Читать книгу Flügelschlag des Phönix - Cathreen Fischer - Страница 7
ОглавлениеKapitel 2
Faolan rannte so schnell er konnte ohne nachzudenken wohin. Mit jedem Atemzug brannte seine Lunge etwas mehr, doch das erdrückende Gefühl in seiner Brust was er bei ihr empfand, war wesentlich schlimmer. Was in Idunas Namen geht hier vor? Panik ergriff ihn – ein Gefühl was menschlicher nicht sein konnte. Er lebte schon eine ganze Weile bei ihr, doch nie kam sie ihr so bedrohlich vor. Faolan drosselte seine Geschwindigkeit merklich als er Sodoms Grenze überquerte. Keuchend und weiterhin ziellos wanderte er gemächlich durch die Nacht. Es war kälter geworden und trotz seinem dichten Fell fröstelte es ihm. Ob sie wohlauf ist? Sicherlich begreift sie meine Taten nicht. Dieser Köper schützte ihn bereits seit einer Ewigkeit vor den Gefahren eines menschenartigen Seins. Viele Jahrhunderte vermisste er nichts, labte sich an der Einfachheit der Instinkte und ließ sich darin treiben. Als Hel ihn verflucht hatte, verschwanden mit seiner menschlichen Form auch jegliche Gefühlsregungen und Bedürfnisse, die er in seiner schwächeren Form empfand. Für ihn war es eher ein Segen anstatt eines Fluchs, denn das Opfer für seine innere Ruhe war vergleichbar klein. Endlich konnte er sein was er schon immer war: Ein Raubtier. Gefährlich, unberechenbar und frei. Seitdem er Shanas Nähe genoss, bröckelte seine heile Welt und Neugierde zwang ihn durch die schützende Fassade zu schauen. Wie konnte mir das passieren? Als ich dieser verdammten Hexe begegnet bin, verlor ich mein geliebtes sorgenfreies Leben für nichts! Beim Allvater wie konnte ich das zulassen?! Wieso war er ihr auch von der Insel gefolgt?
Er hätte sein unbeschwertes Leben weiter genießen können, nur warum entschied er sich dagegen? Weil sie etwas in mir verändert hat. Stimmt. Seitdem er Shana begegnet war, fühlt er sich wie das unbenannte Fehlende ausgefüllt wurde. Sie wusste nichts von seiner Vergangenheit, seiner bluterfüllten Geschichte. Sie war einfach nur sie und behandelte ihn wie ein Teil ihrer Familie. Wohl eher wie einen unterwürfigen Köter! Brüllte sein anderes Ich. „Schnauze!“ Je mehr er sich erinnerte, desto präsenter wurde auch seine Anwesenheit. Dank des Fluches wurde seine Schattenseele – sein anderer Teil – unterdrückt.
Unglücklicherweise drängte er sich in letzter Zeit öfter in den Vordergrund. Mal ernsthaft, du bist erbärmlich! Sieh dich doch an! Lässt dich von einem Weib befehligen und bettelst auch noch wie ein Liebeskranker Narr nach ihrer Zärtlichkeit. Ein Wolfsdämon deines Ranges! Würde Mid das erfahren, wärst du des Todes am Hof! Genervt verdrehte Faolan die Augen. Ich sagte Schnauze Fenris! Brüllte er so stark in sich hinein, dass seine Worte selbst tief in seiner Seele Wellen schlugen. Du erinnerst dich also an deinen Namen. Braver Junge, willst du eine Leckerei? Ich dachte schon du willst auf ewig diese alberne Torheit dein Eigen nennen! Von der Lautstärke bekam Faolan Kopfschmerzen. Du musst es ja wissen, mein Teurer. Wo dein Sein Beleidigung genug ist! Er war schon ausreichend mit der Tatsache überfordert, dass er nicht verstand wieso sie etwas in ihm auslöste. Warum musste dann auch noch sein ganz persönlicher Teufel ihm auf die Nerven gehen?! Fenris ernsthaft. Dieses Weib macht dich angreifbar, du… Psst! Herrschte Faolan. Irgendetwas hatte er gehört. Jemand war da. Oder etwas. Verbiete mir nicht das Wort, du Schoßköter! Leider war dieser Teil von ihm weniger klug. Oder er ignorierte einfach die Gefahr. Bei Allvater, Ruhe jetzt! Da kommt wer.
Es benötigte keine weitere Drohung um ihn verstummen zu lassen.
Fast lautlos pirschte er zu dem Knistern im Wald. Seine Sinne sogen auch die kleinsten Anzeichen eines Feindes gierig in sich auf. Ein tiefes Knurren entwich seiner Kehle – es war eine gut gemeinte Warnung. Noch hatten seine reinen Instinkte nicht die Oberhand. Sollte es allerdings dazu kommen, war dieser Kampf für seinen Gegner mit Sicherheit tödlich. Heute konnte er seine Schattenseele kaum im Zaum halten und vielleicht würde er bei dem Anblick des Feindes auch nicht mehr dagegen ankämpfen. Unbeeindruckt von seiner Drohgebärde näherte sich der Fremde. Langsam formte sich eine Silhouette aus der Dunkelheit. „Zeig dich oder stirb!“ Durch die zarten Strahlen des Mondlichts, verwandelte sich die klumpige, schwarze Masse in eine kurvenreiche junge Frau. In ihren Augen loderte bedingungslose Lust und ein Hunger, den nur ein Tier haben konnte. Faolan spannte sich an. Diese Art der Lust tobte ebenfalls in ihm: Sie wollte kämpfen, er auch. Warnend bleckte er seine weißen Zähne. Sie ist schön, zu schön. Schade, dass sie sterben wird. Euphorie flutete ihn, schickte Adrenalin in seine Venen. Ihre langen roten Haare schmiegten sich wie ein Kupferfluss an ihre Haut. Die Panties und das zerrissene Shirt zeigten mehr als sie verbergen sollten. „Na sieh einer mal an. Heute scheinen mir die Götter wohl gesinnt zu sein!“ Ihre Stimme war eine Mischung aus Knurren und Pfeifen - melodisch, betörend und gefährlich zu gleich. „Erst wittere ich ein Arwa und dann stellt sich heraus, dass mein Objekt der Begierde kein anderer Wolf als Fenris, der gefährlichste Liebhaber seit Anbeginn der Zeit ist.“ Immer mehr Begeisterung mischte sich in ihre Gesten als sie anmutig die Distanz zwischen ihnen verringerte. „Und dazu unverhüllt. Mehr Glück kann eine einsame Wölfin nicht haben.“ Verführerisch süß lächelte sie – von Zähnen blecken war keine Spur mehr.
Bei Allvater, was?! Ungläubig schaute Faolan an sich herab und sog scharf die Luft ein. Der Abstand zum Boden war weitaus größer als gewohnt. Weiter als es die letzten Jahrhunderte war! „Ich habe mich verwandelt.“ Die schöne Fremde kicherte erregt, brachte sein Blut in Wallung. Was bei allen Göttern ist hier los?! Bis zu diesem Moment war ihm gar nicht aufgefallen, dass er in seine menschliche Form gewechselt war. Seit wann konnte er das überhaupt wieder? Hieß das, dass der Fluch nun endgültig gebrochen war? Wer war dafür verantwortlich? Er? Hel? Oder war es Shana?
Wie in Idunas Namen konnte ich das noch nicht einmal bemerken?!
Vor lauter Fragen schwindelte es ihm. Zudem machte ihm die körperliche Veränderung auf einmal etwas aus. Er war einfach nicht mehr gewohnt die Balance auf zwei Beinen zu halten. Vorsichtig wie eine Jägerin, pirschte sich die Wölfin an den verwirrten Faolan ran. Als eine kalte, vor Aufregung zitternde Hand seine Brust berührte, erreichte Faolan wieder die Realität und er versteifte sich. „Ihr seid es wirklich.“ Hauchte die Fremde. Auf seiner nackten Haut spürte er ihr stoßweises atmen. Wie in Trance streichelte die junge Frau über seine harten Muskeln, ehrfürchtig fuhr sie jede Linie mit den Augen nach. Ihre Wangen waren gerötet, ihre grünen Augen sprühten vor Wahnsinn. Der Ausschnitt ihres enganliegenden Tops ließ keinerlei Spielraum für Phantasie. „Wie ist dein Name, Wölfin?“ Noch war er sich nicht sicher, ob er dieses Spiel spielen wollte. „Lea, mein Herr.“ Der Schwindel ebbte ab, anscheinend erinnerte sich sein Körper wieder an diese Form. „Lea, ein sehr junger Name. Sag woher kennst du den Meinen?“ Für einen kurzen Augenblick wandte sie ihren Blick von seiner Brust ab, um ihn mit einem verräterischen Grinsen anzulächeln. „Mein ursprünglicher Name ist Elenora, allerdings finde ich Lea etwas zeitgemäßer.“ „Verstehe.“ Faolan wusste nicht recht, ob er sie töten oder besteigen wollte – diese Gefühle lagen einfach zu nah beieinander um sie unterscheiden zu können. „Ich fasse es nicht, dass Ihr noch lebt! Daheim halten Euch alle für tot.“ Flüsterte Lea und zeichnete weitere Linien nach. Faolan gefiel die unterwürfige Nähe der Wölfin und beschloss noch nicht gleich ein Urteil zu fällen. „Und doch stehe ich hier. Auch Sinne täuschen, Wölfin.“ „Wenn Ihr all die Jahre gelebt habt, wieso seid Ihr dann nie nach Hause gekommen? Hel weinte so manche Nacht deswegen durch.“ „Du kennst meine Schwester.“ Auch wenn es keine Frage war wollte er eine Antwort. Stumm nickte sie, wanderte mit den Fingernägeln über seine Brustwarzen. „Kurz nach Eurem Verschwinden wurde ich die Mätresse Eurer Schwester.“ Gierig wanderten ihre Augen an seinem Leib auf und ab. „Es wundert mich, dass sie von mir sprach.“ Lea lachte und presste ihr Unterleib an seine Schenkel. „Pausenlos sprach sie von Euch, oft gut und schlecht zugleich. Und trotzdem waren ihre Worte kein Vergleich zu dem was ich seh.“ Ein tiefes Knurren entwich seiner Brust.
Faolan spürte, wie die Lust in ihm stieg ud langsam die Oberhand gewann. „Hel schwärmte immer von Eurer Wärme, welche Hitze Euer Körper innehatte. Sie beschrieb mir Euch bis ins kleinste Detail, doch all die Erzählungen sind nichts im Vergleich zum Original.“ „Meine Anwesenheit betört dich also.“ Provozierend hob sie den Kopf, sodass sie sich tief in die Augen schauen konnten. Die eine Hand wich nicht von seiner Brust, die andere streichelte sanft über seinen Oberarm. Ihr Körper schmiegte sich vielsagend an seinen. Faolan entschied sich dafür sich nicht zu bewegen. Er wartete lieber auf ihre Reaktion.
Wenn ich falsch liege, kann ich sie ja immer noch töten. As Lea sich auf die Zehenspitzen stellte, spürte er ihren heißen Atem am Hals. „Mehr als das, mein König.“ Hauchte sie verheißungsvoll, es klang wie ein Winseln. „Meine Instinkte raten mir so schnell wie es nur geht zu flüchten und trotzdem…“ Zärtlich zeichnete sie Kreise auf seine Haut. „Und trotz Eurer angsteinflößenden und gefährlichen Präsenz will jede Faser meines Körpers den Eurigen spüren.“ Langsam trat sie mit den Fingern den Weg nach Unten an. Zwar hatte er sich inzwischen wieder an seinen menschlichen Körper gewöhnt, jedoch bereitete ihm die Tatsache, dass er sich ohne sein wissentliches Zutun verwandelt hatte, noch arge Kopfschmerzen. Das Unbehagen, was er bei Shana wahrnahm schlug bei Leas Anblick um. Immer stärker werdende Lust überkam ihn, mit jeder fordernden Berührung schlug eine weitere Welle der Erregung auf ihn ein. „Deine Sorge ist berechtigt. Eigentlich hatte ich vor dich zu töten.“
Und wer weiß – vielleicht würde er das auch noch. Schon seit seiner Geburt war er Meister im Verbergen seiner wahren Regungen. „Das wäre aber äußerst bedauerlich. Denkt doch mal daran, was Ihr alles mit diesem Körper lebendig anstellen könntet.“ Lea löste sich von ihm und schwebte mit kreisenden Hüften zum Waldrand zurück. Faolan entging das Zittern in ihrer Stimme nicht aber er ritt auch nicht darauf herum. Auf eine seltsame Art erregte ihre Angst ihn fast bis zur Besinnungslosigkeit. Faolan konnte kaum noch klar denken, Stück für Stück übernahmen seine Triebe seinen Verstand. „Sag, was veranlasst dich, dich mir anzubieten?“ Gefährlich langsam bewegte er sich auf sie zu. Lächelnd warf sie ihm einen Blick über die Schulter, strich langsam mit der Hand über die Baumrinde. „Oh mein Herr, anscheinend kennt Ihr Euren Stand unter den Wölfinnen nicht. Jede Wölfin würde sich Euch anbieten, jederzeit! Ihr wart und seid immer noch der rechtmäßige Ur-Alpha. Außerdem soll eine Nacht mit euch unvergesslich sein.“ Konterte Lea in einem melodischen Singsang, sodass auch die letzte Barriere in seinem Herz zerbrach. Blitzschnell stand Faolan vor ihr, drückte sie unsanft gegen den Baum und funkelte sie mit brennenden Augen an. „Dann tu was für deinen Herrn und gib dich mir, Wölfin.“ Seine Stimme hörte sich selbst für seine Verhältnisse ungewöhnlich tief an. „Ich gehöre bereits Euch, mein König.“ Es bedurfte keine weitere Aufforderung.
Sofort schlang Lea ihre Arme um seinen Nacken und hob ihre Hüfte. Sofort öffnete sie ihren Mund, damit Faolan eindringen konnte ihre Zunge bewegte sich schnell und rhythmisch. Ein heißes Ziehen durchfuhr seine Lenden. Faolans große raue Hände wanderten von ihrer Taille zu ihrem Ausschnitt. Mit einem kräftigen Ruck zerriss er das Shirt und Lea sog scharf die Luft ein. Die Luft um sie herum schien vor lauter Spannung zu knistern. Bewusst drückte er seine Hüfte noch fester an ihre, sodass sie seine Erregung spüren konnte. „Unglaublich.“ Stöhnte sie als seine Lippen sich von ihren lösten und zu ihren vollen Brüsten wanderten. Ruppig liebkoste er sie und biss abwechselnd in die steifen Brustwarzen. Ein schmerzerfülltes Wimmern entfuhr seiner Spielgefährtin, zeigte ihm wie sehr sie es genoss. Faolan konnte riechen wie bereit sie war, wie sehr ihr Körper den seinen verlangte. Halb in Ektase griff Lea mit einer Hand in seinen Schritt, währenddessen vergrub sie die andere in sein blondbraunes Haar. Mit gleichmäßigen Bewegungen massierte sie ihn und übte dabei einen schmerzhaft schönen Druck aus. „Fester!“ Herrschte er sie an und sie gehorchte sofort. Die Wellen der Lust, gepaart mit dem Schmerz durfuhren ihn. Faolan ließ von ihren Brüsten ab und küsste sie leidenschaftlich. In all den Jahren hatte er ganz vergessen wie viel intensiver der menschliche Körper auf das Begatten reagierte. Wie viel intensiver es sich anfühlte. Ihre Zungen trafen immer schneller aufeinander, wie Peitschen auf den sandigen Boden. Er war ausgetrocknet, verdorrt wie die Sahara. Lea war in dem Moment die Oase im ewigen Ödland.
Sie würde ihm zu Trinken geben und somit Erleichterung verschaffen. Erleichterung von dem Druck, der sich mit den Jahren aufgebaut hatte. Leas Stöhnen hallte in seinem Mund wieder und ihre Hand wurde ungeduldig schnell. In ihm breitete sich das verzehrende Kribbeln aus. Ohne hinzuschauen zog er die Shorts in zwei, ließ die Überreste mitsamt der roten Spitzenunterwäsche zu Boden fallen bevor er ihre Schenkel packte und sie hochhob. Ohne Vorwarnung stieß er in sie hinein. Faolan interessierte es nicht, ob seine Berührung ihr Schmerzen bereitete oder nicht. Er konzentrierte sich ganz allein auf seine Begierden, nichts anderes war für ihn gerade von Bedeutung. Vor lauter Erregung warf Lea den Kopf nach hinten und ließ ein tiefes Knurren los. Das Klatschen der aufeinanderprallenden Haut hallte im Wald wieder, ihr Stöhnen mischte sich mitunter. Angetrieben von ihrer Euphorie beschleunigte er seine Stöße. Leas wippenden Brüste bewegten sich ebenfalls im Takt. Das Gefühl was ihn erfüllte war göttlich. Diese Art von Freiheit hatte er am meisten vermisst.
Das Kribbeln verwandelte sich in Schwindel, sein Blut brodelte in seinen Adern als er sich dem Höhepunkt hingab. Auch seine Gefährtin schien ihn erreicht zu haben und bohrte ihre langen Fingernägel in sein Fleisch. Sein Rücken war von ihrer Lust vollkommen zerkratzt. Mit einem letzten Stoß verkrampfte sich Faolan. Er machte keine Anstalten sich vorher von ihr zu lösen. Sie sollte spüren was er war mitsamt der Macht, die er repräsentierte. Er wollte sie markieren, so wie er es bereits bei vielen getan hatte. Völlig außer Atem lösten sie sich voneinander und glitten auf den kühlen Moosboden. So langsam beruhigte sich sein Puls wieder. Die kühle Luft und das weiche Moos unter seiner Haut, kühlten seinen überhitzten Körper etwas ab. Lea lag immer noch schwer atmend neben ihm. Ihre Brust hob und senkte sich übernatürlich schnell. „Das war… unglaublich!“ Mit einer fließenden Bewegung drehte sie sich zu ihm um. „Ihr seid unglaublich, Fenrir. Noch nie hat mich jemand so berührt!“ Nun drehte er sich zu ihr um und betrachtete ihren Körper. Sie war selbst für eine Wölfin sehr weiblich. Die kleinen Schweißperlen auf ihrer Haut schimmerten silbrig im matten Mondlicht. „Es hat auch mir sehr viel Vergnügen bereitet.“ Durch diese Ablenkung war seine Herrin für einen Augenblick aus seinem Verstand gewichen, doch er bemerkte bereits wie Shana sich wieder einschlich. Nein! Plötzlich stand Lea auf und fischte nach den Resten ihrer Kleidung. „Fand ich auch. Vielleicht könnten wir das in naher Zukunft wieder…“ Ohne Vorwarnung griff er nach ihrem Handgelenk, warf sie auf den Rücken und beugte sich über sie. Seine Augen leuchteten dabei wild und unberechenbar. „Wo willst du hin? Glaubst du etwa ich wäre mit einem Mal zufrieden, Wölfin?“
Shana konnte nicht schlafen. Faolan war einfach ohne jegliche Vorwarnung verschwunden und seitdem noch nicht zurückgekehrt. Hatte er vielleicht etwas gewittert? War er los um denjenigen zu jagen? Kam es zu einem Kampf um wurde er verletzt? Oder hatte er einfach nur die Nase voll von ihr? Nichts. Keine Antwort ergab für sie Sinn. Schnaubend schaute sie zum hundertsten Mal auf die Uhr. Halb drei. In ein paar Stunden würde ihr Wecker klingeln. Vollkommen übermüdet rappelte Shana sich auf und schürfte ins Bad. Das warme Wasser prickelte angenehm auf ihrer Haut, es war Balsam für ihre geschundene Seele. Noch vor ein paar Monaten war ihr größtes Problem ihre mangelnde Beliebtheit in der Schule. Jetzt wurde sie von einem verrückten Onkel gejagt und ihr Schulalltag glich nicht nur einem Kampf, es war ein täglicher Kampf! Ich fühle mich als wäre ich durch ein schwarzes Loch in eine andere Welt gezogen worden. Die Ironie darin brachte sie zum Lächeln. Die Dämonenwelt war eine ganz andere Welt, auch wenn es immer noch derselbe Planet war. Es war eine andere fremde Welt, in der ausschließlich die Physische oder Psychische Überlegenheit zählte.
Eine Welt in der nichts so zu sein schien, wie man glaubte.
Wut kochte in Shana hoch. Sie hatte es satt eine bloße Spielfigur in diesem absurden Spiel zu sein. Sie wollte selbst die Taktik vorgeben um mit jedem Zug ihrem Ziel näher zu kommen. „Ich gebe mich nicht geschlagen.“ Sie stellte das Wasser ab, Dampf ließ den Spiegel beschlagen. Schnell wickelte sie sich das Handtuch um und tapste summend in ihr Zimmer. „Jetzt fühle ich mich schon viel besser!“ Ihre nassen Haare klebten an ihrer Haut. Sie hatte wie immer das Handtuch für die Haare auf ihrer Kommode vergessen. Ohne sehen zu können wohin, tapste Shana in der Dunkelheit zu ihrer Kommode. „Duschst du immer so lange?“ Ertönte eine tiefe männliche Stimme hinter ihr und ließ sie aufschrecken. Dabei klammerte sie sich an den dünnen Stoff, der ihren Körper bedeckte. Reflexartig öffnete sie den Mund aber kein einziger Ton verließ ihre Lippen. „Bist du neuerdings stumm oder hast du deine Sprache in der Dusche verloren?“ Shana wusste, dass diese provozierende Stimme ihr sehr bekannt vorkam, aber ihr Verstand war noch mit dem überraschenden Besuch überfordert.
Was in aller Welt geht hier vor?! Nach kurzem Zögern hastete sie zum Lichtschalter und wollte sicherheitshalber nach Hilfe schreien, als vertraute Augen sie weit aufgerissen musterten. „Oh Gabriel, verdammt noch Mal! Willst du mich zu Tode erschrecken?!“ So langsam klärte sich der Nebel in ihren Gehirnwindungen und rasende Wut erfasste sie, ließ sie rotsehen. „Ich…“ Seine sonst so blasse Haut färbte sich, seine Augen hüpften immer wieder von ihr zu ihrem Nachtschränkchen. Was soll das Ganze?! Es dauerte nicht lange bis ihr sowieso schon gespannter Faden riss. „Sieh` mich gefälligst an, wenn ich dich anbrülle!“ Fast rechnete sie damit, dass einer ihrer Geschwister jeden Augenblick die Tür eintreten würde doch keiner kam. Wahrscheinlich, weil sie wussten, dass sie in dem Zustand weitaus gefährlicher war. Für alle Beteiligten versteht sich. „Shana…“ „Wie bist du hier überhaupt reingekommen?“
Erst jetzt bemerkte sie, dass er schon die ganze Zeit versucht hatte ihre Fragen zu beantworten, sie ihn aber nie ausreden ließ. Es kostete ihr einiges an Beherrschung den Mund zu halten. Lauernd stand sie vor ihm, die Arme vor der Brust verschränkt und wartete darauf Antworten zu bekommen. Gabriel saß wie ein Verprügelter auf der Erkerbank und wich immer noch ihrem Blick aus. „Durchs Fenster, wie jeder Einbrecher.“ Seine Stimme war kaum ein Flüstern und die Tatsache, dass er sie noch immer nicht ansah brachte sie noch mehr auf. „Und warum?“ Nervös trommelte sie mit ihren Fingern auf ihrem Oberarm herum. „Weil ich mit dir reden musste.“ Diese Erklärung war ihr noch nicht genug. Musste man ihm denn alles aus der Nase ziehen? „Um drei Uhr morgens?! Konnte das nicht bis zum Elkadakurs warten?“ Tief durchatmend fuhr er sich durch sein pechschwarzes Haar. „N-nein.“ Nur für einen Sekundenbruchteil trafen sich ihre Blicke ehe er sich wieder abwand. „Warum hast du nicht angerufen? Für so was hat man gewöhnlich ein Handy!“ „Weil man bei einem Anruf in der Regel nicht den Aufenthaltsort desjenigen kennt.“ Jetzt wurde auch er pampig, sprang auf und verschränkte seine breiten Arme vor dem Brustkorb.
Diese Geste war eindeutig zu viel. Voller Wut stampfte Shana zu ihm und riss sein Kinn in ihre Richtung, damit er sie ansehen musste. Sein Atem ging stoßweise und seine geweiteten Augen verfärbten sich von dem wunderschönen Silber in ein dunkles Grau. „Und?“ Er holte tief Luft. „Was und?“ Shana konnte es nicht fassen. War das ein Spiel dessen Regeln sie nicht verstand?
„Was ist verflucht noch mal so wichtig, dass du mitten in der Nacht ohne Vorwarnung in mein Zimmer steigst und mir eine Heidenangst einjagst?!“ Gabriel starrte sie ungläubig und hilflos an, wie ein Welpe, der nicht verstand warum sein Herrchen so sauer war. Shana spürte wie ihre Wut etwas abebbte als er sich ihrem Griff entzog aber der Schreck saß noch tief in ihren Knochen. Gabriel hatte sie wirklich erschreckt – ob gewollt oder nicht. „Vielleicht sollten wir das lieber verschieben.“ Heiser und schloss er die Augen, massierte sich den Nasenrücken. „Das ist wirklich nicht lustig! Erst machst du so ein Drama darum und jetzt willst du es verschieben? Hast du sie nicht mehr alle?!“ Shana war sich nicht mehr sicher, ob der Mann vor ihr tatsächlich der unnahbare Gabriel aus ihrer Schule war. Noch nie hatte sie ihn so kleinlaut erlebt. „Kann man so sagen.“ Was war bloß mit ihm los? „Gabriel!!“ Seufzend öffnete er die Augen, das dunkle Grau in seinen Pupillen erinnerte sie an Regenwolken. Shana fragte sich, was das zu bedeuten hatte. War er genervt? Wütend vielleicht? Oder einfach übermüdet? Endlich hielt er ihrem Blick stand. „Weil du nur in einem sehr knappen Handtuch vor mir - einem Mann wohlgemerkt - herumtobst. Ich kann kaum einen klaren Gedanken fassen, wenn du so leicht bekleidet vor mir stehst.“ Seine Worte verließen nur gepresst seine Lippen, es war deutlich zu sehen wie viel Überwindung es ihn gekostet hatte. Feuerrot griff sie an den unstabilen Knoten und dankte der Handtuchgöttin, dass es gehalten hatte.
„Umdrehen! Sofort!“
Gabriels Herz hörte einfach nicht auf schneller zu schlagen. Hinter sich vernahm er das Rascheln von Kleidung, die aus Schubladen gezogen wurde, das Reiben des verdammt kurzen roten Handtuchs auf ihrer zarten Haut…
Und ihr Atem, der vor lauter Nervosität stoßweise ging. Scheiße! Wäre ich bloß rausgegangen! Er war kaum noch bei Verstand, versuchte sich einzureden, dass der ungewollte Blick auf ihren halbnackten Körper halb so aufregend war. Was allerdings kein bisschen stimmte. Shanas Körper war atemberaubend weich und natürlich begehrte er sie. Und in Kombination mit diesen leisen, intimen Geräuschen ließ es ihn fast durchdrehen. All seine Sinne wurden von ihrem schweren Atem und dem Rascheln der Kleidung gefangen genommen. Teufel und Engel stritten sich in ihm lautstark. Gabriel war wie berauscht von ihrem frischen Duft und sein Verlangen gewann mit jedem Atemzug. Wenn ich mich jetzt umdrehe, erhasche ich vielleicht noch einen Blick. Und wenn sie mich erwischt, röstet sie mich bei lebendigem Leib! Er selbst war sich nicht einig was er tun sollte. Geschweige denn was er fühlen sollte. Und wenn schon! Vielleicht aber will sie es au… „Fertig. Du kannst dich wieder umdrehen.“
Ihre sonst so geschmeidige Stimme war zittrig und dünn. Gabriel wusste genau, dass er der Grund dafür war und er genoss es. Der Gedanke daran brachte ihn auf eine irre Idee. Er wollte sie noch mehr in Verlegenheit bringen, sehen wie sich die Röte in ihren Wangen bis zum Maximum steigerte. Etwas unsicher drehte er sich um und sein Blick suchte sofort den ihren. Als Shana dies bemerkte, wand sie sich unter den Seinen. Oh Gott, ist das sexy! Langsam ließ Gabriel seinen Blick über ihren Körper schweifen. Shana trug eine blaue Röhrenjeans, dazu ein lila Shirt mit grauer Strickjacke. Vor lauter Scham hatte sie ihre Arme vor der Brust verschränkt und starrte auf ihr Bett. Ihre Augen waren glasig, ihre Wangen immer noch stark gerötet. Warum starrt sie auf das Bett? Will sie etwa…? Gabriel zweifelte keine Sekunde daran, dass er dafür bereit war aber was war mit ihr? Hätte sie sich dann angezogen? Oder war das eine Art Spiel? Warum verflucht schaut sie so gebannt auf ihr Bett? „W-Was ist?“ Shana versuchte seinen Blick krampfhaft zu erwidern. Doch sie hielt ihm nicht stand, so wie er zuvor es nicht konnte. Immer wieder versuchte sie einen Blick zu erhaschen und drehte sich wieder weg sobald sich ihre Blicke trafen. Flirtet sie etwa mit mir? Gabriel atmete tief ein bevor er ihr antwortete. Shana sollte nicht merken, wie sehr ihre kleinen Gestiken ihn aufwühlten, ihn dazu brachten mit offenen Augen zu träumen. „Nichts. Was soll los sein?“ „W-Warum schaust du mich dann so komisch an? Wolltest du mir nicht eben noch was erzählen?“ Viel zu schnell gewann sie wieder ihr Selbstbewusstsein. „Ah, stimmt.“ Mit einem gequälten Lächeln überspielte er seine Enttäuschung. Natürlich will sie nichts von mir! Ich bin so ein Idiot, ein Trottel vor dem Herrn! „Ich wollte nur nach dir sehen, das ist alles.“ Wieder einmal war er dankbar dafür, dass sie kein Vampir war. Ansonsten wär seine Lügenparade im hohen Bogen aufgeflogen. „Soweit waren wir schon aber warum bist du hergekommen anstatt einfach nur anzurufen?“ Gabriel bemerkte sofort, wie ihr Feuer wieder loderte. „Weil ich mir sorgen gemacht habe. Und ehrlich diese Dinger taugen dafür nur begrenzt.“ In dem Moment wedelte er mit seinem Handy herum, versuchte sie durch einen Scherz von der Wahrheit abzulenken doch Shana war nicht in der Stimmung. „Aber warum ist es so wichtig wo ich bin?“ Unwillkürlich biss sich Gabriel auf die Lippe.
Anscheinend war sie das Versteckspiel leid, er hatte also nur noch zwei Möglichkeiten. Sollte er ihr ernsthaft davon erzählen? Oder es so stehen lassen auf die Gefahr hin, dass sie ihn dann für Irre hielt? „Okay, fein! Wenn du es nicht sagst, solltest du jetzt lieber gehen!“ Fordernd zeigte sie in Richtung Tür. Nein! Hastig sprang er auf und trat vor ihr. Würde sie ihn rausschmeißen wollen, müsste Shana schon einiges an Kraft auffahren. „Gabriel ich meine es ernst. Ich habe keine Lust auf Spielchen.“ Na gut! Dann halt die Wahrheit! Sanft berührte er ihren Unterarm. Das Prickeln was sie in ihm auslöste durchflutete seinen Körper, stellte ihn unter Strom. „Spürst du es nicht?“ „Wovon redest du? Was sollte ich spüren? Ehrlich jetzt, komm zur Sache!“ Er holte tief Luft, wanderte von ihrem Unterarm hoch zu ihren Ellenbogen. „Emilian ist wieder da. Ich war gerade in der Stadt unterwegs als ich seine Aura wahrgenommen habe. Er war sehr schnell unterwegs, irgendwie in Eile. Ich bin sofort hergekommen um…“ Er stockte, Shanas Augen füllten sich mit Panik. „Um zu sehen ob ich noch da bin?“
Langsam nickte er und Shana begann zu zittern. Wenn sie gerade jemanden unter keinen Umständen braucht, dann ihren Onkel. Nervös fuhr er sich durch die Haare. Gabriel hatte keinen Schimmer, wie er reagieren sollte. „Ich wollte dich nicht unnötig ängstigen, es war nur… Seine Aura fühlte sich anders an, irgendwie zufrieden.“ Unsicher wie er es am besten formulieren sollte, massierte Gabriel seinen steifen Nacken. Die andere Hand traute er sich jedoch nicht wegzuziehen. „Die Gefahr, die sonst von ihm ausgeht war kaum noch da und die Ruhe, die er ausstrahlte war beängstigend. Fast so wie an dem einen Abend bevor dein Vater auftauchte. Es tut mir leid, dass ich ohne Vorwarnung hier aufgekreuzt bin.“ Sofort bereute Gabriel seine Wortwahl. Wie als wäre sie an diesen Tag zurückversetzt worden, schlang Shana ihre zitternden Arme um die Brust. Ihre Fingerknöchel traten weiß hervor und ihr Puls ging viel zu schnell. Schuldig suchte Gabriel nach ihrem Blick. Er wollte ihr etwas von der Ruhe vermitteln, die ihn überkam als er sie hier lebendig angetroffen hatte. Doch Shana bemerkte ihn kaum und starrte apathisch aus dem Fenster. „Mach dir keine Sorgen, dein Onkel hat bereits die Stadt verlassen. Ich kann seine Gegenwart nicht mehr wahrnehmen.“ Immer noch keine Regung. Verdammt, pass doch auf was du sagst! „Shana, hey.“ Plötzlich bemerkte Gabriel wie eine Träne nach der anderen ihre Wange herunterlief. Shana hatte sich bis jetzt weder bewegt noch ein Ton gesagt. Gabriels Panik ihr geisteskranker Onkel hätte ihr bereits etwas angetan bohrte sich in sein Bewusstsein hinein. Er hat sie doch nicht angefasst, oder? „Shana hat Emilian dich angefasst? War er hier?“ Panisch umrahmte er ihr zartes Gesicht, spürte durch die Wangen ihre Zähne klappern. „War dein Onkel hier?“ Inzwischen Tränenüberströmt schüttelte sie den Kopf, schmiegte sie sich an ihn. Hilfesuchend bettelnd nach Halt. Ein Stein fiel ihm von Herzen nur damit sich seine Brust beim nächsten Gedanken zusammenziehen konnte. Vorsichtig schaute er sich um, sah wie befürchtet nichts. „Wo ist der Wolf?“ Keine Reaktion. „Shana wo ist Faolan?!“ In dem Moment sackte Shana schluchzend in seinem Arm zusammen. Tränen rannen wie ein Fluss von ihren Wangen, das Schluchzen schüttelte sie. Zusammen mit ihr glitt er auf den Boden, hielt sie fest an seinem Herzen. „Wo ist Faolan?“ Ihre Haare kitzelten in seinem Gesicht doch das war ihm egal. Sie brauchte ihn jetzt, also war er da. „Gegangen.“
Flüsterte sie und er hörte wie ihr Herz brach.
Gabriels Brust fühlte sich angenehm schwer an. Mit jedem Atemzug hob und senkte sich Shanas Kopf mit ihm. Ihr frischer Duft umgab sie. Seit geschlagenen zwei Stunden betrachtete er nun das Schauspiel und wunderte sich von Minute zu Minute mehr, warum er immer noch hellwach war. Ihr langsamer Atem streifte seine Brust und löste die verschiedensten Regungen in ihm aus. „Manchmal frage ich mich, ob du nur ein naiver Engel oder ein berechnender Teufel bist.“
Flüsterte er in ihr braunes Haar, erntete nur ein leises Stöhnen als Antwort. Gabriel kämpfte mit aller Macht gegen sein inzwischen kreischendes Verlangen an. Nachdem Shana sich etwas beruhigt hatte, wollte er los und ihren Wolf suchen. Doch egal was er versuchte, sie ließ ihn nicht los. Ich wünschte Damon würde sehen wie sie in meinen Armen liegt! Zärtlich streichelte ihren Oberarm, glitt mit den Fingerkuppen über jedes Stück Haut, dass er finden konnte. „Es ist Fluch und Segen zugleich.“ Gabriel schloss wieder die Augen und atmete ihren unverkennbaren Geruch ein. Er ließ sich in seine Fantasien fallen, bis ein dumpfes Knallen ihn aufschrecken ließ. Blitzschnell richtete er sich auf, stellte sich schützend vor die schlafende Shana und bleckte bedrohlich die Reißzähne. Es dauerte einen Augenblick bis er den Wolf vor ihm erkannte. „Fao?“
Er hielt inne, damit hatte er nicht gerechnet. „Wo zum Henker warst du?!“ Vorsichtig schaute er, ob Shana davon wach geworden war, doch sie schlief tief und fest. Selbst sein abruptes Aufstehen hatte sie nicht geweckt. „Wo warst du?“ Auch wenn er seine Stimme gesenkt hatte klang sie in dem Raum noch zu laut. Vollkommen desinteressiert ließ sich der Wolf auf einen Kissenberg fallen. „Ich rede mit dir! Shana war krank vor Sorge! Weißt du was es mich an Überredungskunst gekostet hat sie davon abzuhalten nach dir zu suchen?!“ Was bildete er sich ein? Es gab keinen Grund Shana zu verlassen, vor allem nicht da Emilian in der Stadt herumgeisterte. Sei leise, Vampir. Sie wird sonst noch wach.
Plötzlich hallte eine herrische, dunkle Stimme in seinem Geist. Für einen Augenblick verlor Gabriel die Contenance. „Also bist du doch nicht stumm.“ Mit aller Macht zwang er sich unüberrascht zu wirken. Genauso wenig wie du, Vampir. Sagte ich nicht du sollst deine Stimme dämpfen? „Du wiederholst dich Fao. Jetzt wo du deine Sprache wiedergefunden hast, kannst du mir bestimmt auch meine Frage beantworten. Wo warst du?“ Unterwegs. „Unterwegs, aha. Und dir ist nicht zufälligerweise Emilian über den Weg gelaufen?“ Ich war unterwegs, der Rest geht dich nichts an, Vampir. Außerdem warum bist du hier? Was hat ihr Onkel damit zu tun? Dabei streckte Faolan sich und begann zu schnuppern. Zwar wusste Gabriel, dass er seine Stimme nur in seinem Geist hörte, aber wie der Wolf das anstellte blieb ihm ein Rätsel. „Weil er hier war. Durch Zufall nahm ich seine Präsenz war. Als ich hier ankam fand ich eine ahnungslose aber ganz schön aufgebrachte Shana vor. Die nachdem ich ihr alles erklärt hatte los wollte und dich suchen.“ In dem Moment atmete Shana tief durch. Vorsichtig schaute er ob sie von alldem was mitbekam aber sie schlief. Tief und fest. Sie war also aufgebracht, hmm? „Sagte ich das nicht bereits? Man es war wesentlich leichter mit dir zu reden, als du noch nicht die Zähne auseinanderbekommen hast.“
Eine unangenehme Stille legte sich über sie. Mit einem tiefen Seufzer setzte sich Gabriel neben Shana. Das Bett gab unter seinem Gewicht leicht nach, schob sie zu sich. Sofort drehte sich Shana zu ihm als würde sie seine Wärme vermissen. Zärtlich strich er ihr eine Strähne aus dem Gesicht, formte Kreise auf ihrer Wange. Sie sieht so unschuldig aus, wenn sie schläft. Ein leises Knurren ging durch den Raum doch Gabriel ignorierte es. „Seit wann kannst du es?“ Ohne den Wolf eines Blickes zu würdigen machte er weiter. Was genau? Gabriel fixierte Faolan, der es sich wieder auf der Erkerbank bequem gemacht hatte. „Sprechen, du Genie.“ In Grunde schon immer. Leise knurrte Gabriel vor sich her. Wollte er ihn auf den Arm nehmen?! Sein Blick wanderte wieder zu der schlafenden Schönheit neben ihm. „Ihr würde es sehr viel bedeuten. Wieso sprichst du mit mir und nicht mit deiner Herrin?“ Ein erschütterndes Raunen ging durch seinen Geist. Durch ein paar Umstände war ich für längere Zeit nicht in der Lage zu sprechen. Mir ist selbst unbekannt warum es sich gelöst hat aber heute ist es das erste Mal seit Jahrhunderten. Und solange ich nicht weiß woran es liegt, werde ich die Zahl meiner Gesprächspartner so gering wie möglich halten. Gabriel seufzte. „Also wirst du dich auch in Zukunft nicht mit ihr Unterhalten?“
Vorerst nicht, nein. „Und warum mit mir? Jetzt mal ernsthaft. Wir sind weder das was man Freunde nennt, noch sind wir uns sonderlich ähnlich. Warum baut ein Wolf eine telepathische Beziehung zu einem Vampir auf?“ Die Lautstärke seiner Stimme bereitete ihm Kopfschmerzen und Gabriel musste Dampf ablassen. Zudem fühlte sich Gabriel seitdem Faolan mit ihm sprach etwas seltsam. Du irrst dich, wir sind nicht allzu verschieden. Und diese alte Vampir-Werwolf-Fehde interessiert mich nicht im Geringsten. Auch wenn dir die Tatsache nicht gefällt, bist du mir ähnlicher als du es dir eingestehen willst. „Das sehe ich anders. Ich bin in keinster Weise wie du! Du mein Lieber, bist lediglich ein aufgeblasener arroganter Nichtsnutz auf einem abgedrehten Egotrip!“ Faolan verdrehte theatralisch die Augen, schnaubte wie ein Hund es nur konnte. Ich sagte ja, wir sind uns ähnlicher als gedacht. „Hast du mir nicht zugehört?“ Doch gewiss. Allerdings verdrehst du die Tatsachen, Vampir. Über die Details könnten wir uns jetzt ewig Streiten aber in einem kannst du mir definitiv nicht wiedersprechen: Shana. Du willst sie auch beschützen nicht wahr? Reicht das dann nicht fürs Erste als gemeinsamer Nenner? Gabriel schwieg. Faolan hatte voll ins Schwarze getroffen. Dachte ich mir. Zufrieden ließ er wieder den Kopf sinken. Solange ich nicht weiß in welcher Verbindung sie mit meinem sich lösenden Fluch steht, werden weder du noch ich sie einweihen, verstanden Vampir? „Du sagtest ein Fluch?“ Kümmere dich nicht drum. Das Wort klingt immer grausamer als die Realität ist. Also kann ich mich darauf verlassen, dass du schweigst? Gabriel nickte stumm. Gut. Ich weiß das sehr zu schätzen. Dir gebührt mein Dank, Gabriel di Lusatis.
Die ersten Sonnenstrahlen rissen sie aus dem Schlaf. Ihr Körper fühlte sich ungewöhnlich schwer an du sie fragte sich ob Gabriel auf ihr eingeschlafen war. Doch statt dem vermuteten Vampir entdeckte sie Faolan neben sich. „Fao!“ Die Augen des Wolfes verdrehten sich unnatürlich als er aus seinem Schlaf hochschreckte doch viel Zeit hatte er nicht zu reagieren. Mit ordentlich Anlauf ward Shana sich ihm um den Hals, vergrub ihr Gesicht in seinem dicken Fell. „Ein Glück, Du bist wieder da! Ich habe mir riesige Sorgen gemacht! Wo warst du denn die ganze Zeit?“ Verdutzt starrte er sie mit seinen riesigen Kulleraugen an. Keine Antwort. Shana atmete tief durch. Wann kapiere ich endlich, dass er mir nicht antworten kann? Wahrscheinlich versteht er noch nicht mal was ich sage! Zärtlich und mit einem zufriedenen Lächeln streichelte sie dem weißen Riesen über den Kopf. „Weißt du was, vergiss es. Hauptsache du bist wieder bei mir mein Großer! So und jetzt, aufstehen, das Frühstück wartet!“
Schnellen Schrittes eilte Shana zu ihrer letzten Stunde. Auf keinen Fall durfte sie nach einem der anderen Elkada Schüler dort eintreffen – bis auf einen. Sie musste Gabriel zu Rede stellen sonst würde sie sich noch zu Tode grübeln müssen. Warum ist er gegangen? Warum hat er nicht einfach bei mir geschlafen? Sie hielt kurz inne, blieb mitten auf dem Flur stehen. Warte mal, wollte ich das überhaupt? Wieder einmal wusste sie keine Antwort. Seufzend bog sie in den Flur ein, wo sie in letzter Zeit ihren Kurs hatten. Dabei klopfte ihr Herz wie wild gegen ihre Brust, genauso wie gestern. Die Pause endet in zwanzig Minuten. Was mache ich, wenn er nicht alleine ist? Unsicher und aufgeregt erreichte sie den Klassenraum. Einen kurzen Augenblick lang blieb Shana davorstehen, den Türgriff fest in ihrer schwitzigen Hand. So langsam frage ich mich wirklich wieso Gabriel es immer schafft mich so aus der Fassung zu bringen. Was mache ich eigentlich hier? Zweifel befielen ihr Herz. Warum hätte er bleiben sollen, es war ja nicht so als wären wir ein Paar. Allein bei dem Gedanken regte sich was in ihr. Reiß dich zusammen, ihr seid Freunde. Reicht das nicht als Vorwand? Mit einem kräftigen Ruck schwang die Türe auf.
Sichtlich überrascht drehte er sich um und betrachtete sie mit weit aufgerissenen Augen. Gabriel lehnte – wie immer in seiner typischen Haltung - lässig am Fenster, die Arme vor der Brust verschränkt. Shanas Blick streifte über seinen wohlgeformten Oberkörper, der sich durch das schwarze Shirt abzeichnete. Sie schluckte schwer. Gabriel sah einfach umwerfend gefährlich aus. Und nach gestern wusste sie endlich auch wie das Muskelland sich anfühlte. Hart und weich zugleich. Gerade wollte sie ansetzten als er die Stille brach. „Ziemlich dramatischer Auftritt. Bin ich von dir gar nicht gewohnt.“ Seine Stimme war kaum mehr als ein melodisches Flüstern, doch es reichte um Shana durcheinander zu bringen. „Ich wollte mal was Neues ausprobieren.“ So ertappt wie gerade hatte sie sich noch nie gefühlt aber das war nun mal das Risiko. Entweder Klarheit oder lebenslange Fragezeichen. Gabriels Mimik Spiel zeigte mehr als deutlich, dass er ihr das nicht abkaufte. „Willst du nach deiner Einlage nicht reinkommen oder gefällt es dir mitten in der Türe?“ Sein schelmisches Grinsen brachte ihre Füße dazu sich ganz von allein zu bewegen. Hinter ihr fiel die Türe wieder ins Schloss. Shana hätte schwören können ein Knistern zu hören, ein leises Fiepen in der Luft. Aber vielleicht war es nur Einbildung, denn noch immer schlug ihr Herz so stark gegen ihre Rippen, dass sie sie fast brechen hörte. Wie soll ich anfangen? Gabriels Augen folgten aufmerksam jeden ihrer Schritte. Er war durch und durch Jäger, ließ seine Beute nie länger als nötig aus den Augen. „W-was hast du beobachtet?“ Shana bemühte sich so beiläufig wie nur möglich zu klingen und strich mit den Fingern über das Fensterbrett. „Nichts Wichtiges.“ Gabriels Blick, der bisher keine ihrer Bewegungen entgangen war verlor sich wieder in der Ferne. Die sonst silbern glänzenden Augen wirkten verschleiert als wäre er in einer anderen Welt – genauso wie gestern waren sie mehr Gewitterwolke als glänzender Stahl.
„Als ob du einfach so ohne triftigen Grund wie ein Besessener aus dem Fenster schauen würdest. Ich kenn dich du gehört nicht in die Träumer-Schublade.“ Ruckartig riss Gabriel seinen Kopf herum und funkelte sie an. „Versuche nie wieder mich in irgendeine dumme Schublade zu stecken! Du kennst mich nicht mal!“ Für einen kleinen Augenblick starrte Shana ihn fassungslos an, bis sie seinem scharfen Blick nicht mehr standhalten konnte. „Sorry.“ Warum geht er bei einer so belanglosen Frage an die Decke? Hilfesuchend wanderte ihre Hand zu dem Medaillon, eine Geste, die sie mittlerweile ständig machte. Jedes Mal, wenn sie sich unwohl, nervös, unsicher oder sonst irgendein Gefühl sie aus der Fassung brachte griff sie danach – griff sie nach Gabriels Geschenk. Es war wie ein Anker für sie, besonders wenn er es war der versuchte sie zu ertränken. Shana hörte wie Gabriel tief seufzte, sah im Augenwinkel, dass auch er seine Augen nicht von dem dünnen Metall nehmen konnte. „Nein, mir tut es leid. Ich hätte dich nicht so blöd anmachen sollen. Es ist nur… Momentan bin ich einfach etwas gestresst.“ Den Blick von ihr abgewandt fuhr er sich durchs Haar, atmete wie bei ihren Kampfvorbereitungen tief durch. Vorsichtig suchte sie seinen Blick doch seine Augen fixierten immer noch etwas außerhalb des Raumes. Irgendetwas quälte ihn und Shana quälte es, nichts davon zu wissen. „Wieso bist du gegangen?“ Als Shana klar wurde, dass sie das tatsächlich laut ausgesprochen hatte, bettelte sie inständig Gabriel wäre zu sehr in Gedanken vertieft um es mitzubekommen. Doch ihre Gebete wurden natürlich nicht erhört, denn sein Blick sprach Bände. Wenigstens habe ich jetzt wieder seine Aufmerksamkeit! „Was?!“
Mit einem Wort in der richtigen Tonlage hatte Gabriel es geschafft ihren ganzen Mut und ihre Entschlossenheit wegzuwischen. „Also...ähm…nichts. Ich habe nur laut gedacht, vergiss einfach was ich gesagt habe! Ich hole mir was zu trinken, willst du auch was?“ In dem Moment gab Shana ihrem Fluchtinstinkt nach und sprintete zur Türe. Weit kam sie nicht, denn bewusst was sie vorhatte griff Gabriel nach ihrem Handgelenk. Abrupt kam Shana zum Stehen, wirbelte zu ihm herum und landete quasi an seiner Brust. „Wiederhole was du gesagt hast.“ Mit einem Mal fühlte Shana sich wieder wie im Schwimmbad wo sie ihn konfrontieren wollte, letztendlich aber mehr von sich preisgegeben hatte als sie wollte. Sie schauderte unter seiner Berührung, wusste aber nicht ob das gut oder schlecht war. Sein Blick war fordernd und wühlte sie innerlich auf. „I-ich hole mir was zu trinken und…“ „Nicht das!“ Natürlich wusste sie, dass er nicht diesen Satz meinte aber ein Versuch war es wert. Es war wie ein Déjà-vu. Gabriel hatte die Zügel in der Hand und sie war ihm ausgeliefert. „Was dann?“ Genervt verdrehte Gabriel die Augen. „Du weißt ganz genau was ich meine. Sag mir was du davor gesagt hast.“ Seine Stimme klang rauer als sonst. Irgendwas an ihm ließ sie erneut schaudern aber nicht aus Angst. Um seine Forderung zu unterstreichen verstärke er seinen Griff, brachte sie dazu nachzugeben. Allerdings traute sie sich nicht ihm in die Augen zu schauen. Zu groß war die Gefahr, dass ihr Herz dann aussetzen würde. „Warum bist du gegangen?“ Kurz erhaschte Shana einen Blick auf sein Gesicht. Seine Gesichtszüge waren Butterweich, der Schleier von vorhin lichtete sich wieder. „Also habe ich mich doch nicht verhört.“ Betretendes Schweigen erfüllte den Raum. Was sollte sie noch dazu sagen? Die Haut unter seiner Hand prickelte als wäre sie eingeschlafen. Und dann lockerte er seinen Griff, wanderte wie gestern ihren Arm herauf. „Bist du deswegen hier reingestürmt?“ Die Sanftheit in seiner Stimme passte nicht zu dem kratzigen Ton darin. Shana nickte stumm.
Gabriel machte keine Anstalten sie loszulassen, was sie immer nervöser machte. Sie fühlte sich ihm ausgeliefert, hilflos und verletzlich. Egal was sie ihm sagen würde, nichts würde er glauben. Nichts außer der Wahrheit. Verlegen nickte sie. Das Brennen auf ihrer Haut ließ mit dem Verlust seiner Berührung nach. „Es ist unwichtig warum. Ich bin gegangen. Das war´s an Erklärung.“ Wie immer entzog er sich ihr, nicht nur physisch. Schlagartig schlug ihre Unsicherheit in Wut um. Unwichtig?! All ihr vertriebener Mut tauchte aus der Versenkung wieder auf und half den kühlen Blick zu erwidern. „Doch Gabriel es ist wichtig! Mir ist es wichtig!“ Instinktiv ließ er sich nach hinten treiben als sie auf ihn zuging. „Erst tauchst du ohne jegliche Warnung zu einer unchristlichen Zeit in meinem Zimmer auf, erschreckst mich zu Tode, bringst mich dazu vor Verlegenheit fast im Erdboden zu versinken, erzählst mir so viel Verwirrende und hast dann einfach wieder ab als wäre es dein Zuhause wo du kommst und gehst wann du willst?!“ Bald hatten sie die Mitte des Raumes erreicht, Shana immer nur zwei Schritte hinter ihm. „Ich habe nie behauptet, dass es meine Wohnung sei. Du vergisst anscheinend, dass ich einen triftigen Grund hatte nach dir zu schauen!“
Zu ihrer Überraschung verharrte er dort, als wolle er keinesfalls ans Fenster zurück. „Als ich das erledigt hatte gab es keinen Grund mehr zu bleiben.“ Shana glaube sie höre schlecht. Hatte er das wirklich gesagt? Mit Wut im Bauch überwand sie die letzten Schritte zu ihm. Zwar war sie kleiner als er aber Gabriel machte bei ihren Streitereien nie den Fehler sie zu unterschätzen. „Erledigt? Bin ich ein Job, den man von der To-Do-List streicht? Oh nein, mein Lieber das Spiel spiele ich nicht mit!“ Genervt stampfte sie davon. Das war einfach zu viel. „Du denkst ich spiele? Schön, denk was du willst! Aber ich sag dir eins. Hätte ich Lust auf Spielchen wärst du die Letzte für diesen Job!“ Gabriels Worte trafen sie härter als gedacht. Mitten in ihrem Gang hielt sie inne. In ihr braute sich ein Orkan aus Wut, Trauer und Unsicherheit zusammen. Sie fühlte sich elend und stark zugleich. „Da bin ich aber froh mit so einem Holzkopf wie dir kann man nämlich höchstens Nägel reinklopfen und sonst nichts!“ Hysterisch lachte sie auf. „Holzkopf? Du nennst mich einen Holzkopf?!“ Jetzt kochte auch er aber Shana wollte mehr. Sie wollte, dass er sich genauso verletzt fühlte wie sie gerade. „Ja ganz genau ein Holzkopf! Ein total hohler Holzkopf, Schimmelholz, das noch nicht mal gemerkt hat wie sehr ich ihn gestern gebraucht habe!“ Geschockt von sich selbst und seiner Reaktion korrigiere sie sich rasch. „Ich habe einfach jemanden gebraucht, der mir nicht sagt, dass alles gut wird, wenn es nicht so ist! Jemand der aber trotzdem bleibt. Jemand, der diesen Sturm in mir beruhigt. Und nun ja, du warst nun mal zufällig da und… und wir sind Freunde. Also…“ Shanas spontaner Versuch Gabriels entgleiste Gesichtszüge wieder in ihren Normalzustand zu bringen scheiterte kläglich. Nach kurzer Zeit hatte er sich wieder gefasst. Seine Mundwinkel verzogen sich zu einem unheilvollen Grinsen. Na klasse, er hat es bestimmt falsch verstanden! „War das etwa ein Geständnis?“
Sofort spürte Shana wie die Hitze ihre Wangen zum Kochen brachte. War es eins? Sicher nicht! „Oh Mann, klasse! Der Holzkopf hat es tatsächlich vollkommen falsch verstanden!“ Etwas zu überspitzt warf sie die Hände in die Luft, was ihn noch mehr zum Lachen brachte. „Ich glaube schon, dass ich es schon vollkommen richtig verstanden habe.“ Warum konnte sie einfach nicht gehen? Sich umdrehen und ihn glauben zu lassen was er glauben wollte. Weil es Gabriel ist. Weil er sonst nie Ruhe gibt! In dem Moment ging sie wieder auf ihn zu. „Hast du anscheinend ja nicht! Aber das hätte ich mir auch denken können, du kannst einfach nicht anders Gabriel!“ Mit Wut im Bauch zwang sie ihre zitternden Beine weiter zu gehen. „Ich wollte einfach einen guten Freund fragen warum er einen anderen Freund einfach so sich selbst überlässt!“ Überrascht runzelte er die Stirn, verschränkte die Arme vor der Brust. „In erster Linie, weil du eingeschlafen bist.“ Seine Haltung, seine Antwort, einfach alles an ihm brachte sie noch mehr zum Toben. „Vielleicht wollte ich ja genau das! Es war einfach schön mal jemanden um sich zu habe, der nicht immer alles totanalysiert, sondern einfach nur ist!!!“ Kurz kam ihr der Gedanke was passieren würde, wenn sie jemand hörte doch Shana konnte sich einfach nicht stoppen. Selbst wenn Damon jederzeit hereinkommen konnte musste sie all das jetzt loswerden. „Ich habe nicht darum gebeten, dass du mitten in der Nacht aufkreuzt aber ich dachte meine Handlungen waren deutlich genug, dass ich dann nicht wollte, dass du gehst!“ Plötzlich stand ein völlig Fremder vor ihr. Der stolze, sonst so großspurige Gabriel war fort und hatte seinen kleinen verlegenen Bruder dagelassen. „Ich dachte du brauchst mich nicht.“ Was?! Hat er mir nicht zugehört?!
Sein Grinsen schien mit seinem Selbstbewusstsein einen Trinken gegangen zu sein, denn von beidem war keine Spur mehr. Shana war sichtlich überrascht. Diesen Gabriel – verletzlich, schüchtern mit den Händen in den Hosentaschen und ihren Blick meidend – kannte sie nicht. Er schien jemand völlig fremdes zu sein und trotzdem spürte sie, dass es echt war. Das vor ihr war der echte Gabriel. Zu mindestens ein gut versteckter Teil von ihm. „Ich dachte du brauchst mich nicht mehr.“ Wiederholte er als sie sich nicht regte. „W-wie kommst du darauf?“ Wie ein Kind wich er ihrem Blick aus aber versuchte trotzdem immer wieder ihre Reaktion zu erhaschen. „Kurz nachdem du eingeschlafen bist kam der Köter wieder. Er hatte nix also dachte ich mir…“ Er hielt inne und massierte sich den Nacken. Anscheinend suchte er nach den richtigen Worten. „Ich dachte du brauchst mich nicht mehr da dein geliebter Faolan wieder bei dir war.“ Zum ersten Mal seitdem sie Gabriel kennengelernt hatte, fühlte er sich weniger mystisch an. Er war menschlich, verletzlich und fehlbar. Seine ehrlichen Worte bewegten etwas tief in ihrem Inneren, schlossen Türen auf, die vorher fest verriegelt waren. Überrascht stand Shana für eine Weile einfach nur da, unfähig zu sprechen. Sie war so glücklich darüber diese Seite an ihm kennengelernt zu haben, dass sie Gabriel am liebsten in den Arm nehmen und trösten wollte. Langsam machte sie einen Schritt auf den geprügelten Gabriel zu. Wie gebannt folgte er ihren Bewegungen. Zaghaft nahm sie seine Hand, sie war schwer, schwerer als in Erinnerung und strahlte eine vertraute Wärme aus. Ihre andere Hand wanderte an seine Wange. Shana wollte, dass er ihr in die Augen sah. Sie wollte, dass er sieht wie ernst ihr diese Worte waren. Gabriels Augen waren weich, fordernd und wie immer unergründlich. Für einen Augenblick fragte Shana sich, ob er sich bei einem Geständnis tatsächlich gefreut hätte. Ob sein Herz auch schmerzlich gegen seine Brust preschte, genauso wie ihres manchmal. „Ich werde dich immer brauchen, egal was in Zukunft passiert. Faolan und du – ich werde euch immer als meine Freunde ansehen.“
Schnaufend wand er sich aus ihrer Berührung. „Na klasse, jetzt werde ich mit dem Köter auch noch auf eine Stufe gestellt. Vielleicht war es gar nicht so verkehrt ohne Vorwarnung abzuhauen!“ Schnell streckte sie ihre Hand aus doch er schlug sie weg, flüchtete. „Gabriel, warte!“ Im Gehen drehte er sich um, die Hände verteidigend erhoben. „Nein, schon gut Shana. Tut mir leid, dass ich deine verquere Art zu denken nicht verstehe aber wie du sicherlich schon weißt bin ich nicht wie er! Selbst wenn ich es könnte würde ich niemals die Gedanken anderer lesen nur um zu raffen was derjenige von mir will. Du solltest lernen dich mal klarer auszudrücken! Was erwartest du von anderen?!“ Shana stockte der Atem. Was war gerade passiert? Na, das lief aber mal so gar nicht wie geplant!
Völlig überrumpelt von Gabriels Wutausbruch stand sie ein ganzes Stück schweigend vor ihm. Seine Augen waren wieder gewohnt kühl und forderten eine Antwort von ihr aber es fiel ihr einfach nichts ein. Es schien als herrschte in ihrem Kopf gähnende Leere. „Ach, scheiß drauf!“ Im nächsten Moment schnappte er sich seine Tasche und verließ den Klassenraum.
„Scheiße!“ Mit einem lauten Knall zersprang seine Schlüsselschale auf dem Fliesenboden. Er hatte vor Shana vollkommen die Fassung verloren. Mal wieder! Unliebsam feuerte er seinen Rucksack in die Ecke, die Schuhe flogen gleich hinterher. Shanas liebevollen aber unpassenden Worte ließen ihn rotsehen. Er wollte nicht für immer nur ein Freund sein. Und schon gar nicht auf derselben Ebene wie Faolan! Ihre Freundschaft allein reichte ihm nicht mehr, das hatte er soeben schmerzhaft realisiert. Shana wird mich niemals anders sehen. Diese Erkenntnis traf ihn wie einen Schlag ins Gesicht und warf ihn taumelnd zu Boden. Zudem kochte noch die Wut auf Faolan in ihm. „Diese egoistische Flohschleuder tut nur das was ihm in den Kram passt! Oh, das pisst mich so an!“ Brüllend ging er in seinem kleinen Appartement auf und ab. Er hatte soeben die einzige Stunde am Tag in der er Shana ohne Probleme nah sein konnte wegen seinen Aggressionsproblemen in den Wind geschossen. Zu allem Überfluss dachte er daran, dass sie Sommerferien schon fast vor der Türe standen. Nach dieser Glanzleistung werde ich sie bestimmt den ganzen Sommer nicht zu Gesicht bekommen. Abrupt blieb er stehen. „Ich muss mich entschuldigen.“ Mal wieder. Seufzend ließ Gabriel sich auf sein Sofa fallen, die Hände über den Augen zusammengefaltet. „Warum passiert das immer mir?“ Gabriel atmete tief durch, drängte seine Gefühle in den hintersten Teil seiner Selbst.
Wie konnte schon wieder eine Frau so viel Macht über ihn haben?
Shana konnte sich einfach seit Tagen nicht konzentrieren. Jedes Mal, wenn sie sich zwang zuzuhören, driftete sie wieder ab. Ich frage mich ernsthaft was mit Gabriel los ist. Inzwischen kannte Shana seine launische und temperamentvolle Art aber seit einiger Zeit war es selbst für Gabriel ein Tacken zu stark. Ungewöhnlicher Weise war sie nicht sauer auf ihn wegen seinen Wutausbrüchen, sondern eher verwirrt. Gabriel ist ein Einzelgänger, vielleicht ist es ihm zu viel wie nah wir uns stehen. Und diese ganzen Streitereien um Nichts sind nur Vorwände um mich wieder auf Distanz zu halten. „Erde an Shana!“ Vollkommen orientierungslos schnellte Shana hoch und bemerkte erst jetzt, dass der Klassenraum leer war, die Stunde bei Mrs. Wesseling schien bereits vor Minuten ein Ende gefunden zu haben. Lediglich eine besorgte Amy und eine schief guckende Jenna starrten sie an, sonst war der Raum wie leergefegt. „Bist du wieder auf diesem Planeten angelangt?“ Dabei stemmte sie künstlich genervt ihre Hände in die Hüften und rollte mit den Augen. „J-ja.“ Ihre Freundinnen wechselten grinsend Blicke miteinander. „Also, wenn du so weiter machst kommt auf jeden Fall jemand dahinter! Du bist seitdem irgendwie amatisch.“ „Das heißt apathisch.“ Korrigierte Amy und kassierte prompt einen Seitenhieb.
„Meine Rede! Also kannst du dich auch noch die letzten drei Wochen zusammenreißen?!“ Shana atmete tief durch. Wie sollte sie ihren Freundinnen erklären, dass es ausnahmsweise mal nicht an ihrer geplanten Suchaktion lag? „Drei Wochen ist eine lange Zeit. Da kann viel danebengehen, Jenna.“ Träge packte sie ihre Sachen ein und warf sich ihren Rucksack über die Schulter. Jenna grinste vielsagend. „Glaub mir, mit meinem Plan vergehen die knapp drei Wochen wie im Flug!“ „Gibt es in drei Wochen wieder so ein Boyband Konzert oder warum seid ihr so aufgekratzt?“ Eine allzu bekannte Stimme hallte durch den Raum und Shanas Herz setzte einen Schlag aus. Gleichzeitig drehten ihre Freundinnen sich um und gaben den Blick auf den Besucher frei. Damon sah wie immer verführerisch gut aus, sein Lächeln erhellte den Raum ohne große Mühe. „Viel besser! Wir machen zusammen Urlaub! Jeden Abend Mädchengespräche und haufenweise Zeit die verrücktesten Ideen auszuprobieren!“ Jenna, der jegliches Schamgefühl fehlte tanzte wie eine Irre auf der Stelle. Peinlich berührt blickte Shana weg, Amy hingegen schüttelte nur mit dem Kopf. „Klingt nach ner Menge Spaß. Wohin geht es denn Mädels?“ In dem Moment kam er auf sie zu und Shanas Beklemmung wurde noch schlimmer. „Zu meiner Grams nach Viban.“ In dem Moment als Amy es ausgesprochen hatte weiteten sich Damons Pupillen zu riesen Kulleraugen. „Oh Viban? Ich war noch nie dort. Wie ist es da so?“
Es war offensichtlich, dass Amy diese Frage etwas aus dem Konzept gebracht hatte. Trotzdem lächelte sie weiterhin freundlich. „Sehr ländlich mit vielen Dorffesten und den dazugehörigen Möglichkeiten sich heimlich zu betrinken.“ Jenna grinste wie bedeppert vor sich hin. „Das klingt sehr verlockend. Scheint als wäre Viban auf jeden Fall ein Besuch wert.“ Shanas Puls beschleunigte. Er war nur noch wenige Meter von ihr entfernt. Der einzige Puffer, den Shana zwischen sich und ihrem Ex hatte, waren ihre Freundinnen, die von systematischem Ignorieren nicht viel hielten. „Wir würden dich ja gerne einladen aber dieses Mal heißt es Girls Only.“ Wahnsinn wie freundlich Amy selbst einen Korb formulieren kann! Sein attraktives Lachen schallte durch den Raum, lockerte die Stimmung. „Zu schade, dabei hätte ich die Stadt so gerne mit euch erlebt. Ich schätze da bleibt mir wohl nichts Anderes übrig als auf eine zukünftige Einladung zu hoffen.“ Gespielt theatralisch fasste er sich an die Brust, direkt über seinem Herzen und entlockte ihr damit ein ungewolltes Lächeln. Shana liebte seine unbefangene Art mit jedem sprechen zu können. Für sie war es wie ein Zauber, dem bisher nur einer widerstehen konnte:
Einem dauerhaft mies gelaunten Vampir mit mangelnder Selbstbeherrschung!
„Siehste, manchmal ist es auch von Nachteil so ein überdurchschnittliches Gebimmel unten hängen zu haben. Kann man nicht so gut verstecken, wenn du verstehst was ich meine.“ Mit schiefem Grinsen und eindeutigen Gesten spielte Jenna mit den Brauen. Am liebsten wäre Shana gleich sofort im Erdboden versunken und nie, niemals wieder aufgetaucht. Erneut lachte er und fuhr sich durch die blonden Haare. Dabei wanderte sein Blick zu ihr und sie fühlte sich mit einem Mal noch schrecklicher. „Vielen Dank für das großzügige Kompliment.“ In seine stahlblauen Augen hatte sich dasselbe Funkeln ausgebreitet wie noch vor ein paar Wochen. „Oh bitte nein! Wenn einer großzügig ist da…“ Hecktisch sprang Shana auf und stoppte Jenna noch mehr peinliches von sich zu geben. „Jenna!! Reiß dich bitte etwas mehr zusammen!“ Unter ihren Händen zappelte Jenna herum, gab ihr zu verstehen, dass sie verstanden hatte. In dem Moment traf ihr Blick Damons und ihr Herz blieb stehen und machte einen Satz – beides gleichzeitig. Vor lauter Scham ließ sie von der Hexe ab und setzte sich mit hochrotem Kopf wieder. „Was denn? Ich habe Damon doch nur ein Kompliment gemacht. Was ist daran denn so schlimm?“ Um nicht hochzusehen und wohlmöglich wieder ihn anzusehen kratzte sie sich an der Stirn. „Es ist es einfach, okay? Also lass es bitte gut sein Jenna!“ Natürlich verstand Jenna diese Art von Peinlichkeit nicht. Bisher war ihr – besonders in Punkto Männer – nie etwas peinlich gewesen. Shana hingegen hatte besonders da so ihre Probleme.
„Hö wieso? Ich finde nichts falsch daran zu wissen, wer aus unserem Umfeld gut bestückt ist. Das ist doch eine positive Visitenkarte für die Jungs, warum stellst du dich wegen so einem harmlosen Gespräch an?“ „Weil es nicht dein Ex ist, über dessen bestes Stück wir gerade in seiner Gegenwart sprechen! Also bitte Jenna halt einfach den Mund!“ Wütend knuffte Amy die Hexe in die Seite. Für einen kurzen Augenblick trafen sich wieder ihre Blicke und Shana wurde noch roter. Wie peinlich! „Mach dir keinen Kopf. Bei dieser Tratschtante kann man einfach nichts verstecken.“ Damons Stimme klang so weich, geschmeidig wie Honig. „Waas? Ich und eine Tratschtante, wie kommst du darauf?“ „Weil du definitiv eine bist.“ Amy konnte über Jennas Aufstand nur den Kopf schütteln. Sofort begannen die Zankereien der Beiden und schaukelten sich wieder unnötig hoch. Shana konnte nicht glauben, dass diese zwei sich tatsächlich nahestanden. Wie gebannt sah sie zu wie Damon versuchte die beiden Streithähne wieder zu beruhigen, bis er sich resignierend neben sie fallen ließ. Seine Nähe löste in ihr die verschiedensten Gefühlsregungen aus. Angst war dabei die größte von allen.
„Oh Mann, hätte ich geahnt, dass sie sich auch dieses Mal in den Haaren haben, wäre ich lieber an einem anderen Tag vorbeigekommen.“ Völlig gelassen stützte er seinen Kopf ab, bedachte sie mit einem liebevollen Lächeln. Shanas Blick wanderte zu ihm, das mintgrüne Shirt saß wie eine zweite Haut. „In letzter Zeit streiten sie sich ständig. Wenn wir zusammen unterwegs sind fängt entweder die eine oder die andere an mit dem Theater. Manchmal habe ich das Gefühl sie nehmen mich nur als neutraler Puffer mit.“ Sein Lachen war genauso geschmeidig, einfach Göttlich. Aber auch Götter haben Schwachstellen! „Klingt sehr nach einem Babysitter Job.“ „Genau so fühle ich mich manchmal auch! Seitdem feststeht, dass wir zusammen Urlaub machen, knallen sie häufiger aneinander. Jeden Tag treffen wir uns um alles planen zu können. Letztendlich findet alles Mögliche statt, nur keine Reiseplanung.“ Damon antwortete nicht, beobachtete sie nur. Die Stille zwischen ihnen war gegenwärtig aber nicht unangenehm. „Wie wärs dann mal mit einer Auszeit?“ Überrascht schaute sie zu ihm, doch sein Blick ließ nichts erkennen. „Was ist mit nächste Woche Samstag? Wir könnten etwas zusammen unternehmen wie Eis essen oder ins Kino. Du warst sicher schon länger nicht mehr ohne die Zwei unterwegs, oder?“ Stumm nickte sie.
Die Erinnerungen an ihr letztes Gespräch schwappten hoch. Immer noch fühlte sie sich schlecht Damon so lange benutzt zu haben. Als sie immer noch nicht antwortete, schob Damon beschwichtigend ein „als Freunde natürlich“ hinterher. Shana haderte mit sich, willigte letztendlich doch ein. Seine stahlblauen Augen leuchteten auf und ihr wurde warm ums Herz. „Gut dann sehen wir uns Samstag. Ist dir elf recht?“ Shana nickte und zwang sich zu einem Lächeln. Noch immer wusste sie nicht was er damit bezweckte. „Elf passt mir gut.“ Sein Lächeln ließ ihr Herz brennen. Die Tage ohne mit ihm zu sprechen fühlten sich falsch an. Vielleicht war es ja schon möglich, dass sie wieder Freunde werden konnten. „Gut dann um elf. Ich hole dich ab.“ Der Stuhl scharrte hinter ihm als er aufstand. Dabei wandte er seinen Blick nicht einmal von ihr ab. „Ich freu mich.“ „Ich mich auch.“ Leise beobachtete sie wie der gutaussehende Engel durch die Tür verschwand.
Ausgerechnet jetzt fühlte sie sich gar nicht gut. Vor ein paar Tagen hatte sie blauäugig Damon zugesagt, etwas mit ihm zu unternehmen und jetzt wo es soweit war fragte sie sich ob es das Richtige gewesen war. Unruhig saß sie im Wohnzimmer auf der Couch und wartete darauf, dass die Zeiger endlich elf schlugen. Was habe ich mir dabei gedacht? Erst mache ich Schluss mit ihm und springe dann aber sofort auf die erste seiner Annährungen wieder an! Was ist bloß los mit mir?! In dem Moment klingelte es an der Türe und sie sprang auf, schnappte sich ihre Tasche und rief ein paar Abschiedsworte durch das Haus. Es war in letzter Zeit so still hier, seit der größte Teil ihrer Brüder anderweitig unterwegs waren. Als sie schon in den Flur bog, stand Valentin bereits dort. Sofort bemerkte er sie und schenkte ihr sein ganz typisches Lächeln. „Deine Begleitung ist da. Schönen Tag euch zwei.“
Dabei zwinkerte er vielsagend und Shana wurde leicht rot. „Ah danke Val, ich bin dann mal weg.“ Um nicht noch mehr Peinlichkeiten zu riskieren huschte sie an ihm vorbei und schloss hinter sich die Türe. Dort angekommen empfing sie frische Sommerluft und ein umwerfender Engel. „Guten Morgen Sonnenschein.“ Wie jedes Mal, wenn er sie abholte lehnte er selbstsicher an der Beifahrertüre des blauen SUVs, die Hände vor der Brust verschränkt und mit einer neckischen Mimik auf den Lippen. Die Sonnenstrahlen sprenkelten sein Haar golden, ließen es schimmern wie Goldfäden. Noch immer völlig aufgekratzt ging sie auf ihn zu und umarmte ihn zur Begrüßung. Seine Berührungen waren so vertraut, dass es schmerzte. „Du bist aber früh dran.“ Sein Lachen an ihrem Ohr ließ sie schaudern. „Manchmal kommt das auch vor.“ So schnell wie sie zueinander gefunden hatten löste sich ihre Berührung auch und ganz Gentlemen öffnete er ihr die Türe. „Milady nach Ihnen.“ Ohne zu zögern stieg sie ein und kurz darauf machten sie sich auf den Weg zu ihrem Lieblings Café.
Im Khala-Fee angekommen setzten sie sich nach draußen an einem schattigen Außentisch, bestellten das Gebäck des Tages und einen großen Kaffee für jeden. Die Sonnenstrahlen wärmten angenehm auf ihrer Haut, der sachte Wind war eine angenehme Abkühlung. „Wir waren schon lange nicht mehr hier.“ Dabei wanderte sein Blick die Straße entlang und Shana hatte Zeit ihn unbemerkt anzuschauen. Damon sah weder verkrampft noch unglücklich aus, seine Augen leuchteten fast dauerhaft. Mit einem Mal fragte sie sich, ob er ihre Trennung schon überwunden hatte und bereits jemand anderen gefunden hatte. „Stimmt ist schon eine Weile her. Guck mal, der Florist da drüben ist aber neu, oder? Was war da vorher nochmal drin?“ Wortlos stellte die Bedienung ihre Bestellungen auf den Tisch und Damon nickte ihr aufmerksam zu. „Eine Boutique, glaube ich.“ Das junge Mädchen errötete bei seiner beiläufigen Nettigkeit und huschte wieder ins Café. „Da hat Jenna ihr erstes Kleid für den Maskenball gekauft. Schade, dass er daraus ist, ich wäre auch gerne mal dort schauen gegangen.“ Schlagartig wanderten ihre Gedanken ab und sie fragte sich, wie es wohl der alten Dame ging. Sie sah damals schon sehr schwach aus, ob ihr der Laden zu viel wurde? „Manchmal ist es schon erschreckend wie schnell Dinge enden können.“ Seine Worte waren mehr ein Gemurmel doch Shana hörte jedes Wort. Und fühlte sich deswegen hundeelend. Erst jetzt kam ihr in den Sinn, dass Damon sich vielleicht noch unwohler fühlte als sie.
Er versucht den guten Freund zu spielen während ich so tue als wäre nie etwas gewesen. „Entschuldige.“ Nervös senkte sie ihren Blick, beobachtete wie sie an ihrer Nagelhaut knibbelte bis plötzlich eine warme große Hand ihr die Sicht versperrte. Shana schaute auf und blickte direkt in stahlblaue Augen, die so weit wie der Himmel waren. „Schon gut, Shana.“ Damon atmete tief durch, schaute jedoch nicht weg. „Ich war es, der dich gefragt hat. Also geh bitte davon aus, dass ich mir allen Eventualitäten bewusst bin und damit klarkomme.“ Der Engel lachte verlegen auf, wuschelte sich mit der anderen Hand durchs Haar. „Ich hätte nur nicht gedacht, dass es sich so komisch zwischen uns anfühlen kann.“ Shana nickte stumm. Sie fühlte das gleiche, wünschte sich die vertraute Nähe von früher wieder herbei. „Warum muss alles auch immer so unüberwindbar schwierig sein?“ Flüsterte sie und zog ihre Hand unter dem Vorwand das Gefäß mit zwei Händen halten zu müssen weg. Noch immer war ihr der braune Muntermacher zu heiß, ließ es sich aber nicht anmerken. Shana linste zu ihm rüber und ohne Vorwarnung beschleunigte ihr Puls. Ein gefährlich schönes Lächeln umspielte seine weichen Lippen, das Sonnenlicht verfing sich in seinem Haar und ließ ihn erstrahlen. Noch mehr als sonst. Er sieht göttlich aus. Wie konnte ich ihn nur gehen lassen? Tief aus ihrem Inneren meldete sich die Erkenntnis und Shana wusste wieder warum. „Das muss es aber nicht.“ Bestimmend griff er nach ihrer Hand, führte sie langsam an seine Lippen und... verharrte. Shana war kurz davor zu implodieren als er ihr so nah war. Erleichtert atmete er auf, schien sich seiner Sache immer sicherer zu werden. „Ich kann deine Gefühle spüren Shana. Sie sind so intensiv und bunt wie sonst.“ Liebevoll hauchte er ihr einen Kuss auf die Knöchel und sie erschauderte. Shana dachte daran ihre Hand wegzuziehen aber sie reagierte einfach nicht. „Damon, bitte.“ Schon spürte sie wie ihre Augen feuchter wurden. Würde er nicht damit aufhören müsste sie gnadenlos anfangen zu weinen. Nicht um sich selbst, ihre fehlenden Gefühle, sondern um ihn. Um einen Engel, der kurz davor stand zu fallen, lebensbedrohlich tief zu fallen. Shana musste dem ein Ende setzten aber wie tat man genau das, wenn man nicht konnte? Weiche Lippen wanderten weiter, küssten ihren Handrücken, ließen sie erröten. „Sie sind so unendlich tief und ungezähmt wie die See. Nichts was ein einziger besitzen könnte. Das ist mir jetzt klar.“
Damons Worte verwirrten sie, zeugten von einer Intelligenz, die sie noch nicht besaß. Was meint er damit? Seine leuchtenden Augen wirkten trüb, wie das kalte Nass, dass er beschrieb. Shana spürte wie weit er in dem Moment von ihr entfernt war, obwohl sie die Wärme seiner Hand deutlich war. Ungläubig schüttelte sie den Kopf, fürchtete das Prickeln in ihr würde sie verbrennen. „Damon ich komm nicht mit.“ Plötzlich erwachte er auf seinem Dämmerschlaf und verstärkte den Griff um ihre Hand. Ein ungutes Gefühl stieg in ihr auf, sie flehte innerlich, dass das Wünschen auf einen weiteren Versuch ausbleiben würde. Oh Gott, bitte nicht! Ich komme ja jetzt schon kaum damit zurecht! Mit einem schiefen Grinsen beäugte er sie, Shana fühlte sich der Ohnmacht nah. Hatte sie sich schon immer so in seiner Nähe gefühlt? „Beruhige dich Shana, ich bin nicht hier um...“ Er stockte, lächelte, atmete tief durch. „Ich bin nicht hier um dir noch mal einen Versuch abzuquatschen. Obwohl mich deine Unsicherheit gerade wirklich in Versuchung bringt!“ Sofort wusste sie, dass er mal wieder gegen ihren Willen ihre Emotionen gelesen hatte. Wütend funkelte sie ihn an und zog ihre Hand weg woraufhin er gespielt eine Schnute zog. „Wozu dann diese missverständlichen Handlungen?“ Damons verführerisches Lachen fuhr wie Schockwellen durch sie, verunsicherte sie noch mehr. Doch dann fuhr er sich durch seine blonden Haare - ein Zeichen seiner Nervosität - und in Shana beruhigte es sich langsam. Nicht nur sie war durcheinander. „Bitte entschuldige, sieht aus als hätte ich mich noch nicht so gut im Zaun wie ich gedacht habe. Aber was ich sagte meinte ich ernst. Ich bin hier als dein Freund. Du schienst mir in letzter Zeit... verändert zu sein.“ Mit einem Mal begann er mit seiner Gabel den Heidelbeer-Käsekuchen zu zerlegen, aß jedoch nichts davon. „Sollte das nach einem Ahnenkampf denn nicht so sein?“ Auch sie hatte mit einem Mal wenig Lust auf ihr Kuchenstück, zwang es sich aber dem Bäcker zuliebe rein. Der Geschmack war grandios – fruchtig und weich zugleich aber diese seltsame Situation schlug ihr einfach zu schwer auf den Magen. „Nicht so.“
Endlich nahm auch er einen Bissen. Mit krauser Stirn schob er den Teller mit dem beinahe unberührten Gebäck von sich und schaute wieder zu ihr. „Ein Ahnenkampf manifestiert nur in dir bereits vorhandene Dinge, das allein ändert aber nichts an deinem Charakter.“ Vorsichtig nippte Shana an ihrem Kaffee, endlich war er nicht mehr zu heiß für sie. „Kapier ich nicht.“ Plötzlich rutschte er näher heran und griff nach ihrer freien Hand, die andere legte er auf ihre Schulter. Dabei fiel die Gabel klirrend zu Boden doch keiner der Beiden machte Anstalten sie wieder aufzuheben. „Schau mal.“ Damon holte tief Luft und im nächsten Augenblick leuchtete ihre Handinnenseite golden auf. Es war sein Licht, daran hatte sie keinen Zweifel und die Tatsache wie einfach es ihm gelang es durch sie hindurch fließen zu lassen machte ihr ein wenig Angst. Zudem war es ihr unangenehm Magie wie selbstverständlich zu benutzen selbst wenn dieses Café dafür bekannt war. „Vorher war deine Aura hell, leuchtend bunt und ihre Verzweigungen waren mehr als einfach zu erkennen. Siehst du das?“ Stumm nickte sie, in ihrer Handfläche leuchteten die verschiedensten Pastellfarben eines Malkastens friedlich nebeneinander her. Nur an wenigen Stellen vermischten sie sich, bildeten Nischenfarben aber das Muster war klar zu erkennen. Es war ein Farbenteppich, eine sehr ordentliche Aura-Leinwand. Damon lächelte zaghaft, richtete seinen Blick wieder auf ihre beiden Hände. „Und so ist sie jetzt.“ Urplötzlich vermischten sich die Farben, sodass alle Pastelltöne verschwunden waren. Übrig blieben nur noch unzählige blau, grau, lila Töne – von dem strahlenden Gelb und Orange war keine Spur mehr.
Feine schwarze Adern zogen sich durch das tristere Farbenspiel und ließen es lebendig wirken. Shana erschauderte vor ihrer eigenen Aura. War sie das wirklich? So schlimm stand es also um sie? „Sie ist ganz anders.“ Sie wusste selbst nicht warum sie flüsterte, wahrscheinlich fürchtete sie das Monster in ihr könnte sie hören. „Es ist ein Labyrinth. Die hellen Farben sind noch da, ich kann sie spüren aber nicht mehr sehen. Sie verstecken sich weit unter dem was du jetzt siehst.“ Langsam verblasste der Zauber und ihre Hand wurde wieder zu ihrer Hand. Hastig zog sie sie weg, klammerte sich fest an ihren Kaffeebecher während Damon die Gabel aufhob. „Hast du sowas schonmal gesehen?“ Mit zärtlichem Blick schüttelte er den Kopf, auch er wusste nicht weiter. „Vielleicht ist aber genau das – dieses Dunkle – was ich wirklich bin. Vielleicht bin ich gar nicht so gut wie ich gedacht habe.“
Ein hysterisches Lachen drang aus ihrer Kehle bis der Kloß in ihrem Hals dichtmachte. Da er nicht an ihre Hände kam legte er seine Hand auf ihren Oberschenkel, streichelte beruhigend darüber. „Denk sowas nicht von dir Shana. Und solange sie sich nicht anders anfühlt ist die Farbe einfach nur außergewöhnlich.“ Damons Berührung tat ihr unsagbar gut, seine Nähe half ihr gerade mehr als jeder Kuchen dieser Welt je gekonnt hätte. „Haben andere es auch schon bemerkt?“ Vehement schüttelte Damon den Kopf und Erleichterung machte sich in ihr breit. Dass er ihre Veränderung gesehen hatte, damit konnte sie leben. „Viele können sie spüren aber nicht sehen, nur wenige Unglückliche können das was ich kann.“ Shana nickte stumm, legte ihre Hand auf seine und erwiderte den leichten Druck, den er ausübte. Etwas in ihr hatte sich also verändert - sichtlich verändert, wenn auch nicht für viele. „Denk bitte nicht ich habe dich hierhergebracht um dir unnötig Angst zu machen. So ist das nicht ich wollte nur mal mit dir reden, dir zeigen...“ „Das du noch da bist. Ich weiß.“ Endlich klärten seine Augen wieder auf und der Himmel kam zum Vorscheinen. Und endlich löste sich auch etwas von dem Gewicht, dass ihre das Atmen so schwermachte. „Das werde ich immer. Wenn du nicht reden willst komme ich damit klar. Gerne sitze ich auch schweigend neben dir.“ In dem Moment begann er verlegen zu Lachen und sie stimmte mit ein. Es war nicht echt aber es war das was sie beide gerade brauchten. Auf einmal begann Damon von Kleinigkeiten aus seinem Leben zu erzählen, füllte die Leere mit seiner klangvollen Stimme. Shana hörte gebannt zu, sog jedes noch so sinnlose Wort in sich auf.
Doch nach ein paar Minuten schweifte sie schon wieder ab, zurück zu ihrer Mutter. War es eine gute Idee alleine loszuziehen, wenn sie doch in so einer komischen Verfassung war? Sollte sie jemanden bitten mitzugehen? Damon vielleicht? Nein, das konnte sie ihm nicht antun. Gemeinsam mit seiner Verflossenen auf Suche zu gehen war sicherlich nicht hilfreich. Zudem wollte sie ihn nicht noch mehr belasten, er hatte schon genug mit der Trennung zu kämpfen. In dem Moment hörte er auf zu reden, schaute sie stattdessen befremdlich an. „Du bist nicht ganz bei der Sache. Langweilt dich mein Gerede?“ Erst jetzt merkte sie, dass seine Hand nicht mehr unter ihrer lag. Die Kälte, die es hinterließ war stechend. „Entschuldige. Natürlich interessiert es mich, was du sagst.“ „Aber es gibt andere Dinge dir durch den Kopf jagen.“ Shana nickte und nippte an dem inzwischen lauwarmen Kaffee. Kalt würde er grauselig schmecken weshalb sie sich jetzt mit dem Trinken beeilte. „Entschuldige aber heute schein ich keine gute Zuhörerin zu sein.“ Der Engel neben ihr seufzte, fuhr sich durch die blonde Mähne. „Bin ich der Grund dafür?“ Heftig schüttelte sie den Kopf, so war es sicher nicht. Endlich hatten sie wieder miteinander geredet, ganz gleich was der Grund war es machte sie glücklich. „Nein überhaupt nicht. Es ist nur...“ Auf einmal fühlte sich ihre Kehle staubtrocken an, die Worte kamen nur mit Mühe heraus. „Es gibt wirklich etwas das mich sehr beschäftigt.“ Kurz schaute sie in den leeren Becher hinein bevor auch sie ihren Teller wegschob. „Klingt nicht danach, ob du vor hast es mir zu erzählen.“ Innerlich haderte Shana damit Damon alles zu erzählen, behielt es aber dann doch für sich. „Ein Teil von mir wünscht sich nichts sehnlicheres als es dir zu erzählen aber ich weiß, dass du mir dabei nicht helfen kannst.“ Oder eher nicht willst! „Es würde dir nicht gefallen und dich obendrein vielleicht noch in Ärger verwickeln. Deswegen halte ich es für besser, dir nichts zu sagen.“ Shana sah eindeutig wie wenig zufrieden er mit dieser Antwort war. Damon hatte sein schönes Gesicht zu einer griesgrämigen Fratze verzogen. Beleidigt sein steht ihm ganz und gar nicht! „Geht es um einen anderen Mann, denn sollte es so sein…“ Zwar waren seine Worte ruhig dennoch waren ihr die geballten Fäuste unter dem Tisch nicht entgangen. „Es geht um keinen anderen Mann, das schwöre ich. Es ist ein Familienproblem, in gewisser Weise zu mindestens. Ich kann nur nicht darüber reden, weil ich mir selbst noch nicht sicher bin wie es weitergeht. Das muss ich erstmal mit mir ausmachen fürchte ich.“ Im Augenwinkel sah sie wie seine Haut schlagartig Kreidebleich wurde, seine Haltung wurde steif. Schnell ruderte sie zurück. „Es ist nichts Lebensgefährliches, keine Bange. Aber ich kann trotzdem nicht, noch nicht. Tut mir leid.“ Damon nickte kaum merklich und Shana atmete trotz leichten Schuldgefühlen erleichtert auf. „Schwamm drüber. Lass uns über etwas anderes reden oder unternehmen. Hier blöd rumzusitzen ist auch irgendwie komisch, findest du nicht?“ Damon war so schnell wieder auf den Beinen, dass Shana kurzzeitig die Orientierung verlor. „Was schwebt dir so vor?“ Unschuldig zuckte der verboten gutaussehende Engel mit den Schultern. „Wie wärs mit Kino?“
Am Montag nach der Schule trafen sich die Mädchen bei Amy zuhause. Wieder einmal wollten ihre besten Freundinnen über mögliche Szenarien debattieren, die Shanas Meinung nach niemals passieren würden. Dank Jennas Zutun kamen haufenweise fremde, gutaussehende junge Männer vor, die Shana in einer gewissen Weise Schwierigkeiten bereiten könnten. Wäre ich immer noch mit Damon zusammen gäbe es solche Diskussionen nicht! Nachdem die dritte Runde Und-was-wäre-wenn vorüber war, gab ihre Männer versessene Freundin endlich nach und legte das Thema Jungs erstmal an Acta. Für heute jedenfalls und Shana konnte es kaum erwarten sich beim nächsten Mal wieder tot zu langweilen. „Wie war eigentlich euer Wochenende?“ Shana öffnete Knabberzeug und noch bevor die Chips in der Schüssel lagen, hatte Jenna die ganze Hand voll. Shana warf ihr einen finsteren Blick zu, den ihre Freundin gekonnt an sich abperlen ließ. „Gar nicht mal so übel. Samstag war ich mit Mum shoppen, musste ihr danach beim Hausputz helfen und Sonntag habe ich mich mit dem Hexenzirkel getroffen. Wir sind zum alten Schrottplatz - der Ruhe halber.“ Dabei verdrehte Jenna theatralisch die Augen und malte aus reinem Licht Anführungszeichen in die Luft. „Zwei neue Gesichter waren dieses Mal dabei, leider Mädchen. Zwillinge glaube ich, oder zu mindestens Geschwister, die schnell hintereinandergekommen sind. Die hatten echt coole Sprüche im Repertoire! Ein Jammer, dass sie nicht lange hierbleiben.“ Ganz und gar nicht Ladylike setzte Jenna sich in den Schneidersitz und stopfte sich den Mund voll. „Sind das Austauschschüler?“
Heftig schüttelte sie den Kopf und riss jetzt die Schokolade auf. Shana gruselte es. Süßes und salziges so schnell hintereinander konnte einfach nicht gesund sein. „Nee viel zu alt dafür. Studenten vielleicht aber die sind eh nur auf der Durchreise. Morgen gehts für die weiter nach Elden, dann schlussendlich nach Caleb.“ „Nach Elden? Wenn die beiden nach Caleb wollen, warum fahren sie dann nicht über Salem?“ Amy griff ebenfalls beherzt in die Schüssel während sich ihre Stirn krausgelegt hatte. „Weiß nicht, hab sie nicht gefragt.“ Achselzuckend griff Jenna noch einmal beherzt in die Schüssel bevor sie sich gemütlich in den Sessel kuschelte. „Wie war's bei dir Amynova? Oh, warte verrate es nicht: bestimmt warst du mit deinem Süßen unterwegs!“ Mit einer Mischung aus Verlegenheit und Stolz begann Amy von ihrem Wochenende zu erzählen. erzählen. „Wir waren zum Helfen über das Wochenende bei seiner Mama auf ihrem Bauernhof, in einem kleinen Dorf in der Nähe. Es war so erholsam wie in einem Kurort: Sehr ruhig, wenige Menschen und kaum Autos! Glaubt mir oder nicht aber dieses kleine Fleckchen Erde ist das Paradies!“ Shanas Freundin strahlte förmlich als sie davon erzählte, man sah jeden Tag wie gut ihr Jonathan tat. Zwar war sie noch immer schüchtern und nur in der Gegenwart von wenigen ließ sie sich gehen aber sie war nicht mehr das typische Mauerblümchen, Stück für Stück wandelte sie sich in einen prachtvollen Rosenstrauch. „Kein Wunder, du bist ja auch ein Naturgeist. Es wäre echt freakig, wenn du dich in der Stadt wohler fühlen würdest als auf dem Land.“ Bekräftigend nickte sie, dabei hüpften die Locken, die sie sich heute mit viel Mühe aufgedreht hatte. „Wohl wahr aber um ehrlich zu sein habe ich mich anfangs gefragt wie es für Jonah ist.“ „In wie fern? Redet er nicht über sowas?“
Shana griff ebenfalls beherzt zu. Dabei sortierte sie die gebackenen Kartoffelstreifen mal wieder unbewusst nach ihrer Skurrilität. „Doch schon aber er wirkte nicht wie ein Landei. Er war so süß zu mir, hat mir alles gezeigt und mich dann einfach machen lassen. Und als er dann seiner zierlichen Mutter immer wieder unbemerkt geholfen hatte war er noch männlicher. Und wirklich süß.“ In dem Moment leuchteten Amys Augen mit den Sternen um die Wette und wieder einmal wünschte Shana sich so etwas auch erleben zu können. Werde ich jemals in der Lage dazu sein?! „Ahh, muss Liebe schön sein!“ Jennas Stöhnen riss sie aus ihren Gedanken, genauso wie die Hand der Hexe in der Chipstüte. Gerade als sie dabei war Jenna einen mahnenden Blick zuzuwerfen bemerkte sie wie ihre andere beste Freundin sie ansah oder eher durch sie hin durch sah bis tief in ihr Innerstes. „Und wie sah dein Wochenende aus?“ Amy war eindeutig in Sorge um sie und Shana zwang sich zu einem falschen Lächeln. Auf keinen Fall wollte sie, dass Amys junges Glück nur wegen ihren dummen Problemen überschattet wurde. „Keine größeren Katastrophen. Die meiste Zeit war ich Zuhause in meinem Zimmer oder mit Val im Garten. Er versucht krampfhaft irgendeine neue Blume oder Kraut oder sowas anzupflanzen aber es will einfach nicht klappen. Sonntag haben wir fast den ganzen Garten durchkämmt, um laut Anleitung den besten Platz zu finden. Mal schauen was daraus wird.“ Sie hielt kurz inne, füllte ihre Hand wieder mit dem süchtig machenden Knabberzeug. „Und Samstag war ich mit Damon unterwegs.“
Schlagartig sogen Jenna und Amy die Luft ein. Auch wenn sie ganz genau wusste was jetzt kam zuckte sie nur unschuldig mit den Schultern und schob sich noch mehr Chips in den Mund, damit sie so schnell nicht reden musste. „Du warst mit Damon unterwegs?“ Sie nickte und gerade als sie sich noch mehr in den Mund stopfen wollte zog Amy ihr die Schüssel weg. „Erst Antworten, dann Chips.“ Gespielt genervt rollte sie mit den Augen, kaute aber brav zu Ende. Jetzt würde Shana sowieso nicht mehr daraus kommen ohne ihre Freundinnen alles Haargenau zu erzählen. Aber versuchen konnte sie es. „Wir waren aus, kein großes Ding.“ Wie erwartet beäugten ihre Freundinnen sie als käme sie vom Mars. „Kein großes Ding? Damon ist dein Ex, der erstmal etwas Abstand wollte und auf einmal habt ihr ein Date und turtelt wieder in aller Öffentlichkeit herum?“ Noch bevor das Thema aufgekommen war wusste sie, dass Jenna das ganze nur falsch verstehen konnte aber es verletzte sie, dass auch Amy daran zu denken schien. „Es war kein Date und da lief auch nix! Wir sind als Freunde ausgegangen und weiter nichts!“ Enttäuscht lehnte Jenna sich zurück und endlich gab Amy die Chipstüte wieder frei. „War es nicht komisch zwischen euch?“ Schon jetzt verfluchte sie sich mit den Chips angefangen zu haben, denn jetzt konnte sie erst aufhören, wenn keine mehr da waren. „Am Anfang schon aber nach ein paar Anlaufschwierigkeiten war alles wie sonst auch.“ Schlagartig runzelte der Naturgeist die Stirn und Jenna richtete sich kerzengerade auf. „Was heißt Anlaufschwierigkeiten? Hat er versucht dich zu überreden es noch mal zu probieren?“ „Das nicht. Sagen wir...“
Shana hielt kurz inne, die Erinnerungen an Damons Nähe elektrisierte sie innerlich. Doch das würde sie selbst ihren besten Freundinnen nicht erzählen bevor sie nicht den Grund dafür kannte. „Sagen wir seine Gefühle für mich sind etwas... durchgesickert. Aber nachdem er es gemerkt hat, war er wieder im Freundschafts-Modus.“ „Wie geht es ihm damit?“ Jenna schaute sie nicht an doch in ihrer Stimme klang eindeutig Mitgefühl Kurzerhand öffnete sie ebenfalls die Gummibärchen – ein weiteres eindeutiges Attentat auf ihre Figur. „Nicht so gut wie er nach außen hinzeigt. Ich hoffe nur, dass er daran nicht zu lange knabbert. Auch wenn es echt aschig ist, vermisse ich ihn irgendwie als Freund.“ Verständnisvoll nickte der Naturgeist, wie immer schien Amy ihre verquere Denkweise zu verstehen. „Trotzdem solltest du etwas auf Abstand bleiben. Er kann Gefühle lesen, nicht dass er noch irgendwas falsch versteht und sich unnötige Hoffnungen macht.“ In Gedanken versunken stimmte sie Amy zu. Es war tatsächlich besser, wenn sie diesen gutaussehenden Engel auf Abstand hielt. Aber wie stellte sie das an? Schließlich hatte Shana ja bereits versucht Damon aus dem Weg zu gehen und als Resultat kam er auf sie zu.
In dem Moment blitzte der eigentliche Grund ihres Treffens wieder auf und ließ sie frösteln. „Amy, Jenna, sagt mal… kann einer von euch Auren sehen?“ Wie in einer schlechten Komödie tauschten die Freundinnen ratlose Blicke aus bevor sie Shana ansahen. Dabei war sie sich sicher, dass die beiden sie nun endgültig für Verrückt erklärten. „Sowas kann kaum einer. Ich glaube auf der ganzen Welt gibt es nur ein paar Tausend, die das können.“ Erleichtert atmete Shana durch, also war sie was das anging sicher. „Wieso fragst du sowas auf einmal?“ Shana schlucke, zwang sich aber Jenna in die Augen zu sehen. „Weil das der Grund war warum er mich um ein Treffen gebeten hatte. Er sagte sie hätte sich verändert… optisch versteht sich. Damon wollte von mir wissen, ob mich etwas Großes beschäftigt, ob irgendwas nicht stimmt und fast hätte ich ihm auch gesagt was los ist. Aber nur fast. Letztendlich habe ich ihm weiß gemacht, dass es ein Familienproblem ist, was ich erst mit mir alleine ausmachen muss, bevor ich irgendwem davon erzählen kann.“ Die Worte sprudelten nur so aus ihr heraus und Shana spürte wie ihr Herz leichter wurde. Fast fielen Jenna die halb zerkauten Gummibärchen aus dem Mund. „Heilige Scheiße! Damon kann so was?!“ Shana nickte während Amy ihrer Freundin etwas von Benimmregeln erzählte. Gewöhnlicherweise artete es immer an solch einem Punkt in einen Streit aus doch dieses Mal murmelte Jenna nur eine kleinlaute Entschuldigung. „Dann müssen wir jetzt noch mehr auf der Hut sein. Du musst ihm konsequent aus dem Weg gehen, sonst kriegt er noch was raus.“ Amys Haltung ließ keinen Zweifel daran wie ernst es ihr war. Trotzdem nagten Zweifel an ihrer Seele. „Wie soll ich das machen? Wenn ich ihm jetzt aus dem Weg gehe, dann weiß er doch, dass etwas nicht stimmt!“
Eine kurze Pause entstand und sie schaute in Ratlose Gesichter. „Dann müssen wir dich halt so einspannen, bis du nicht mehr weißt wo oben und unten ist! Von jetzt an keine Treffen mehr über deine Suche, sondern nur reines Mädchenzeug! Und wenn das alles so klappt wie ich mir das vorstelle, vergehen die restlichen zwei Wochen wie im Flug.“ Hastig sprang Jenna auf und schnappte sich Block und Stift während Amy schon ihr Handy zückte. „Okay, ich schreibe Jonah, dass ich in nächster Zeit nicht kann.“ Skeptisch beobachtete Shana wie ihre Freundinnen dem Wahnsinn verfielen. Wie sollte das klappen? Vorstellen konnte sie es sich nicht. „Na da bin ich aber gespannt, ob das wirklich funktioniert.“ Flüsterte sie und griff nach den Gummibärchen.
Jennas Plan war genauso simpel wie genial. Umso weniger Zeit sie hatte an ihre Mutter zu denken, desto sicherer war ihr Geheimnis vor ungebetenen Mitwissern. Jeden Tag unternahmen sie etwas anderes bis sie abends todmüde ins Bett fielen. Sie hat tatsächlich recht behalten! Shanas Nerven waren bis zum Zerreißen gespannt, heute Abend würde sie endlich ihre Suche beginnen. Am Abend zuvor hatten sie und Jenna ihre Sachen zu Amy gebracht. Alles war vorbereitet und selbst ihr Vater schien keinen Verdacht zu schöpfen. Zwar hatte sich die Eiszeit zwischen Vater und Tochter etwas gelegt aber in gesunden Dosen ließ Shana ihn immer wieder spüren was er ihr mit seinem Handeln antat. Ein lautes Dröhnen ging durch die volle Aula, riss sie aus ihrem Tagtraum. Mr. Hudgie versuchte sich wieder mal vergebens an der Technik und scheiterte kläglich! Ich muss nur noch diese Blöde Abschiedsrede hinter mich bringen, dann kann es so gut wie losgehen! Nur noch eine schrecklich langweilige halbe Stunde standen zwischen ihr und ihrem Plan. Jetzt kann mich keiner mehr aufhalten! In Gedanken verloren schweifte Shanas Blick durch die proppenvolle Aula. Überall standen die Schüler in Grüppchen zusammen und unterhielten sich über alltägliches. Plötzlich nahm Shana Blicke auf ihrer Haut wahr, die ihre Härchen aufstellten und jede Zelle zum Kribbeln brachte. Instinktiv griff sie nach ihrem Medaillon – ihr ganz persönlicher Talisman.
Auf der Suche nach dem Urheber verharrte ihr Blick kurz bei Damon. Er stand inmitten eines aufgebrachten Frauenschwarms und lächelte gezwungen freundlich – was die Mädchen noch mehr ins Schwärmen brachte. Seit ein paar Tagen mied er sie nicht mehr, was allerdings nicht bedeutete, dass es nicht immer noch komisch zwischen ihnen war. Shana hoffte inständig, dass er bald über sie hinwegkam und alles wieder normal wäre. Sie vermisste seine Nähe und irgendwie verspürte sie den Drang Damon alles zu erzählen. Einmal hielt sie es kaum aus und suchte ihn in der Pause. Doch als sie ihn sah, machte sie ohne ein Wort kehrt und verschwand ins nächstbeste Zimmer, wo sie sich bis zum Klingeln versteckte. Er ist noch nicht so weit. Gibt ihm Zeit, lass ihn auf dich zukommen! Automatisch wanderte ihr Blick weiter, bis sie Gabriel am Rand der Gruppe stehen sah. Mit seinen Händen in den Hosentaschen lehnte er gelassen an der Wand. Seine Augen fixierten einen leeren Punkt am Boden als wolle er niemanden sehen – und von niemanden gesehen werden. Ein unangenehmer Stich durchfuhr sie, schüttelte sie bis ins Mark. Seitdem er sie einfach so im Klassenraum hatte stehen lassen, fühlte sich etwas zwischen ihnen falsch an. Immer wieder hatte sie Gabriel zufällig getroffen und jedes Mal warf er ihr einen seltsam verletzten Blick zu. Warum in alles in der Welt ist er verletzt?! Er war es doch, der mich angefahren hat! Ich habe jeden Grund sauer zu sein! Und wenn er glaubt ich gehe und Bettel bei ihm für seine Fehler hat er sich aber sowas von geschnitten! Bei seinem Anblick fing Shanas Brust an zu schmerzen. Es war falsch ihn so geknickt zu sehen – sein Fehler hin oder her. Gabriel versprühte egal wo er war eine geheimnisvolle Anziehungskraft, viel intensiver als sonst wer. Kein Wunder, dass so viele auf ihn stehen. Urplötzlich schaute er auf und ihre Blicke verschmolzen.
Vor lauter Überraschung setzte ihr Herz einen Schlag aus und in seinen sonst so kühlen Augen schmolz das Eis und hinterließ flüssiges Quecksilber. Shana konnte kaum atmen, so überrascht war sie. Mit einem Mal waren alle anderen in diesem Raum verschwunden als gäbe es nur sie. Diese ungewohnte Nähe machte ihr mindestens genauso viel Angst wie es sie erregte. Das Summen ihres Handys riss sie von ihm los. Neugierig wer sie gerade gerettet hatte las sie die Nachricht. Wir müssen reden. Dringend! Nach der Rede ok? Ein zweites Mal las sie die Worte, die in dicken Buchstaben auf dem Display erschienen waren. Wann hat er das geschrieben? Vollkommen überrascht blickte Shana zum Verfasser, noch immer nicht sicher was dies zu Bedeuten hatte. Mit einem erwartungsvollen Blick beobachtete Gabriel jede ihrer Bewegungen, wartete auf ihre Antwort. Noch etwas benommen nickte sie ihm zu. Das Handy in ihrer Hand fühlte sich plötzlich viel schwerer an, schwerer als ihr Herz. Sie wollte ihn endlich fragen was das alles sollte. Was mit ihm los war und warum er sich in letzter Zeit so seltsam benahm. Außerdem wollte Shana wissen, ob er sie überhaupt noch bei sich haben wollte. In letzter Zeit schien das eher weniger der Fall zu sein was sie mehr verletzte als sie zuzugeben bereit war. Unzählige Fragen überschlugen sich mit Vorwürfen – ob nun fair oder nicht – und bildeten eine zähe Masse. Schlagartig überzog sein Gesicht ein schelmisches Grinsen und Shana wusste nicht mehr, was sie ihm gerade noch sagen wollte.
„Du wolltest mit mir reden?“ Mit verschränkten Armen stand Shana vor dem Aula Eingang und musterte ihn scharf von der Seite. Rechts und links von ihnen verließen noch immer ein paar Schüler die Versammlung und starteten lachend in ihre wohlverdienten Ferien. Ohne ein Wort zog Gabriel sie unsanft in eine Nische, wo sich sonst die frisch verliebten Pärchen verkrochen. Mit einem dumpfen Rums landete ihre Tasche auf dem Boden, direkt neben seiner. Gerade als sie protestieren wollte lehnte er sich zurück und brachte etwas Abstand zwischen sie. „Das ist richtig. Ich wollte nur mit dir reden.“ Nur?! Mit aller Mühe versuchte sie sich ihre Verwirrung nicht anmerken zu lassen. Vor wenigen Augenblicken war er noch der unnahbare Vollarsch und nun stand er vor ihr wie ein geprügelter Hund, mit den Händen in den Hosentaschen und den Blick auf dem Boden festbetoniert. Ihr Kopf schwirrte schon von dem Mysterium Gabriel. „Ich sage es nur einmal also hör zu.“ Seine muskulöse Brust hob und senkte sich. Mit einem Mal schaute er auf – ihr direkt in die Augen – und Shana bekam weiche Knie. „Es tut mir leid. Ich habe mich letztens ziemlich falsch benommen und bereue mein Verhalten zutiefst.“ Knirschend trat er nach einem imaginären Stein. Selbst ein Blinder konnte sehen wie unangenehm ihm das Ganze war. Doch sie konnte einfach nicht anders als diesen Moment etwas länger auszukosten. „Wofür?“ Wie eben verschränkte sie die Hände vor der Brust und beäugte ihn scharf. Gabriel wand sich unter ihrem Blick, was ihr eine gewisse Genugtuung brachte. Strafe muss sein! „Na, für letztens halt.“ „Letztens?“
Genervt atmete er durch, er war schon wieder fast am Limit zwang sich aber ruhig zu bleiben. „Ja Shana, letztens im Klassenraum wo ich auf einmal so ausgeflippt bin!“ Gabriel atmete schon schwer und Shana wusste, dass sie nicht mehr viel weiter gehen konnte aber in ihr tobte noch so viel Wut, die Dringend raus musste. „Kam dir diese Entschuldigung spontan oder hast du die letzten drei Wochen daran gearbeitet?“ Plötzlich wurde Gabriels Blick bohrend, darin schwang unmissverständlich eine gut gemeinte Warnung mit, die förmlich schrie: Treib es nicht zu weit. Und mit einem Mal hatte er wieder seine unnahbare Fassade hochgezogen und beäugte sie mit einem schiefen Grinsen. „Vielleicht wäre schon früher was gekommen, wenn du mir nicht so krampfhaft aus dem Weg gegangen wärst.“ Seine Stimme war ruhig doch in seinen Augen tobte es. Überrascht von diesem viel zu ehrlichen Konter ließ sie ihre Deckung fallen. „Ich habe dich nicht gemieden. Zu mindestens nicht bewusst.“ In dem Moment entspannte auch Gabriel sich und das Brennen in seinen Augen ließ nach. „Das fühlte sich aber ganz anders an. Du warst ständig mit Jenna und Amy zusammen. Man bekam dich nicht mal für eine Minute alleine zu Gesicht!“ Shana fiel fast die Kinnlade herunter als sie in seiner Mimik einen Anflug von Eifersucht entdeckte. Gabriel konnte – meist ungewollt – ziemlich süß sein, wenn er mal zu Abwechslung ehrlich zu sich selbst war. „Weil wir einiges zu planen hatten. Morgen früh geht der Zug zu Amys Grandma und irgendwie gab es deswegen immer etwas zu besprechen.“ Gabriel konnte erkennen, wenn sie log und auf den letzten paar Metern durfte sie sich keine Patzer erlauben. Weshalb sie die Worte mit Bedacht wählte. „Verstehe, also war das alles nur ein Missverständnis.“
Es war keine Frage und trotzdem verspürte sie den Drang zu antworten. „Sieht so aus.“ Eine kurze Pause entstand und mit einem Mal fühlte sie sich hier fehl am Platz. „Hast du mich deswegen in die Knutsch-Ecke geschleift?“ Kurzzeitig wurden seine Augen groß als er erst jetzt bemerkte in welcher Ecke sie gelandet waren. Dann nickte er mit seinem verführerisch schönen Lächeln. „Dich hier zu suchen hätte Jenna sicher nicht auf den Schirm gehabt.“ Heiser fing sie an zu lachen, versuchte ihren schneller werdenden Puls zu verschleiern. „Unterschätze sie nicht. Jenna ist in sowas wie ein Spürhund, vor ihr etwas geheim zu halten ist schwerer als im Lotto zu gewinnen.“ „Dann werde ich mir fürs nächste Mal wohl am besten einen noch ungestörteren Platz suchen.“ Gabriel lehnte sich lässig gegen die Wand und fuhr sich durch sein pechschwarzes Haar. Wie gebannt schaute sie ihn an – Gabriels Magie war wieder da.
„Meinst du es gibt ein nächstes Mal?“ Jetzt lachte er herzhaft. „Natürlich. Spätestens wenn das Wetter wieder beschissener wird und meine Laune in den Keller geht. Was habt ihr drei Hübschen denn außer dem Pflichtbesuch noch vor?“ Mit einem Mal rutschte ihr das Herz in die Hose. „Ich…“ „Shana, wo steckst du?!“ In dem Moment dankte Shana ihrer Freundin innerlich für ihren angeborene Fähigkeit in den unpassendsten Momenten zu stören. Hastig hob sie ihre Tasche auf als dürfte sie keiner zusammen sehen. „Hör zu, ich bin dir wirklich nicht böse und es tut mir leid aber ich muss jetzt los. Ich muss schnell noch ein paar Dinge erledigen, sonst verpasse ich heute noch meinen Zug! Wir sehen uns, wenn ich wieder in der Stadt bin, okay?“ Ziemlich verwirrt nickte er und sie rannte der Stimme entgegen. „Ah, Shana!“ Abrupt blieb sie stehen, drehte sich ein letztes Mal um. „Pass auf dich auf.“ Diese vier Worte zauberten ihr ein echtes Lächeln ins Gesicht. „Du auch.“