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Vorwort

„Glaubenseifer ohne Wissen ist nicht von Gutem“

(Sprüche 19,2, Altes Testament)

Was für eine Provokation! So werden einige, die sich in ihrem Glauben gefestigt wähnen, empört reagieren, wenn sie dieses Buch lesen. Wie kann man es wagen, an einem historisch gewachsenen Glaubens-Denkmal zu rütteln. Und erst noch in einer Art und Weise, die einer Generalüberholung gleichkommt! Was soll denn da bewahrt werden, was nicht? Was, wenn diese Prüfung des aktuell vorliegenden Glaubensgutes ergeben sollte, dass sich eine Revision gar nicht mehr lohnt? Und dann?

Als eine Provokation kann man es gewiss auffassen, wenn ich einer grundlegenden Überprüfung des Glaubens das Wort rede. Da bleibt ja nichts verschont! Provokation jedoch heißt in seiner Wortbedeutung „Hervorrufung“, „Anrufung“ oder auch „Herausforderung“. In diesem Sinne sollen die Überlegungen dieses Buches tatsächlich herausfordern, zu eigenem Nachdenken provozieren.

Wir alle haben einen eigenen Weg im Verhältnis zur Religion abgeschritten, bis wir am heutigen Standort angelangt sind, der uns oft in einem unbefriedigenden Zustand zurücklässt, oder anders gesagt, der uns gar keine Gewissheit mehr gibt, wo unser Standort und der Sinn unseres Daseins sich überhaupt noch befinden. Um diesen holprigen Weg etwas zu illustrieren, schildere ich, wie ich ihn erlebt habe.

Was waren das noch für Zeiten! Die Zeiten, als uns in der Grundschule ein besonderes – soll man sagen „kindgerechtes“? – Gottesbild vermittelt worden ist, das eines allmächtigen, liebenden, barmherzigen, verzeihenden, aber auch zürnenden und strafenden Gottes mit den Zügen eines bärtigen Großvaters, wie verständige Großväter eben damals aussahen. Die Zeiten, die voll von Geschichten über Jesus, Maria und einer ganzen Truppe von Heiligen waren, die man verehren und bitten solle und die uns in Statuen und süßen Bildern überall gegenwärtig gemacht wurden. Die Zeiten, in denen die katholische Kirche, an die zu glauben wir eindringlich angehalten wurden, das gesellschaftliche Leben dominierte mit großartigen Ritualen, farbigen Prozessionen, auch Andachten einfacherer Dramaturgie, Liedern aus längst vergangenen Zeiten in vergilbter Sprache, mit Geboten und mit Verboten. Zu deuteln gab es nichts. Glaubensgehorsam war angesagt. Gehorsam auch bei der Präsenz im Sonntagsgottesdienst. Unfolgsame wurden zum Gesprächsthema in der Gemeinde, seltsame Wesen protestantischen Zuschnitts oder abtrünnige Christkatholiken sowieso.

Wer das Glück hatte, das Gymnasium bei den Benediktinern besuchen zu dürfen, erhielt durch entsprechenden Religionsunterricht tieferen Einblick in die Geschichte und die Lehre des Christentums, vor allem des römischen Katholizismus, meist doziert von Patres, denen man anspruchsvollere, logisch klar fassbare Fächer in Sprache und Naturwissenschaft nicht zutraute. Umrahmt wurde der Schulbetrieb von täglichem Gottesdienst, von Hochämtern bei besonderen Festen und von jährlichen Exerzitien, um unseren wackligen Glauben wieder zu flicken und zu vertiefen. Auf jedem Prüfungsblatt in jedem Fach hatten wir oben hinzuschreiben „Ut in omnibus glorificetur Deus et beata virgo Maria“ (= „Damit in allem Gott und die selige Jungfrau Maria verherrlicht werde“), auch wenn das in der Folge Hingeschriebene weder Gott noch das eigene Wissen zu verherrlichen vermochte. Freilich war auch sonst nicht immer leicht mit uns umzugehen, da wir gerade zu dieser Zeit das Flegelalter zelebrierten und mit wachsendem Selbstbewusstsein unsere Patres mit unbotmäßigen Fragen herausforderten. Auch wenn uns dann nicht immer sehr souveräne Antworten mitgegeben wurden, habe ich im Rückblick eine hohe Achtung von meinen Benediktinern bewahrt. Das waren zweifelsohne gute, wohlmeinende Menschen, die auch aus uns gute Menschen formen wollten. Ich mache es ihnen nicht zum Vorwurf, dass sie in einer anderen Zeit aufgewachsen sind, als die Priesterweihe noch zum Höchsten gehörte, was die Gesellschaft an Sozialprestige anzubieten hatte.

In diese Jahre fiel der Paukenschlag des Vatikanischen Konzils, das wir gebannt und auch mit viel Hoffnung versehen verfolgten. Wenn ich mich recht erinnere, wurde uns erst durch dieses Kirchenereignis so richtig bewusst, wieweit sich die Kirche von der Realität der sich wandelnden Gesellschaft entfernt hatte und wie sehr ein scheinbar in Granit gemeißeltes Denkmal zu wanken begann. Mit besonderer Faszination beobachteten wir, wie auch unsere Jünger des heiligen Benedikt von der allgemeinen Hoffnung auf Aufbruch erfasst wurden. Da war unter mancher Kutte offenbar auch nicht alles erdbebensicher zementiert.

Im universitären Milieu von Zürich war ich häufig im sogenannten Akademikerhaus zu Gast, das von Jesuiten geleitet wurde. Mich faszinierte deren Scharfsinn und Eloquenz, aber auch deren Unabhängigkeit im Denken, das nicht selten mit den Positionen des Vatikans im Widerstreit stand – mit der schweizerischen Verfassung ohnehin, deren Artikel zum Jesuitenverbot erst 1973 durch eine Volksabstimmung mit erstaunlich mageren 55 % Ja-Stimmen aufgehoben wurde.

Meine Bewunderung für jesuitisches Argumentieren war schon vorher durch die Lektüre aller Werke von Teilhard de Chardin geweckt worden. Sie eröffnete mir aus seinen Erkenntnissen der Paläontologie, die er in die Schöpfungsgeschichte einordnete, und seinen Zukunftsvorstellungen für eine Menschheit hin zu einem Punkt Omega neue Perspektiven für einen Gottglauben. Die offizielle Kirche jedoch dekretierte ein Publikationsverbot seiner Werke zu Lebzeiten, was mich zu entscheiden zwang, auf welche Seite ich mich schlagen sollte. Ich brauchte nicht lange zu überlegen. Es war ja auch nicht der einzige Fall, der meine freie Meinungsbildung herausforderte.

Da war beispielsweise Hans Küng, der mit seinem Werk „Christsein“ eine Glaubensvorstellung darlegte, die sich konstruktiv mit der modernen Welt auseinandersetzte. Doch da kam wieder der Aufschrei der konservativen Glaubenshüter, die sich in die Speichen des Vatikanischen Konzils und seinen lauen Frühlingslüften stemmten, um den für sie gefährlichen Lauf zu stoppen. Als ich gegenüber dem Pfarrer meiner Wohngemeinde – immerhin Doktor der Theologie – erwähnte, dass ich mit Vergnügen Küng lese, lehnte er sich wutentbrannt über den Tisch und warf mir an den Kopf: „Sind Sie Theologe? Haben Sie Theologie studiert? Wie denn wollen Sie beurteilen können, was dieser Küng schreibt?“ Eine Zerknirschung meinerseits trat nicht ein. Eher die Lust, die Werke weiterer freier Denker der Theologie zu studieren. Der wenig souveräne Umgang der absolutistischen Gehorsam verlangenden Institution mit ihren Kritikern entfremdete mich immer weiter. Über die Jahre erschütterte mich das Gebaren der offiziellen Kirche zusätzlich, zum Beispiel durch weltfremde Verlautbarungen und durch Ernennung von stockkonservativen Bischöfen. Ein Schlüsselerlebnis war für mich der Hinauswurf eines Klassenkameraden aus dem kirchlichen Amt, der geachteter und beliebter Pfarrer einer großen Pfarrei war, weil er sich in eine Frau verliebt hatte. Um dem Grotesken die Krone aufzusetzen, trat in jenen Tagen sein Bischof zurück, der seinen eigenen „Fall“ zu erledigen hatte, weil er bekennen musste, dass auch er in Liebe zu einer Frau entflammt war, die nun ein Kind von ihm erwartete. So häuften sich die Ärgernisse, auch wenn ich noch lange am üblichen kirchlichen Leben teilgenommen habe, doch meine Gemeinsamkeiten mit der mir angetauften Religionsgemeinschaft bröckelten und so kam eines Tages immer drängender die Frage: Was tun? Letztlich geht es ja dabei auch um Sinn oder Sinnlosigkeit meines eigenen Lebens.

Man kann in einer solch misslichen Situation aus drei Verhaltensmustern wählen:

 Achselzucken, um anzudeuten, dass einem die Religion, vor allem aber die eigene Kirche, egal ist. Ich kenne es von Kollegen: „Mich geht das nichts mehr an. Mit dieser Kirche will ich nichts mehr zu tun haben.“ Unausgesprochen, aber im Tonfall herauszuhören, ist manchmal die Meinung, die eigene Intelligenz verbiete einem, die dummen Eskapaden der Kirchenobrigkeit für voll zu nehmen. Oder dann bekennt man sich geradeheraus als Atheisten. Und überhaupt: „Es geht mir doch gut! Ich brauche Religion nicht.“

 Kapitulation im Sinne einer demütig hinknienden Akzeptanz der vorgegebenen Glaubensinhalte. Für einige ist „Akzeptanz“ auch Vertrauen, dass die kirchliche Lehre Gottes Wort ist, in das man sich ohne zu hinterfragen hineinbegeben kann. Kann man so sehen. Ist aber ein schwieriger Weg, wenn man versucht, ihn an der Vernunft festzuzurren, wenn es im Innern brodelt und Fragen sich immer drängender melden.

 Suche nach einem vor der Vernunft verantwortbaren Glauben. Man könnte das – wie erwähnt – auch als Generalrevision des Glaubens bezeichnen. Kein leichter Weg, denn er bedingt eine intensive Auseinandersetzung mit den Glaubens-Inhalten, nicht nur einer einzigen Religion, nicht nur auf ihrem aktuellen Stand, sondern auch mit deren geschichtlichen Herkunft, sowie den Argumenten von Befürwortern und Gegnern bestimmter Glaubenssätze und Glaubensrichtungen. Vernunft hat auch mit der Kenntnisnahme unserer Welt zu tun, so wie sie sich präsentiert und wie sie von den Naturwissenschaften erforscht und erkannt wird. Verantwortbarer Glaube kommt nicht um die Erkenntnisse der Naturwissenschaften herum und hat sich auch deren erfolgreicher Denkkultur zu stellen.

Ich habe den dritten Weg gewählt und ich fand ihn je länger, desto faszinierender und bereichernder, aber er wurde auch zu einer „never ending story“, die immer wieder neue Aspekte aufzeigt. Das wird mit Sicherheit so bleiben.

Sicherheit, ja schön wäre es. Wie ist es denn mit meiner begrenzten Erkenntnisfähigkeit, die mir nicht erlaubt, meine Ansichten absolut zu setzen? Die ganze Schöpfung, das ganze Universum ist derart immens, dass menschliche Erkenntnis es nie ganz zu erfassen vermag. Unser Wissen ist Näherungswissen, Approximation. Das erfordert eben auch die Bereitschaft, ständig dazuzulernen und einmal Geglaubtes ins Provisorium zu versetzen.

Was ich in Bezug auf mich selber erwähnt habe, trifft – wenn man sich etwas mit der Geschichte der Menschheit befasst – natürlich nicht weniger auf die gesamte Menschheit zu. Auch ihr Schatz an Erkenntnis wurde immer wieder durch Neues herausgefordert, erweitert und relativiert. Der Weg von der Ansicht, die Erde stehe im Zentrum des Universums, bis zur Erkenntnis, dass wir einen durch nichts ausgezeichneten Randplatz in unserer Milchstraße bevölkern, die ihrerseits wieder nur eine gewöhnliche Galaxie unter Abermillionen anderer Sternansammlungen ist, steht exemplarisch für diese Erkenntnisentwicklung.

Es könnten auch Einstein und seine Physikerkollegen erwähnt werden, die die bisherige Physik in vielen Teilen weit über unser Begriffsvermögen hinaus revolutionierten. Einstein selbst hatte seinerseits wieder größte Mühe, mit den verstörenden Aussagen der Quantenphysik klarzukommen. Was einmal als festgefügtes Wissen über das, was die Welt ausmacht, galt, wurde immer wieder ins Provisorium versetzt, und schließlich abgelöst, sei es als Randphänomen eines größeren Ganzen (wie die Mechanik von Newton) oder als total falscher Ansatz deklariert.

Das betrifft nicht nur die Physik, sondern die Naturwissenschaften ganz allgemein. Wenn ich mich mit meiner persönlichen Erkenntnisfähigkeit zusätzlich in das gesamte heutige Wissen der Menschheit hineinstelle, dann muss ich wiederum bescheiden bekennen, dass ich nur einen geringen Teil davon verstehe, was mich zwar zusätzlich in meinem geistigen Auslauf beschränkt, aber dennoch nicht hindern soll, diese Anstrengung auf mich zu nehmen.

Die Beschränktheit meiner persönlichen Erkenntnisfähigkeit hat ursächlich damit zu tun, dass ich ein Kind der Evolution bin, die über unsere aktuelle Menschheit hinaus immer weiter schreitet. Der frühe Mensch war in seiner Erkenntnisfähigkeit noch eingeschränkter als wir Menschen der heutigen Zeit. Diesbezüglich sind wir im Vorteil. Wenn der Pfeil der Evolution aber wie bisher weitergeht – zwar für unser Empfinden unendlich langsam, Jahrmillionen um Jahrmillionen hinschleichend – dann kann mit gutem Grund angenommen werden, dass künftige „homines sapientes“ noch intelligenter sein werden als wir heutigen Wesen. Sie werden heutigen Glauben oder Vermutungen, oder wie man das auch nennen mag, durch Wissen ersetzen und anderen Rätseln nachforschen. Anders ausgedrückt: Im Verlaufe der Zeit wird das Wissen aufgrund größerer Erkenntnisfähigkeit zunehmen und Glauben da und dort ersetzen. Deshalb ist es wohl nicht falsch, den uns heute vorgegebenen Glauben der Religionen mit etwas Vorsicht zu betrachten.

Der Arzt, Journalist und Schriftsteller Hoimar von Dithfurt sagte es so: „Es ist eine Illusion, wenn wir immer stillschweigend davon ausgehen, als sei mit uns der Gipfel des Möglichen erreicht und das Ende der Evolution gekommen. Die Gegenwart ist nichts anderes als ein durch den zufälligen Zeitpunkt unserer Existenz willkürlich herausgegriffener Moment der Entwicklung, die über uns hinaus weiter fortschreiten wird.“

Auf meiner Suche haben mich seit langem die Aussagen von Naturwissenschaftler, vor allem bekannter Physiker, fasziniert, die Überlegungen im Grenzbereich Naturwissenschaft und Religion anstellen. Das rührt auch davon her, dass mich verschiedenste Gebiete der Naturwissenschaft seit je in ihren Bann ziehen, vor allem Astronomie, Astrophysik, Kosmologie (eine Querschnittswissenschaft sondergleichen) und Physik, sodass ich in aller Bescheidenheit diesbezüglich von einer gewissen Grundkompetenz reden darf.

Nun gibt es zwar die Meinung, dass Religion und Naturwissenschaft zwei Domänen sind, die nichts miteinander zu tun haben. So auch der Councel oft the US National Academy of Sciences im August 1981: „Religion und Wissenschaft sind getrennte und einander ausschließende Bereiche des menschlichen Denkens, deren Dar-Stellung in ein und demselben Zusammenhang zu einem falschen Verständnis sowohl der wissenschaftlichen Theorie als auch des religiösen Glaubens führt.“

Das sehe ich nicht so. Die Schöpfung besteht nicht aus zwei voneinander getrennten Teilen, aber sie kann Gegenstand der Betrachtung aus unterschiedlichen Blickwinkeln sein, so wie sich ein Denkmal unterschiedlich präsentiert, je nachdem ob ich es von vorne oder von hinten betrachte.

Der Theologe Patrick Becker schreibt dazu: „Wenn die Theologie weiterhin an der Trennung der Disziplinen festhält und auf dem Standpunkt bleibt, Naturwissenschaft und Theologie hätten ein anderes Sprachspiel und würden einen anderen Zugang zur gleichen Wirklichkeit darstellen, dann verurteilt sie sich und ihre Inhalte zur empirischen Bedeutungslosigkeit.“

Das heißt dann aber auch, dass ein theologisieren im Widerspruch zu Erkenntnissen der Naturwissenschaft wenig Glaubwürdigkeit vermittelt.

Ich will die Naturwissenschaften nicht über alle anderen Geistesbemühungen stellen, aber ihre Methodik gefällt mir. Mir imponiert ihr Herantasten an neue Erkenntnisse über das Funktionieren der Welt, ihr Bemühen, nach neuen Naturgesetzen zu suchen, ihr Festlegen neuer Erkenntnisse in möglichst klaren Formulierungen, vor allem aber – und das kann nicht genug unterstrichen werden – die Bereitschaft, neue Erkenntnisse auf den Prüfstand anderer Meinungen zu stellen und das zu verwerfen, was diesen entgegensteht, auch wenn sie bis anhin als fester Bestandteil des wissenschaftlichen Gebäudes galten. Da gibt es keine für alle Zeiten und für alle Menschen gültigen Dogmen. Für einen Atomphysiker sei die Vorstellung, wegen einer subjektiven Voreingenommenheit eine falsche Antwort in die Welt zu posaunen, ein Alptraum (Butterworth vom CERN).

Albert Einstein sagte es so: „Zwei Dinge sind in unserer Arbeit nötig: unermüdliche Ausdauer und die Bereitschaft, etwas, in das man viel Zeit und Arbeit gesteckt hat, wieder wegzuwerfen.“

Diese Methodik ist jedoch nicht jene der Philosophie und der Theologie. Sie ist auch nicht einfach auf diese übertragbar, selbst wenn das einige Naturwissenschaftler versuchen. Dennoch meine ich, dass sich die reinen Geisteswissenschaften ihr nicht gänzlich verschließen sollten, auch nicht den Erkenntnissen der Naturwissenschaften. Denn ich wünsche mir einen vernünftigen Glauben, nicht einen, der sich gegen grundlegende Erkenntnisse der Naturwissenschaften mit unverständlicher Kasuistik und dem Herbeibemühen von irgendwelchen „Geheimnissen“ sträubt, die von Zweifeln nicht angetastet werden dürfen. Nebenbei: Dem theologisch ungeschulten Laien helfen in seinem Suchen auch die mit den Widerborsten vieler Fremdwörter gespickten Argumente zahlreicher Theologen und Philosophen wenig (Beispiel: Ratzinger in Verteidigung des Primats von Rom: „Die ontologische Vorgängigkeit der Gesamtkirche, der einen Kirche und des einen Leibes, der einen Braut, vor den konkreten empirischen Verwirklichungen in den einzelnen Teilkirchen scheint mir so offenkundig, dass es mir schwerfällt, die Einsprüche dagegen zu verstehen.“). Gegenargument eines renommierten Theologen: Auch die Formelsprache der Physik und Mathematik erschließe sich wohl den wenigsten Menschen.

Immerhin halte ich dagegen, dass die Aussagen der Theologie eigentlich allen Menschen zugänglich und verständlich sein sollten, denn die Betroffenheit für ihr Leben ist universell. Die Physik erhebt diesbezüglich keinen Anspruch.

Glaube steht bekanntlich in einem komplementären Verhältnis zum Wissen. Bei jenen Bereichen, bei denen wir über einigermaßen gesichertes Wissen verfügen, braucht es keinen Glauben. Da, wo kein gesichertes Wissen vorhanden ist, kann die Domäne des Glaubens beginnen – zumindest vorläufig. Da stellt sich jedoch die Frage der Grenzziehung zwischen diesen beiden Bereichen, die immer wieder Mühe bereitet und auch in der Art missinterpretiert wird, dass Glaube nur eine Lückenbüßerfunktion einnehme.

Freilich ist das Ersetzen des Glaubens durch Wissen so eine Sache. Schon zu oft glaubte man in den Naturwissenschaften, dass der Bereich des noch zu Entdeckenden immer kleiner werde. Um 1900 soll es Physikprofessoren gegeben haben, die Studierenden anrieten, nicht das Fach Physik zu wählen, da praktisch schon alles entdeckt worden sei, was es zu entdecken gebe. Was für ein Irrglaube!

Meine Gedanken mögen auch Anregungen für andere Sinnsucher sein. Ihr Glaube darf gänzlich oder in Teilen von meinem Glauben abweichen, wenn er denn nur gut begründbar ist. Damit habe ich gar kein Problem.

Ich beginne in diesem Werk meine Annäherung an einen vernunftgemäßen Glauben mit Themen aus der Naturwissenschaft, um zu zeigen, wie weit wir Menschen vom Status „Krone der Schöpfung“ entfernt sind. Nicht nur das: Ich bin überzeugt, dass ein Gottesglaube von der immensen Größe des Universums wie auch seiner verstörenden Beschaffenheit im Kleinsten Kenntnis nehmen muss, wiederum auch um uns Menschen in ihrer Stellung und Bedeutung einzuordnen. Ein Gottesglaube gründet ganz wesentlich in der Schöpfung, denn die Frage, wer das alles geschaffen hat, hatte schon die urzeitlichen Menschen beschäftigt und muss uns weiterhin Anlass zum Nachdenken geben.

Es ist deshalb nur logisch, dass ich mich auch mit dem Ursprung der Schöpfung – dem Urknall – befasse und ihren weiteren Verlauf schildere, wie sie die Evolutionstheorie aufzeigt. Besonderen Platz räume ich dabei der Entstehungsgeschichte des Menschen ein, vor allem dem Auftauchen von Bewusstsein. Daraus stelle ich die Frage, wie der bewusste Mensch zu Gottesbewusstsein gelangt ist und wie sich dieses in Religionen organisiert hat. Auch heute existierende Religionen sind geschichtlich gewachsene Konstrukte, in denen sich Gottesanschauungen und Organisationsformen immer wieder gewandelt haben. Das ist bei der Frage nach festem Grund von Bedeutung. Denn was bleibt an Kerngedanken übrig, wenn unzeitgemäßer, geschichtlicher Ballast abgeworfen wird und wenn die Wirbelwinde heutiger Erkenntnisse durch die antik möblierten Andachtsräume gefegt sind?

Ich widme mich sodann besonderen Auswüchsen der Religionen und nehme mich des religiösen wie auch des profanen Wunderglaubens an. Die Frage, wieweit Ethik auch ohne Religionen möglich ist, wird uns ebenfalls beschäftigen. Kritische Gedanken äußere ich einerseits gegenüber den Kreationisten und den Gläubigen des Intelligent Design, andererseits aber auch besonderen „Glaubensrichtungen“ des Atheismus aus dem Kreis der modernen Naturwissenschaften. Kein leichtes Unterfangen ist es, wenn ich in einem eigenen Kapitel das menschliche Leiden in einen größeren Zusammenhang der Evolution zu stellen versuche. Dann wird es Zeit, dass ich mich festlege und erkläre, was ich glaube und was nicht. Schließlich lasse ich Wissenschaftler, vor allem aus der Ecke der Naturwissenschaften, zur Thematik des Glaubens sprechen. Ihr Zeugnis bedeutet mir viel.

Auf einen kurzen Nenner gebracht: Ich gehe der Frage nach, woraus Gottesglaube entstanden ist, und was die Menschen im Verlaufe der Geschichte daraus gemacht haben. Dann prüfe ich das Ergebnis an dem, was heutige Naturwissenschaft zu heute verkündeten Glaubensinhalten beiträgt.

Quantensprung und rechter Glaube

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