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Odile und Bernard

Odile blieb mit ihren Gedanken an Bernard allein, setzte sich mit einem Glas Lavendelwein in ihren Lieblingsstuhl und ließ diese unglückselige Liebesgeschichte Revue passieren.

Bernard hat sich aus dem kleinen schüchternen Blondschopf, der er in der Grundschule war, mit der Zeit zu einem echten Mädchenschwarm entwickelt. Das ist natürlich nicht nur Odile aufgefallen. Aber ihr scheinbar ganz besonders. Denn sie trug sich, seit sie 16 war, mit dem Wunsch, mit Bernard zusammen zu kommen. Und sogar davor hat sie schon für ihn geschwärmt. Anfangs nicht so intensiv, aber sie war gern in seiner Clique und mochte es, wie er ihren Namen aussprach. So weich.

Später wollte sie wissen, wie er sich anfühlte, träumte davon, wie sie sich küssen und zusammen sind. Zeitweise hatte sie sogar den Eindruck, dass Bernard diesen Wunsch teilte. Er war so hilfsbereit und lächelte immer, wenn Odile und er zusammentrafen. Natürlich lud sie ihn zu ihrer legendären Geburtstagsfeier ein, die komplett ohne Eltern und Aufpasser gefeiert wurde. Ihr Achtzehnter! Hier wollte sie aufs Ganze gehen. Nun ja – er hat kürzlich Jeannine geheiratet und Odile bis heute nicht ein einziges Mal geküsst. Aufs Ganze zu gehen, ging wohl anders. Heute weiß Odile das auch. Sie dachte, sie imponiere Bernard, wenn sie in ihrem hauchdünnen Kleidchen vor ihm herumtanzte und Crémant aus der Flasche trank. Bis zu dem Moment, als sie sich ihm fontänenartig in den Schritt erbrochen hat, mag das sogar geklappt haben. Dann musste er leider nach Hause und Odile hatte so spontan keine Argumente, ihn aufzuhalten. Im Gegenteil, sie hatte auch keinen Grund, selbst zu bleiben, außer dem, dass die Party bei ihr zu Hause gestiegen war und es keinen Ort gab, wo sie hinkonnte.

Diese Aktion vor Publikum, der halbe Jahrgang des Lycée war eingeladen und einige haben das malheureuse Drama hautnah erlebt, ließ Odile noch heute die Schamesröte ins Gesicht steigen. Wie peinlich ist das denn? Statt einem Liebesgeständnis ein »Ich find Dich zum Kotzen.«. Anfangs tuschelten die Mitschüler natürlich. Später haben sie sich mit Sicherheit nur deshalb zurückgehalten, weil sie hofften, öfter hier feiern zu dürfen. Denn Odile hatte das Haus ziemlich oft für sich alleine. Odile ging Bernard dann allerdings eine ganze Zeit lang aus dem Weg. Er bemühte sich, über dieses peinliche Erlebnis hinweg zu gehen. Irgendwann war ein zwangloser Umgang miteinander dann auch wieder möglich. Aber diese verschenkte Zeit, hat vielleicht auch die allerletzte oder einzige Chance auf ein Zusammenkommen gekostet.

Nach dem Lycée haben sich beide aus den Augen verloren. Er studierte in Lyon Maschinenbau. Wollte etwas weiter weg, von zu Hause, weil er schon damals wusste, dass er den Landmaschinenbetrieb seines Vaters einmal übernehmen würde, auch wenn er sich selbst nicht im ölverschmierten Blaumann herumlaufen sah. Und Odile war mit dem Duft von Lavendel aufgewachsen. Für sie lag es immer auf der Hand, dass sie Naturwissenschaften in Aix-en-Provence studierte, und sich im weitesten Sinne der Landwirtschaft widmete.

Als beide wieder zurückgekehrt waren, in ihr provenzalisches Heimatdorf, mussten sie sich ihrem arbeitsreichen Erbe stellen. Bernard hatte das Weingut übernommen und auch wenn er es von einem Winzer leiten ließ, verbrachte er viel Zeit mit der Arbeit dort. Zudem betrieb er seine Schlosserei und tüftelte an Maschinen, die seine Weingewinnung optimieren und erleichtern sollten. Jeannine machte die Büroarbeit, seit sie die Wirtschaftsschule beendet hatte. Studieren wollte sie nicht und Bernard wusste, dass weder ein Studienabschluss noch eine Bürolehre die Arbeitsqualität von Jeannine beeinflussen würde. Sie war gut, mit oder ohne Diplom. Und sie war bald unentbehrlich. Für das Gut und für Bernard.

Odile hingegen löste die Großmutter auf der Lavendelfarm ab. Alle Arbeiten direkt am Feld, konnte die Oma nicht mehr übernehmen. Sie half nur noch bei der leichteren Arbeit, die im Sitzen auf dem Hof gemacht werden konnte oder gab ihre Geheimnisse preis, damit die Produkte ihre Qualität nicht verloren. Die Lavendelfarm hatte einen Ruf, weit über die Provence hinaus. Die Blüten wurden frisch oder getrocknet in verschiedene Länder exportiert. Und die hauseigenen Zubereitungen von der Seife bis zum Tee wurden von Touristen und Einheimischen gerne gekauft. Selbst die neuen kreativen Versuche, die Odile in den letzten zwei Jahren an den Start gebracht hatten, wurden angenommen und gut gekauft.

Ihre Hoffnung auf ein Leben mit Bernard hatte Odile nie aufgegeben. Dabei hätte das doch langfristig wohl bedeutet, dass einer von beiden, seinen Familienbetrieb hätte abgegeben müssen. Das Problem gab es bei Jeannine nicht. Sie hatte drei ältere Geschwister und stand nicht in der Verantwortung des kleinen Bauernhofes, den ihre Eltern hatten. Nun war sie mit Bernard in Urlaub gefahren und heimlich hatten sie dort geheiratet. Heimlich!

Ihr eigenes Seufzen riss Odile aus ihren Gedanken und sie widmete sich Madame Lavande, die mal wieder eine ausgiebige Fellpflege nötig hatte. So toll sie aussah mit ihren Löckchen, für ein freies Hundeleben mit Streiftouren durch Wald und Flur, war die Rasse nicht gemacht. Stundenlang entknotete Odile das Fell, zupfte Disteln und Gräser heraus und kämmte vorsichtig das Fell aus. Madame lag indessen und genoss diese Zuwendung schnarchend.

Liebeskummer und Lavendelduft

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