Читать книгу Schwarzer September - der zweite Moselkrimi - Carlos Caldera - Страница 5
2. Coitus interruptus
ОглавлениеFür Oberförster Klaus Kaminski, ein Mann in den besten Jahren, leichter Bauchansatz, eine ansehliche Frau, zwei gesunde, fast erwachsene Töchter, war die Welt an diesem Dienstagmorgen im September eine runde Sache, das Leben war ihm eine Wonne. Er verließ das Forsthaus am Stadtrand wie gewöhnlich kurz nach acht. Mit dem extra für den Dienstgebrauch höhergelegten Golf fuhr er Richtung Westen. Daß ihm heute das Herz etwas stärker pochte als üblich, lag an einem besonderen Termin, denn an Stelle von Holzfällern und -händlern erwartete ihn heute eine hübsche junge Frau. Es war Uschi, Uschi Geiger, seine Liebste, sie kam direkt nach seiner Frau. Uschi Geiger, eine 23jährige Blondine. Sie hatte etwas. Förster Kaminski kannte sie seit dem Frühjahr. Sie trafen sich regelmäßig, im Schnitt etwa einmal in der Woche. Uschi gab sich als Studentin aus, Klaus Kaminski hatte keinerlei Veranlassung, daran zu zweifeln.
Der geländegängige Volkswagen näherte sich jetzt der Parkanlage, Kaminski schaltete in den zweiten Gang zurück. Das letzte Wegstück war nicht mehr befestigt, der Wagen holperte über Kieselsteine, in Kaminski regte sich etwas. Er fieberte. Da sah er sie. Sie stand vor der Bank, es war mild. Sie trug einen dottergelben Mini, darunter sah er ihre sonnenverwöhnten, ranken, langen Beine. Der schneeweiße Top verhüllte die zwei Kugeln in Brusthöhe nur notdürftig, er gab ihnen eher noch eine zusätzliche Betonung. Ihr langes Haar flatterte offen im Wind. Eine Sonnenbrille verdeckte ihre kleinen, himmelblauen Augen, ein winziges, braunes Ledertäschchen baumelte an ihrem Körper. Sie lächelte.
Förster Kaminski war verliebt in Uschi Geigers Körper, er genoß ihn, es war wie eine Sucht. Und sie war lieb zu ihm, er gab sich großzügig, sie verlangte nichts, er steckte ihr immer einen Umschlag. Ihre Treffen dauerten selten mehr als eine Stunde, fern der Öffentlichkeit. Sie machten es fast immer auf der Kanzel da droben, jenem gut ausgebauten Jagdsitz im üppig wuchernden Mischwald am Gläsgesberg.
Kaminski stellte den Golf in der Regel am Rande des unwegsamen Waldstücks ab. Um der Beobachtung durch versprengte Wanderer zu entgehen, ging er über den versteckten Pirschpfad alleine voraus, Uschi folgte im Abstand von wenigen Minuten, ein eingespieltes Ritual. Meist hatte er die Gasheizung schon in Gang gebracht, wenn sie die Kanzelhöhe erreichte. Es war die ideale Nische für das Geschäft, getarnt als Jagdsitz in jenem kleinen Waldbezirk, den Förster Kaminski als Eigenjagd von der Stadt gepachtet hatte. Hier war er nicht nur der von Amts wegen zuständige Förster, hier war er darüberhinaus Jagdchef, Burgherr und Platzhirsch in persona. Derbestens isolierte, geräumige Innenraum der Kanzel reichte aus, um alle Glieder gut auszustrecken und zur Geltung kommen zu lassen. Es war ein Komfort wie bei Muttern, nur noch etwas kuscheliger. Die seitlich hochklappbare, angorakatzenfellbespannte Latexmatratze bedeckte den Raum in der Horizontalen fast zur Hälfte, die Katalytplatte sorgte für wohlige Wärme, die durch dicke Lagen von Schafwolle in Boden, Wänden und der Decke im Raum gehalten wurde. Über dem aufkippbaren, schmalen Sichtfenster zur Wildfütterung hin hing ein kleines Toilettenschränkchen mit den notwendigsten Verkehrsutensilien. Für alle Fälle hielt Kaminski darin auch eine Notration Zigaretten verschiedener Marken, Zündhölzer, Piccoloflaschen, Schokoladenriegel, Himbeergeist und After Eight-Doubletten vor. Denn Förster Kaminski liebte die Gemütlichkeit, er war ein Gemütsmensch - und auch ein Genießer.
Auch heute morgen, als er den Golf unter dem breit aufgefä cherten Holunderbusch abstellte, war Kaminski ganz auf Liebe eingestellt. Zärtlich strich er Uschi mit der rechten über die bloßen, weichen Schenkel und küßte sie flüchtig auf die Wange, bevor er die Fahrertür öffnete.
“Bis gleich, mein Uschilein, und denk bitte dran aufzupassen, daß dir niemand folgt.”
Das war immer der kritischste Moment der ganzen Aktion, nämlich unerkannt auf die Kanzel zu kommen. Der Förster hatte stets ein wenig Bammel im Augenblick der Annäherung an die Leiter, die zu seinem Liebesnest hochführte. Zwar hatte er den Pirschpfad gut getarnt seitlich der Wendestelle des Waldwegs angelegt, so daß er ungeübten Augen nie auffallen würde. Dennoch sorgten die zweihundert Meter Fußweg stets für Herzklappern, eine Unruhe, die sich erst wieder allmählich legte, wenn Kaminski nach Uschis Ankunft die Tür von innen verriegelt hatte.
“Heute siehst du wieder super aus, Uschi. Darf ich dir das sagen?”
“Oh, danke, Kläuschen. Alles hart erkämpft.”
Obwohl es für die Jahreszeit noch sehr mild war, hatte Kaminski die Gasfeuerung auf die höchste Stufe gestellt. Er liebte die Hitze in solchen Momenten. Uschi warf sich auf die bereits installierte Matratze, sie versank im Katzenfell. Dann zog sie die Beine an und nästelte an ihren Schuhen. Trotz des schwachen Lichts, das durch das schmale Fenster nach innen drang, stellte Kaminski befriedigt fest, daß Uschi mal wieder keinen Schlüpfer anhatte. Ihr dotterfarbener Minirock war fast bis an die Hüfte hochgerutscht.
“Au weia, sieht das geil aus!” entfuhr es ihm begeistert. Sie lächelte neckig, warf die Schuhe unter das Matratzengestell und streckte sich auf dem Rücken liegend flach aus. Der gelbe Stoff verdeckte jetzt wieder einen Teil des Schamhaares.
“Bist du auch schön geil drauf, Alterchen?” lockte sie den Förster.
“Aber klar doch, Uschilein. Ich brenne daruf, das weiß du doch, mein kleines Flämmchen.”
“Ich bin kein kleines Flämmchen, Schätzchen, ich bin ein Riesenfeuer. Du wirst dich noch an mir verbrennen, mein Dickerchen.”
“Ach du, mein Lustmäulchen. Ich könnte dich vernaschen.”
“Probier’ s doch, Väterchen.”
Kaminski war mit zitternden Händen an seinen Diensthemdknöpfen beschäftigt. Uschi griff ihm unvermittelt an den Hosenschlitz, Kaminski jauchzte.
“Oh, mein kleines Schnäbelchen ist ja schon ganz vorwitzig.” Sie umfaßte seine steife Rute mitsamt dem sie umgebenden Stoff und schüttelte sie ein, zweimal kräftig. Das brachte den Förster zum Tirilieren, er riß sich die letzten beiden unteren Hemdknöpfe in der Erregung heraus, streift es ab, warf es in die Ecke und befreite sich in aller Eile von den restlichen Textilien. Völlig nackt glitt er auf die halb bekleidete Blondine. “Oh, du geiles Aas”, hauchte sie, als sie sein pulsierendes heißes Fleisch an ihrem Vorhof andocken spürte. “Heute scheint’s dir aber sehr zu brennen, was?”
“Und wie, mein Täubchen!”
Dann richtete Kaminski sich wieder auf, beugte sich über ihre Hüfte und begann damit, das übliche Entkleidungsritual zu zelebrieren. Das war seine einzige strenge Forderung an Uschi, sie durfte sich keines ihrer Kleidungsstükke, mit Ausnahme der Schuhe, selbst ausziehen. Das wäre seine Aufgabe, und er tat dies stets mit angesteifter Rute, über ihr schwebend, und Uschi schien es so zu gefallen. Obwohl er in den vergangenen Monaten schon einen guten Übungsstand erlangt hatte, ließ er sich immer sehr viel Zeit mit der Zeremonie. Lag es daran, daß er gleiches bei seiner Frau schon seit Jahren nicht mehr hatte machen dürfen? Und warum eigentlich nicht? Zwar schliefen sie noch immer im Ehebett, aber die Zeit der sexuellen Genüsse war lange schon verflogen, nur hin und wieder gaben sie sich einen Ruck und brachten einen müden Feierabendverkehr zustande, der keinen der beiden so recht zufrieden stellte. Aber sie sprachen nicht darüber, Schwamm drüber!
In der Ferne fielen zwei Schüsse. Kaminski nahm sie unbewegt zur Kenntnis, 'außerhalb meines Areals’, dachte er.
Nun hatte er sein Werk vollbracht, Uschi war entblättert, sie lag nahtlos unter seinen Schenkeln, und er genoß den Blick auf ihre üppigen Brüste, auch wenn sich deren Massen jetzt etwas in der Breite verloren und nicht die Festigkeit wiederspiegelten, die sie im aufrechten Zustand tatsächlich auszeichneten. Er rutschte ein Stück nach hinten und legte sich so auf sie, daß sein Kopf über ihrem Brustbereich zu schweben kam. Er drückte mit beiden Handflächen vorsichtig ihre abgeflachten Brüste von den Außenseiten ins Zentrum, und dann begann er damit, die Brustwarzen abwechselnd zu küssen und zu umzüngeln. Als sie beide ganz hart waren, konzentrierte er sich auf eine, die er mit Zunge und Lippen im Speichelbad massierte, wobei er sich Mühe gab, der anderen Brustwarze mit den Fingern einer Hand gleiche Aufmerksamkeit zuteil werden zu lassen, welches ihm nicht leicht fiel wegen der gebotenen Konzentration auf eine harmonische Stimulation, wie er sie anstrebte, und wie sie ihr gefiel. So brachte er Uschi in erstaunlicher Zeit zu erstaunlichen Freudengefühlen, und sie selbst bestimmte jetzt den weiteren Ablauf.
“Jaaa, Klaus, suuuper! Komm, schnell, nimm mich von hinten.”
Er richtete sich auf und streifte geschwind das Kondom über sein Stoßfleisch. Unterdessen drehte sich Uschi in der Horizontalen, und als sie auf dem Bauch lag, hob sie ihr Gesäß und streckte es ihm in provokanter Manier entgegen. Als er sie mit beiden Händen an der Taille griff, spürte er ihre Hand an seinem knochenharten Dingdong. Er gab einen Seufzer der Erleichterung von sich, als er mit geschmeidiger Leichtigkeit in die unsichtbare, feuchtheiße Höhle hinabglitt. Ihren Kopf halb angewinkelt auf das kleine Kissen gestützt, gab sie kurz den Rhythmus an, bevor er übernahm und schluchzend stößig wurde. Die ineinandergesteckten Holzteile der Kanzel schienen vor Freude mitzuwippen, die Scharniere gaben zarte Wimmer- und Ächztöne von sich. Sogar die zwanzigstufige Leiter draußen geriet in frohlockende Schwingungen. Heute schien die Lustfrequenz gar ein Echo zu provozieren, gegenläufige Schwingungen übertrugen sich von der Leiter auf die Kanzel, von der Kanzel auf die Matratze und von der Matratze auf das kopulierende Paar. Dann - eins, zwei, drei, - ein paar Mißklänge, ein Störfeuer. Es geschah just in dem Augenblick, als Uschi die Position variieren wollte und dazu den Eindringling sausen ließ. Sie warf sich flach hin, drehte sich auf den Rücken und wollte gerade den Schwanz wieder neu aufnehmen, sozusagen zur finalen Erfüllung, denn beide waren noch nicht gekommen.
“Hast du etwas gemerkt, Klaus?” fragte sie mitten in die Hitze des Gefechts hinein.
“Was meinst du, Uschi? Bei mir ist alles in Ordnung.”
“Das meine ich nicht. Hier hat was gewackelt, ich habe es deutlich gespürt. Hier stimmt was nicht.”
Es war bei all den vielen Dutzend Treffen noch nie vorgekommen, daß sie im Akt gestört worden waren. Kaminski blickte durch das Fenster auf die Wildfütterung hinaus. Da war nichts zu sehen. - Doch da, jetzt..., er merkte es nun auch selbst, eine leichte Vibration, wie ein Zittern, das die Kanzel kaum wahrnehmbar in Schwingung brachte. Es hätte ein Windstoß sein können, doch es war völlig windstill.
“Meinst du, da ist jemand?” Uschi sah die Verunsicherung im Antlitz des Försters. Dieser stand auf und zog sich hastig Socken, Hosen, Hemd und Schuhe an. Uschi brauchte die halbe Zeit, um ihre Sachen an den Körper zu bringen. Sie half ihm, die Hemdknöpfe - soweit noch vorhanden - zu schließen, während er sich am Türschloß zu schaffen machte. “Bleib du auf alle Fälle hier oben, Uschi. Bitte komm unter keinen Umständen heraus, egal was los ist. Okay?”
“Ja, klar, Klaus. Sei vorsichtig!”
Er öffnete mit Bedacht die Kanzeltür, sah einen Augenblick etwas ängstlich in den dichten Laubwald hinein, konnte aber nichts erkennen. Während er noch überlegte, ob er nicht wieder zurückkehren und die Tür schließen sollte, fiel sein Blick auf den unteren Bereich der Leiter. Dort, unter den Sprossen, schien ein Schatten zu sein. Als er sich vorbeugte und seitlich an der Leiter heruntersah, traf ihn der Schock. Es hätte nicht viel gefehlt und Kaminski wäre vor Schwindel abgestürzt.
“Ist was, Klaus?” hörte er Uschi wie aus unendlicher Ferne rufen.
“Klaus, was ist los?” rief sie lauter, als er nicht antwortete. Kaminski drückte rasch die Tür von außen zu.
“Bleib schön drinnen, Uschi”, raunte er ihr zu. “Ich bin gleich wieder da.”
Wie benebelt von Unmengen Alkohol stieg der Förster langsam die Leiter herab. Das Ungeheuerliche kam immer näher, nein, das war doch nicht möglich, das konnte doch nicht wahr sein! Da hing ein Mensch, ein Schwarzer, an seiner Leiter, auf halber Höhe, und der Mensch glotzte ihn an. Lebte er noch? Reflexartig zog Kaminski sein Jagdsmesser aus der Hosentasche und hackte mitten im Entsetzen auf die Schlinge ein, die um die Sprosse gebunden war und den Hals des Mannes so gräßlich entstellt hatte. Schon plumpste der leblose Körper dumpf zu Boden und blieb, halb von Farnen bedeckt, regungslos liegen.
Oben knarrte die Tür einen kurzen Moment lang. Uschi blickte durch den entstandenen schmalen Lichtschlitz nach draußen, irgendwo raschelte es im Unterholz, noch gerade konnte sie die zwei Figuren auf der Lichtung erkennen, bevor sie wieder im dichten Bestand untertauchten.
Kaminski beugte sich inzwischen über den Menschen, den er eben noch an seiner Leiter hatte hängen sehen. Er schlug die Farnwedel zu Boden und lockerte die Waldrebenschlinge am Hals. Dann schlug er dem Schwarzen mehrmals leicht links und rechts auf die Wangen und sprach ihn an. “Hören Sie mich? Können Sie mich hören?”
Kaminski legte ein Ohr auf seine Brust, versuchte den Puls zu fühlen. Der Körper war noch warm, aber er zeigte keinerlei Reaktion mehr. Kaminski versuchte sich verzweifelt an Wiederbelebungsmaßnahmen,aber er warf alles durcheinander, es war zu spät. Dann fühlte er den Arm von Uschi an seinen Lenden.
“Wie furchtbar!” sagte sie.
“Uschi! ” sagte der Förster nach einiger Zeit betretenen Schweigens. “Du hast nichts gesehen, verstanden? Du weißt von nichts. Ja, du warst gar nicht hier! Verstanden?”
Während Uschi nachdenklich wieder die Leiter zur Kanzel hochstieg, zog Kaminski die Leiche des jungen Mannes unter die kaum einen Katzensprung entfernt stehende dicke Kastanie. Es war eine reine Leerlaufhandlung.