Читать книгу Stranded with You - Cathy McAllister - Страница 6

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Kapitel 2

Laura

Laura erwachte aus einem unruhigen Schlaf. Es war dunkel, also musste es noch mitten in der Nacht sein. Was hatte sie aufgeweckt? Etwas schien nicht recht. Ihr Magen fing an zu rebellieren, und sie wurde gewahr, dass das Schiff stark schlingerte. Sie hatten ein paar heftige Winde während der Überfahrt gehabt, doch dies hier war schlimmer. Ein Krächzen ging durch das Schiff, dann legte es sich so stark zur Seite, dass sie aus der Koje fiel. Mit einem Schrei landete sie auf dem Boden. Sie rappelte sich stöhnend auf und wäre beinahe erneut gestürzt, als sich das Schiff hart in die andere Richtung neigte. Sie konnte jetzt Schreie und hektische Schritte über sich vernehmen. Die Mannschaft musste bei dem Sturm alle Hände voll zu tun haben. Sicher war es nicht ratsam, gerade jetzt an Deck zu gehen. Erstens wäre sie den erfahrenen Seeleuten dort nur im Weg. Zweitens war es viel zu gefährlich. Sie könnte über Bord gehen, oder ein herabstürzender Mast könnte sie treffen. Ihr blieb nichts anderes übrig, als in ihrer Kabine abzuwarten, bis der Sturm abflaute.

Doch was, wenn das Schiff sinkt? Es gibt zwei Rettungsboote, doch wenn ich hier unten allein bin, dann verlassen sie vielleicht ohne mich das sinkende Schiff?

Unschlüssig stand sie in der Kabine, sich mit beiden Händen am Pfosten ihrer Koje festhaltend. Was sollte sie tun?

Es kann nicht schaden, wenn ich mich erst einmal ankleide. Falls wir das Schiff verlassen müssen, bin ich bereit und muss nicht wertvolle Zeit verschwenden – oder gar in meinen Unterröcken fliehen.

Ein wenig beruhigter dadurch, dass sie einen Plan hatte – zumindest einen vorläufigen – machte sie sich daran, ein Kleid aus einem ihrer Reisekoffer zu wühlen. Es war gar nicht so einfach, sich bei dem ständigen auf und ab anzuziehen, noch dazu ohne Hilfe einer Bediensteten, doch sie schaffte es irgendwie. Sie hatte ein Kleid ausgewählt, dass nicht im Rücken geschlossen wurde. Es war aus mitternachtsblauer Baumwolle mit Satineinlagen und silberner Stickerei.

Schuhe! Ich brauche Schuhe!

Hastig öffnete sie den Deckel einer anderen Truhe und kramte darin herum. Nichts mit hohem Absatz. Das würde sie bei dem Wellengang nur aus dem Gleichgewicht bringen. Sie fand ein paar robuste Stiefel mit flachem Absatz, die zwar ein wenig zu plump für das Kleid wirkten, ihr jedoch den Umständen entsprechend praktischer erschienen, als die für das Kleid gedachten halbhohen Stiefeletten. Als Tante Jane ihr die klobigen Stiefel gekauft hatte, war Laura alles andere als begeistert gewesen. Sie waren einfach kein bisschen elegant. Doch Tante Jane hatte gemeint, dass sie auf der Plantage ein paar robuste Stiefel gut gebrauchen könnte. Gute Tante Jane. Nun machte sich die Anschaffung wirklich bezahlt.

Erneut warf sich das Schiff stark auf die Seite und Laura befürchtete für eine Schrecksekunde, dass es vollends umkippen würde, doch dann schwang es urplötzlich in die andere Richtung, und Laura verlor erneut den Halt. Mit einem Aufschrei fiel sie zwischen Koje und den Reisekisten, welche zum Glück mit Seilen an der Kabinenwand befestigt waren. Ohne diese Befestigung würden sie jetzt wie Geschosse durch den kleinen Raum rutschen.

„Autsch!“, jammerte Laura.

Sie hatte sich die Seite an einer der Kisten gestoßen und der Schmerz ließ sie keuchend nach Luft schnappen. Sie blickte an ihrer Seite hinab und bemerkte einen langen Riss im Kleid.

„Verflixt! Das auch noch! Jetzt kann ich mich auch noch umziehen!“

Sie rieb sich die schmerzende Seite und begutachtete den Riss. Nun, zumindest ihre Unterröcke waren heil geblieben. Sie würde einfach damit leben müssen. Sich die Strapazen des Ankleidens noch einmal zuzumuten, danach stand ihr jetzt nicht der Sinn.

Rick

Rick spürte den herannahenden Sturm schon ehe das Schiff anfing zu schlingern. Er hatte es irgendwie in den Knochen. So viele Jahre auf See hatten seine Sinne vollkommen auf die Launen des Meeres eingespielt.

Der Schnarchsack von einem Wachposten schien dagegen nichts als Rum in seinen morschen Knochen zu haben. Erst als der Seegang so stark wurde, dass sich das Schiff hart auf die Seite legte, erwachte der Idiot. Fluchend stolperte er auf die Beine, nur um sofort das Gleichgewicht zu verlieren. Der Mann wurde gegen den Gitterkäfig geschleudert. Rick, immer achtsam auf eine günstige Gelegenheit wartend, reagierte sofort und fasste mit beiden Armen durch zwei Gitterstäbe. Er schlang seine gefesselten Hände um den Oberkörper des Unglücklichen. Die Wache zappelte in seinem stählernen Griff, doch Rick ließ nicht locker. Seine Muskeln waren bis zum Bersten angespannt als er den Mann fest im Griff behielt. Als sich das Schiff erneut auf die Seite legte, so dass die Wache gegen den Käfig gedrückt wurde, ließ er kurz los, nur um dann den gesamten Arm um den Hals des Mannes zu schlingen. Er drückte unbarmherzig zu, bis das Zappeln aufhörte, und die Wache schlaff in seinem Griff wurde. Er wartete noch ein paar Sekunden um ganz sicher zu gehen, dann ließ er den Mann vorsichtig zu Boden gleiten, ohne ihn loszulassen. Es fehlte noch, dass der nächste Wellengang ihm den Mann entriss. Während er den toten Körper mit einem Arm am Platz hielt, suchte er mit der freien Hand nach dem Schlüssel des Wärters. Da er seine Hände nicht weit auseinander machen konnte, erwies sich dies als ziemlich schwierig. Er biss die Zähne zusammen, als die Fesseln in sein Fleisch schnitten, doch dann hatte er den Schlüssel endlich gefunden. Er ließ den Mann los. Es dauerte ein wenig, bis er das Schloss geöffnet hatte, da das Schiff immer heftiger auf den Wellen ritt. Doch endlich sprang die Tür auf und Rick stürzte ins Freie. Er würde nicht weit kommen mit den fesselten Händen. Irgendwie musste er sie loswerden. Vielleicht hatte die Wache auch den Schlüssel zu den Schellen. Er kniete sich neben der Leiche und durchwühlte die Taschen des Toten. Er fand tatsächlich noch ein weiteres Schlüsselbund, an dem ein kleiner Schlüssel zwischen einigen größeren baumelte. Es schien Ricks Glückstag zu sein, denn der Schlüssel passte. Von den Schellen befreit sprang er auf, und taumelte in dem schlingernden Schiffsrumpf zur Leiter die nach oben führte.

Laura

Ein furchtbares Krachen erklang von oben und das ganze Schiff vibrierte. Ein Mast musste umgekippt sein. Panik stieg in Laura auf. So weit hatte sie versucht, Ruhe zu bewahren, hoffnungsvoll, dass der Sturm abflauen würde, doch wie es schien, wurde die Wahrscheinlichkeit, dass das Schiff sinken würde, immer größer. Sie musste an Deck und sehen, ob sie mit dem Rettungsboot fliehen konnte. Bisher war niemand hier bei ihr aufgetaucht, um sie zu holen, doch es war nicht unwahrscheinlich, dass man sie in der ganzen Hektik schlicht vergessen hatte. Sie würde nicht mehr länger warten. Allen ihren Mut zusammen nehmend, schwankte sie zur Kabinentür und entriegelte sie.

Das Schiff lag jetzt in einem solch steilen Winkel, dass sie auf der Treppe leicht den Halt verlieren würde. Sie griff mit beiden Händen nach dem Geländer, als das Schiff erneut seine Lage änderte und sie von der Treppe weg schleuderte. Schreiend ging sie zu Boden und schlug mit dem Kopf gegen die Wand. Schmerz ließ sie Sterne sehen, doch sie schaffte es, nicht das Bewusstsein zu verlieren.

Okay, Laura Oakfield, jetzt hast du die Chance zu beweisen aus was für einem Holz du geschnitten bist. Du wolltest Abenteuer? Hier hast du eins.

Auf allen Vieren kroch sie der Treppe entgegen. Mit zusammengebissenen Zähnen griff sie erneut nach dem Geländer. Von herein spülendem Wasser war das Geländer schlüpfrig geworden, und es entglitt ihren Händen. Sie fiel erneut rücklings. Plötzlich schlang sich ein Arm von hinten um ihre Mitte und sie prallte gegen etwas Hartes, doch diesmal war es nicht die Wand oder der Boden, sondern der Körper eines Mannes.

„Verdammt! Warum bist du nicht in dem verdammten Rettungsboot?“, drang eine dunkle Stimme an ihr Ohr.

„Nie-niemand hat mi-mich ge-geholt“, stammelte sie.

Der Mann hinter ihr erh0b sich und zog sie auf die Beine. Sie konnte gerade noch erkennen, dass es sich um den Gefangenen handelte, als er sie auch schon wie ein Sack Getreide über seine Schulter geworfen hatte.

„Hey! Was soll das?“, schrie sie empört auf. „Lass mich runter!“

Sie schlug auf den Rücken des Mannes ein und strampelte mit den Füßen.

„Verfluchtes Frauenzimmer!“, schimpfte der Unhold. „Wenn du nicht aufhörst zu zappeln, gehen wir beide drauf. – Oder ich lass dich einfach hier und geh ohne dich.“

Laura erstarrte. Der Mann hatte recht. Dies war nicht der richtige Ort und Zeitpunkt, kleinlich zu sein. Wenn dieser Mann sie retten würde, dann musste sie für einen Moment einfach vergessen, dass er ein Krimineller war. Wahrscheinlich würden sie ohnehin beide sterben. Wenn die Mannschaft das Schiff bereits mit dem Rettungsboot verlassen hatte, dann gab es keine Hoffnung mehr für sie. Allein schaffte sie es ja nicht einmal die verdammte Treppe hoch.

Rick

Endlich hatte das Frauenzimmer aufgehört, wie eine Irre zu zappeln und auf seinen ohnehin schon geschundenen Rücken einzuschlagen. Er schlang einen Arm um ihr Hinterteil, damit er sie nicht verlor, mit der anderen griff er nach dem Geländer der Treppe. Mit aller Kraft begann er sich und seine Fracht aufwärts zu ziehen. Jedes Mal wenn das Schiff schlingerte, hielt er inne und balancierte sich mit beiden Beinen auf der schlüpfrigen Treppe aus. Es schien Ewigkeiten zu dauern, bis sie endlich an Deck angelangt waren. Gerade als er seine Ladung auf die Beine stellen wollte, brach eine riesige Welle über das Schiff herein. Seine Welt drehte sich, und er verlor völlig die Orientierung, als das mächtige Wasser sie mit sich riss. Er meinte, die Frau schreien zu hören. Er hielt sie mit beiden Armen umschlungen, damit das Wasser sie nicht aus seinem Griff riss. Dann waren sie unter Wasser. Die Röcke seiner Last saugten sich voll und wurden schwer. Es wurde schwierig, zur Oberfläche zu gelangen. Er könnte die Frau einfach loslassen, doch aus irgendeinem Grund brachte er es nicht fertig. Er würde sie beide retten, doch er musste ihre verfluchten Röcke loswerden. Er griff in ihr Mieder und zerrte heftig. Es dauerte viel zu lange für seinen Geschmack, bis er endlich den schweren Stoff von ihrem Leib gerissen hatte, und sie nur noch die Unterkleider anhatte, doch er schaffte es und mit kräftigen Stößen seiner Beine, beförderte er sie nach oben. Prustend tauchte er aus dem Wasser auf. Leichen trieben auf der Oberfläche. Teile des Schiffes und eines Rettungsbootes schwammen um sie herum. Offenbar war das Rettungsboot mit dem Schiff kollidiert. Ein Krachen drang durch das Tosen des Sturms. Rick schaute zum Schiff, welches nun gänzlich auf der Seite lag. Es sank. Eine breite Planke trieb neben ihnen und er wuchtete seine Last darauf. Sie gab keinen Laut von sich und er wusste nicht, ob sie noch lebte, doch er konnte im Moment nichts weiter tun. In der Ferne konnte er die Sonne aufgehen sehen. Das gab ihm wenigstens Orientierung, wo sie sich befanden und in welche Richtung er Land finden könnte. Sich an dem Brett festhaltend, paddelte er los, dabei das Brett mit der Frau vor sich her schiebend.

Es war langsam heller geworden und Rick konnte eine kleine Insel ausmachen. Er könnte es in einer halben Stunde bis dorthin schaffen, sofern die Strömung nicht gegen ihn arbeitete. Der Sturm war abgeflaut und das Meer lag nun trügerisch ruhig da. Die Morgensonne glitzerte auf dem Wasser. Seine anfängliche Sorge, die Frau könne ertrunken sein, hatte sich zum Glück zerstreut. Er konnte jetzt sehen, wie ihre Brust sich kaum merkbar hob und senkte. Sie musste die Luft angehalten haben, bis sie ohnmächtig geworden war. Er war erleichtert, doch er hatte auch das Gefühl, dass ihm mit dieser Frau eine Menge Ärger bevor stand. Frauen ihrer Klasse waren einfach nicht sein Ding. Er war auch kein edler Ritter in der Not. Warum er sie nicht einfach hatte ertrinken lassen, wusste der Teufel. Er hätte selbst dabei drauf gehen können. Wo war nur sein gesunder Egoismus geblieben? Wenn sie es erst mal an Land geschafft hatten, dann würde er sich von dannen machen. Er hatte ihr Leben gerettet, das musste als Heldentat genügen. Er konnte es sich nicht leisten, eine Frau, noch dazu eine von Stand, am Hals zu haben. Er hatte eine Menge zu tun. Heraus finden, wer von seiner Crew entkommen war und wo sie sich befanden. Den versteckten Schatz bergen, ein Schiff kaufen – wenn er nicht die Gelegenheit haben sollte, die Black Rose zurück zu stehlen – und irgendwo endlich ein ruhiges Plätzchen zum Leben zu finden. An den typischen Piratenhochburgen hatte er kein Interesse. Zu viel Trubel und viel zu viel Ärger. Vielleicht sollte er nach New York gehen. Dort könnte er sich ein neues Leben aufbauen. Niemand dort kannte Ricardo Davino, den schwarzen Teufel. Je mehr er darüber nachdachte, desto mehr gefiel ihm die Idee mit New York.

Endlich hatte er die Insel erreicht. Rick richtete sich auf und schaute den langen weißen Strand entlang. Er hatte eine leise Ahnung, wo er sich befand. Aus den Augenwinkeln sah er, wie das Brett mit der Frau von ihm weg trieb. Er hatte es losgelassen, als er sich in dem hüfttiefen Wasser aufgestellt hatte.

„Verdammt!“, knurrte er und eilte der Planke hinter her, bis er sie zu fassen bekam. „Was mach ich nur mit dir?“, fragte er mit einem Blick auf die bewusstlose junge Frau. Sie sah blass aus und hatte eine Platzwunde an der Schläfe.

Mit zusammengekniffenen Augen starrte er zum blauen Himmel hinauf. Es war noch früh, doch bald würde die Sonne erbarmungslos auf sie hinab brennen.

„Ach, verdammt!“, knurrte er leise, und hob die Frau auf seine Arme, um sie an Land zu tragen.

Laura

Laura hatte den verrücktesten Traum gehabt. Das Schiff war gekentert und ausgerechnet der Verbrecher mit den dunklen Augen hatte sie gerettet. Sie musste wirklich aufhören, an diesen Kerl zu denken. Etwas berührte ihre Schläfe und ein scharfer Schmerz ließ sie die Augen aufreißen. Laura starrte geradewegs in ein Paar dunkle Augen. Sie schrie.

„Hey! Beruhige dich! Du hast eine Kopfwunde. Ich habe sie nur gereinigt. – Versteh nicht, warum ihr Ladies immer gleich anfangen müsst zu schreien.“

„Was ...“ Sie sah sich hektisch um. Da waren Palmen, Sand und das weite Meer. „Wo ...?“

„Wir sind auf einer kleinen Insel. Hätte schlimmer kommen können. Immerhin haben wir Süßwasser hier.“

Oh mein Gott! Dann war es gar kein Traum. Das Schiff ist tatsächlich gesunken!

Laura erhob sich schwankend auf ihre Füße und stolperte in Richtung Strand.

„Gern geschehen. Keine Ursache. Ich rette jeden Tag holde Jungfrauen vor dem sicheren Tod. Ein Dank ist nicht notwendig“, murmelte der Unhold hinter ihr, doch sie nahm die Worte gar nicht auf.

Sie blieb am Ufer stehen und starrte auf das Meer hinaus. Vom Schiff war weit und breit nichts zu sehen. Auch sonst war nichts auszumachen als die endlose Weite des Ozeans. Ihr Herz fing an zu rasen und ihr Magen schien ihr in die Knie zu rutschen. Sie fühlte sich schwindelig. Kraftlos ließ sie sich auf den weichen Sand sinken.

Oh nein! Was mach ich jetzt?

Wenn sie wirklich auf einer einsamen Insel fest saßen, wie sollten sie dann jemals hier weg kommen? Sie würden verhungern oder von wilden Tieren zerrissen werden.

Oh Gott, ich bin hier ganz allein mit einem Schwerverbrecher!

Laura schlug die Hände vors Gesicht. Sie war ganz allein mit diesem Mann. Er konnte sie schänden oder töten und niemand würde sie schützen. Sicher würde die Nachricht von dem Schiffsunglück irgendwann ihren Onkel erreichen und er würde vielleicht eine Suchaktion starten, doch das konnte dauern. Vielleicht würde er sie gar nicht finden, ehe ... ehe dieser Unhold ihr etwas angetan hatte.

Vielleicht denkt er sogar, ich wär ertrunken, dann wird niemand nach mir suchen.

Hoffnungslosigkeit und Verzweiflung machte sich in ihrem Inneren breit. Es gab nur einen Weg. Sie musste von dieser verdammten Insel runter. Irgendwie musste sie nach Jamaika kommen, oder zumindest zu einer anderen Insel, wo es Zivilisation gab.

„Hey! Lady! Du solltest lieber wieder in den Schatten kommen! Du wirst dir die Haut verbrennen!“, rief der Unhold ihr zu.

Laura reagierte nicht. Zurück zu diesem unheimlichen Kerl zu gehen war das Letzte, was ihr vorschwebte. Lieber saß sie hier und hielt nach einem Schiff Ausschau, das sie retten konnte. Es war ohnehin nicht so heiß. Ein wenig Sonne würde ihr schon nicht schaden. Eine nette kleine Brise vom Meer wehte ihr um die Nase. Man konnte es durchaus hier eine Weile aushalten.

„Fein! Sag später nicht, ich hätte dich nicht gewarnt!“

Sie hatte keine Ahnung, wie lange sie dort gesessen und aufs Meer hinaus gestarrt hatte, doch irgendwann ließ der Wind nach und die Sonne brannte unangenehm auf ihrer Haut. Sie blickte an sich hinab und erschrak. Erst jetzt fiel ihr auf, dass sie nur mit ihrer Unterkleidung bedeckt war. Was war aus ihrem Kleid geworden? Dieser Wüstling musste es ihr ausgezogen haben. Empörung machte sich in ihrer Brust breit. Sie sprang auf und wirbelte zu dem Mann herum, der noch immer unter den Palmen verweilte. Sein Rücken war gegen einen Stamm gelehnt und er hatte die Arme vor der Brust verschränkt. Wütend stürmte sie auf ihn zu. Beim Näherkommen sah sie, dass er seine Augen geschlossen hatte. Dieser Faulpelz schien tatsächlich zu schlafen, anstatt sich etwas zu überlegen, wie sie von hier verschwinden konnten. Bei ihm angelangt stieß sie ihn mit dem Fuß an. Seine Augen sprangen auf und sein dunkler Blick fiel auf sie.

„Was hast du Wüstling mit mir gemacht?“, fragte sie außer sich.

„Hast du mich wirklich gerade getreten?“, fragte er mit einem gefährlichen Unterton.

Laura spürte, wie Angst ihr die Knie weich werden ließ, doch sie erlaubte sich nicht, Schwäche vor diesem Kriminellen zu zeigen. Sie straffte die Schultern und stemmte die Hände in die Hüften. Sie bedachte ihn mit ihrem strengsten Blick, der wirkte zu Hause bei den Angestellten immer. Sie durfte nicht vergessen, dass dieser Kerl unter ihr stand. Er war der Bodensatz der Gesellschaft, während sie eine Lady war.

Eine Lady vergisst nie ihren Stand und ihre gute Erziehung“, hatte ihre Mutter ihr stets eingeflößt.

„Ich habe dich etwas gefragt und ich erwarte eine Antwort!“, sagte sie, seine Frage ignorierend.

„Sooo. Du erwartest eine Antwort auf deine Frage?“

„Ganz recht! – Also? Was hast du mit mir gemacht, als ich ohne Bewusstsein war?“

„Hör mal zu, Lady, ich hab deinen süßen Arsch vor dem Ertrinken gerettet. Du könntest ein wenig mehr Dankbarkeit zeigen!“

„Dankbarkeit? – Für das hier?“, fragte sie mit einer Geste auf ihre Umgebung. „Dankbar dafür, dass du dir Freiheiten rausgenommen hast?“

„Ich habe mir keine Freiheiten rausgenommen!“, knurrte der Verbrecher.

„Und wie nennst du das?“, fragte sie, auf ihre Unterröcke deutend. „Ich erinnere mich noch an genug, um zu wissen, dass ich ein Kleid anhatte. Wo ist es? Gib es mir sofort!“

„Du willst dein verdammtes Kleid? – Dann musst du auf den Grund des Meeres tauchen, LA-DY!“

„Was soll das heißen? Wieso hast du es ins Meer geworfen?“

„Ich hab es nicht ins Meer geworfen. Wir gingen unter und dein verdammtes Kleid war zu schwer. Ich hatte die Wahl, dich entweder sinken zu lassen, um mich selbst zu retten, oder dir das verdammte Ding auszuziehen! – Ich beginne zu begreifen, dass ich die falsche Entscheidung getroffen habe. Ich hätte dich ersaufen lassen sollen, dann müsste ich mir jetzt nicht dein Gekreische anhören.“

„Ooooch! – Ich kreische nicht!“, erwiderte sie erbost.

„Tust du doch!“

„Tu ich nicht!“

„Tust du doch!“

„Nein!“

„Jetzt halt endlich deine verdammte Klappe, du verzogenes Miststück! Ich werde jetzt die Augen zu machen und mich ein wenig ausruhen, und wenn du noch einmal wagen solltest, mich aufzuwecken, dann lege ich dich übers Knie und gebe dir die Tracht Prügel die deine Eltern bei deiner Erziehung offenbar versäumt haben!“

„Ooooch! Was weiß ein krimineller Hund wie du von Erziehung? Meine Erziehung war tadellos, du ... du ...“

„Was?“

„Du Grobian!“

Der Kerl lachte.

„Grobian? Ist das alles was du auf Lager hast, Süße! – Komm schon, gib mir einen anständigen Schimpfnamen.“

„Wüstling! Unhold! Verbrecher!“

Das brachte den Kerl noch mehr zum Lachen.

„Süße, das sind alles keine Schimpfnamen.“

Laura grübelte ein wenig. Sie hatte den Stallknecht einige Male fluchen hören. Sie versuchte sich zu erinnern, ob er irgendeinen brauchbaren Schimpfnamen benutzt hatte. Ohhh! Jetzt hatte sie es!

„Arsch-loch!“, sagte sie mit einem triumphierenden Grinsen.

Der Mann zog eine Augenbraue hoch.

„Schon besser“, urteilte er. „... wenn auch nicht sonderlich originell, doch von einer Anfängerin wie dir, kann ich das akzeptieren.“

„Al-so!“, sagte Laura, die Arme vor der Brust verschränkend. „Was machen wir jetzt?“

„Ich weiß nicht, was du machst, Lady, doch ich mache ein Nickerchen“, erklärte der Kerl. „Und wage ja nicht, mich noch mal zu wecken, es sei denn es handelt sich um einen absoluten Notfall oder du siehst ein Schiff kommen.“

„Du kannst doch nicht einfach schlafen!“

„Wieso nicht?“

„Weil ... weil wir hier auf der Insel festsitzen. Du musst dir was einfallen lassen, wie wir hier weg kommen. Ich muss nach Jamaika.“

„Was erwartet dich denn so dringen in Jamaika, hm?“

„Nicht, dass es dich etwas angeht, doch wenn du es unbedingt wissen musst, ich treffe dort meinen zukünftigen Gatten!“

Erneut zog der Kerl eine Braue hoch.

„Gatten, hm? Nun, ich hasse es, dir schlechte Neuigkeiten zu überbringen, doch wir werden hier voraussichtlich für eine ganze Weile festsitzen. Wenn kein Schiff vorbei kommt, dann können wir hier nicht weg. Ich hab kein Werkzeug, um ein Floss zu bauen und zum Schwimmen ist es auch zu weit. Es gibt also keinen Grund für irgendwelche Eile.“

Er lehnte sich zurück und schloss die Augen.

Laura war in Begriff, ihn erneut mit dem Fuß anzustoßen, besann sich dann jedoch eines Besseren. Sie wusste ja nicht, zu was dieser Kerl fähig war, und er hatte sie gewarnt. Wütend wandte sie sich ab und lief zurück zum Ufer. Sofort brannte die Sonne auf ihrer ungeschützten Haut. Vorsichtig hob sie ihre Hand und berührte ihr Gesicht.

„Au! Verflixt!“

Sie musste sich tatsächlich das Gesicht verbrannt haben. Sie gab es ungern zu, doch der Verbrecher hatte recht behalten. Sie hätte nicht so lange in der Sonne sitzen sollen. Hastig floh sie zurück in den Schatten. Ihr Blick fiel auf den schlafenden Mann. Er schnarchte leise.

Großartig! Was mache ich jetzt?

Seufzend ließ sie sich ein Stück entfernt von dem Mann nieder und lehnte ihren Rücken gegen eine Palme. Sie fühlte sich abgeschlagen und erschöpft, doch sie war sich nicht sicher, ob sie schlafen könnte. Erstens war sie zu aufgekratzt durch die furchtbaren Ereignisse, zweitens war es viel zu unbequem und drittens hatte sie Angst. Sie wusste schließlich nicht was für Gefahren hier auf der Insel auf sie lauerten. Wilde Tiere, Eingeborene oder der Kerl, der sie hier her gebracht hatte.

Stranded with You

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