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Zweites kapitel

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Die Sonne schien fröhlich über dem Hafen Hellerup, und die vielen Segelsportfreunde beeilten sich, ihre Boote für die Fahrt in Ordnung zu bringen. In dem schönen Hafen rührte sich ein buntes Leben, und es erweckte grosse Aufmerksamkeit, als auf einmal die Wagen der Rex-Filmgesellschaft erschienen.

Der Regisseur Josef Bergvall sprang aus seinem eleganten Sportwagen und ging, gefolgt von den Technikern der Filmgesellschaft und einigen Schauspielern, zum Kai. Zwei Boote der Junioren des Segelkiubs waren schon klar zur Ausfahrt. Die Knaben hatten sich bereits in aller Frühe an die Vorbereitungen gemacht, und natürlich herrschte grosse Spannung unter ihnen.

Sogar Erling, der sonst immer dazu neigte, jede Lage auf überlegenste Weise zu nehmen, war etwas benommen von all dem, was nun geschehen sollte. Er erteilte Befehle nach rechts und links; aber niemand hörte auf ihn; denn jeder hatte genug damit zu tun, auf die eigenen Angelegenheiten zu achten. Schliesslich setzte sich der dicke Erling auf den Kai, liess die Beine aufs Wasser hinunterbaumeln und zog es vor, die andern mit mehr oder minder witzigen Bemerkungen anzuspornen.

«Man sollte meinen, ihr hättet noch nie im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit gestanden», sagte er. «Schaut mich an, wie ruhig ich es nehme!»

Jan konnte nicht umhin, zu lächeln; denn Erling war alles andere als ruhig. Immerzu bückte er zu der Strasse hinauf, wo die Autos der Filmgesellschaft hielten; fortwährend rückte er die lange Krawatte zurecht, die er sich mit elegantem Knoten um den Hals gebunden hatte, und unablässig trommelten seine Beine an das Holzwerk des Kais, womit er deutlich verriet, wie aufgeregt er war.

«Du solltest mir lieber beim Setzen der Segel helfen», mahnte Jan. «Du sitzt nur da und tust nichts, dabei müssen die Boote für die Aufnahmen in Ordnung sein.»

«Na, schön, wenn du einen Fachmann brauchst», antwortete Erling und sprang in das Boot hinunter; aber er sprang keineswegs leichtfüssig, und es sah beinahe aus, als würde er über Bord fallen.

In diesem Augenblick trat Josef Bergvall zu ihnen.

«Guten Morgen, Jungen», grüsste er vergnügt. «Na, seid ihr bereit fürs Tagewerk?»

«Mehr als das», erwiderte Erling. «Wir haben uns noch nie im Leben so angestrengt. Wir haben heute nacht kaum geschlafen aus Angst, wir könnten nicht fertig werden, bis Sie kommen.»

«Grossartig. Wir fangen gleich an.»

Bergvall liess sich auf dem Kai nieder, blinzelte in den Sonnenschein und verschaffte sich einen Überblick über die Lage.

«Ihr müsst wissen», sagte er, «die Bilder, die wir jetzt aufnehmen werden, sollen als Hintergrund für eine der wichtigsten Szenen des Films dienen. Darum ist es von entscheidender Bedeutung, dass alles so natürlich und echt wie möglich vor sich geht. Wir stellen die Kamera zuerst hier oben auf dem Kai auf, und ihr habt nichts anderes zu tun, als die Boote weiter in Ordnung zu bringen und dann, wenn ich das Zeichen gebe, abzustossen und in See zu stechen. Später drehen wir noch ein paar Bilder draussen auf dem Meer. Dort sollen eure beiden Boote um die Wette segeln. Wir haben zwei Motorboote, die euch folgen werden. Es ist für uns gleichgültig, welches Boot zuerst ankommt; wichtig ist, dass man den Eindruck eines wirklichen Wettkampfes zwischen den Booten hat. Auch diese Bilder werden als Hintergrund für eine Szene im Film gebraucht. Möchtet ihr gern wissen, wie man eine solche Hintergrund-Aufnahme macht?»

Natürlich interessierte das die Knaben im höchsten Grade. Das Filmwesen und seine ganze seltsame Welt übten eine grosse Anziehungskraft auf sie aus.

Bergvall erklärte:

In dem Film kommt eine Szene vor, wo die Hauptpersonen am Hafen stehen und miteinander reden. Hinter ihnen sieht man zwei Boote, die zur Ausfahrt klar machen. Wie wird das nun gedreht? Die Schwierigkeiten bestehen weniger im Photographischen als im Ton. Tonaufnahmen im Freien sind keine einfache Sache, und man erzielt ein besseres Ergebnis, wenn man die Nahaufnahmen im Atelier macht und auf die Naturaufnahmen kopiert. Deshalb nehmen wir die Boote und euch jetzt auf, entwickeln den Film und verwahren ihn, bis die Szene mit den Hauptpersonen aufgenommen wird. Wenn wir soweit sind, bringen wir die Aussenaufnahmen, die wir heute machen werden, ins Filmstudio und lassen dieses Teilstück des Films ablaufen. Die Bilder werden jedoch nicht auf die übliche Filmleinwand projiziert, sondern auf einen grossen Glasschirm. Die Hauptpersonen stellen sich vor diesen Schirm und spielen ihre Szene, die nun mit diesem Hintergrund gefilmt wird. Wird der fertige Film später vorgeführt, so sieht man nicht, dass es zwei Aufnahmen sind, sondern man hält es für eine echte Aussenaufnahme. In der Ruhe des Ateliers, wo uns alle möglichen technischen Hilfsmittel zur Verfügung stehen, wird die Tonaufnahme viel besser, ganz abgesehen davon, dass wir ja die Hafengeräusche hier gar nicht nach Belieben abstellen können. Das gleiche gilt für die Aufnahmen, die wir draussen auf dem Meer machen wollen. Es wäre unmöglich, die gesamte Tonaufnahme-Apparatur mit hinauszunehmen. Deshalb müssen wir euer Wettrennen als Hintergrund aufnehmen und die Schauspieler hernach so vor dem Glasschirm filmen, dass es aussieht, als sässen sie in einem Boot und sähen eurer Fahrt zu. Jetzt wisst ihr also, wobei ihr mitzuwirken habt. Fangen wir nun mit der Arbeit an!»

Josef Bergvall erhob sich und gab dem Kameramann ein Zeichen, der inzwischen die Kamera so aufgestellt hatte, dass sie auf die Boote und die Knaben gerichtet war.

«Dazu braucht man uns also», brummte Erling. «Ich glaubte, ich sollte ein Filmstern werden, dabei diene ich nur als Hintergrund. So habe ich mir das nicht gedacht!»

«Das hättest du dir aber selbst sagen können», lachte Jan. «Ich habe mich oft genug bemüht, dir begreiflich zu machen, dass du, wenn du weiterhin so viel isst, derartig aufquellen wirst, dass du dich nur noch zum Hintergrund eignest.»

«Ich finde, meine künstlerische Ehre wird auf jede erdenkliche Weise gekränkt», erwiderte Erling. «Na, sehen wir halt zu, dass das Boot klar zur Ausfahrt wird.»

Bergvall, der mit dem Kameramann gesprochen hatte, kehrte zum Kai zurück.

«Ihr könnt damit rechnen, dass es noch vier bis fünf Minuten dauern wird, bis wir zu drehen anfangen, und bis ihr das Zeichen zur Ausfahrt bekommt. Ist es möglich, dass ihr euch noch so lange mit den Booten beschäftigt?»

«Natürlich», rief Jan. «Das wichtigste ist also, dass wir klar zum Start sind, sobald Sie uns das Zeichen geben?»

«Ganz recht», nickte der Regisseur.

Um alle Neugierigen fernzuhalten, mussten die Filmleute eine Absperrung vornehmen. Nur einige Segelsportler durften sich innerhalb der Seile bewegen; Bergvall bat sie, hin- und herzugehen, damit der Hafen im Film nicht ganz menschenleer aussähe.

«Alles bereit zur Aufnahme!» rief er, und die Kamera begann zu surren.

«Nur gut, dass man reden kann, wie man will», murmelte Erling. «Was sollen wir denn nun machen?»

«Wir holen das Focksegel ein und hissen es noch einmal», ordnete Jan an. «Du, Erik, setz dich an die Ruderspinne.»

Erik war der dritte Mann der Bootsbesatzung, ein ruhiger, bescheidener Junge, den die Filmaufnahme nicht sehr zu berühren schien.

Jan und Erling begannen das Segel einzuholen. Auf dem andern Juniorenboot beschäftigte man sich auf ähnliche Weise.

«Ihr fahrt zuerst aus», rief Jan zu dem andern Boot hinüber.

«Wir sind gleich klar», lautete die Antwort. «Fein, dass wir guten Wind haben; da gibt es einen sauberen Start. Es wäre eine schöne Blamage, wenn wir in dem Film festliegen und herumplantschen würden. So kommen wir wenigstens auf stilvolle Weise ab.»

«Erling, setz das Focksegel! Erik, pass du auf die Schote auf!»

Jan gab seine Befehle deutlich und korrekt. Alles war zur Ausfahrt bereit.

Da hörten sie Bergvall rufen: «Anker auf! Los!»

Das erste Juniorenboot stiess ab und fuhr mit vollen Segeln hinaus.

«Vorwärts! Vorwärts!» brüllte Erling, dem der Schweiss übers Gesicht lief. Er war so aufgeregt, dass Jan nahe daran war, ihn auszulachen.

«Auf die andere Seite hinüber, Dicker!» rief Jan. «Wir brassen!»

«Dann komme ich aber nicht aufs Bild» widersprach Erling. «Das könnte dir so passen, dass ich...»

Weiter kam er nicht. Der Baum des Großsegels schlug hinüber, während der Wind das Segel füllte. Erling wurde in den Bauch getroffen, und der grosse Filmstern fiel mit einem Platsch ins Wasser!

Brüllendes Gelächter erhob sich am Hafen, wo alle Segelsportler standen und das Manöver der Knaben verfolgten.

Erling tauchte prustend und spuckend aus den blauen Wellen auf. Wie immer, wenn es wirklich darauf ankam, nahm er die Lage mit gutmütigem Humor hin.

«Seid so freundlich und holt mich hier ab, wenn ihr zurückkommt», sagte er. «Ich werde inzwischen Wasser treten.»

Hierauf schwamm er höchst vergnügt zum Land und liess sich von den Zuschauern hinaufhelfen, die vor lauter Lachen beinahe selbst ins Wasser gefallen wären.

Jan musste wider Willen ebenfalls lachen. Er blickte seinem dicken Freund nach, indes das Boot aus dem Hafen hinausglitt. Erik, der am Steuerruder sass, schüttelte sich vor Lachen.

Eine Viertelstunde später waren die beiden Boote wieder im Hafen. Bergvall erklärte sich mit der Aufnahme zufrieden.

«Ihr wart gerade nicht im Bild, als dein Freund ins Wasser fiel», sagte er zu Jan. «Das hätte sich im Film nicht sehr gut gemacht; aber so war es ein köstliches Erlebnis.»

«Wo ist er?» fragte Jan, dem das Lachen immer noch in der Kehle gluckste.

«Hier, Herr Kapitän», antwortete Erling, der hinter dem Regisseur auftauchte.

Er hatte sich mittlerweile im Klubhaus umgezogen und war mit einer grossen Portion Eiscreme versehen. «Ich bat dich, mich auf dem Rückweg abzuholen; aber da ich weiss, wie unzuverlässig du bist, zog ich es vor, an Land zu schwimmen. Das Volk huldigte mir wegen meines mutigen Einsatzes, und die Rex-Filmgesellschaft hat mich zum Admiral des Eiscrememeers ernannt. Es war ein Erfolg auf der ganzen Linie.»

«Es gefällt mir, wie du dein Pech hingenommen hast», sagte Bergvall anerkennend. «Es ist ein gutes Zeichen, wenn man den Humor nicht verliert. Wie die Chinesen sagen: Man soll sich nie über etwas ärgern, das sich doch nicht ändern lässt. Du hast gute Miene zum bösen Spiel gemacht und deine Eiscreme redlich verdient!»

Erling verbeugte sich geschmeichelt.

«Wie ging die Aufnahme sonst?» fragte Jan und sprang an Land.

«Ausgezeichnet. Ich glaube nicht, dass wir die Szene noch einmal drehen müssen. Ich habe den Eindruck, dass alles lief, wie es sollte. Das wichtigste ist, dass die Boote zu einem bestimmten Zeitpunkt ausfahren, damit sich der Dialog richtig abwickeln kann. In dem Dialog kommt nämlich eine Bemerkung über die Boote vor, worauf sich die Hauptpersonen umdrehen und ihnen nachblicken. Deshalb musste alles genau klappen. Und geklappt hat es ja, so dass alles in Ordnung ist.»

«Haben wir heute nichts mehr zu tun?»

«Nein, heute brauchen wir euch nicht mehr; aber morgen möchte ich die Aufnahmen auf dem Wasser machen. Könnt ihr morgen zur selben Zeit hier sein?»

«Natürlich», erklang es im Chor von den Junioren, die sich alle um den Regisseur geschart hatten.

Bergvall schaute ringsum im Kreis. «Ich sollte eure Namen und Adressen haben», sagte er. «Ihr bekommt alle eine Entschädigung für eure Mitwirkung. Mein Assistent, Herr Wulf, wird die Namen aufschreiben. Wie heisst ihr?»

Die Knaben nannten ihre Namen und gaben die Adresse an, während der Assistent in sein Notizbuch kritzelte.

Als Jan an die Reihe kam, stutzte Bergvall. «Du heisst Jan Helmer?»

«Ja, Herr Bergvall.»

«Was ist dein Vater?»

«Kriminalkommissar. Ich soll Sie von ihm grüssen.»

«Bist du der Sohn von Kriminalkommissar Helmer?» rief Josef Bergvall und drückte Jan die Hand. «Wie klein ist Skandinavien! Du weisst wohl auch, dass er einer der besten Freunde meines Vaters ist?»

«Ja, das hat er mir gestern abend erzählt.»

«Und wie geht es ihm?»

«Danke, ausgezeichnet. Er hat immer sehr viel zu tun.»

«Ich muss in den nächsten Tagen einmal mit ihm zusammenkommen. Ich hätte ihn schon längst angeläutet, wenn mich dieser Film nicht so in Anspruch nehmen würde. Aber es scheint, dass nun eine Pause eintreten wird. Jens Martin, der Träger der männlichen Hauptrolle, ist plötzlich erkrankt, und wir können deshalb vorläufig nicht weiterdrehen. So bleibt mir Zeit, deinen Vater zu treffen. Und du selbst, du bist also der berühmte Jan!»

Jan schlug die Augen nieder. Es war ihm immer peinlich, wenn man die Rede auf seine Taten brachte.

«Je nun», sagte er, «ich habe nichts Besonderes geleistet.»

«So?» antwortete Bergvall und schlug Jan auf die Schulter. «Ich weiss aber einige Geschichten von dir, wie du deinem Vater geholfen und ein paar zünftige Verbrecher entlarvt hast.a) Die schwedischen Zeitungen haben darüber berichtet. Ein lustiger Zufall, dass ich gerade dich hier kennengelernt habe...»

Jan stand auf Kohlen, weil das Gespräch diese Wendung genommen hatte; aber im gleichen Augenblick gab es eine Unterbrechung, die ihn aus der Verlegenheit befreite. Ein Angestellter der Filmgesellschaft bahnte sich einen Weg durch die Schar der Neugierigen, die sich rings um den Regisseur und die Knaben angesammelt hatten.

Er steuerte auf Bergvall zu und sagte: «Herr Bergvall, wir haben endlich Bescheid bekommen. Jens Martin ist ernstlich erkrankt, und der Arzt meint, dass er mindestens einen Monat arbeitsunfähig sein wird.»

Das Lächeln verschwand von Bergvalls Gesicht. «Ernstlich erkrankt», wiederholte er. «Das ist ja furchtbar... Einen Monat kann er nicht spielen... Eine Katastrophe für uns...»

Er verabschiedete sich hastig von den Jungen und lief zu seinem Wagen.

Der verschwundene Film

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