Читать книгу Jan und das verhängnisvolle Telegramm - Carlo Andersen - Страница 5

Drittes kapitel

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Tags darauf hatte Jan Bedenken wegen der Lage, aber der Detektiv in ihm verlangte sein Recht. Es lockte ihn, zu seinem Vater sagen zu können: ‹Bitte sehr, du findest die Spionenbande da und da...› Große Hoffnungen hegte er zwar nicht, weil er ja keinen weiteren Anhaltspunkt hatte als die Tatsache, daß sich zwei Männer in einem Auto mit falschem Nummernschild für die Straße interessiert hatten, in der Kriminalkommissar Helmer und sein Sohn wohnten.

Trotzdem fühlte er instinktiv, daß etwas dahinterstecken mußte, und er dachte daran, daß seine Freunde immer behaupteten, er habe einen sechsten Sinn. Wenn er jetzt selbständig vorging, würde ihm der Vater bestimmt Vorwürfe machen, aber im stillen stolz auf ihn sein, falls sich die Nachforschungen als erfolgreich erwiesen. Im übrigen war Jan ehrlich genug, sich einzugestehen, daß er gern die Gelegenheit ergriff, die Langeweile zu vertreiben.

Mittags kam Jens, und gleich nach dem Essen zog Jan ihn in sein Zimmer, um mit ihm den Schlachtplan für den Abend zu entwerfen.

Aber die beiden hatten die Rechnung ohne Lis gemacht. Sehr bald schon platzte sie herein, ließ sich gemütlich nieder und sagte munter: «So, ihr Banditen, laßt hören, worum sich die Sache dreht!»

«Was für eine Sache?» murmelte Jan ein wenig verlegen. «Mir ist nicht klar, was du meinst, Lis.»

Sie lachte. «Wie naiv du auf deine alten Tage geworden bist! Ich kenne dich schon manches Jahr, Bruderherz, und es entgeht mir nicht, wenn du etwas im Schilde führst. Gestern abend hast du mit Jens etwas unternommen, und heute habt ihr eine neue Geheimniskrämerei. Rückt also heraus mit der Sprache!»

Die beiden jungen Männer wechselten einen Blick, und dann fragte Jan: «Kannst du ein Geheimnis für dich behalten, Lis?»

Sie fragte zurück: «Habe ich dir das nicht oft genug bewiesen?»

«Also gut, wir wollen dich einweihen.» Hierauf erzählte er ihr alles.

Als er geendet hatte, seufzte Lis schicksalsergeben. «Du bist schrecklich, Jan. Jahrelang hast du dich tollkühn in Abenteuer gestürzt, und nun willst du auch noch meinen geliebten Zukünftigen aufs Glatteis locken. Gehst du freiwillig mit, Jens?»

«Offen gestanden, ja», antwortete Jens.

Sie lachte. «Ihr beide paßt gut zusammen. In ein paar Monaten wollen wir heiraten, Jens, und da forderst du das Schicksal heraus. Meiner Meinung nach ist es gefährlich, Räuber und Gendarm zu spielen. Oder habt ihr am Ende vergessen, daß Werner Katz Vater entführt hat und böse Absichten mit ihm hatte?»

«Wir wissen ja nicht einmal, ob wir es wirklich mit Katz zu tun haben», rechtfertigte sich Jan.

Lis hob abwehrend die Hand. «Red keinen Unsinn! Du weißt recht gut, worum es geht. Aber weißt du es auch, Jens?»

«Gerade deshalb ist es ja so verlockend», antwortete Jens ehrlich.

Sie seufzte abermals. «Da kann man nichts machen.» Ihr Blick fiel auf Boy, der zwischen ihnen saß und aussah, als verstünde er jedes Wort. Sie streichelte den Hund und sagte: «Unter einer Bedingung lasse ich euch euren Willen. Ihr müßt Boy auf eure Expedition mitnehmen.»

«Das hatte ich ohnehin vor», gab Jan ernst zurück. «Du mußt uns nicht für leichtsinniger halten, als wir sind.»

«Dann bleibt mir nichts anderes mehr übrig, als euch Hals- und Beinbruch zu wünschen.»

Abends waren Jan und Jens wieder im Sportwagen unterwegs. Zu ihren Füßen lag Boy, der den Eindruck machte, als ob er etwas Besonderes erwartete. Sie fuhren in gleichmäßigem Tempo, aber auf der Straße nach Lyngby lenkte Jens den Wagen plötzlich zum Randstein und bremste. Jan fragte erstaunt: «Ist etwas nicht in Ordnung?»

Jens warf einen Blick auf den Rückspiegel, bevor er antwortete: «Das kann man wohl sagen, denn heute werden wir verfolgt.»

«Wie kommst du darauf?»

«Es fiel mir schon beim Kreisel auf. Wir hatten ein Auto dicht hinter uns, und es schien mir A 2204 zu sein. Jetzt hat der Wagen ungefähr fünfzig Meter hinter uns gehalten. Ich wollte nämlich die Probe machen. Was sollen wir nun tun?»

Jan überlegte. Dann sagte er: «Steig aus und mach dir irgendwie am Motor zu schaffen, damit sie nicht mißtrauisch werden. Inzwischen setze ich meine Gehirnzellen in Tätigkeit.»

«Wie lange willst du sie betätigen?»

«Du kannst drei Minuten lang an deinem Motor herumfummeln.»

Jens stieg aus, und es wirkte durchaus natürlich, als er die Motorhaube öffnete und irgendwelche Untersuchungen vornahm. Als er sich einige Minuten später wieder ans Steuer setzte, sagte Jan: «Du hältst dich doch für einen besonders guten Autofahrer, Jens. Nun zeig einmal, was du kannst. Die Kerle können unmöglich wissen, daß wir zu ihrem Bau unterwegs sind. Also müssen wir sie abschütteln. Kannst du wie der Blitz fahren?»

«Wenn mir die Verkehrspolizei kein Bein stellt», antwortete Jens kurz.

«Darauf müssen wir es ankommen lassen. Du schießt einfach mit einem Hechtsprung los, biegst bei der ersten Abzweigung nach rechts ab und fährst dann aufs Geratewohl kreuz und quer. Ich rechne damit, daß du unsere Verfolger abschütteln wirst.»

«Will mein Bestes tun. Halt dich fest, Jan!»

Obwohl dieser Rat scherzhaft gemeint war, wurde Jan in seinem Sitz zurückgeschleudert, als der Sportwagen losbrauste. Schon im zweiten Gang nahm das Tempo stark zu, und wenige Sekunden später sausten sie dahin. Jens warf einen Blick auf den Rückspiegel und sagte mit zusammengebissenen Zähnen: «Ja, sie folgen uns.»

«Jetzt rechts abbiegen!» befahl Jan. «Du mußt sie abschütteln.»

Die Reifen quietschten, als der Wagen abbog, und dann gab Jens erneut Gas. Er war ein glänzender Autofahrer, der mit seinem Wagen auf du und du stand, so daß er selbst bei größter Geschwindigkeit sein Auto beherrschte und nie ein dummdreistes Wagnis einging. In den nächsten fünf Minuten fuhr er kreuz und quer durch die Straßen, bis er zufrieden verkünden konnte: «So, ich glaube, nun sind wir sie los.»

«Bravo, Jens!» Jan seufzte erleichtert auf. «Wir wollen uns ein wenig Ruhe gönnen, bevor wir die Lyngby-Straße ansteuern.»

Jens schlug noch einige Haken und bog schließlich in die Lyngby-Straße ein. Sicherheitshalber spähte er die linke Seitenstraße hinab, aber der geheimnisvolle A 2204 war nirgends zu sehen.

Während sie in nördlicher Richtung weiterfuhren, führte Jan ein kleines Gespräch mit Boy: «So, mein Freund, jetzt hast du einen Vorgeschmack gehabt, wie es ist, wenn du mitmachen sollst. Dein Vater war ein tapferes Tier, das vor nichts zurückschreckte, und wenn du ihm nachschlägst, können wir mit dir zufrieden sein. Du wirst uns nicht enttäuschen, nicht wahr?»

Boy knurrte leise, als wollte er sagen: «Du kannst sicher sein, daß ich meinem berühmten Vater keine Schande machen werde.»

Auf der breiten Landstraße setzte der kleine Sportwagen die Fahrt ins unbekannte Abenteuer fort.

Natürlich mußten die beiden jungen Männer ihre Nachforschungen aufs Geratewohl betreiben. Sie wußten zwar, wo der Ford am vergangenen Abend verschwunden war, aber weitere Anhaltspunkte hatten sie nicht. Für alle Fälle parkten sie den Wagen in einiger Entfernung von der Stelle, und da Boy aufs Wort gehorchte, durfte er vorläufig frei laufen.

Ringsum gab es hier, an der Grenze zwischen Stadt und Land, viele kleinere Häuser, doch dazwischen breiteten sich Wiesen mit einzelnen Gehöften aus, die der Ausbreitung der Großstadt bisher Widerstand geleistet hatten. Auch Wald war zu sehen, und weiter vorn glänzte der Furesee wie ein Spiegel im klaren Mondschein.

Nach kurzer Beratung einigten sich Jan und Jens, getrennte Wege zu gehen und sich nach einer halben Stunde wieder beim parkenden Sportwagen zu treffen; jeder sollte auf eigene Faust versuchen, «etwas herauszufinden». Jan hatte mehr Glück als Jens, denn als sie sich wieder trafen, konnte er berichten:

«Wir sind bestimmt auf einer Spur, Jens. Ich traf zufällig einen Burschen, der sich als Ausläufer einer Bäckerei ausgab und nicht sehr hell aussah, so daß ich keine Hemmungen hatte, ihn auszufragen. Er erzählte mir, daß ein deutscher Schriftsteller vor ein paar Monaten hier in der Nähe ein altes Gärtnerhaus gekauft oder gemietet hat. Er soll ein ordentlicher Mann sein, der still und friedlich seiner Schriftstellerei lebt; aber mir scheint, wir sollten ihn uns etwas näher ansehen. Ich könnte mir vorstellen, daß er in Wirklichkeit gar nicht so ordentlich ist.»

Jens nickte. «Jedenfalls wird es nichts schaden, wenn wir uns das alte Gärtnerhaus näher ansehen.»

Fünf Minuten später näherten sie sich der ehemaligen Gärtnerei, die recht verwildert war; von der einstigen blühenden Herrlichkeit zeugten bloß noch an die fünfzig Obstbäume. In dem großen Hauptgebäude war nur ein Fenster erleuchtet.

Jan warf einen Blick über die niedrige Dornenhecke und sagte leise: «Ich fühle einen unbezähmbaren Drang, durch das erhellte Fenster zu gucken. Warte du hier mit Boy.»

«Sollten wir nicht lieber zusammen gehen?» wandte Jens ein.

«Nein. Allein kann man sich besser helfen, Jens. Bis gleich!»

Jan verzichtete darauf, das Gartentor zu suchen, er benutzte eine kleine Öffnung in der Hecke. Er vergrößerte sie, wobei er sich zwar die Hände zerkratzte, aber auf diese Weise konnte er in den Hintergarten eindringen, wo er sicherer zu sein glaubte als auf der Vorderseite. Hier hatte er eine Blockhütte vor sich, die er für einen Geräteschuppen hielt; doch plötzlich kam ihm der Gedanke, daß sie ja als Garage dienen könnte. Sie stand halb im Schatten des Hauses; die Seite, auf der sich die Tür befand, wurde vom Mondlicht beschienen. Er beschloß nachzusehen. Vorsichtig huschte er zu der Tür, die angelehnt war. Sie knarrte ein wenig, als er sie aufmachte. Wahrhaftig, das kühne Unterfangen lohnte sich – drinnen stand ein Auto, und deutlich erkannte Jan das Nummernschild: A 2204!

Obwohl diese Entdeckung für ihn keine sonderliche Überraschung bedeutete, lächelte er frohlockend vor sich hin. Nun war er seiner Sache so gut wie sicher.

Schnell glitt er wieder in den Schatten und schlich unter das erleuchtete Fenster, obwohl er das letzte Stück im Mondschein zurücklegen mußte. Er war sich darüber klar, daß er jetzt das größte Risiko einging. Die Fassade wurde vom Mond beschienen. Um zu dem Fenster hineinzuspähen, blieb ihm nichts anderes übrig, als ein paar Meter am Spalier hinaufzuklettern. Gegebenenfalls konnte er dabei vom Weg aus gesehen werden.

Er hielt sich so behutsam wie möglich am Hauptstamm des Spaliers fest und arbeitete sich empor. Einige Zweige knackten, und Blätter fielen zu Boden; aber Jan sagte sich, daß die leisen Geräusche nur von seinem Bewußtsein aufgenommen wurden. Drinnen im Zimmer waren sie sicher nicht zu hören.

Als sich sein Kopf in gleicher Höhe mit dem Fenstersims befand, konnte er nur hoffen, daß niemand in dem erhellten Zimmer zufällig zum Fenster blickte. Zentimeter um Zentimeter schob er den Kopf hoch, bis er ins Zimmer zu spähen vermochte.

In dem recht spärlich eingerichteten Raum saß ein Mann mit dem Rücken zum Fenster, und vor ihm standen zwei andere, die ihm offenbar eine Erklärung abgaben, während der Sitzende unbeweglich zuhörte. Jan vernahm nur ein Gemurmel, obwohl er sich anstrengte, die Worte zu verstehen.

Er mußte es darauf ankommen lassen. Er schob sich noch etwas höher, legte das Ohr an die Scheibe und hielt den Atem an. Deutlich hörte er den einen Mann sagen: «Und wenn es heute abend auch schiefging, werden wir ihn schon noch abknallen!»

Jan schrak so sehr zusammen, daß er mit dem Kopf seitwärts an die Scheibe schlug. Der andere Mann schaute zum Fenster, stieß einen Ruf aus und deutete mit dem Zeigefinger hin. Der Sitzende sprang auf und fuhr herum. Jan erschrak noch mehr, denn hätte er es nicht besser gewußt, so hätte er darauf schwören können, daß dieser Mann der Meisterspion Paul Katz war.

In seiner Benommenheit ließ er den Stamm des Spaliers los, rutschte mit krampfhaft haltsuchenden Händen abwärts und prallte ziemlich unsanft auf den Boden. Wie im Traum hörte er, daß das Fenster aufgerissen wurde. Dann vernahm er laute Rufe und stampfende Schritte.

Sowie er sich aufgerafft hatte, rannte er los. Es glückte ihm, das Loch in der Hecke sogleich wiederzufinden, und ohne der Dornen zu achten, stürzte er zum Weg und rannte weiter.

Jens kam ihm mit dem Ruf entgegen: «Was ist geschehen, Jan?»

«Ich war...» Mehr konnte Jan nicht sagen, denn in diesem Augenblick tauchte Katz an der Ecke der Dornenhecke auf und brüllte: «Halt, oder ich schieße!»

Die beiden Freunde standen wie versteinert, als Katz mit gezückter Pistole auf sie zustürzte; aber dann befahl Jan: «Faß, Boy!»

Der kluge Hund hatte offenbar nur auf dieses Kommando gewartet; mit einem Satz sprang er auf den Mann zu.

Sogleich krachte ein Schuß. Katz hatte seine Pistole auf Boy abgefeuert.

Anscheinend war der Hund nicht getroffen worden, denn mit wildem Knurren biß er sich am Hosenbein des Gegners fest, der fast hintenüber gefallen wäre. Blitzschnell spielten sich die Ereignisse ab. Die beiden andern Männer kamen jetzt angelaufen, und der größere – ein wahrer Riese – packte Boy am Halsband, riß ihn zurück und schleuderte ihn im Bogen über die Hecke.

«Weg! Schnell weg!» schrie Katz und lief zurück. Die Männer folgten ihm.

Ein grauer Schatten flog über die Hecke. Das war Boy, der den Flüchtenden nachsetzen wollte, aber Jan befahl scharf: «Boy, komm her!»

Der Hund blieb stehen, sichtlich im Zweifel, was er tun sollte, und Jan wiederholte das Kommando.

Diesmal gehorchte Boy und blickte verständnislos zu seinem jungen Herrn auf. Jan tätschelte ihm den Kopf. «Brav, Boy, sehr brav!»

Die drei Männer waren um die Ecke gebogen. Jens fuhr sich mit der Hand über die feuchte Stirn und fragte verwundert: «Warum hast du Boy die drei Banditen nicht fangen lassen?»

Jan schüttelte den Kopf. «Katz hat auf Boy geschossen, ohne ihn zu treffen; aber wer weiß, ob er das zweitemal nicht besser schießt...»

Boy lief plötzlich den Weg entlang und kehrte mit einem Stoffetzen im Maul zurück.

«Brav, Boy, brav!» rief Jan und streichelte ihn. «Den Mann haben wir nicht erwischt, aber ein Stück von seinem Anzug, das uns vielleicht dienlich sein wird.» Er steckte den Fetzen ein. «Ich bin billig mit ein paar Kratzern weggekommen, Jens, und nun schlage ich vor, daß wir uns das Haus inwendig etwas näher ansehen.»

«Was sagst du?» erwiderte Jens verblüfft. «Du willst das Haus untersuchen? Dorthin sind die Kerle doch gelaufen.»

«Das bezweifle ich stark», erklärte Jan. «Als Katz und seine Helfershelfer Hals über Kopf Reißaus nahmen, wurden sie nur von dem Gedanken getrieben, daß auch wir Helfer in der Nähe haben, und zwar die Polizei. Daß wir auf eigene Faust vorgegangen sind, werden sie niemals annehmen. Bestimmt haben sie das Feld geräumt.»

«Wenn du meinst...» gab Jens zögernd zurück. «Aber ist es mir vielleicht gestattet, erst einmal meine Pfeife anzuzünden und mich von dem Schrecken zu erholen?»

«Schmauch nur los», sagte Jan lächelnd, «wenn es deinen Nerven guttut.»

Jan und das verhängnisvolle Telegramm

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