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LUST UND ENTTÄUSCHUNG

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Ehe Viola sich’s versah, war Charly mit ihr in den Wohnwagen gegangen. Die schmale Tür hatte einen Rundbogen. Der Fahrbereich war deutlich vom Wohnbereich getrennt und im hinteren Ende entdeckte sie zwei Sitzgelegenheiten. In der Mitte stand ein Tisch.

»Hey Süße, wollen wir gleich zur Sache kommen?«, fragte Charly unverhohlen, zwinkerte dabei und lächelte so charmant, dass Viola nicht nein sagen konnte. Warum auch? Es war das, was sie wollte. Sie ließ es ihn nur nicht merken. Sie ließ ihren Blick schweifen und sah ihn fragend an. Wo sollte das denn bitte stattfinden? Kein Bett war zu sehen, nicht einmal eine gemütliche Ecke.

»Wo willst du es machen?«, fragte sie und sah sich suchend um.

»Ich kann zaubern, pass auf.« Charly legte den Tisch tiefer, der exakt an die Kanten der zwei Bänke stieß. Dann holte er eine Teilmatratze aus dem unteren Stauraum und puzzelte sie zwischen die Sitzpolster. Zum Schluss warf er eine kuschelige, bunte Decke darüber. Viola staunte nicht schlecht. Ruckzuck war ein Bett mit ausreichender Breite hergestellt. Er ließ die Jalousien herunter, die auf der Holzvertäfelung über den niedrigen Fenstern des Caravans befestigt waren. Ein schummriges Ambiente umgab die zwei. Das Tageslicht drang in weißen Streifen durch die Schlitze der Jalousie und fiel auf das Bett.

»Wie wunderbar. Es ist gemütlicher, als ich dachte«, stellte Viola erfreut fest.

Charly entledigte sich seiner schweren Sicherheitsschuhe und zog seine verwaschene Jeans aus.

»Ich geh mich kurz frisch machen«, meinte er und begab sich in den spärlichen Toilettenbereich. Viola streifte sich den Overall ab und wartete nur mit BH und Slip bekleidet. Es dauerte nicht lange, bis Charlie um die Ecke schaute und ihr zulächelte. Seine weißen Zähne waren einwandfrei und ließen ihn jugendlich frisch wirken. Sogleich legte er sich auf das Bett und streckte die muskulösen Arme von sich. Wie schön er aussah. Die weißen Streifen des Tageslichts schmeichelten seinem rassigen Körper. Er hatte ein wohlgeformtes Sixpack, das im schummrigen Glimmer der Lichtstreifen noch mehr herausstach. Er war nackt bis auf die Boxershorts, die sein bestes Stück versteckten. Noch …

»Komm her zu mir«, deutete er mit leicht winkender Hand. Das ließ sich Viola nicht zweimal sagen. Sie legte sich neben ihn und sah in sein Gesicht. Seine Lippen suchten ihren Mund, den sie ihm verführerisch zuwandte. Keine Frage, das waren die schönsten Lippen, die sie je gesehen hatte. Keine Sekunde später hingen sie aneinander, als seien sie miteinander verschweißt. Wunderbare, heiße Wellen der Erregung durchfuhren ihren Körper. Als sie seine Hände auf ihrer Brust spürte, erhoben sich ihre Nippel. Eine leichte Gänsehaut überzog sie. Viola küsste ihn heiß und voller Verlangen und ließ ihre Hand an seinem kräftigen, festen Körper hinunterwandern. Über die Brustpakete, das Sixpack, die Lendensichel, bis sie an den Rand der lockeren Boxershorts stieß. Sanft hob sie den Gummizug an, um unter den Stoff der Hose zu gelangen. Sie ertastete sein strammes Glied, das sich unter der Hose aufbäumen wollte. Es fühlte sich hart an. Als Viola ihn mit ihrem Fingerspiel verwöhnte, atmete Charly schwer und lüstern. Es gefiel ihr, wie er lustvolle Töne von sich gab. Er animierte sie, in die Welt der Begierde einzutauchen. Sein hartes Glied passte sich ihrer hohlen Hand gut an. Ob er sich in ihrem Körper ebenso anpasste? Charly richtete sich auf und begann die Shorts von den Beinen zu streifen. Viola stand auf und nestelte an ihrem BH, während Charly sich zu ihr hinunter begab, sich vor sie kniete und ihren seidenen Slip auszog. Im Knien umarmte er ihren Po, zog ihre Vorderseite zu sich hin und vergrub seine Nase zwischen ihren Beinen. Ein heißes Zucken ging durch ihren Unterkörper. Er atmete tief in sie hinein und ließ sie die Hitze seiner feuchten Zungenspitze spüren. Ein paar gleitende Bewegungen mit seinem Mund erregten sie so sehr, dass sie unwillkürlich in die Hocke gehen wollte. Das war kaum auszuhalten! Charly bemerkte, was er in ihr angefacht hatte und setzte einen zärtlichen Kuss auf ihren Venushügel, bevor er sich erhob. Dann zog er sie auf die Matratze und prüfte mit seinen Fingern, während er sie feurig küsste, ihre Nässe zwischen den Schenkeln. Ja, sie war bereit.

»Jetzt kann die Fahrt losgehen«, sagte er leise und drängte sie rücklinks zurück auf das Bett.

»Alles dreht sich, wie bei einem Karussell«, flüsterte sie, kaum noch fähig, ein lautes Wort zu sprechen. Viola schwanden die Sinne, als sie sich ihm hingab und ihre Schenkel öffnete. Charlys Schwanz hatte eine angenehme Dicke, die sie ausfüllte. Seine Hoden berührten den unteren Teil ihrer Pussy. Ein erstes Stöhnen entfuhr ihr. Charly indes drückte sein bestes Stück hinein. So weit, dass sie spürte, wie die Wulst oberhalb der Eichel den Widerstand ihrer vaginalen Muskeln reizte. Ein flattriges Gefühl überkam sie und erneut stieß er tief in sie hinein. Er verschwand in ihr und glitt wieder hinaus. Der Gedanke an dieses Bild und das Gefühl, das sich in ihr ausbreitete, ließ sie erregter werden. Er stieß sie in den Himmel der Lust. Rein und raus, rein und raus… Sie konnte sich nichts Schöneres vorstellen. Ihr Verlangen steigerte sich und sie spürte, wie die Feuchtigkeit sich heiß an den Schenkeln ausbreitete und wie Charly damit benetzt wurde, als er seine Hüften an den Innenseiten ihrer Schenkel rieb. Oh, was für ein heißes Vergnügen war es, mit ihm zu vögeln. Und das am helllichten Tag! Abgeschirmt in einem Caravan. Abgekapselt unter den vielen Arbeitern um sie herum und niemand bekam etwas mit. Welch ein erregender Gedanke! Oder etwa nicht? Vielleicht war ein Wackeln von außen sichtbar. Ob die Federung des Fahrzeugs wohl quietschte? Der Aufbautrupp wusste wahrscheinlich auch, dass Charly seine Eroberungen hierher schleifte. Aber Viola war das alles ganz egal, sie verwarf ihre kurzen Bedenken und konzentrierte sich auf Charly. Nur auf ihn. Auf nichts anderes. Während er in sie hineinstieß, betrachtete sie seine Oberarme, auf die er sich gestützt hatte. Bei jedem Stoß veränderten sich die Muskeln. Sie sah die Anstrengung. Seine Adern unter der Haut waren deutlich erkennbar und traten hervor. Sie pulsierten und er drückte seinen Schwanz weiter in sie hinein. Sehr bald bemerkte sie, wie etwas Großartiges sich in ihrem Schoß zusammenbraute. Und auch Charly beschleunigte seinen Takt. Der Gedanke, dass er bald käme, trieb Viola in eine berauschende Phase des Glücks. Ihr Unterkörper bebte, in ihrem Inneren rollte ein Orgasmus heran. Charly war schneller geworden und trieb sein Prachtstück in sie. Sein Glied wurde härter, seine Bewegungen fordernder. Er warf seinen Kopf in den Nacken, dass die schwarzen Haare flogen und an seinen Wangen kleben blieben.

Viola stöhnte bei jedem heftigen Stoß und es peitschten Liebeswellen in ihr hoch, die ihren Körper auf wollüstige Weise ins Paradies stießen. Dann war es soweit. Mit einem gewaltigen Donnergrollen überkam sie die Befreiung. Ein Schrei der Lust verließ ihren Mund, sie wandte ihren Kopf hin und her, bis der Orgasmus abebbte. Kurze Zeit nach ihr kam Charly. Er bewegte sich zuckend, warf seinen Kopf zurück und stöhnte mit schmerzverzogenem Gesicht. Aber es war kein Schmerz, sondern die angestrengten Gesichtszüge seiner lustvollen Befreiung.

Dann ließ er sich von ihr herabgleiten, versank in ihrer Armbeuge zwischen dem üppigen Busen und ihrer Schulter. Am liebsten hätte sie diesen Augenblick festgehalten und nie mehr losgelassen.

»Es war wunderschön mit dir.« Sanft streichelte Charly über Violas Haut, nachdem sie beide wieder zu Atem gekommen waren.

»Ich fand es auch bombastisch«, erwiderte sie und konnte sich an seinem Körper nicht satt sehen.

»Du Schöne, ich könnte noch den ganzen Tag neben dir liegen bleiben. Leider habe ich nicht so viel Zeit. Ich muss zurück auf die Baustelle.«

»Das verstehe ich doch. Trotzdem ist es schade, jetzt wo es so gemütlich werden könnte.«

Charly stand auf und sagte, ohne den Blick von ihr zu wenden:

»Ich habe es sehr genossen.« Auch er schien seltsamerweise sehr an ihr zu hängen und machte den Eindruck, sie nicht verlassen zu wollen. Trotzdem war draußen heller Tag und sicher wartete die Arbeit auf ihn.

»Ich auch. Sehen wir uns wieder?«, fragte Viola, die hin und weg war von diesem Mann. Er hatte alles, was sie sich von einem Mann wünschte. Einen tollen Körperbau, einen außergewöhnlichen Beruf, er beherrschte die Zärtlichkeit ebenso wie das Kraftvolle und nicht zuletzt passten ihre Geschlechtsteile zusammen, wie zwei Puzzlestücke.

»Das will ich hoffen!«

Schnell huschte der Kugelschreiber über einen Fetzen Papier als er seine Handynummer aufschrieb. Charly lächelte hintergründig, gab ihr den Zettel und umarmte sie zum Abschluss herzlich. Einen Augenblick später war er in seine Arbeitskleidung gestiegen und stand in der Tür mit der gelben Sicherheitskappe in der Hand.

»Lass dir Zeit beim Anziehen und mach die Tür hinter dir zu, wenn du gehst.«


Vanessa schloss verärgert die Wohnzimmertür hinter sich, denn sie erwartete die Möbelpacker.

Wie Ingo seinen Arbeitsplatz schon wieder verlassen hatte! Alles lag schlampig herum, ungeordnete Papierstapel und zerrissenes Kopierpapier mit verwischten Buchstaben. Hatte er schon wieder Diätjoghurt am Computer gegessen und herumgespritzt? Er hätte es weg wischen können. Sollte sie es etwa tun? Nein. Heute nicht! Heute räumte sie nicht hinter ihm her. Heute hatte SIE keine Zeit!

Einer der Möbelpacker stellte den großen Karton im Hausflur ab. Sein Begleiter hatte den großen Spiegel herauf getragen. Vanessa trat beiseite. Sie hatte Stunden zuvor den Flur ausgeräumt, alle Teile des kleinen Schuhschranks und die Hakenleiste vorerst in den Keller geschleppt, die Bilder von der Wand genommen und den Flur in einem hellen, sonnigen gelb gestrichen. Die Farbe roch frisch und war angenehm, ein Vanilleton mit einem leichten Tick ins Orange. Stimmungsaufhellend sollte sie sein, hatte Vanessa im Baumarkt erfahren. Ob das stimmte? Nachdem sie die Türen abgewaschen hatte und den hellen Laminat gereinigt, sah der Flur um einiges schöner aus. Das Schlüsselbrettchen leuchtete neu und hochglänzend. Fehlten nur noch die neuen Möbel. Vanessa hatte in einem Möbelhaus eine neue Garderobe mit einem zwei Meter hohen Spiegel und einen neuen Schuhschrank bestellt. Die Männer, die den großen Karton im Flur abgestellt hatten, waren eifrig dabei, die Möbel zusammen zu schrauben und aufzustellen. Das ging in Windeseile vonstatten und Vanessa war froh, das nicht auch noch tun zu müssen. Das Ausräumen und Streichen hatte ihre Kräfte fast aufgezehrt. Morgen hätte sie vielleicht sogar Muskelkater von der ungewohnten Arbeit, aber dennoch war sie stolz auf sich. Der Flur war wirklich schön geworden und der ganze Aufwand hatte sich gelohnt. Sie wollte Ingo damit überraschen. Wenn er heute Abend nach Hause käme, würde er große Augen machen.

»Unterschreiben Sie bitte den Lieferschein, er ist gleichzeitig Ihr Garantieschein.«

Und schon waren die zwei Männer mit dem Aufbau fertig und verabschiedeten sich freundlich.

Sie nahmen den Verpackungsmüll mit und trampelten lautstark die Holztreppe im Hausflur hinunter.

Vanessa schloss die Haustür, lehnte sich mit dem Rücken an und betrachtete den neuen Flur. Wie schön, wie elegant er jetzt aussah. Sie brauchte nur noch die Bilder an die Wand zu hängen. In den neuen weißen Rahmen sahen sie aus, als gehörten sie zu den weiß lackierten Möbeln als Set mit dazu. Zuerst hing sie das Bild ihrer Zwillingsschwester auf. Viola wollte am Nachmittag vorbeikommen, um sich den renovierten Eingangsbereich anzusehen. Vanessa freute sich auf ihren Besuch und das Gespräch bei einem heißen Kaffee. Dann nahm sie das Bild mit dem Spanienmotiv in die Hand. Ingo … flüsterte sie wehmütig. Was für eine schöne Zeit hatten sie in Spanien erlebt!

Vanessa ließ sich von dem Bild in Urlaubslaune versetzen. Der Sonnenschein auf dem Bild warf den Schatten der magentafarbenen Bougainville auf die Terrasse, auf der sie saßen. Es war zwei Jahre her, dass sie schöne Urlaubstage dort verbracht hatten. Damals waren sie täglich am Strand spazierengegangen, waren entspannt im Pool oder im Meer geschwommen und hatten sich gemeinsam von Strandmasseuren verwöhnen lassen. Am Abend waren sie essen gegangen und hatten dem vielfarbigen Sonnenuntergang zugesehen. An jedem so wundervollen Urlaubstag hatten sie langen und schönen Sex. Vanessa vermisste diese liebevollen Stunden. Sie vermisste Ingo, seine Zärtlichkeit, seine Nähe. Er fehlte ihr. Seine Zeit fehlte ihr. Nachdenklich stellte sie eine kleine bunte Blumenvase auf den Schuhschrank und steckte eine Rose hinein, die sie aus dem Garten mit nach oben genommen hatte. Eine einzelne rote Rose. Früher hatte Ingo ihr häufig einen üppigen Strauß voller roter Rosen geschenkt, zum Zeichen dass er sie liebte. Das tat er schon lange nicht mehr.

Vanessa seufzte und dachte an ihre Schwester. Wenn sie doch endlich mit ihr reden könnte! Kaum hatte sie an ihre Schwester gedacht, klingelte ihr Handy. Typisch, wie oft hatten sie den gleichen Gedanken zur selben Zeit.

»Hey, Schwesterlein!«

»Hallo, Vanessa. Du, ich muss dir heute absagen, ich schaffe es nicht, zu dir zu kommen.«

Vanessas Lächeln entglitt ihrem Gesicht.

»Na toll, jetzt lässt du mich auch noch im Stich.«

Das hatte ihr gerade noch gefehlt, dass ihre Zwillingsschwester sie versetzte. Sie hätte so viel mit ihr zu besprechen gehabt. Wie enttäuschend das war. Vanessa fühlte sich nun erst recht im Stich gelassen. Die Absage verstärkte die Einsamkeit, die sie mit Ingo erlebte noch weiter.

»Also entschuldige mal, ich kann echt nichts dafür. Ich habe hier so viel Arbeit, weil sich Juppi krank gemeldet hat. Und was heißt überhaupt AUCH? Wer denn noch?«

»Ingo hat auch keine Zeit für mich. Und jetzt auch noch du. Du bist genau wie er! Arbeit, Arbeit. Ich höre immer nur Arbeit Eine schöne Schwester bist du!« Vanessa schrie erbost ins Telefon. Doch gleichzeitig fiel ihr selbst auf, wie unbeherrscht sie war. Sie hatte ihre Schwester angeschrien. Das durfte sie nicht, sie war ihre einzige Vertraute. Schnell musste sie es wieder rückgängig machen.

»Oh Viola, tut mir leid, ich wollte dich nicht…«

»Was ist los mit dir?«, unterbrach Viola Vanessas angefangene Entschuldigung.

»Tut mir leid, Sorry. Ich weiß nicht, was gerade in mich gefahren ist.« Vanessas Stimme zitterte, ihre Hand ebenso. Sie presste das Handy an ihr Ohr. In so einem Stimmungstief hatte sie sich vorher noch nie befunden.

»Hey komm mal wieder runter! Was ist denn passiert?« Viola schien auf die mentale Entgleisung ihrer Schwester einzugehen und zeigte Verständnis. Vanessa hatte auch nichts anderes erwartet, schließlich war Viola auch eine Freundin. Trotzdem atmete sie erleichtert auf.

»Vanessa! Beruhige dich bitte. Ich kann nicht einfach alles stehen und liegen lassen. Ich kann sonst morgen den Laden nicht öffnen.«

»Ja, ich verstehe es. Sorry wegen vorhin. Wir finden einen anderen Tag, okay?«

»Ich rufe dich morgen wieder an, wenn ich weiß, was mit Juppi ist. Ob er kommt oder nicht.«

»Bis Morgen, Viola.« Vanessa beendete das Gespräch.

Da stand sie, alleine gelassen mit ihrem schönen Werk. Mit dem sauberen und neuen Flur, den sie stolz hatte zeigen wollen. Und plötzlich fühlte sie sich einsam, verlassen von Mann und Schwester und es zerriss sie innerlich. Tränen stiegen in ihre Augen, aber es gelang ihr, sie zu unterdrücken. Stark sein, jetzt nur nicht losheulen. Sie sollte lieber anfangen, das Essen zu zubereiten, bevor Ingo nach Hause kam, anstatt sich von solchen schwerwiegenden Gefühlen übermannen zu lassen!

Vanessa holte tief Luft, zwang sich zur Ruhe und ging in die Küche.


Halb sechs, Ingo müsste gleich zur Tür herein kommen. Vanessa ging ihren hausfraulichen Tätigkeiten nach und deckte den Tisch. Sie stellte zwei Gläser und Teller darauf und legte das Besteck seitlich der Teller hin. Dann hörte sie, wie die Haustür aufgeschlossen wurde. Ingo schmiss seine Schlüssel wie immer auf den Schuhschrank. Na warte… Vanessa eilte in den Flur.

»Ingo, siehst du nicht, dass der Schrank neu ist?« Sie war wirklich geladen und kurz vor der Explosion ihrer Gefühle, deswegen konnte sie sich kaum noch beherrschen, ihm nicht ihre Wut entgegen zu schleudern.

Ingo sah sie entgeistert an. Verstand er sie etwa nicht?

»Warum schmeißt du deinen Schlüssel schon wieder da hin?« Vanessas Augenbrauen zogen sich zusammen. Bemerkte Ingo denn gar nichts? War er auch noch blind geworden?

Erst jetzt sah er sich um.

»Entschuldige«, sagte er verdattert. »Was hast du hier eigentlich gemacht?« seine Antwort klang weder liebevoll noch interessiert. Er sah noch nicht einmal wirklich hin. Gefiel es ihm etwa nicht? Wo sie sich solche Mühe gegeben hatte?

»Ich habe den Flur renoviert.«

Ein Lob von ihm wäre richtig, stattdessen fragte er sie übellaunig. »Warum hast du das gemacht? Wir hätten eine Firma beauftragen können. Stattdessen musst du dir die Hände an so einer Arbeit schmutzig machen? Und die Farbe, also entschuldige mal, sieht aus wie Pisse.«

Es sah aus, als stellte er sich in Angriffsposition.

»Ingo!«, entsetzt sah sie ihn an, ballte ihre Fäuste hinter dem Rücken. Warum regte er sich überhaupt so auf? Sie hatte es doch nur gut gemeint. »Ich habe mich ins Zeug gelegt, versucht unsere Wohnung schön zu machen und du siehst es noch nicht einmal. Ich bin dir ganz egal!«

»Nein, du bist mir doch nicht egal …« er trat einen Schritt näher an sie heran. »Aber du musst keine harte Männerarbeit vollbringen. Das ist nichts für Frauen!«

Vanessa trat einen Schritt zurück.

»Aber ich … ich …«, war alles was sie noch sagen konnte. Ein dicker Kloß saß plötzlich in ihrem Hals und sie wusste nicht, ob er aus Wut heraus entstanden war, oder ob sie gleich in Tränen ausbrechen würde.

»Ich, ich«, äffte er ihr nach, holte aus und fegte die kleine Blumenvase vom Schuhschrank herunter. Sie zerbrach auf dem Boden und das Wasser lief heraus. »Denkst du auch noch mal an MICH?« Er betonte das letzte Wort.

Vanessa starrte ihn fassungslos und enttäuscht an. Die Vase. Die Rose. Der saubere Boden … . Ihre Augen füllten sich mit Tränen.

»Ich bin es leid, dass du mich immer alleine lässt!«, schluchzte sie ihm entgegen.

»Was? Ach, jetzt bin ich auf einmal der Schuldige?« Er machte einen Schritt auf sie zu.

»Ich will nicht mehr allein sein!« Vanessa drehte sich um, lief in ihr Zimmer, knallte die Tür hinter sich zu und schmiss sich weinend aufs Bett.

Nachdem sie sich beruhigt hatte, hörte sie, wie Ingo draußen im Flur die Scherben aufhob. Dann war es einen Moment lang still. Sie spürte, dass er vor ihrer Tür stand. Sie konnte ihn fast atmen hören. Er klopfte zaghaft.

»Vanessa, entschuldige. Darf ich reinkommen?«

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