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Prolog

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Noreen MacKinkaid blinzelte. Das grelle Licht des Feuers blendete sie so stark, dass sie die Augen gleich wieder zusammenkniff. Ihre Fingerspitzen glitten über den Boden, sie ertastete kalte Erde und kleine Steine. Wo war sie nur? Ihr Herz raste.

Langsam öffnete sie die Augen erneut, doch nur einen Spalt, damit sie sich an die Lichtverhältnisse gewöhnten. Das Knistern der Flammen hatte sonst eine beruhigende Wirkung auf sie. Aber beruhigend war hier gar nichts. Die Erinnerung kam schemenhaft zurück. Die Hütte im Wald, die gespannte Armbrust … Todesangst. Ein leises Husten riss sie aus den Gedanken.

Sie war nicht allein. Hinter den Flammen konnte sie ihn sehen. Er saß einfach nur da, regte sich nicht, gleich einer Statue.

Unwirklich kam er ihr vor – und alles um ihn herum. „Du wolltest mit mir kommen? Jetzt hast du keine andere Wahl mehr“, hallten Kierans Worte in ihren Ohren nach. Diese Worte waren so fremd, passten nicht zu dem Mann, den sie zuvor kennengelernt hatte. Und doch hatte er sie gesagt. Erst war er ihr Geliebter gewesen und dann ihr … ja, was eigentlich? Entführer?

Sie schluckte die aufkeimenden Tränen herunter. War es wirklich dumm von ihr gewesen, ihm zu vertrauen? Sich ihm … hinzugeben? Sie wusste es nicht, war sie doch viel zu durcheinander. Und mehr als Angst war da Wut in ihr, die wie die letzten Funken eines untergehenden Feuers glühte, sich nicht kampflos ergeben wollte.

Noreen riss den Kopf hoch und funkelte seinen Schatten an.

Ganz ruhig saß er da, in das grelle Licht starrend. Doch als er ihren Blick bemerkte, senkte er den Kopf. Schweigend. Das Gefühl von Unwirklichkeit verstärkte sich. Über ihr der nachtschwarze Himmel, wippende Baumkronen und vereinzelte Sterne, vor ihr dieser Mann, der ihr so viel bedeutet hatte und sich jetzt hinter dem Lagerfeuer vor ihr zu verstecken schien.

Aber dann hob er doch den Kopf, und sie sahen sich an. Er versuchte sich an einem Lächeln. „Du bist wach“, sagte er. Seine Stimme klang freundlich, fast sanft. Sie hinterließ noch immer eine Gänsehaut auf ihren Oberarmen. Naiv hatte sie in ihm einen mutigen Krieger, einen Beschützer gesehen. Und jetzt waren sie hier, irgendwo in der Wildnis.

Beiläufig legte er einen Ast nach, dann zog er die Beine eng an sich und legte die Arme um diese. Sein Blick aber blieb auf ihr haften.

Dieser samtene Blick hatte sie in der Hütte fast verrückt gemacht. Seine Hände auf ihrer Haut, an ihrem Körper. Die würzigen Küsse auf ihren Lippen, an ihrem Nacken und überall sonst. Er war der erste Mann gewesen, der sie so berührt hatte …

Sie hatte ihm vertraut. Und erneut fragte sie sich, ob das ein Fehler gewesen war. Es machte den Anschein, aber ihr Herz wollte noch immer an das Gute in ihm glauben.

Doch in seinen Adern floss das Blut eines MacDuncans, erinnerte sie sich. MacDuncans, das wusste jeder, konnte man nicht trauen. Frieden hin oder her, der Verrat war ihnen allen inne. So sagte man. Und dieser MacDuncan hier war ein besonders begabter Lügner, der sie mit süßen Worten verführt, leidenschaftlich geliebt und schließlich entführt hatte, aber sollte er auch ein Mörder sein? Ein Schauer jagte ihr den Rücken hinunter. War durch seine Klinge tatsächlich jemand Unschuldiges gestorben, wie man ihm vorwarf? Allein der Gedanke war so schrecklich, dass sie abermals gegen Tränen ankämpfte. Auf dem Schlachtfeld starben Krieger ehrenvoll im Kampf. Mann gegen Mann. Sie gaben ihr Leben für ihren Clan und ihre Familien.

Das war etwas anderes, als einen Schwächeren oder jemanden gar hinterrücks zu töten.

Sie konnte es noch immer nicht glauben. Die Hände, die sie so zärtlich gestreichelt hatten, sollten auch das Leben einer jungen Frau beendet haben? Vielleicht einer, der er zuvor ebenso Liebesschwüre ins Ohr geflüstert hatte?

„Was wird jetzt aus mir?“, fragte sie unverhohlen. Sollte ihr das gleiche Schicksal blühen?

„Was soll mit dir geschehen?“, hielt er ihr verwundert entgegen. Aber dann schien er die Anspielung zu verstehen. „Noreen, dir droht keine Gefahr von mir!“, sagte er erschrocken, und Kierans Augen weiteten sich dabei. Das konnte sie trotz der hochzüngelnden Flammen erkennen. Sie sah auch Schmerz in diesen sonst so harten Zügen, und Unglauben schimmerte in seinen Augen. „Ich würde dir doch niemals etwas …“ Er hielt inne, seufzte leise. „Ich habe niemanden getötet“, sagte er dann. „Auch wenn es dieser Narr, der unsere Hütte mit Armbrust und Schwert stürmte, vehement behauptet. Der Mann, der seiner Schwester das Leben nahm, ist ein anderer. Aber in seiner Wut ist er blind und kopflos vor Rachedurst. Und ich kann ihn sogar verstehen. Ich hätte dasselbe Verlangen, meine Schwester zu rächen.“

Erneut schien das Flammenmeer seine Aufmerksamkeit zu fesseln. Dann schüttelte er den Kopf. „Es sieht alles so eindeutig aus, nicht wahr? Aber so ist es nicht. Bei allem, was mir heilig ist! Ich wünsche mir nur, dass du mir vertraust.“

Noreen seufzte. Das wollte sie ja. Nichts mehr als das! „Aber warum dann all die Lügen?“ Sie hoffte von Herzen auf eine Erklärung für das alles, eine Erklärung, die ihr Hoffnung gab und bewies, dass sie sich nicht gänzlich in ihm getäuscht hatte. Sie rutschte etwas weg, als er sich erhob und zu ihr kam, sich neben sie setzte, und als Kieran das merkte, blieb er von selbst auf Abstand.

Dennoch stieg sein männlicher Duft ihr in die Nase. Oh, wie hatte sie dieser besondere Geruch verzaubert, als er sie in der alten Hütte geliebt hatte. Es schien Jahre zurückzuliegen, dabei war es erst wenige Stunden her. Und jetzt zitterte sie, nur weil er neben ihr saß.

„Hör mich an, Noreen“, sagte er nun sanft.

Sie sah ihm direkt in seine hellgrünen Augen, suchte dort nach der Wahrheit, aber in der Tiefe sah sie nichts außer Dunkelheit. Als würde er sich vor ihr verschließen, sie nicht einlassen.

Die Narbe über seiner Augenbraue leuchtete hell, die Wangen hingegen schienen eingefallen, es konnten aber auch Schatten sein, die ihm diesen hageren und gehetzten Ausdruck verliehen. Wer hätte es ihm verübeln sollen? Er war die ganze Zeit auf der Flucht gewesen. Und Noreen hatte nichts geahnt.

„Ich habe niemanden getötet“, sagte er noch einmal ganz langsam und mit fester Stimme. „Aber man hat versucht, mir dieses Verbrechen in die Schuhe zu schieben.“

Was hätte er auch sonst behaupten sollen?

„Noreen, ich weiß, ich stecke in Schwierigkeiten. Und alles deutet daraufhin, dass ich diese schreckliche Tat begangen habe. Aber ich bin kein schlechter Kerl. Und wenn jemand das weiß, dann du.“

Noreen nickte. Eisiger Wind blies ihr ins Gesicht. Die Nacht würde kalt werden. Sehr kalt sogar. Ihr fröstelte.

„Hier, leg dir das um die Schultern“, sagte er und nahm seinen Fellumhang ab. Vorsichtig reichte er ihr diesen, offenbar achtete er darauf, keine hektische Bewegung zu machen, damit sie nicht erneut Angst bekam. Dabei fürchtete sie sich jetzt schon viel weniger vor ihm. Sie nahm das Fell, kuschelte sich in den weichen Pelz und sog Kierans Geruch auf. Ein kleines Lächeln umspielte seine Lippen. Aber ganz schnell war es auch schon wieder verschwunden.

‚Er ist ein MacDuncan’, ging es ihr noch einmal durch den Kopf. Zuvor hatte er sich als clanlos ausgegeben. Das war die erste Lüge gewesen.

Über MacDuncans gab es viele Geschichten, die wenigsten davon waren schmeichelhaft. Sie waren vor vielen Jahren die Erzfeinde ihres Clans gewesen, bis Chief Calum MacKinkaid und dessen Frau Erin durch lange Verhandlungen aus einer Waffenruhe ersehnten Frieden in den Highlands erwirkt hatten. Vorbei war das Gemetzel. Vorbei die Schlachten und das Blutvergießen, die Eroberungen und all das Leid. Die beiden mächtigsten Clans der Highlands hatten die Waffen niedergelegt. Die meisten Menschen waren wohl froh darüber.

Doch es war kein Geheimnis, dass nicht jeder im Land die neuen Wege gern mitgegangen war. Viele Männer waren der Ansicht, ein MacDuncan bliebe immer ein MacDuncan.

„Wer schiebt dir den Mord in die Schuhe?“, fragte sie leise und kniff die Lippen zusammen.

„Lester, mein Halbbruder.“

„Halbbruder?“

„Mein Vater ist Malcolm MacDuncan, Chief des Clans der MacDuncans“, fuhr er fort. „Doch meine Mutter war nicht sein Weib, sondern nur eine Geliebte …“

„Du bist ein …“

Er nickte. „Ein unehelicher Sohn. Ein Bastard. Ein Bauernopfer obendrein.“ Seine Hand ballte sich zur Faust. „Das alles ist Lesters Werk, Noreen. Und ich habe niemanden, der mir glaubt, außer dir – vielleicht. Du weißt, dass ich zu keinem Mord fähig bin. Schon gar nicht an einer unschuldigen Frau!“

Noreen konnte es sich wahrhaftig nicht vorstellen. Nicht, nachdem sie seine zärtliche Seite kennengelernt hatte. Und doch blieben Zweifel im Hinterkopf.

All die Geschichten, die man sich über die blutdürstigen MacDuncans erzählt hatte, hatten einen wahren Kern. Sie waren ein Clan des Krieges und der Vernichtung. „Sie sind wie wilde Hunde, man kann sie nicht zähmen. Wirf ihnen Fleisch hin, und sie werden es fressen, eine Weile abgelenkt sein. Doch schon bald werden sie wieder auf die Jagd gehen.“ Das und Ähnliches wurde oft behauptet.

Jemand, der so war, für den hatte man doch keine zärtlichen Gefühle? Noreen schloss die Augen. Genau diese Gefühle waren aber da. Auch wenn es unvernünftig klang.

„Darum bitte ich dich, mich anzuhören und erst danach zu entscheiden, ob du meinen Worten Glauben schenkst. Ich werde dir nichts tun, das könnte ich niemals. Und ich werde dich nicht anlügen. Du hast mein Wort.“

Noreen sah ihn wieder an, sah die Verzweiflung in seinem Blick, und diese Verzweiflung war echt. Da war sie sich ganz sicher. Allmählich dämmerte ihr, dass Kieran vielleicht wirklich Opfer von Lügen und Betrug geworden war.

„Also gut, erzähl mir deine Geschichte“, forderte sie ihn auf. Jetzt wollte sie wirklich alles wissen über diesen zerrissenen Mann, der gleichermaßen Liebe und Furcht in ihr weckte, den sie noch immer nicht ganz verstand, von dem sie aber hoffte, dass er ein gutes Herz hatte.

Seine Züge hellten sich auf. Und er begann zu erzählen …

Herrscher der Highlands - Die Braut des Rächers

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