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Kapitel VI

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Ein Seetag

Beim gemeinsamen Frühstück beschloss das Profilerteam, sein Engagement von der Kooperationsbereitschaft der Osloer Kollegen abhängig zu machen. Ohne die erforderlichen Daten und Unterlagen konnten sie niemandem helfen. Thorsten suchte die Brücke auf, und der Kapitän kam kurz an die Tür, um ihm mitzuteilen, dass die Überprüfungen an Bord keinerlei Erfolg gezeigt hatten. Die älteren Passagiere waren alle befragt worden. Auf den verfügbaren Video- und Fotodateien sei die Dame mit Rollator nicht verzeichnet gewesen.

„Herr Büthe, eigentlich darf ich es Ihnen nicht sagen, aber weder die Osloer Polizei noch wir hier an Bord können davon ausgehen, dass die Dame mit dem Trolley jemals die ,Norwave‘ betreten hat. Sie wäre niemals durch die letzten beiden Schleusen gelangt. Wer weiß, wie alt die Bordkarte war, die sie am Pier bei der ersten Sicherheitsschleuse vorgezeigt hatte. Die beiden norwegischen Ermittler werden in Bergen wieder von Bord gehen und ihre Ermittlungen in Oslo weiterführen. Bitte sagen Sie den anderen Passagieren noch nichts. Wir werden jetzt erst nach Bergen fahren. Die beiden kollidierten Schiffe unter der Hardanger Brücke blockieren noch immer die Fahrrinne. Wir mussten wieder umdisponieren. Ich wünsche Ihnen jetzt eine erholsame Reise und entschuldige mich für die bisherigen Umstände.“ Mit diesen Worten kehrte der Kapitän zurück auf seine Brücke und ließ den LKA-Beamten fassungslos stehen.

Völlig echauffiert berichtete Thorsten von diesen nicht nachvollziehbaren Entscheidungen und versuchte die norwegischen Kollegen zu erreichen, die ihnen allerdings bewusst aus dem Weg gingen.

Die beiden Politibetjents waren nach dem Gespräch mit dem deutschen LKA-Beamten nachdenklich und hatten am Morgen die Anregungen des Profilers ihrem Polizeichef, Inger Olsen, vorgetragen. Sie hatten sogar gebeten, die erforderlichen Unterlagen an Bord der „Norwave“ zu mailen, was der Herr Olsen vehement ablehnte. Er untersagte sogar, die anderen Zeugen zur älteren Dame zu vernehmen. Die bisherigen ersten Aussagen bei der Hafenpolizei seien ausreichend. Die Ermittler sollten in Bergen von Bord gehen und umgehend nach Oslo zurückkehren, um dort die Mordermittlungen vor Ort zu unterstützen.

Mit dieser Entscheidung wollten sie ihren deutschen Kollegen nicht konfrontieren, frühstückten daher extra in der Crewkantine und mieden die Passagierdecks.

Das Team redete auf Thorsten ein, er solle erst einmal wieder herunterkommen.

„Mann, jetzt mach da ’nen Haken dran und vergiss die Geschichte, wenn sie unsere Hilfe nicht wollen“, schlug Kristin vor.

„Wirklich, Thorsten“, versuchte es Carlotta ein wenig sanfter, „es macht doch keinen Sinn sich aufzureiben. Lass uns an den Anlass der gemeinsamen Reise denken: Entspannung und Erholung pur.“

„Wie soll ich mich erholen, wenn ich weiß, dass da draußen oder vielleicht sogar in unserer Nähe ein Mörder rumläuft?“, fragte Thorsten. „Vor allem, wenn wir überhaupt keine Chance haben, helfend einzugreifen.“

„Er hat recht“, stimmte Maik zu. „Mir lässt das auch keine Ruhe, euch vielleicht?“

„Nicht wirklich“, bestätigte Thomas.

„Uns wird wohl aber nichts anderes übrig bleiben“, vermutete Nina nachdenklich. „Oder will sich hier irgendjemand einen Alleingang leisten? Ihr dürft nicht vergessen, dass wir Gäste in diesem Land sind.“

„Aber genau dann ist es doch unsere Pflicht zu unterstützen“, wandte Thorsten ein.

„Es bedeutet aber auch zu akzeptieren, wenn die Hilfe nicht erwünscht ist“, erinnerte ihn Carlotta.

Thorsten winkte ab und ging.

Als er seine Kabine betrat, fand er an der Tür einen sogenannten Kabinenbrief, in dem sich die Osloer Beamten für das Unterstützungsangebot bedankten. Dann teilten sie mit, dass ihr Vorgesetzter entschieden hatte, sie nicht nur von Bord abzuziehen, sondern auch auf die angekündigten Zeugenvernehmungen der begleitenden Kolleginnen zu verzichten. Es seien keine weiteren ermittlungsfördernden Hinweise zu erwarten. Mit den typischen oberflächlichen Höflichkeitsfloskeln wünschten sie den deutschen Kollegen eine angenehme Weiterreise.

Thorsten kochte vor Wut, versuchte aber, wieder in einen Reisemodus umzuschalten und sich vor seinem Team nichts anmerken zu lassen. Wie so oft in solchen Momenten, schnappte er sich seine Nikon und machte einen Spaziergang über das Außendeck. Er wäre nicht Thorsten Büthe, wenn er seine Motive nicht auf ältere Damen fokussiert hätte, die er sich in der Kabine auf seinem Laptop weiter heranzoomte und konzentriert betrachtete. Vielleicht hatte er sich wirklich verrannt, und die Frau mit dem Rollator hatte nie das Schiff betreten. Er duschte seine Zweifel ab und begab sich zu den anderen ins Theatrium, um vor dem Abendessen die Vorstellung der Attraktionen von Bergen zu genießen, zumindest soweit es ihm aufgrund seiner Gemütslage möglich war.

Schärengrab

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