Читать книгу Mister Left (XXL Leseprobe) - Carola van Daxx - Страница 4

Gleich hinter den Thymian-Oliven

Оглавление

„Ich hab‘ keine Lust, da hinzugehen – Null Bock! Und dann auch noch an einem Freitagabend!“, schimpfte Sarah und verzog das Gesicht zu einer Grimasse. Gerade so, als wollte sie mit Blicken töten.

„Wenn Dein Boss Dich da angemeldet hat, musst Du nun mal hin. Da beißt die Maus keinen Faden ab!“

Tinka, ihre Kollegin, war da ganz realistisch. Sie wusste, wie Herr Fadenmeyer reagieren konnte, wenn jemand seine Anordnungen verweigerte. Er dudelte kein Wenn und kein Aber. Befehl war Befehl! Und zwar von ganz oben. Also von ihm…

„Ja, ich weiß, der Alte kann keine Widerrede vertragen. Aber nur, weil Frau Hashemi krank geworden ist, muss ICH jetzt zu dieser blöden Abendveranstaltung. Eine Art Knigge–Kurs für Büromäuse, das braucht doch kein Mensch! Hört sich an wie Tipps vom Reiseveranstalter… Wie Sie im Ausland eine gute Figur machen – oder so ähnlich.“

„Sarah, Herzchen, Du machst doch immer eine gute Figur. Weil Du eine hast!“, versuchte Tinka ihre allerliebste Lieblingskollegin etwas heiterer zu stimmen. Und biss dabei in eine Riesentafel Schokolade wie in eine Scheibe Brot. Es knackte unappetitlich, aber das klingt nur für denjenigen so, der gerade nichts isst. Tinka war im Grunde genommen neidisch auf Sarahs Superfigur – aber zu undiszipliniert, um etwas an ihren Überpfunden zu ändern. Das nervte sie selbst am allermeisten.

„Ich hab’s schon kapiert. Da muss ich jetzt durch! Dabei hatte ich mich schon so auf einen schönen Talkshow-Abend gefreut. Friday Night: Das heißt Füße hochlegen, BH aus, Jogginghose an, Weizenbier auf – und dann noch eine schöne Tüte Chips. Doch stattdessen…“

„Gehst Du halt zu diesem Vortrag!“, vollendete Tinka den angefangenen Satz und haute weiter in die Tasten, schmatzenderweise.


Es war bald Feierabend, aber einiges musste unbedingt noch raus. Wie immer, wenn sich die Woche dem Ende näherte, kam auf einmal dieses und jenes auf den Tisch, was nun plötzlich „dringend“ war und keinesfalls bis Montag warten konnte.

„Ich packe jetzt so langsam mal zusammen und mach‘ mich auf den Weg. Noch schnell nach Hause duschen, umziehen, dann ab ins Taxi. Heute fahre ich keinen Meter mehr, schon gar nicht mit der U-Bahn. Und die „Flexi-Flavia“, das Unternehmen für maßgeschneiderte Maschinenträume, zahlt ja alles. Ist ja auch das Mindeste!“

Sarah fuhr ihren PC herunter, räumte schnell und routiniert den Schreibtisch auf und nahm ihre überdimensionale Handtasche, die eher ein Koffer war. Und vermutlich auch so schwer. Was da genau drin war, wusste sie selbst schon nicht mehr. Vermutlich lagen irgendwo verklebte Bonbons auf dem Grund, vermischt mit ein paar vertrockneten Tabakkrümelchen. Genaueres über das Innenleben einer solchen Monster-Damenhandtasche wollte sicher niemand wissen. Schon lange hatte sich Sarah vorgenommen, das Ding mal gründlich auszumisten, aber es war bei dem guten Vorsatz geblieben.

„Ciao Bella Tinka! Ich bin dann mal weg! Auf Knigge-Kurs… Und Dir ein wunderschönes, freies Wochenende!“, rief sie und warf sich die leichte Jacke über, die man Anfang Juli noch gut gebrauchen konnte. Es war irgendwie nicht richtig Sommer geworden in diesem Jahr. Schaltjahr ist Kaltjahr, erinnerte sich Sarah an die Bauernweisheit. Und die müssen es ja wissen…

„Also, dann, Süße, halt Dich tapfer. Vielleicht wird es ja ganz interessant. Und wer weiß, vielleicht sind ja ein paar attraktive Typen dabei. Man kann nie wissen!“

Noch im Weggehen murmelte Sarah vor sich hin: „Das würde mir gerade noch fehlen, einer von diesen gelackten Anzugträgern. Jedes kleine Licht ein Manager…“ Tinka konnte die Worte jedoch nicht mehr hören. Und Sarah dachte insgeheim: Ich hab‘ die Nase so dermaßen voll, mir könnten sie glatt George Clooney persönlich auf den Bauch binden. Ich würde ihn glatt runterstrampeln. KEIN BEDARF!!!


Seit ihrer Trennung vor drei Jahren war Sarah geheilt von Romantik und dem Glauben an die große Liebe. Helge hatte sie mehrfach betrogen und alle Welt wusste davon. Alle, außer Sarah! Die alte Leier. Und niemand hatte die „Eier“ gehabt, ihr davon zu stecken. Reiner Zufall, dass sie einmal früher Feierabend gemacht hatte und noch schnell was auf dem Bornheimer Wochenmarkt einkaufen wollte. Da hat sie ihn dann erwischt. Mit seiner Ex! Dieser alten Hexe, ihrer Vorgängerin. Jahrelang hatte er ihr ständig erzählt, was für eine abscheuliche Person diese Ella doch war. Im Gegensatz zu ihr, seiner neuen Flamme…

Sarah wollte das jedoch nie hören, nie in dieser Form von ihm in den Himmel gehoben werden, aber ständig musste Ella als absolutes Negativ-Beispiel herhalten. Für alles und jenes. Und dann knutschte er ausgerechnet mit dieser angeblich so abscheulichen Person wild in einer halbdunklen Ecke herum. Gleich hinter den Oliven in Holzfässern, Sarahs Lieblingsmarktstand.

Ihrem Olivenstand! Das war ja wohl der Gipfel!

Sarah war so geschockt gewesen, dass sie wie ferngesteuert die Szene verlassen hatte. Die teuren Oliven in Thymian, die nur an diesem Stand zu haben waren, blieben auch noch bezahlt zurück. Alles Rufen des netten Marktmannes sollte vergebens sein, Sarah war schließlich auf der Flucht!

Zuhause angekommen, durchforstete sie zum ersten Mal in ihrem Leben alles, was sie über Helge finden konnte. Ohne Rücksicht auf Privatsphäre und Datenschutz.

Die Klassiker, so fand sie schnell heraus, waren heute aber wieder die guten alten Rechnungen, die nicht mit Karte bezahlt wurden. Sondern cash! Doch gerade die wurden anscheinend gerne zerknüllt in Jackentaschen zurückgelassen. Er hatte seine Gespusis recht großzügig eingeladen – in die teuersten Hotels, schicksten Lounges und Bistros. Und immer hatte er Namen, Haarfarbe und erotische Vorlieben der Damen auf den Rechnungen vermerkt. Wahrscheinlich, so vermutete Sarah, würde er sie eines Tages in einer Excel-Tabelle verewigen. Mit allen sonstigen schlüpfrigen Details. Das war ja widerlich, igitt!

Nach und nach setzte sich das Puzzle zusammen, Ella war bei Weitem nicht die Einzige.

Und als sie zu guter Letzt auch noch sein Original-Foto in einer Single-Onlinebörse gefunden hatte, fing sie umgehend an, mit ihm zu flirten. Online. Mit dem Foto einer Dame, die seinem Beuteschema entsprach. Blonde, lange Haare, Modelfigur, schöne Zähne, Typ Spielerfrau… Im Prinzip eine Weiterentwicklung ihrer selbst. Die Perfektion von Sarah Feldmann schlechthin!

Nichts hatte sie sich anmerken lassen, in den nächsten Tagen verhielt sie sich ihm gegenüber so normal es nur ging. Immer schön Pokerface machen, Hauptsache, er merkt nichts! Auch wenn es ihr schwer gefallen war…

Nur nachts, wenn er denn da war, täuschte sie Überarbeitung oder Kopfschmerzen vor. Aber das war das geringste Problem. Sarah konnte tatsächlich eine Menge kriminelle Energie entwickeln, wenn die Sache versprach, interessant zu werden. Und das tat sie!

Ihr Ziel: Ein Date mit Helge, dem Rosenkavalier, der ihr mehrfach am Tag schrieb, wie sehr er sie jetzt schon vermisste und täglich einen virtuellen Rosenstrauß schickte. Er war sofort auf sie angesprungen. Ein Treffen mit ihr, der Herzdame in Blond, konnte er nach eigener Aussage kaum noch abwarten. Der Typ hatte angebissen, als wäre bei ihm schon länger der emotionale und sexuelle Notstand ausgebrochen. Und das Rendezvous fand schneller statt, als Sarah ursprünglich angenommen hatte.

Dann konnte SIE es kaum noch erwarten… Treffpunkt war wieder die Berger Straße, wo auch der Wochenmarkt stattfand. Sarah wollte das Notwendige mit dem Nützlichen verbinden und sich nach dem Treffen zumindest ihre geliebten Oliven mit nach Hause nehmen. Und noch ein Baguette vom französischen Supermarkt, gleich nebenan.

Seine „Sieben Sachen“, zum Glück hatte er keine Möbel bei Sarah angeschleppt, waren bereits an seine Adresse im Elternhaus geschickt, wo er noch ein kleines Apartment hatte. Ihre Wohnung war somit bereits Helge-frei! Und den Wohnungsschlüssel würde sie ihm auch gleich abnehmen, das hatte sie sich fest vorgenommen. Allein sein Gesicht, als sie im Café Wacker auf ihn gewartet hatte. Nie hätte sie gedacht, dass er mal so doof aus der Wäsche gucken konnte. Tja, saudumm gelaufen. Für ihn, den allzeit bereiten Helge!

Erst da hatte Sarah so richtig begriffen, was für eine „Nullnummer“ er eigentlich war. So etwas sollte ihr nie mehr wieder passieren. Das hatte sie sich bei allem, was ihr heilig war, geschworen. Also sozusagen bei Weißbrot und Thymian-Oliven.

Alles vom Bornheimer Wochenmarkt!



Mister Left (XXL Leseprobe)

Подняться наверх