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Ein Skiausflug

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Zwei Tage später am Airport. Der Flughafen strahlt auf mich wieder diese spezielle Atmosphäre aus, die mit der Ahrenshooper irgendwie zu vergleichen ist: Entspannung und klare Gedanken. Meine Bank mit meinem Platz füllt würdevoll den Raum aus. Gut, dass ich diese Empfindung verspüre und nicht noch etliche andere Personen auch. Wie verhielte es sich ansonsten dort? Gedränge, Geschubse und möglicherweise sogar Handgreiflichkeiten um diesen speziellen Ort. Unschuldig steht diese Bank wie eine von etlichen zum Aufenthalt den Wartenden zur Verfügung: Mehr und auch weniger nicht! Jetzt, wo mein Blick über dieses polierte, glänzende Eisen fällt, überkommt mich ein kurzer Gedanke des Vermissens, bevor ich sie endlich nach ein paar Tagen wieder entere und meine Hand schmeichelnd über sie gleiten lasse, liebkosend gleich.

Verbunden damit ist stets bei mir eine Erwartungshaltung, dass in den nächsten Minuten oder Stunden etwas Unerwartetes passieren kann, allerdings nicht muss. Es ist mit jedem ankommenden Flugzeug und ihren Passagieren eine Möglichkeit vorhanden, etwas Außergewöhnliches, mit etwas Besonderem in Kontakt zu treten,

welches sich außerhalb der Normalität befindet und zugleich anziehend, wie auch abstoßend sein kann, je nachdem worum, wovon es erzählt. Noch verhält sich alles sehr beruhigend und still um mich herum. Erst einmal, jedenfalls. Wie ich der Anzeigentafel entnehmen kann, werden in der nächsten Stunde ein paar Flieger erwartet und mit ihnen Gäste ankommen, die möglicherweise etwas in sich bergen und zu erzählen haben.

Ein Flieger aus der Schweiz ist angekündigt. Eine kleinere Maschine mit etwa einhundert Plätzen, wenn überhaupt. Ja, die Schweiz: das Land der Gegensätze: Flach und steil, kalt und warm, schroff und glatt, bewachsen und kahl, fruchtbar und karg, und…., um nur einiges davon aufzuzählen. Und ebenso lassen sich diese Eigenschaften auf ihre Menschen übertragen: Von der Sonne braun gebrannt, die Haut gefurcht und lederartig bis hin zu blass und fein, je nachdem ob diese aus den Hochalpen oder dem flachen nördlichen Teil stammen.

Über diese Gedanken öffnen sich die Flügel der Schiebetür ein erstes Mal und ein kurzer Blick wird von jemand gewagt. Bereits danach ergießt sich der Schwall der Ankommenden, die sich auch gleich wieder zur Unsichtbarkeit verwischen.

Noch einmal öffnet sich die Tür und ein schlanker, mittelgroßer Mann von etwa dreißig Jahren erscheint, der seinen Gepäckwagen gemächlich, unorientiert vor sich herschiebt. Nur kurz treffen sich unsere Blicke. Doch…..

Mein Name ist Hänschen, eigentlich bin ich auf Hans-Friedrich getauft worden“, so berichtet der Fremde. „Doch alle nennen mich nur Hänschen. Was blieb mir anderes, als sich mit der Zeit daran zu gewöhnen, wenn es doch alle sagen. Egal, also bleibe ich beim Hänschen.

Seit einiger Zeit hielt ich mich dort im Kurort Laax auf, um einerseits zu neuen Kräften zu gelangen, andererseits mich auf eine Herausforderung vorzubereiten, denn schon bald sollte ich im väterlichen Betrieb eine Vorstandsfunktion übernehmen. Und so sagten meine Eltern zu mir: „Junge erhol Dich, bevor Du in den nächsten Jahren keine Zeit mehr dazu finden wirst“, und meine Mutter setzte noch hinzu: „Guck Dir Vater an. Ich habe kaum etwas von ihm. Er kommt spät nach Hause und ist bereits in der Frühe auf dem Weg ins Büro. Außer an den Wochenenden, da finden wir Zeit füreinander! Ja, so wird es Dir auch bald ergehen, deshalb genieß die letzten Wochen, bevor diese Mühle für Dich beginnt!“ Ja, so sprachen sie zu mir und umarmten, küssten mich lebhaft wie bei einem unbestimmten Abschied, wobei immer etwas Wehmut, Quälendes in der Luft liegt, das möglicherweise aus der Ungewissheit geboren ist. Ich empfand es seinerzeit als ein wenig theatralisch, übertrieben und gespielt, handelte es sich doch zwar um einen schweren Job, jedoch nicht um etwas, was mich umzubringen drohte.

Also setzte ich mich ins Taxi, dann zum Flughafen und nur wenig später befand ich mich in Zürich-Kloten. Von dort aus ging es mit dem Auto weiter nach Laax. Wer diesen Ort nicht kennen sollte: Dieser liegt in der Region Surselva im Kanton Graubünden, zählt etwa eintausend Einwohner, liegt in etwa ebenso hoch über dem Meeresspiegel und besitzt gefühlt ebenfalls so viele Skipisten. Im Sommer lädt der Laaxer See und auch das nahe Wäldergrün zu sportlichen Aktivitäten ein. Und wer ein wenig Lust verspürt, kann leicht in eine Höhe von 2000 Metern laufen, um dort den Drachenseglern beim Fliegen zuzuschauen. Die Temperaturen steigen manchmal zu schwindeligen Graden an. Im Winter hingegen steht der Ski im Mittelpunkt, wobei andererseits für jede unterschiedliche Sportart ein großes Angebot vorhanden ist. Wie man sich leicht denken kann, ist es mit viel Rummel und Getümmel verbunden. Dazu stoßen die üblichen Hotels, private Vermietungen und ein klassisches Angebot an Kuren, heute eher Wellness genannt.

In einem solchen Wellnesstempel hatten meine Eltern mich untergebracht. Die Anhöhen zeigen einen wunderschönen Weitblick in die Gegend auf die schroffen und steilen Bergketten, den Bewuchs des saftigen Grüns, Waldwege, die zu Spaziergängen einladen und viel mehr… Im Winter verwandelt sich das eher beschauliche Bild zu einem tosenden, rauschenden Schneegetümmel, und auch die Einwohnerzahl steigt leicht auf das mehrfache an. Mit einem Wort: Selbst verordneter Wahnsinn!

Mein Augenmerk, jedenfalls das meiner Eltern, und ein braver Sohn beugt sich diesen Wünschen, lag auf Erholung und Entspannung. Die Tage glichen einander, waren mit teils langweilig, dann wieder mit aufregend zu bezeichnen, wenn es am Kaminfeuer spannende Geschichten zu erzählen gab, oder wenn auch wieder der Rettungsdienst oder die Bergwacht tätig werden mussten, weil der eine oder andere sich mit seinen Kräften übernommen hatte. Nach etwa 14 Tagen riss mich ein plötzlicher Einfall aus dieser gedanklichen Wohlfühleinöde heraus und „befahl“ mir, ein Wagnis einzugehen. Ich muss dazu bemerken, dass ich, auch wenn ich aus dem flachen Norden komme, ein geübter Skiläufer bin. Jedenfalls packte es mich, die Skier unterzuschnallen, jedoch nicht auf einer der stark frequentierten Pisten zu fahren, sondern abseits, dort wo ich bereits früher gelaufen beziehungsweise gewandert bin. Also machte ich mich auf meinen Ausflug ins Ungewisse.

Jedenfalls………………

schwebte ich auf meinen Kufen wie die vielen Flocken, die mich zu umgarnen schienen, so als wären sie augenblicklich zu meinen persönlichen Freunden geworden, zu schwebenden Freunden, weil sie sich leicht mit dem Wind bewegten und keine Schwere aufwiesen, weil sie federleicht von oben nach unten wogten wie aus einem Federbett hinaus geschüttelt, bis dennoch irgendwann nicht mehr festzustellen war, ob diese von oben nach unten oder umgekehrt sich fallen ließen, denn dieses oben und unten hatte sich bereits seit geraumer Zeit zu einem umgebenen Einheitsgrau verdichtet, welches noch nicht mit schwarz, aber eben auch nicht mehr mit durchsichtig zu bezeichnen war, und bei mir zu einer Orientierungslosigkeit geführt hatte, die, ja selbst, wenn ich im Augenblick den einen Handschuh abgestreift, ich die feuchten Finger in den seichten Wind gehalten hätte, es nicht zu einer Orientierung hätte beitragen können, nein, ab diesem Augenblick verhielt sich alles, anders als der Geist der Erfahrung es normalerweise als Indikator hätte aufzeigen müssen, es schien sich der physikalische, kosmologische und psychologische Erkenntnisbereich zu dem Unus Mundus, zu einem Einzigen, zu einem Weiß überführt zu haben, zudem ich offensichtlich ab sofort dazugehörte, und obgleich mich dieses neue Gefühl komplett vereinnahmt hatte, ließ ich die Kufen gleiten, dann bremsen, so als gäbe es in dieser friedlichen, neuen Welt wellenartige Züge, so als hätte jemand mit seinen langen Krallen Linien in den Schnee gezogen, die mir die Richtung innerhalb des Einen und Ganzen wiesen, von denen ich nicht wissen konnte, ob sie mich weiter nach oben oder unten brächten, tief in die Ungewissheit hinein, obgleich, so sagte ich mir, sollten diese Linien nur abwärts gerichtet sein, ich irgendwann aus der Höhe hinab im Tal ankommen müsste, was mir augenblicklich noch zeitlich zu früh erschien, war ich doch noch keine lange Zeit unterwegs, denn ich fühlte mich auf der Höhe wohl, jedenfalls nicht unwohl, denn das Gefühl der Furcht war mir gänzlich entwichen und auf keinen Fall mit einem zeitlichen Zustand verbunden, und dennoch zog ich es in die Betrachtung ein, dass diese Empfindung trügen konnte, in dem die Höhe zu hoch und unbeherrschbar für einen Einzelnen zu werden vermochte, die gefühlte Grenzenlosigkeit plötzlich zu einer strikten Verengung, einem Nadelöhr ähnlich, führen konnte, welches mit Überschätzung der eigenen Möglichkeiten oder Kräfte sehr gut beschrieben werden kann, gegenwärtig sich das Wetter bemerkbar schwieriger gestaltete, die momentan noch zarten Flocken zu größeren und undurchdringlicheren auswuchsen, gleichzeitig die Temperatur absackte und eher an eine große Kältekammer erinnerte, die schon bald auch die letzten Wärmetropfen aus dem Körper ziehen wollte, sodass der unbedingte Wille und Glaube an sich selbst, das Vertrauen an die ungebrochene physische Stärke, sich alsbald zu Übermut wandeln sollte, denn diese voluminösen weißen Flocken flogen mir direkt ins Gesicht, sie klopften wie kleine Klatschen auf meine Haut, schmolzen anfangs noch, um alsbald eine gefrorene Schicht wie eine Panzerung auszubilden, gegen die sich meine Lider kaum noch, und wenn nur kurz, zu öffnen vermochten, obgleich selbst das Sehen nicht mehr bewirken konnte, da sich die Landschaft in dieses allgemeine Weiß zu einer Blendung der Augen mittlerweile gewandelt hatte, und damit ein weiteres Anrennen unmöglich gemacht hatte, es nur zu dem vernünftigen Entschluss in mir führen konnte, nunmehr abwärts gleiten zu müssen, in der Hoffnung, nicht zu einer tödlichen Eisfigur zu erstarren, welche das pulsierende Blut endgültig zum Erliegen bringt, wobei die Erinnerung in mir Kindheitserlebnisse an Hitze wie auch Kälte hochspülte, beispielsweise wie ich als Kind mit anderen Kindern zusammen mit unseren Schlitten die sanften Anhöhen runter gesaust sind, wir uns das eine oder andere Mal dabei überschlagen haben, lachend wieder aufrappelten, auch wenn wieder einmal so richtig wehgetan hatte, wir dabei alles Leiden und Wut herausgeschrien haben, so als wollten wir mit diesen animalischen Lauten, die Schmach auf der Stelle vergessen oder auch verjagen wollen, und doch, was half dieses Schmerzgeschrei?, nichts, denn erst als der kalte Schnee die Glieder taub gemacht hatte, war das Befinden wieder in eine Balance geraten, zu einer Harmonie zurückgekehrt, sodass das Vergnügen des Rodelns über das Missgeschick dominierte und zugleich in den Hintergrund gedrängt worden war, ja, dann hatte ich mit den anderen zusammen meine Gewissheit zurückgefunden, den Hügel abermals erfolgreich bezwingen zu können, wobei wir, so erinnere ich mich augenblicklich, häufig die Zeit vergaßen, und gleichzeitig damit Signale des Körpers missachteten, welcher sich aus natürlichen, lebenserhaltenen Gründen bei mir wie den Freunden gemeldet hatte, in der Weise, dass einige Glieder des Körpers abzusterben drohten, leicht bläulich mit einem Touch ins Schwarze waren die Hände und Fußzehen bereits angelaufen, sodass unsere Mütter diese nur mit viel Reiben und auch duldsamer, milder Ofenwärme wieder aus der fortgeschrittenen Klammheit in das Gefühl zurückholen konnten, wobei diese sogenannte mütterliche Pflicht unter ständigem Schimpfen und Vorwürfen erledigt wurde, weil sie, wenn das Lebenskribbeln nicht schnell genug zurückkommen wollte, in ein ängstliches Geheul ausbrach, weil sie ebenfalls aus der Erfahrung wusste, sollten die Zehen bereits annähernd abgestorben sein, unbedingt die Hilfe eines Doktors vonnöten war, schlimmstenfalls sogar der Verlust eines oder mehrerer Glieder drohte und damit zu einer Verstümmelung führen würde, die ein unbedarftes Leben unverzüglich zunichte gemacht hätte, nur aus einem kindlichen Übermut oder auch Leichtsinn heraus, und wie sie dann bei ihrer Hilfe immer wieder klagte, die Zukunft oder die Karriere bereits in den jungen Jahren ein Ende gefunden hätte, sodann von ihrem eigenen Reden getrieben, die Glieder wieder und wieder massierte, drückte und küsste, zwischendurch es auch die eine oder andere Ohrfeige vor Glück setzte, weil es ihr wieder einmal gelungen war, und sich die bereits abgestorben geglaubten Glieder mit einem heftigen Kribbeln und einschießender Hitze bemerkbar gemacht und damit ins Leben zurückgemeldet hatten, und zwar so rasend, dass diese Lebensschmerzen wild wie warnend zugleich waren, und damit mir, dem Kind, eine letzte Warnung geschickt hatten, indem die Grenze zum Absterben erreicht worden war sowie mir wie den anderen Freunden mit eben diesen Schmerzen eine Erfahrung oder Lektion für das ganze Leben erteilt hatte, so etwas nicht noch einmal auszureizen, keinesfalls die Grenze zu überschreiten, und das hatte Mutter, weil sie diese Erfahrung bereits seit langem verinnerlicht hatte, und sie sie mit ihren großen Gefühlen wie Heulen und Schlägen mir damals zu verdeutlichen versucht hatte, wusste, denn das Leben setzt sich aus vielen Einzelerlebnissen zusammen, die prägend für das weitere Erwachsenwerden und von unbedingter Notwendigkeit sind, ja, sein müssen, damit nicht weitere Torheiten begangen würden, die auch als Selbstschutz zu verstehen sind, nicht das Leben aufs Spiel setzen zu wollen, da es in unserem Entwurf ausgeschlossen ist, dem gläubigen Menschen aus der Kirchenlehre bekannt, dass, wer Selbstmordgedanken in sich trüge, aus der Glaubensgemeinde unverzüglich ausgestoßen und wie ein Fremdkörper mit Schande und als Warnung für gleichdenkende belegt würde, und dieser ebenfalls kein Grab in der Gemeinde fände, sondern achtlos irgendwo vor den Toren der Stadt und nicht mehr auffindbar eingescharrt würde, sowie ebenfalls die komplette Familie als die eines Selbstmörders, eines unverzeihlichen Vorgangs, zur Schande geraten würde…….

und genau diese Gedanken führte ich…… und konnte ich aus seinen Augen lesen, während er durch die bekannte Schiebetür der Ankunftshalle tritt und sich unsere Augen für einen Augenblick begegnen und verbinden, während er mit seinen Koffern auf dem Gepäckwagen nachdenklich allein in einem gemächlichen Trott vor sich herschiebt, orientierungslos und irgendwie unentschlossen, zu welcher Seite er hin hinaustreten möchte, jedoch wohlwissend, dass er allein die Heimfahrt antreten wird, und nicht, wie die meisten anderen von ihren Angehörigen oder Verwandten abgeholt und freudig in die Arme geschlossen werden,…..

als die Ski sich durch das unendliche Weiß furchten ohne Richtung oder Orientierung, als ich plötzlich einen Schatten gewahr wurde, irrational und nicht wie von dieser Welt, eine Sinnestäuschung oder Sinnesverführung, möglicherweise war es bereits der Übertritt in dieses andere, schönere Leben, welches augenblicklich der Schatten andeutete, obgleich mir bekannt ist, das Schatten und das göttliche Reich nichts gemein haben, obgleich sie sich einander bedingen, denn wie sollte gut und böse unterschieden werden, wenn nicht durch diese Gegensätzlichkeit, und war es nicht so, dass im Alten Testament der Teufel als ein Engel beschrieben wird, der das Himmelreich verlässt, um das Schattenreich in der Tiefe der Erde zu begründen und zugleich hinübergleiten zu wollen, jedoch auch ein weiterer Blick und Wischer über die Augen ließ den Schatten nicht verschwinden, ein wenig skeptisch lenkte ich meine gleitenden Skier auf diesen Schatten zu, der sich mit jedem Meter vergrößerte und letztlich zu einer Hütte auswuchs, die in der augenblicklichen Situation wie von göttlicher Hand genau dorthin verpflanzt worden war, hilfespendend gebaut für ausweglose Verirrte wie mich, um dort Unterschlupf wie auch Schutz finden zu können, bis sich das Wetter oder besser Unwetter zum Schönen hin gewandelt hatte, ja, tatsächlich stand dort ein fester Schutzbau aus massiven Bohlen gebaut und mit einem Dach versehen, welches mit Steinen beschwert war und einen Überhang zur vorderen Seite hin auswies, sodass sich dort der Wind fangen und für einen Augenblick verweilen konnte, bis dieser von der nächsten Bö ergriffen und mit Wucht zur Seite geschoben wurde, und all das spürte ich in diesem Moment, dass nur durch eine Ruhepause ein Einhalt vor dem Schneegestöber gewährt würde, also ein Eindringen in das Innere der Hütte lebensnotwendig war, um sich dort bei gemäßigten Temperaturen und vor allem gegen den heftigen, eisigen Wind wie auch die dicken Flocken ein Zeitfenster zum Abwarten auf besseres Wetter, welches in den Schweizer Alpen schlagartig wechseln und überfallartig einfallen konnte, gewährt würde, ja, wenn es nur die Möglichkeit gegeben hätte, mir einen Zutritt in das Innere der Hütte verschaffen zu können, der mir grausamerweise augenblicklich verwehrt wurde, obgleich sich eine Tür anhand von Ritzen sichtbar abzeichnete, die sich keinen Millimeter bewegen ließ, weil sie offensichtlich vereist oder zugefroren, trotz aller heftigen Schläge und Tritte meinerseits widerstand, die, wie mir erschien, den Widerstand des Holzes sogar eher zu steigern schienen, keinesfalls aber schwächten, und nicht einen Millimeter nachgeben wollte, sodass ich nach etlichen verzweifelten Versuchen kraftlos geworden aufgeben musste, währenddessen, je wohin ich mich drehte und wendete, die Windstöße entweder von vorn, seitlich oder auch hinten mir den Schnee in das Gesicht, Ohren oder auch Nacken peitschte, der, wenn er einen Zugang in die Kleidung gefunden hatte, sofort unter der Restwärme des Körpers schmolz und entsprechend als Wasser den Körper hinabrann wie kleine Rinnsale , die in mir das Gefühl des Festklebens erweckten, schlug mir hingegen der Schnee direkt ins Gesicht, konnte ich mit einer Hand die Schicht abwischen, was aber in den Nacken geweht war, rann hinunter und erzeugte Schüttelfrost, jedenfalls stand ich unter dem Dachüberhang, fest gepresst an die Holzwand, die Skier an den Füßen und verdreht zum Körper, um zumindest ab und zu nicht den peitschenden Böen ausgesetzt zu sein, und gleichzeitig mit der Hoffnung versehen, dass das Wetter sich baldmöglichst zum Besseren hin ändern müsste, wohingegen meine Gedanken sich innerhalb der Hütte aufhielten, dort, wo es windstill und auch die Temperatur um mehrere Grade höher als draußen war, wobei ich mir ständig einredete, dass sich schon bald dieses Extremum zu einem lauen Lüftchen oder sogar Sonnenschein entwickeln müsste, jedenfalls klangen mir noch aus dem Munde eines erfahrenen Bergmannes die Worte in den Ohren, dass sich zumeist das Wetter zum Nachmittag hin günstig entwickelte, und mir damit ein Zeitfenster von einer Stunde bieten würde, bis dann schlagartig die Dunkelheit einsetzte, welche keine Chance mehr auf ein Fortkommen von hier oben bot und jeder Versuch des Weiterlaufens sich schnell zu einer tödlichen Gefahr entwickeln musste, so konnte augenblicklich ich nur hoffen, denn es war erst früher Nachmittag und bis zum Sonnenuntergang noch genügend verbleibende Zeit bis zur Abfahrt, und so presste ich mich einmal links, dann nach einer gewissen Zeit zur anderen Seite, wobei ich einen Zahlrhythmus des Wendens erdachte, indem ich langsam bis einhundert zählte, um mich umzudrehen, welches mir zwar Mühe und dennoch eine gewisse Freude bereitete, da sich daraus ein zeitüberbrückendes Spiel entwickelte, welches, wie man es häufig in Filmen von Gefängnissen her kennt, in denen die Einsitzenden für jeden Tag, den sie hinter Gittern verbringen, einen Strich beziehungsweise eine Kerbe auf die Wand malten oder kratzten, um sich bildhaft einen Überblick über die Dauer ihrer Tage zu verschaffen, so zählte ich jetzt ruhig bis einhundert, anschließend mit dem Handschuh eine Furche in den Schnee grub, mich umdrehte, um nach weiteren einhundert Zahlen die nächste Furche zu ziehen, um nach vier Kerben eine Querkerbe zu drücken, sodass ein sogenanntes Fünfermuster entstand, von dem sehr eng dazu das weitere Muster stand, und sich mittlerweile über eine gewisse Fläche verteilten, alles um mich herum schien zu wachsen, und was sehr wichtig war, die geschützt durch meinen Körper nicht sofort wieder verweht oder verflockt werden konnten, und obgleich es mir anfangs keine Mühe bereitete, wurden jetzt meine Augenlider schwerer und bereiteten mir großen Ärger, diese beständig offen zu halten, was einerseits sowieso nur dann möglich war, wenn mein Gesicht nicht im Wind und eben abgewandt stand, wo hinzukam, dass ich mittlerweile ein Abkühlen der Beine, einmal das rechte, dann das linke, begleitet von einem kaum zu beherrschenden Zucken der Muskeln, die durch die Anstrengung entweder durch die Belastung des eigenen Gewichts oder nur durch Kraftlosigkeit dem Widerstand nachgeben, gegen die ich mich sofort wehren wollte und auch wehrte, so gut es mir möglich war, dabei streng diszipliniert der Zählung weiter nachging, obgleich ich sehr wohl um die Gefahr wusste, sollte aus diesem kurzen zucken ein Einknicken werden, welches leicht zu einem Fallen mit anschließenden Rollen führen würde, und ich zu einer starren Eisfigur würde, ich unerbittlich gegen diese Schwäche ankämpfte, sodass ich mich augenblicklich entschloss, nach jedem Fünfergrüppchen, mehrere Hüpfer mit den Füßen auszuführen, um gegen die zu erwartende Starre anzukämpfen, wohingegen ich, egal zu welcher Seite ich mich wendete, dass Wetter nach einer Besserung aussah, es war offensichtlich eher ein frommer Wunsch, denn ich konnte höchstens einige Meter weit sehen, wenn überhaupt, denn das Gefühl der Entfernung war mir bereits entglitten, indem ich mir gedanklich ausmalte, wie schön es wäre, würde plötzlich wie aus dem Nichts heraus, eine Himmelsleiter auftauchen, daraus eine Hand zum Vorschein kommen, die mich ergreifen würde und mich zur Rettung in die Höhe ziehen würde, woraus sich gedanklich ein Gefühl entwickelte, dass mir nicht nur warm uns Herz und Körper würde, sondern auch die stetig fallenden Schneeflocken zu einem wohlschmeckenden, heißen Tee gewandelt hätten, ja, so leckte ich augenblicklich meine stark verkrusteten und kaum mehr beweglichen Lippen, und diese erschienen mir sehr weich und dehnbar, währenddessen die heiße Flüssigkeit durch meine Kehle zum Magen hin rann, wobei mir gleichzeitig klar sein musste, dass bereits eine Wahrnehmungstrübung eingesetzt haben musste, meine Sinne mir einen Streich oder sogar verrücktspielten, denn mit Vernunft oder vernünftigen Gedanken konnten diese Empfindungen nichts mehr zu tun haben, sondern nur mit Einbildungen oder Wunschvorstellungen ausgeartet sein konnten, wie bei einem Fieberkranken mit Halluzinationen versehen, die mir den Übergang in das Jenseits versüßen sollten, jedoch ich noch nicht für den Übergang bereit war und mich mit schwacher Gegenwehr Widerstand zu leisten vermochte, indem ich mir über diese lauernde Todesgefahr bewusst war, entwickelte sich ein Lebensfunke wie eine göttliche Eingebung in mir ab, noch nicht der verderblichen Süße des Schattenreiches zu ergeben, und solange ich diese winzigen göttlichen Kern in mir spürte, sagte ich mir, dagegen anzukämpfen, solange dieser Funke in mir glüht, denn es besteht immer eine Chance, dieser Hölle zu entrinnen, jedoch nunmehr auch dieser glimmende Funke langsam zu flackern begann, sodass sich meine heimlichen Wunschvorstellungen nunmehr in ein Taumeln und Benommen sein wandelten, mein Körper sich dem Verhalten eines Volltrunkenen annäherte, und unweigerlich zu einem Fall steigern musste, ich dabei jeden bürgerlichen Anstand vermissen ließ, indem ich mich wie unter der Wirkung einer Droge vollends ausgesetzt fühlte, hilflos, beinahe ohne Reaktionsfähigkeit, tödlich treibend dem Ende zu, sich noch diesen Gedanken, wo bereits alles hoffnungslos erschien, nach Ethik zu widmen, oder sich besser dieser Ethik zu entledigen?, sich langsam zu einem animalischen Verhaltens des Ergebens statt Erhebens zu entschließen, also der Versuchung vollends nachzugeben, welches triebgesteuert nachgibt, weil es sich nicht dieser Logik der Moral verpflichtet fühlt, weil es noch nicht dieser Entwicklung zur Tradition verhaftet ist, sondern lustgesteuert zu einer Süßigkeit, einem Apfel, greift, ohne sich über das Erwachsenseins des „so verhält man sich nicht!“ lachend hinwegsetzt, möglicherweise höchstens einen Augenblick denkt, „damit habe ich als Erwachsender zu tun, aber eben als Kind nicht!“, und unter diesem Eindruck sich mittlerweile die Umgebung schwankend aufzulösen schien, das Dach des Hauses in eine Schräglage versetzte, dann wiederum einen anderen entgegengesetzten Winkel einschlug und auch der Boden wie bei einem Erdbeben ins Wanken geriet, ich meine Arme und Beine ausgleichend in die jeweils entgegengesetzte Richten drückte, um eben diese Bewegungen auszugleichen wie ein Mann, der auf einem stark kränkenden Schiff steht, wobei mir jetzt plötzlich ein Gedanke in den Kopf schlug, eine kleine Metallflasche mit Schnaps als kleinen Aufwärmer bei mir zu haben, als wärmenden Geist für alle Fälle, diesen augenblicklich mit meinen starrgefrorenen

Fingern aus einer Skianzugtasche zu fingern, und tatsächlich nach einigen Tasten auch fündig zu werden, mir unverzüglich sogar Vorwürfe machte, diesen wärmenden Alkoholschluck vergessen haben zu können, der mir sicherlich sofort nach Genuss neue Lebenskräfte einhauchen würde und mir möglicherweise sogar eine Weiterfahrt in das lebensrettende Tal gestatten sollte, auf jeden Fall einen Aufschub verursachte, welches ich jetzt voller Freude tatsächlich ertastete, aus der Brusttasche vorsichtig hervorzauberte, um es im nächsten Augenblick durch die Starre der Finger aus der Hand entgleiten zu lassen und vor mir in den Schnee fiel, jedoch dort nicht unsichtbar wurde, sondern metallisch glänzend seine Anwesenheit zeigte, ich mich hastig und gierig auf dieses Fläschchen stürzte, es ergriff und dann mit den klammen Fingern den Klappverschluss zu lösen, um bereits im nächsten Augenblick den gesamten Inhalt in einem Zug hinunterstürzte, jedoch sich die erhoffte Wirkung genau in das Gegenteil verkehrte, indem die Wirkung des Alkohols mit einer unerbittlichen Wucht zuschlug und mich betäubte, anstatt die erhofften Leibeskräfte zu bringen, meine Beine nun auf Schlag nachgaben und sich meine bislang aufrecht erhaltene Steifheit sich langsam in einen sich stetig verkleinernden spitzen Winkel veränderte, bis die Ober- und Unterschenkel aufeinander lagen und mein Hintern im Schnee zum Sitzen geriet, wobei in meiner taumelnden Verwirrung mein Blick zu Himmel gerichtet, sich dieser augenblicklich öffnete, Sterne in voller Pracht zu Vorschein gerieten, einzeln und in Gruppen mir zublinzelnden und in meine nicht einmal mehr halboffenen Augen schmerzhaft drängten, während mein Kopf und Herz so heftig schlugen, so als wollten sie sich aus dem Körper stürzen, um allein in dieser weißen Wildnis augenblicklich ihr Dasein zu begründen, doch plötzlich wie auch unerwartet bemerkte ich, dass dieses angebliche Sternblinzeln vereinzelte Sonnenstrahlen waren, und die wie kleine Lanzen auf mich einstachen, und gleichzeitig auch der dichte Horizont sich meterweise von ihm wegbewegte, ja, vereinzelt in einiger Entfernung grüner Bewuchs zum Vorschein gelangte, Löcher im dichten Schneehimmel aufrissen, durch die das kräftige Blau zu mir herunterdrang, gleichzeitig die Sonnenlanzen mit solcher Vehemenz in ein Gleißen übergingen, sodass ich meine Augen fest verschließen musste, nach meiner Brille tastete, die ich zuvor in der Brusttasche verstaut hatte, um der Blindheit zu entgehen, mich mit wiedergewonnenen Kräften langsam vom Boden abstützte, dabei die Skistöcke einerseits einsetzte wie andererseits die Holzwand der Hütte als Stütze benutze, bis ich wieder mit durchgedrückten Knien, noch schwankend aber dennoch in den aufrechten Stand gekommen war, wobei ich jetzt den komplett aufgerissenen und zugleich lebensrettenden blauen Himmel gewahr wurde, der mir die nahen wie auch fernen Bergzüge in ihrem glitzernden Farbenspiel wie auch gleichzeitig eine Richtung, talabwärts zur Rettung aufzeigte, sodass ich mit einer noch schwachen Bewegung die Skier in diese vorgegebene Richtung lenken konnte, und diese vorsichtig langsam talabwärts gleiten ließ, wobei mir stetig die Sonne auf den Rücken schien und in mir eine wohlige Wärme erzeugte, und tatsächlich befand ich mich noch sehr entkräftet nach etlichen Minuten auf der Landstraße wieder, die mir zu meiner Rechten das mir bekannte Gasthaus zeigte, in welches ich mich unverzüglich begab und unter großem Erstaunen vom Wirt gefragt wurde, ob ich eben aus dem Berg käme, ich kaum hörbar mit „Ja“ antwortete, und danach vor Erschöpfung hinstürzte, und nach gefühlten zwei Tagen Schlaf in einem Bett des Gasthofes aufwachte und dem Erfrieren noch einmal Entkommen war …………………………….

Mittlerweile war der sportliche etwa dreißigjährige Mann „Hänschen“ an mir vorbeigelaufen und auf den Ausgang zu dem Taxistand zugestrebt. Wie zum Abschied trafen sich ein weiteres Mal einige zufällige Blicke, um anschließend in der Vergessenheit zu versickern. Gute Fahrt, mein unbekannter Freund!

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Der Augenleser

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