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Der Fremde

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Lu schaute ihm kurz in die Augen und verließ das Bistro, ohne sich noch einmal umzuschauen. Draußen, vor der Tür, atmete sie tief durch. Wow, was war das denn, dachte sie. Sein Blick ging mir durch Mark und Bein. So etwas ist mir nur bei Taylor passiert. Mit diesen Gedanken ging sie in den kleinen Buchladen zurück, in dem sie jetzt schon seit ein paar Jahren arbeitete. Der Besitzer wollte bald in den Ruhestand gehen. Er hatte ihr den Vorschlag unterbreitet, den Laden zu übernehmen. Lu musste Bedenkzeit haben. Aber eigentlich gefiel ihr der Gedanke. Seit kurzem hatte sie auch Hilfe bekommen. So arbeitete Emma mit ihr zusammen. Sie war fleißig und sehr sympathisch. Beide verstanden sich gut. Emma hatte ihr Studium abgeschlossen, wusste aber noch nicht, welchen Berufsweg sie einschlagen sollte. Sie hatte auch Literatur und Geschichte studiert, wie Lu.

„Wie war deine Pause?“, wollte Lu von Emma wissen.

„Ich war nur einkaufen. Heute Abend kommen meine Eltern und mein Bruder zu Besuch, da möchte ich etwas leckeres kochen.“

„Schön, wenn man sich mit seiner Familie so gut versteht,“lächelte Lu.

„Nun, ganz so ist es auch wieder nicht“, schüttelte Emma den Kopf.

„Wieso? Hattet ihr Probleme?“

„Ich habe noch eine Schwester. Wir reden schon lange nicht mehr miteinander. Damals war die ganze Familie involviert. Aber mittlerweile ist das Verhältnis zu meinen Eltern und meinem Bruder wieder ganz normal. Darüber bin ich sehr froh.“

„Was ist vorgefallen? Möchtest du darüber reden?“

„Nein. Irgendwann vielleicht einmal.“

„Ok. Ich bin ein guter Zuhörer. Dann lass uns mal weitermachen. Die Bücher hier müssen alle noch einsortiert werden.“

Lu klopfte ihr leicht auf die Schulter.

„Wie war deine Mittagspause? Beim nächsten mal gehe ich auch mal mit ins Bistro.“

„Oh. Eigenartig“, Lu dachte wieder an den Fremden.

„Eigenartig? Wieso?“

„Hatte einen Zusammenstoß mit einem jungen Mann, den ich noch nie dort gesehen habe.“

„Und was war daran so eigenartig?“

Emma war neugierig.

„Nun, ich hatte ein eigenartiges Gefühl. Das hatte ich schon lange nicht mehr.“

Emma schaute sie erstaunt an, fragte aber nicht weiter nach. Damit war das Thema beendet. Jeder dachte sich seinen Teil. Man hatte genug mit der neuen Büchersendung zu tun. So hatte man kaum Zeit miteinander zu reden. Lu versuchte die Freunde zu erreichen, hatte aber wenig Erfolg. Endlich kam der Feierabend und Lu schloss den Laden ab.

„Ach, da fällt mir ein. Ich treffe mich morgen Abend mit meinen Freunden im Bistro. Hättest du Lust, dabei zu sein?, fragte Lu Emma.

„Gerne. Um wie viel Uhr?“

„So gegen 20.00 Uhr. Ich sage heute noch allen Bescheid, dann kannst du sie mal endlich kennenlernen.“

„Das wäre schön. Bisher kenne ich ja noch niemanden. Ich muss mich auf den Weg machen. Bis morgen, Lu.“

„Bis morgen. Noch einen schönen Abend mit deiner Familie.“

„Danke. Dir auch einen schönen Abend, Lu.“

Schon ging jeder seiner Wege. Lu ging nochmal am Bistro vorbei.

„Hey Lu. Kommt ihr heute noch vorbei?“, wollte Jonas wissen.

„Nein, mache was für morgen Abend ab. Heute ist es mir nicht gelungen, alle zu erreichen. Ich esse nur noch eine Kleinigkeit bei euch und mache mich dann auf den Heimweg.“

„Alles klar“, nickte Jonas.

Beim Verlassen des Bistros, stieß sie fast wieder mit dem Unbekannten zusammen. Ihre Blicke begegneten sich. Einen kurzen Augenblick schauten sie sich an. Dann aber ging jeder seiner Wege. Was ist mit mir los?, fragte sie sich. Ihr Herz schlug wie wild, als sie ihm in die Augen schaute. Wer war er? Sie hatte ihn noch nie zuvor gesehen, oder war er ihr nie aufgefallen? Heute trafen sie sich gleich zweimal. Ob er morgen wieder in das Bistro kam? Mit diesen Gedanken schlenderte sie langsam nach Hause. Sie hatte ja alle Zeit der Welt, denn niemand erwartete sie dort. Zu Hause versuchte sie alle Freunde zu erreichen. Endlich gelang es ihr. Sie hatten Zeit und wollten den Abend zusammen verbringen, denn das Wochenende stand vor der Tür. So konnte man an diesem Abend auch etwas für die beiden freien Tage abmachen. Nach einem Glas Wein, dass sie bei ihrer Lieblingsmusik zu sich nahm, ging sie zu Bett.

Lu war als erste im Geschäft. Herr Brehm hatte den Laden schon geöffnet.

„Guten Morgen Lu. Hatten sie einen schönen Abend?“

„Guten Morgen, Herr Brehm. Nichts besonderes. Hatte ihn mal wieder allein verbracht. Aber heute Abend treffe ich mich mit meinen Freunden.“

„Schön. Sie sollten nicht alleine sein“, meinte er.

„Guten Morgen, alle zusammen“,kam Emma gutgelaunt hinzu.

Herr Brehm und Lu begrüßten sie.

„Du bist aber gut gelaunt?“, schaute sie Lu fragend an.

„Ja. Unser Abendessen lief sehr gut. Wir haben uns sehr gut unterhalten.“

„Das freut mich.“

„Stell dir vor, meine Schwester will sich mit mir treffen. Wir wollen uns aussprechen“, schilderte Emma.

„Das ist doch mal eine gute Nachricht.“

„Ja. Ich freue mich richtig, sie zu sehen. Es ist schon lange her.“

Beide widmeten sich wieder ihrer Arbeit. In der Mittagspause besuchten Lu und Emma zusammen das Bistro. Sie hatten Glück, dass sie noch einen Platz bekamen, denn es herrschte wieder großer Andrang.

„Meine Güte, der Laden läuft ja super“, nickte Emma anerkennend mit dem Kopf.

„Ja. Ich werde für heute Abend vorsichtshalber einen Tisch reservieren. Es wäre schade, wenn wir nicht alle zusammensitzen könnten“, meinte Lu.

Lu schaute sich die Besucher ganz genau an, aber der Fremde war nicht dabei. Schade, dachte sie. Sie hätte ihn gerne wieder gesehen. Vielleicht war er aber auch gar nicht von hier und war nur gestern in der Stadt. Ihre Gedanken kreisten um den Unbekannten.

„Was überlegst du?“, wollte Emma wissen.

Sie bemerkte, dass Lu mit ihren Gedanken gerade ganz woanders war.

„Nichts besonderes“, winkte sie ab.

Na, ob das stimmt, dachte Emma. Sie konnte sich an das Gespräch von gestern erinnern. Mit dieser eigenartigen Begegnung. Ob sich Lu in diesen Fremden verliebt hatte?

„Wer kommt denn alles heute Abend?, lenkte sie Lu schnell ab.

„Alle haben zugesagt. Mathias, Juliane, Gernot, Alexa, Kai, Nick, Tim und Sven.

„Wow. Ein großer Freundeskreis, den du da hast. Woher kennt ihr euch?“

„Die meisten vom Studium.“

Lu und Emma mussten wieder zurück in den Laden. Unterwegs hielt Lu kurz inne. Hatte sie ihn nicht gerade kurz gesehen? Oder war es Einbildung? Wünschte sie es sich nur?

„Was ist los, Lu? Hast du ein Gespenst gesehen?“

„Nein. Alles gut. Dachte, hätte einen Bekannten gesehen.“

Emma schaute sie erstaunt an. Hatte es wieder etwas mit dem Fremden zu tun?, fragte sie sich.

Lu war den ganzen Tag mit dem Unbekannten beschäftigt. Wer er wohl war?

„Kommst du später vorbei? Wir halten dir einen Platz frei“, erinnerte Lu Emma nochmal.

„Klar. Bis später.“

Lu schloss den Laden ab und ging nach Hause. Sie wollte sich noch umziehen und sich dann mit ihren Freunden treffen.

„Hey. Bin ich der erste?“, fragte Nick, als er das Bistro betrat und noch keinen seiner anderen Freunde sah.

„Hey, Nick. Schön, dass du mal wieder dabei bist. Wie lief dein Projekt?“, wollte Jonas sofort von seinem Freund wissen.

„Bestens.“

„Also ist es beendet?“

„Ja. Muss nur noch ab und zu nach dem Rechten sehen. Ich freue mich riesig, sie alle wiederzusehen. Vor allen Dingen Lu.“

„Kann ich verstehen. Ihr ward ja unzertrennlich“, mischte sich Alicia ein.

„Ja, ein Jahr ist eine lange Zeit. Wir standen zwar immer in telefonischem Kontakt, aber, dass ist nicht das gleiche. Hoffentlich hat sie mich genauso vermisst, wie ich sie“, schaute Nick verträumt.

„Denke schon“, lächelte Alicia.

Kaum hatten sie von Lu gesprochen, tauchte sie auch schon mit Juliane und Mathias auf.

„Wen sehe ich denn da?“, kam sie sofort auf Nick zugestürmt und umarmte ihn.

„Hey, Lu. Du siehst immer noch so hübsch aus, wie vor einem Jahr.“

Nick drückte sie fest an sich und küsste sie auf die Wange.

„Hey, alter Freund“, begrüßten ihn jetzt auch Mathias und Juliane.

„Endlich wieder daheim“, meinte Mathias.

Dann betraten auch Tim, Gernot, Alexa, Kai und Sven das Bistro und begrüßten ihren Freund überschwänglich. Alle freuten sich, dass sie wieder vollzählig waren. Sie nahmen an dem reservierten Tisch platz. Nach ein paar Minuten betrat auch Emma das Bistro.

„Hey, Emma. Komm her. Darf ich euch meine Kollegin und Freundin Emma vorstellen. Sie wollte euch unbedingt einmal kennenlernen“, stellte Lu Emma vor.

„Hey, freut uns“, riefen alle gleichzeitig.

Emma wurde gleich in die Runde aufgenommen und eine lebhafte Diskussion entstand. Nick musste von seinem Projekt erzählen. Alle hörten gespannt zu. Plötzlich schaute Lu nur noch in eine Richtung. Keiner bemerkte es, außer Alexa.

„Wo schaust du hin? Wen hast du denn im Auge?“

„Niemanden. Dachte, es wäre ein Bekannter“, log sie.

Sie hatte den Fremden entdeckt. Er saß an der Theke und schaute zu ihr herüber. Ein Lächeln huschte über sein Gesicht. Lu schaute schnell wieder zu Nick.

„Ich bin froh, dass ich endlich wieder zu Hause und bei Lu bin.“ Dabei schaute Nick sie lange an. Was war das denn? Was will er damit andeuten? Wir sind nur gute Freunde. Jetzt sah es so aus, als wollte er mehr? Das musste sie gleich klären mit ihm. Sie mochte ihn, sehr sogar, aber mehr war da nicht. Das müsste er eigentlich wissen. Denn vor Monaten, hatte sie es ihm schon einmal gesagt.

„Nun hör aber auf, Nick. Ich hoffe doch, dass du uns alle sehr vermisst hast“, winkte Lu ab.

„Das hoffen wir alle“, zwinkerte Sven Nick zu.

Sven wusste, dass Nick für Lu mehr empfand, als nur Freundschaft. Er hatte es ihm, bevor er fort ging, gebeichtet. Nick hatte sich vorgenommen, mit Lu zu reden. Er wollte ihr in den nächsten Tagen seine Liebe gestehen, denn er hatte sie in dieser langen Zeit, wirklich sehr vermisst. Ein bisschen Angst hatte er schon auf ihre Reaktion. Aber sie hatte immer noch keinen Freund, also dachte Nick, würden sein Chancen gut stehen. Lu aber dachte gar nicht daran. Für sie war Nick nur ihr bester Freund, denn sie kannten sich schon sehr lange. Nie hatte sie etwas anderes für ihn empfunden, als Freundschaft.

Lu hörte nur mit halbem Ohr bei den Gesprächen zu. Immer wieder gingen ihre Blicke an die Theke, zu dem Unbekannten. Dieser ließ sie ebenfalls nicht aus den Augen. Warum schaut er mich so an, dachte sie immer wieder. Er hat wunderschöne Augen, dass hatte sie schon beim ersten Zusammentreffen bemerkt.

Ein junger Mann kam auf den Fremden zu, umarmte und begrüßte ihn herzlich. Beide redeten eine Weile miteinander, dann sagten sie etwas zu Jonas. Dieser nickte und lächelte. Der Fremde stand auf und ging zu dem Klavier, dass in einer Ecke stand. Setzte sich und begann zu spielen. Dann sang er einen wunderbaren romantischen Song. Alle Gäste schauten zu ihm hin, auch Lu. Wer war dieser Fremde, der sie so magisch anzog. So wunderbar Klavier spielen und singen konnte. Keiner wusste es. Alle schauten sich erstaunt an.

„Kennt jemand diesen Typen?“, fragte Kai.

Alle schüttelten den Kopf. Nachdem er drei Lieder gespielt hatte, beendete er seinen Auftritt. Die Gäste waren begeistert, klatschen und wollten eine Zugabe.

„Tut mir leid, dass wars für heute. Eigentlich wollte ich gar nicht spielen, aber mein lieber Bruder hat mich dazu gezwungen“, lachte er den anderen Fremden an.

„Ich glaube, wir haben hier eine neue Attraktion für unser Bistro gefunden. Was meint ihr?“, rief Jonas in die Runde.

„Das wäre toll, wenn er öfter spielen und singen würde“, stimmte Juliane zu.

Der Fremde schüttelte ablehnend den Kopf. Sein Bruder redete ihm zu.

„Warum eigentlich nicht. Es macht dir doch Spaß, also, sag schon zu.“

Jonas und Alicia bearbeiteten ihn noch ein paar Minuten. Dann war es beschlossene Sache.

„Ich kann euch eine freudige Mitteilung machen. Er spielt und singt für uns, abends, wenn er im Bistro ist. Dann stell ich euch jetzt einmal den jungen Mann vor. Das ist Chris Robertson. Wir hatten ja ab und zu schon Livemusik, aber niemand, der so gut Klavier spielen konnte und der eine solch gute Stimme hatte. Ich muss mich auch noch bei seinem Bruder Daniel bedanken. Der hat ihn dazu überredet, hier zu spielen“, freute sich Jonas.

Die Gäste klatschten wieder. Also hörte man Chris jetzt öfter. Lu kannte nun endlich seinen Namen, was es nicht einfacher machte. Denn jetzt lief sie ihm auch noch ständig über den Weg. Jetzt hatte Sven auch noch die blöde Idee, die beiden an ihren Tisch zu bitten. Beide nahmen dankend an. So saß Chris Lu genau gegenüber. Ihr Herz klopfte zum Zerspringen. Sie wusste im Moment gar nicht, was sie tun oder wo sie hinschauen sollte, denn Chris blickte sie immer öfter an.

„Ich glaube, du gefällst ihm“, flüsterte Emma in ihr Ohr.

„Unsinn“, schüttelte sie mit dem Kopf.

Alexa und Juliane unterhielten sich ebenfalls über die beiden.

„Die sehen aber verdammt gut aus, die Brüder“, wandten sich die beiden an Lu.

„Übel sehen sie nicht aus“, sagte Lu nur knapp.

Dabei gefiel ihr Chris ausgesprochen gut. Er hatte etwas besonderes an sich, was sie nicht beschreiben konnte. Vor allem hatten es ihr seine Augen angetan. Schnell wischte sie die Gedanken an Chris beiseite. Niemand sollte bemerken, dass er ihr gefiel. So nach und nach stellten sich alle vor, so dass Chris und Daniel alle Namen kannten. Somit wusste Chris jetzt auch den Namen von Lu. Er lächelte sie wieder an. Einige wollten wissen, ob Chris Musiker sei, oder ob es nur sein Hobby ist. Lu konnte nicht verstehen, was er antwortete. Alle waren damit beschäftigt, die Brüder auszufragen. Lange saß man zusammen und konnte einiges erfahren. Es war ein lustiger, schöner Abend, der sich langsam dem Ende näherte. Lu verabschiedete sich als erste von ihren Freunden. Da Nick nicht wollte, dass sie alleine nach Hause ging, bot er sich an, sie nach Hause zu bringen. Lu wollte ablehnen, nahm aber dann doch sein Angebot an. Chris schaute sie bei der Verabschiedung fragend an. War Nick ihr Freund?, dachte er bei sich. Lu konnte seinen Blick nicht recht deuten. Nach und nach verließen auch die anderen das Bistro.

„Der Abend war schön. Hat er dir auch gefallen?“, wollte Nick von Lu wissen.

„Ja. Man lernt immer wieder neue, interessante Leute kennen.“

„Das stimmt. Die beiden sind sehr nett. Hast du sie schon häufiger im Bistro gesehen?“

„Nein. Chris ist mir zufällig gestern über den Weg gelaufen. Aber sein Bruder sah ich heute zum ersten mal. Wir haben auch nicht miteinander gesprochen.“

„Dann werden wir die beiden jetzt wohl häufiger im Bistro sehen. Er spielt schon sehr gut.“

„Das stimmt.“

Der Tag, an dem sich alles veränderte

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