. Auf dem Steinfußboden entdeckten wir einige schwarze Flecken, und außerdem hingen ein paar nasse Handtücher da, die ich von unserem Chemiker untersuchen ließ. Die Untersuchung ergab, daß die Handtücher mit Wasserstoffsuperoxyd durchtränkt waren. Was hältst du davon?»
Jan dachte nach. Sein Vater beobachtete ihn lächelnd. Die Frage war gar nicht so leicht zu beantworten; doch Jan liebte knifflige Denkaufgaben.
Schließlich kam es etwas zögernd über seine Lippen: «Wasserstoffsuperoxyd bleicht doch, nicht wahr?»
«Jawohl, entfärbt und bleicht.»
Jan sann wiederum nach und sagte dann: «Was für eine Haarfarbe hat Gentleman-Harry?»
«Er ist blond.»
«Dann könnte man meinen, er habe sich die Haare erst gefärbt und sie danach wieder entfärbt. Ist das richtig?»
Helmer lachte. «Du solltest das Geheimnis enträtseln, mein Junge! Mehr weiß ich selbst nicht. Deine Schlußfolgerung ist vernünftig; aber ob sie zutrifft, muß sich erst erweisen.»
«Was könnte er denn sonst mit dem Wasserstoffsuperoxyd gemacht haben?», beharrte Jan.
«Ich sage ja gar nicht, Herr Sherlock Holmes, daß du unrecht hast, sondern nur, daß wir noch nichts Bestimmtes wissen.»
«Kannst du mir keinen besonderen Hinweis geben, was diesen Gentleman-Harry betrifft?»
«Besondere Kennzeichen meinst du wohl?»
«Ja.»
«Er ist ein ziemlich flotter Bursche, groß und stark. Es ist nicht ganz ungefährlich, mit ihm aneinanderzugeraten. Aber er hat wirklich ein Kennzeichen, das so ausgeprägt ist, daß ihm alles Färben und Entfärben nicht viel nützen würde. Am rechten Arm hat er ein Muttermal, einen schmalen roten Streifen, der wie ein Armreif rings um das ganze Handgelenk geht. Diesem Kennzeichen kann Gentleman-Harry nicht entfliehen. Aber vielleicht schenken wir ihm ganz überflüssigerweise unsere Aufmerksamkeit; denn wer weiß, ob er am Ende mit der ganzen Sache überhaupt etwas zu schaffen hat? Erzähl mir nun lieber Neues von euren Seeräuberfahrten.»
Da begann Jan von dem fröhlichen Seglerleben mit den Kameraden zu berichten, und er hörte erst auf, als sie daheim angekommen waren.