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Der Tag begann für Simon von Grünenfeld mit einem kleinen Ärgernis und endete mit der großen Liebe. Das jedenfalls glaubte der Chef über dreitausend Angestellte, als er die nackte Sarah Degenfeld in seinen Armen hielt.

Aber ehe es soweit war, musste er die U-Bahn besteigen, weil sich sein Luxuswagen in der Inspektion befand und seine Frau keine Lust hatte, ihn ins Büro zu fahren.

Simon von Grünenfeld hatte nichts dagegen, die U-Bahn zu benutzen, da er fand, dass man nur noch dort Berührung mit den einfachen Menschen von der Straße hatte, aber gerade an jenem Morgen störte und reizte ihn die mürrische Atmosphäre, die ihm entgegenschlug, dieses widerborstige Unausgeschlafensein, das ihm wie ein stummer Protest der Werktätigen erschien und auf seine Stimmung drückte.

Er war besser gekleidet als die normalen Fahrgäste, er sah gepflegter aus, er roch besser – er wirkte unter der grauen Masse wie ein Fremdkörper. Dieser Eindruck erlosch jedoch, als er das wunderschöne Mädchen sah. Sie saß nicht weit von ihm entfernt und las in einem Taschenbuch.

Ihr blondes, bis auf die Schultern herabfallendes Haar erinnerte ihn an Anna, seine Tochter, aber als das Mädchen den Kopf hob, musste er feststellen, dass die Fremde schöner und älter als Anna war. Er schätzte das Mädchen auf zwanzig. Sie blickte ihn an, kurz und prüfend, dann las sie weiter.

Er merkte, dass sein Herz rascher klopfte, und fühlte sich wie Pennäler, dem ein Lächeln seiner ersten, großen Liebe zuteil geworden war.

Dieses wunderschöne blonde Mädchen!

Er erinnerte sich nicht, jemals ein attraktiveres Gesicht zu haben, so süß, lebendig und... und... Er suchte nach einem Wort. Dann hatte er es: Sexy!

Ja, sie war sexy.

Er ertappte sich dabei, wie er sie in Gedanken entkleidete, langsam und genüsslich. Wie er mit den Fingerspitzen über ihre prallen festen Brüste strich, wie sie erschauerte und sich dann verlangend an ihn schmiegte. Er schluckte. Seine Fantasie arbeitete auf Hochtouren. Es war so leicht, in diesem stampfenden, schaukelnden U-Bahnwagen zu träumen.

Er versuchte sich vorzustellen, wie es wohl sein würde, wenn er eindrang in ihre feuchte Scheide, während sie, mitgerissen und erregt von seiner Zärtlichkeit, endlich seinen Penis zu suchen begann...

Unsinn!, wies er sich im nächsten Moment zurecht. Sie könnte deine Tochter sein. Vergiss deine zweiundvierzig Jahre nicht, alter Junge. Ein junges hübsches Mädchen von knapp zwanzig Jahren, sieht dich alten Schnösel nicht einmal an.

Aber sie hatte ihn angeblickt!

Um den Bruchteil einer Sekunde länger, als notwendig gewesen wäre, fand er, um eine Nuance intensiver, als es die Situation erforderte.

Gefiel er ihr? Oder hatte sie nur sein sehnsüchtiger Blick irritiert?

Ihm fiel ein, dass bereits zwei Jahre verstrichen waren, seitdem er sich das belebende Abenteuer eines Verhältnisses geleistet hatte.

Melanie Schäfer, seine Sekretärin, arbeitete immer noch für ihn und ließ weder mit Worten noch mit Andeutungen oder Gesten erkennen, dass sie einmal seine Geliebte gewesen war. Dass sie im Büro vor ihm auf den Boden gesessen hatte, zwischen seinen gespreizten Beinen, um ihm zu zeigen, was sie von Fellatio verstand.

Seine Firma hatte dank seiner Energie in den letzten beiden Jahren eine steile Aufwärtsentwicklung durchgemacht und befand sich immer noch in der Expansion. Er hatte gute Aussichten, den Betrieb noch weiter zu vergrößern und zu einem Branchenriesen zu machen, aber plötzlich fragte er sich, was so erstrebenswert daran war und welches Glück sich damit verband.

Glück? Damit hatte das nichts zu tun. Glück konnte man mit einem Mädchen wie diesem da erleben, nicht in einer Firma. Dort stillte man nur seinen Ehrgeiz, dort bewies man seine Tüchtigkeit, dort zeigte man sich und der Welt, wozu man in der Lage war.

Die Welt! Was war für ihn die Welt? Seine Familie?

Nicole, seine Frau, betrog ihn. Er hatte es ihr noch nicht beweisen können, war aber sicher, dass sie sich mit einem jungen Geliebten vergnügte.

Anna? Die ging seit langem ihre eigenen Wege. Im Grunde verachtete sie ihn. Sie hielt ihn für einen Ausbeuter, für einen Kapitalisten, sie weigerte sich, die positive Seite seiner Unternehmerpersönlichkeit zu sehen.

„Rede doch keinen Scheiß“, pflegte seine Tochter manchmal zu ihm zu sagen. „Und entschuldige dich nicht mit den sozialen Einrichtungen, die du angeblich für deine Angestellten geschaffen hast! Schau dir dein Bankkonto an und vergleiche es mit denen der Leute, die für dich arbeiten. Du bist mehrfacher Millionär, die anderen sind arme Schweine. Und das werden sie auch bleiben, trotz deiner idiotischen sozialen Einrichtungen.“

„Okay, er besaß wirklich ziemlich viele Millionen, sicher mehr, als sich seine Frau und Tochter überhaupt vorstellen konnte. Es tat gut, zu wissen, dass man sich praktisch alles leisten konnte, aber Tatsache war, dass er sich in letzter Zeit kaum die Zeit hatte, etwas zu kaufen. Wozu also das viele Geld? Für eine Familie, die ihn nicht mochte und nicht achtete, für die er nur der willkommene Dukatenesel war?

Er starrte unentwegt das lesende Mädchen an. Mit so einer Schönheit nochmals von vorn beginnen, als sei nichts geschehen. Oder einfach leben. Sich lieben. Auf einer Jacht. In Luxushotels. Lieben, immer wieder lieben...

Das blonde Mädchen hob erneut die Augenlider und schaute ihn an, als spürte sie, dass er sich in Gedanken mit ihr beschäftigte. Sie hatte große, strahlend blaue Augen, die unter langen, seidigen Wimpern lagen. Die Nase war klein, edel, gerade, der Mund rot, voll und weich. Ein Mund, der zum Küssen wie geschaffen schien. Obwohl er im Augenblick eher herb und etwas hochmütig wirkte.

Sie trug einen Wildledermantel, der offen war und den darunter befindlichen grünen Pullover und die enge Jeans zeigte. Sehr geschmackvoll, fand Simon von Grünenfeld, und bedauerte gleichzeitig, dass ihre Aufmachung ihm keine Prüfung ihrer Beine ermöglichte. Immerhin war zu sehen, dass das Mädchen gut entwickelte, volle Brüste besaß.

Ob sie einen festen Freund hatte? Ganz bestimmt sogar! Eine Ausnahmeerscheinung von diesem Zuschnitt war umschwärmt und konnte unter dem großen Angebot der Münchner Männer wählen. Vielleicht kam sie jetzt aus dem Bett ihres Liebhabers und spürte noch die letzten, heftigen Stöße seiner Leidenschaft zwischen ihren rassigen Schenkeln.

Sie trug, wie er sah, keinen Ring. Ihre Hände waren schlank und feingliedrig. Simon fand es aufregend, sich vorzustellen, wie diese Hände seine Vorhaut vor- und zurückzogen, wie sie nach seinem Hodensack griffen, ihn umspannten und zärtlich-fordernd drückten...

Verdammt, was brachte ihn nur dazu, unentwegt in sexuellen Lustbildern zu schwelgen? Wenn schon! Niemand konnte ihm dieses kleine Vergnügen verwehren, es gab ja sowieso keine Möglichkeit, seine Träume zu realisieren.

Er hob unwillkürlich die Augenbrauen, als hätte er sich bei einer Dummheit, bei einer falschen Folgerung ertappt. Im Geschäftsleben gab es für ihn selten das Wort „unmöglich“. Warum also zeigte er sich hier so ängstlich und reserviert? Er konnte das Mädchen immerhin ansprechen, er konnte versuchen, mit ihr ins Gespräch zu kommen. Wenn sie ihm einen Korb gab, ging deshalb die Welt nicht unter.

Natürlich war es ganz ausgeschlossen, dass er sie hier kennenlernte. Er hatte keine Lust, sich vor den anderen Fahrgästen zu blamieren oder bloßzustellen. Aber wenn sie ausstieg...

Der Zug hielt. Das blonde Mädchen warf einen Blick nach draußen, stand auf und drängte sich zum Ausgang. Simon war einen Moment unschlüssig. Er hatte nicht erwartet, dass er so rasch zu einer Entscheidung gezwungen werden würde. Dann gab er sich einen Ruck und folgte dem Mädchen. Im nächsten Moment stand er auf dem Bahnsteig, umdrängt und gestoßen von den Leuten, die zuzusteigen wünschten. Seine Blicke folgten dem Wildledermantel zur Rolltreppe, dann hastete er ihr hinterher.

Er hatte es sich bislang hoch angerechnet, jeden Morgen um spätestens acht Uhr an seinem Schreibtisch zu sitzen. Es war klar, dass dieses Intermezzo seinen Rhythmus stören musste und dass er heute später als sonst kommen würde. Wenn schon! Es gab nichts, was nicht eine halbe Stunde auf seine Entscheidung warten konnte.

Auf der Leopoldstraße in München-Schwabing ging er plötzlich neben ihr. Das Mädchen wandte den Kopf, musterte ihn flüchtig, und blickte wieder geradeaus. Ihr wunderschönes Profil strahlte Ablehnung und Desinteresse aus.

„Wo arbeiten Sie?“, fragte er.

Sie antwortete nicht. Die Art, wie sie sich bewegte, war elegant und zielstrebig zugleich. Sie war größer, als er es in der U-Bahn vermutet hatte. Jetzt registrierte er auch ihr Parfüm, einen aufregenden, herbsüßen Duft.

„Mein Name ist Grünenfeld“, sagte er. „Simon von Grünenfeld.“

Er kam sich seltsam hölzern vor. Wie oder was redete man mit so einem jungen Mädchen? Er wusste zwar, welches Vokabular seine Tochter benutzte, hatte es aber stets für unter seiner Würde gehalten, sich ihm anzupassen.

Jugend! Schönheit! Er merkte, dass ihn Welten davon trennten und war wütend darüber. Woran lag es, dass man die gleiche Sprache benutzte und doch solche Mühe hatte, einander zu verstehen? Vermutlich war es das Alter, der viel zitierte Generationenunterschied.

„Ich mache so etwas zum ersten Male“, sagte er. „Jemand auf der Straße ansprechen, meine ich. Ich komme mir gerade... äh, ich komme mir dabei ziemlich idiotisch vor.“

„Warum tun Sie´s dann?“, fragte sie scharf und ohne ihn anzublicken.

„Weil ich... weil Sie mich sehr beeindruckt haben“, antwortete er.

Das Mädchen blieb stehen. Er stoppte gleichfalls. Sie schaute ihm in die Augen, ernst, ungläubig, prüfend.

„Das ist doch Unsinn“, sagte sie dann viel weniger aggressiv, als er es erwartet hatte. „Was versprechen Sie sich davon?“

„Endlich wieder Leben.“

„Sie machen nicht den Eindruck eines Mannes, der teilnahmslos am Leben vorbeigeht“, bemerkte sie spitz.

„Ja, ich stehe im Leben“, meinte er mit einem Anflug von Bitterkeit. „So nennt man das, ich weiß. Aber ich kann nicht behaupten, dass mir das Spaß macht. Das ist nicht das Leben, von dem man träumt.“

„Wer kann es sich schon leisten, Träume zu realisieren?“, fragte sie ihn.

„Ich“, hörte er sich antworten.

„Das Mädchen hob verwundert die Augenbrauen. „Sie?“

„Ich bin sehr vermögend“, sagte er, erstaunt über das, was er sagte. „Ich kann mir fast jeden finanziellen Wunsch erfüllen. Aber ich tue es nicht, sondern gehe jeden Tag in meine Firma. Als ich Sie in der U-Bahn sah war es, als hätten Sie neue Impulse in mir ausgelöst, als hätte Ihr Anblick mich verzaubert...“

Sie musterte ihn unverwandt mit diesem prüfenden, skeptischen Blick, dann lächelte sie plötzlich.

„Sie sind der erste vermögende Mann, der mir begegnet. Meine Freunde und Familie sind alle abgebrannt und meistens pleite. Von meinem Chef in der Firma mal abgesehen, der ist wohl auch ziemlich reich. Sie sprechen vom Kaufen. Glauben Sie, dass ich käuflich sei?“

„Ich hoffe nicht.“

„Warum bringen Sie dann den Faktor Geld ins Gespräch?“, wollte sie wissen.

„Ich habe nicht von Ihnen gesprochen, sondern von meinem Leben“, erwiderte er. „Sie waren nur der Auslöser. Ganz plötzlich fällt es mir wie Schuppen von den Augen. Ich führe ein blödes, leeres Leben. Ich möchte es ändern. Mit Ihnen!“

Das Mädchen lachte. „Sie spinnen! Haben Sie heute Morgen vergessen, Ihre Pillen zu schlucken?“, meinte sie und ging weiter, aber sie bewegte sich nicht mehr so rasch wie vorher, und hatte offenbar nichts dagegen, dass er an ihrer Seite blieb.

„Wo arbeiten Sie?“, fragte er noch einmal.

„In einem Anwaltsbüro. Hagenau & Talheim“, antwortete sie. „In der Königinstraße.“

„Lassen Sie uns den Tag gemeinsam verbringen“, bat er. „Schwänzen wir beide die Arbeit.“

„Wie stellen Sie sich das vor? Sie sind irgendwo ein Chef, aber ich bin bloß eine kleine Angestellte. Wenn ich nicht aufkreuze, gibt es Krach. Außerdem müsste ich morgen aufarbeiten, was ich heute versäumt habe.“

„Ja, ich verstehe.“

Sie musste plötzlich lachen. „Sie sehen jetzt aus wie ein kleiner Junge, dem man sein liebstes Spielzeug zerstört hat. Sie kennen mich doch gar nicht! Vielleicht würde ich Sie schrecklich langweilen oder enttäuschen, schon nach der ersten Viertelstunde...“

„Das ist ausgeschlossen!“

„Warum sollte das ausgeschlossen sein?“

„Schwer zu sagen. Es liegt wohl an Ihrer Ausstrahlung nehme ich an.“

„Sind Sie verheiratet?“

„Ja.“

„Kinder?“

„Eine Tochter.“

Das Mädchen biss sich auf die Unterlippe, warf einen Blick über die Schulter auf das Jugendstilhaus in der Königinstraße, durch dessen eleganten Eingang eine ganze Schar von Angestellten strömte.

Dann blickte sie ihn an und meinte: „Sie sind ehrlich, glaube ich. Sie versuchen nicht, mir etwas vorzumachen. Geben Sie mir fünf Minuten, ich werde kurz im Büro anrufen.“

Sie holte aus ihrer Handtasche ein Handy hervor, ging einige Schritte weg von Simon und begann zu telefonieren.

Er holte tief Luft. Der Morgen war grau und ein bisschen kühl, aber ihm war auf einmal so, als ob er im strahlenden Sonnenschein stände.

Plötzlich entdeckte er, wie unterentwickelt seine Fantasie war, wenn es darum ging, Vorschläge für die Gestaltung eines Tages zu machen, der außerhalb seiner gewohnten Routine verlief. Wenn er wenigstens seinen Wagen dabeigehabt hätte! Dann hätte ich mit ihr an den Tegernsee fahren und in einem kleinen, verschwiegenen Landhotel essen können.

Während er noch überlegte, trat das Mädchen wieder neben ihn.

„Alles klar“, sagte sie. „Ich habe mir den heutigen Tag freigenommen.“

„Ja, wirklich?“, fragte er ungläubig.

Sie lachte herzhaft. „Ja, das habe ich, obwohl ich mir nicht sicher bin, warum ich das getan habe.“

„Moment ich muss auch kurz bei meiner Sekretärin anrufen“, erklärte er, nahm sein Handy aus dem Jackett und rief Melanie Schäfer an. Als sich seine Angestellte meldete, erklärte er in kurzen Worten: „Hallo Melanie, ich habe heute noch etwas Wichtiges zu erledigen. Wann ich genau komme oder ob ich heute überhaupt komme, kann ich noch nicht sagen. Sagen Sie alle heutigen Termine ab, vertagen Sie die Meetings. Und bitte Melanie, stellen Sie mir keine Anrufe durch. Ich möchte nicht gestört werden, verstanden?“

Dann beendete er die Verbindung.

Er lachte. Er war froh, glücklich, fühlte sich wie befreit. Im nächsten Moment fiel ein leichter Schatten auf seine Beschwingtheit. Vermutlich imponierte ihr sein Vermögen. Wer konnte schon der Versuchung widerstehen, sich mit einem reichen Unternehmer einzulassen?

Wenn schon! Falls seine Befürchtung zutraf, musste er sich gerechterweise sagen, dass sein Geld in diesem Falle endlich einmal zu seinem Nutzen arbeitete, nicht für die Firma, nicht für seine Frau oder Tochter.

„Ich heiße übrigens Sarah“, sagte das blonde Mädchen und lächelte ihm in die Augen. „Sarah Degenfeld.“

„Sarah“, murmelte er. „Ein wunderschöner Name. Strahlend, natürlich. Sarah kommt aus dem hebräischen und bedeutet: die Fürstin, in einer anderen sprach bedeutet es Morgenstern.“

„Woher wissen Sie das?“

„Ich lese viel.“

„Ich bin beeindruckt.“

„Das war nicht der Sinn. Ich werde Sie bei Gelegenheit »Morgenstern« nennen, ich finde das ist ein passendes Kosewort.“

„Ich fühle mich geehrt“, sagte sie und musste lachen. „Sie sind sehr witzig.“

„Ja, wirklich?“

„Ganz ehrlich.“

„Das würde meine Tochter anders sehen.“

„Vater-Tochter Probleme?“, fragte sie.

„Ständig.“

„Das kann ich verstehen. Ich komme mit meinem Vater auch nicht aus.“

„Haben Sie ein schlechtes Gewissen?“

„Warum? Wir haben doch noch nichts falsche getan, oder?“

„Nein“, sagte er grinsend. „Ich meinte, da Sie heute die Arbeit schwänzen.“

Sarah lächelte. „Ach was! Ich bin froh, dass ich mal einen Tag blau mache. Ehrlich.“

Sie betraten ein kleines Café, setzten sich an einen Zweiertisch und bestellten Cappuccino. Kurz darauf entschuldigte sie sich, und ging zur Damentoilette. Die Handtasche ließ sie zurück.

Simon schaute ihr hinterher und widerstand der Versuchung, einen Blick in Sarahs Handtasche zu werfen. Ihr Inhalt würde sicherlich eine Menge über das Mädchen aussagen. Ach, zum Teufel damit! Sie war jung, wunderschön und sexy. Er wollte sie nicht heiraten. Er wollte mit ihr schlafen...

Wollte er das wirklich? Ja, das wollte er, ohne Zweifel. Er lächelte erwartungsvoll und lehnte sich zurück. Mal sehen, ob du das schaffst, alter Junge...

Sarah kehrte zurück, nippte an ihrem Cappuccino und blickte ihm anschließend tief in die Augen.

„Was haben Sie mit mir vor?“, fragte sie direkt.

Er erwiderte den Blick, sanft, zärtlich, offen. „Ich möchte mit Ihnen schlafen“, antwortete er.

Er war erstaunt, wie ruhig und selbstverständlich er diesen Satz hervorgebracht hatte. Das Mädchen nahm sie entgegen, ohne mit der Wimper zu zucken.

„Mir gefällt Ihre Ehrlichkeit“, sagte sie. „Warum wollen Sie mit mir schlafen?“

„Weil ich Sie begehre, vom ersten Moment an, als ich Sie in der U-Bahn sitzen sah.“

„Aber ich“, erwiderte sie, „begehre Sie nicht.“

Er grinste. „Da haben wir schon unser erstes Problem.“

„Es gibt noch viele andere.“

„Zum Beispiel?“

„Sie sind verheiratet.“

„Meine Frau hat einen Liebhaber. Wir haben uns auseinandergelebt. Schon seit Jahren.“

„Das lassen Sie zu, dass Ihre Frau fremdgeht?“

„Ich werde nicht gefragt“, entgegnete er. „Ich kenne den Mann nicht. Meine Frau Nicole ist sehr geschickt, aber ich spüre es einfach, schon seit langer Zeit.“

„Vielleicht reden Sie sich das nur ein.“

„Ja, vielleicht.“

„Dann ist da noch Ihre Tochter.“

„Anna geht ihre eigenen Wege. Ihr ist egal was ich tue, wo ich bin, oder ob ich noch lebe.“

„Und schließlich“, meinte Sarah, „wäre da noch ich zu nennen. Ich schlafe nicht mir jedem. Egal, ob er ein armer Schlucker oder ein reicher Mann ist. Ich muss etwas fühlen, verstehen Sie. Hier...“ Sie klopfte sich auf die Herzgegend. „Und da ist bis jetzt, was mich betrifft, Fehlanzeige, tut mir leid.“

„Schade. Aber ich gebe nicht auf. Ich habe einen ganzen Tag, um mein Image in Ihren Augen aufzuwerten.“

„Fangen Sie ruhig damit an“, meinte Sarah lächelnd. „Ich bin auf Ihre Taktik und Strategie neugierig.“

„Eigentlich habe ich keine, aber alles kommt, wie es kommen soll. Aber mich würden ein paar Dinge interessieren. Darf ich einige Fragen stellen? Sie brauchen sie nicht zu beantworten, wenn Sie nicht mögen.“

„Schießen Sie los.“

„Haben Sie einen Freund?“

„Mehrere“, antwortete sie.

„Schlafen Sie mit denen?“

„Nur mit einem.“

„Gut, dann ist das Ihr fester Freund...“

„Nein“, erwiderte sie. „Aber er kann es am besten.“

Simon lachte, dann wurde er plötzlich nachdenklich.

„Seltsam“, sagte er. „Ich weiß, dass ich ein sehr guter Geschäftsmann bin, aber ich kann nicht beurteilen, ob ich gute Noten im Bett verdiene. Mit meiner Frau schlafe ich schon lange nicht mehr.“

„Die Ärmste!“

„Sie kommt schon auf ihre Kosten.“

„Auf welche Weise verschaffen Sie sich Befriedigung?“, fragte Sarah kess.

Was für ein Gespräch!, dachte er. Einfach umwerfend. Aber es machte ihm Spaß. Er hatte keine Mühe, völlig frei zu sprechen. Das hätte er nicht einmal einem Psychiater gegenüber so ungezwungen tun können. Aber es ging nicht nur um die damit verbundene geistige Befreiung. Ganz ohne Zweifel reizte ihn auch die erotische Spannung, die sich damit verband.

„Hin und wieder schlafe ich schon noch mit Nicole“, sagte er. „Es ist wie eine Pflichtübung, wissen Sie. Wir sind ausgebrannt. Ich kann nicht sagen, woran das liegt. Es ist einfach so.“

„Dann kann ich Ihre Frau verstehen“, meinte Sarah. „An ihrer Stelle würde ich mir auch einen Liebhaber nehmen.“

„Verstehen Sie auch mich?“

„Ich bin eine Frau, also ist es leichter für mich, andere Frauen zu verstehen. Mit Männern habe ich Schwierigkeiten. Nicht im Bett, aber prinzipiell.“

„Schlafen Sie mit mir“, sagte er. „Vielleicht ist dann alles anders.“

„Was sollte anders sein?“

„Zwischen uns liegt doch eine unsichtbare Barriere. Die müssen wir überwinden. Danach werden die Gespräche offener sein, frei von dem Ballast der Konvention.“

Sarah lächelte. „Ich kann nicht finden, dass wir uns sehr konventionell verhalten.“

„Sie haben Recht, aber Sie müssen zugeben, dass noch vieles aus dem Wege geräumt werden muss.“

„Zum Beispiel meine Kleidung, oder?“, lachte Sarah und nahm einen Schluck aus der Kaffeetasse.

Er nickte. „Ich bin zu ungestüm“, sagte er. „Vermutlich überdrehe ich das Tempo.“

„Keineswegs. Es liegt schließlich an mir, ob ich mitzuhalten wünsche.“

„Ja, und?“, fragte er atemlos.

Sarah lächelte ihm in die Augen. Ihre weiche, rotschillernde Unterlippe krümmte sich ein wenig.

„Also gut“, sagte sie mit leiser, dunkler Stimme. „Setzen wir das Experiment fort. Gehen wir in ein Hotel.“

Seitensprung der Eltern!

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