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1.Kapitel

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Wilhelm Papendieck war mit seinen achtzig Jahren immer noch rüstig und klagte nur gelegentlich über Rückenschmerzen. Der Blutdruck war ein bisschen zu hoch, aber das war es auch schon. Sein Arzt hatte ihm versichert, dass er hundert Jahre alt werden könnte. Eine Vorstellung, die ihn allerdings ziemlich erschreckte.

Seine Frau war vor Jahren gestorben, und sein einziger Sohn war vor langer Zeit mit seiner Familie nach Wittmund umgezogen. Sie verstanden sich nicht besonders gut. Am meisten schmerzte es, dass er seine Enkelkinder nicht so oft sehen konnte, wie er es sich eigentlich wünschte.

Sein Sohn hatte immer wieder eine Ausrede parat, wenn die Rede auf einen möglichen Besuch der Kinder kam.

Na, schön, am vorigen Samstag war er kurz vorbeigekommen, um guten Tag zu sagen, wie er sich ausdrückte. Zu viel mehr hatte die Zeit nicht gereicht. Durch das Küchenfenster hatte er gesehen, dass seine Schwiegertochter im Auto geblieben war. Es war noch nicht mal Zeit für einen Tee mit Kandis gewesen…

Mit der Frau seines Sohnes kam er überhaupt nicht zurecht. Sie kleidete sich wie ein junges Mädchen, gab schnippische Antworten und lies ihren Schwiegervater die Verachtung, die sie ihm entgegenbrachte, bei jeder Gelegenheit spüren. Nun, damit musste er wohl leben.

Ein kurzes Lächeln zog über sein Gesicht, wenn er an das Erbe dachte, dass die beiden erwarteten. Sie würden sich wundern!

Wilhelm Papendieck wohnte jetzt in einem kleinen Haus am Rande von Aurich.

Sein ganzer Stolz war sein Garten, den er täglich pflegte. Auch sonst versuchte er, alles selbst in Schuss zu halten. Schließlich hatte er bis zu seiner Pensionierung einen kleinen Handwerksbetrieb besessen.

Neben der Gartenarbeit war seine zweite regelmäßige Tätigkeit der sonntägliche Besuch bei seinen Freunden im Seniorenheim. Zwei von ihnen kannte er bereits aus der Schule, die anderen hatte er im Laufe der Zeit kennengelernt, als mit den Jahren ihr Bekanntenkreis größer wurde.

Er hoffte, dass er selbst noch lange in seinem Häuschen leben konnte. Er fühlte sich überhaupt nicht gebrechlich wie einige der anderen.

Jedenfalls musste er sich keine Sorgen über seine Zukunft machen.

Auf die schmale Rente allein war er nicht angewiesen.

Er kicherte leise.

Wenn seine Nachbarn eine Ahnung hätten, wie für seine alten Tage vorgesorgt war, würden sie ihn mit anderen Augen betrachten. Derzeit war er für sie nur ein Rentner, der bescheiden lebte und alles selbst im Haus erledigte.

Nun, sie hatten gegenseitig geschworen, dass keiner von ihrem Geheimnis erfahren durfte, nicht einmal die eigenen Kinder.

Sie hatten alle verstanden, dass es besser war, wenn niemand davon wusste.

Es würde nur Neid erregen, und sie würden nicht mehr unter sich sein können, weil sich plötzlich viele andere um sie kümmern würden, natürlich nur, damit sie an dem Erfolg teilhaben konnten.

Wilhelm Papendieck wusste aus eigener Erfahrung, dass der Neid zu den schlimmsten menschlichen Eigenschaften gehörte.

Zählte er nicht sogar zu den sieben Todsünden der Kirche?

Genug der trüben Gedanken.

Er schleppte die Leiter aus dem Geräteschuppen zur vorderen Seite des Hauses und lehnte sie vorsichtig gegen die Dachrinne. Es war eine alte hölzerne Leiter, die jedoch noch ziemlich stabil war. Das sollte sie auch sein, denn sie war wesentlich jünger als er selbst.

Vor dem Hochklettern überprüfte er die Querstreben, doch alles war in Ordnung, nichts wackelte.

Er wusste, dass er solche Arbeiten eigentlich nicht mehr verrichten sollte, aber er hatte in der Vergangenheit immer alles selbst gemacht, und es würde auch diesmal gutgehen. Tiefschürfende Überlegungen hatten ohnehin keinen Zweck, denn die Dachrinne musste gereinigt werden.

Beim letzten Starkregen war das Wasser überall heruntergerauscht, nur nicht durch den Abfluss der Rinne, die offensichtlich verstopft war.

Wilhelm Papendieck schnappte sich den kleinen Eimer und die Schaufel, die er normalerweise für seine Blumenkästen benutzte, und stieg vorsichtig die Leiter empor.

Die Dachrinne war tatsächlich mit Blättern, Erde und allerlei Abfall gefüllt, wobei er sich fragte, wo das eigentlich alles herkam. Er begann, den Inhalt der Rinne mit der Schaufel in seinen Eimer zu füllen. Es war anstrengender als er dachte, auf der leicht schwankenden Leiter zu stehen und dabei an der Rinne zu arbeiten.

Vor der Nachmittagssonne schützten ihn die Blätter der großen Kastanie, die dicht beim Haus stand. Kleine Lichtkringel wanderten über das Dach, wenn der leichte Wind dünne Äste und die Blätter bewegte.

Plötzlich meinte er, ein leises Geräusch aus dem Garten unter ihm zu vernehmen. Es klang wie vorsichtig tastende Schritte. Er drehte den Kopf. Das Laubwerk der Kastanie verdeckte den Ort, wo er die Quelle des Geräuschs vermutete.

Wilhelm Papendieck lauschte eine Zeitlang, doch außer dem Rascheln der Blätter war nichts zu hören. Mit einem Seufzer wandte er sich wieder seiner Arbeit zu.

Ohne jede Vorwarnung sackte die Leiter unter ihm weg, nachdem ein kurzes Krachen und Knirschen zu hören war.

Eimer und Schaufel fielen ihm aus der Hand, und er versuchte verzweifelt, den Rand der Dachrinne zu erwischen.

Vergebens.

Mit Armen und Beinen wild rudernd stürzte er zu Boden und stöhnte laut auf, als er schmerzhaft auf die Granitplatten prallte, die er selbst dort verlegt hatte.

Er spürte, wie die Knochen seines rechten Unterarms brachen, als er versucht hatte, seinen Sturz abzufangen. Ein rasender Schmerz durchzuckte seinen Körper, und in seinen letzten Sekunden vermeinte er zu hören, wie jemand etwas sagte.

Es klang wie: „Das war´s für dich, Alter!“

Wilhelm Papendieck spürte einen festen Griff an seinem Hals, dann setzte sein Herz aus, und sein Kopf rollte haltlos zur Seite.

*

„Willst du schon wieder raus?“

Tjade Winkels betrachtete seinen Hund, der an der Haustür saß und leise vor sich hin jaulte.

Es handelte sich um eine Promenadenmischung mit einem weißbraunen Fell, die Winkels auf den Namen Harm getauft hatte. Der Hund hatte ursprünglich einem Mordopfer gehört. Der Tote hatte keine Angehörigen gehabt, und niemand wollte den Hund haben.

Winkels war damals als Hauptkommissar der Polizeiinspektion Aurich der leitende Ermittlungsbeamte gewesen. Er hatte es nicht über sich bringen können, den damals noch kleinen Hund ins Tierheim bringen zu lassen und hatte sich entschieden, ihn selbst zu sich zu nehmen und für ihn zu sorgen.

Das hatte er bisher nicht bereut, denn Harm hatte sich zu einem echten Partner entwickelt, was vielleicht auch daran lag, dass Winkels keine weiteren Verwandten besaß. Also blieb nur der Hund, mit dem er seine Fälle besprechen konnte. Das hatte den großen Vorteil, dass seinen Ansichten niemals widersprochen wurde.

Er war schon seit längerer Zeit geschieden, und für das Großziehen von Kindern war irgendwie nie Zeit gewesen. Manchmal fragte er sich, ob diese Tatsache zum Ende seiner Ehe beigetragen hatte. Mit seiner Frau hatte er nie so richtig darüber geredet. Nun, jetzt war es zu spät.

Tjade war seit kurzer Zeit pensioniert, und auch wenn er sich das noch nicht eingestehen wollte – es machte ihm jetzt schon sehr zu schaffen

Er fühlte sich noch absolut im Vollbesitz seiner Kräfte, vor allem der geistigen. Und wenn er an seinen Nachfolger dachte, der einst sein Untergebener war, kam ihm die Galle hoch. Kriminalhauptkommissar Uwe Dröver hatte seiner Ansicht nach keine Ahnung von echter Ermittlungsarbeit. Daher fühlte Tjade sich immer noch verpflichtet, in seiner alten Dienststelle nach dem Rechten zu sehen.

Seufzend stemmte er sich aus seinem bequemen Sessel hoch, nahm die Hundeleine von einem Haken und befestigte sie an Harms Halsband. Der Hund wedelte heftig mit dem Schwanz und konnte es kaum erwarten, dass die Tür endlich aufging.

Es war angenehm warm. Nur ein laues Lüftchen wehte. Hier in Ostfriesland war man an heftigere Winde gewöhnt.

Tjade schnupperte. Die Luft war frisch und roch gut. Harm zerrte an seiner Leine. Sein Herrchen folgte ihm zum Gartentor.

Die Nachbarin von Gegenüber sah ihn kommen. Frau Schrader lebte allein wie er selbst in einem alten Haus mit einem kleinen Garten. Sie wusste immer alles, was in der Nachbarschaft geschah, und hatte nichts Eiligeres zu tun, als jede Einzelheit und jedes Gerücht haarklein weiter zu erzählen, ob man zuhören wollte oder nicht.

Winkels wusste inzwischen, dass man ihr nur etwas unter dem Siegel strengster Verschwiegenheit anvertrauen musste, wenn man sichergehen wollte, dass die entsprechende Information sich in Windeseile in der Nachbarschaft verbreitete.

Sie winkte ihm zu, und Winkels wusste, dass ihm nichts anderes übrig blieb, als der alten Klatschtante eine Zeitlang zuzuhören.

Harm hatte inzwischen seinen bevorzugten Baum benutzt und folgte Tjade eifrig auf die andere Straßenseite. Im Gegensatz zu seinem Herrchen schätzte er Frau Schrader sehr, da sie ihm hin und wieder Leckerbissen zusteckte.

„Moin“, sagte Frau Schrader.

„Moin“, gab Winkels zurück.

„Haben Sie schon gehört?“, rief sie ihm zu, als er noch ein paar Meter entfernt war.

„Was gehört?“

„Na, vom alten Papendieck?“

„Kenne ich nicht.“

Frau Schrader war in ihrem Element. Ihre Augen glänzten, und sie unterstrich ihre Ausführungen mit heftigen Handbewegungen.

„Er wohnt nur eine Querstraße weiter. Sie müssen ihn doch kennen! Er kauft im gleichen Supermarkt ein wie wir. Da müssen Sie ihn doch schon gesehen haben!“

„Schon möglich, aber deshalb kenne ich seinen Namen noch lange nicht. Was ist denn mit ihm passiert?“

Frau Schrader konnte nicht mehr an sich halten.

„Na, er ist tot. Das ist passiert!“

„Wie alt war er denn?“

„Das ist es ja. Er ist nicht normal gestorben. Er ist von der Leiter gefallen. Keiner hat es gesehen. Er soll sich alle Knochen gebrochen haben. Blutüberströmt hat er da gelegen. Ist gerade eben geschehen.“

„Woher wissen Sie das?“ fragte Winkels mit gespieltem Interesse.

„Käthe Boll, meine Schulfreundin, sie wohnt nur drei Häuser weiter von Papendieck entfernt, die müssen Sie doch kennen, sie ist manchmal bei mir zu Besuch, und dann reden wir über die alten Zeiten, doch als ich sie vorhin auf der Straße traf, hat sie mir erzählt, dass sie mitgekriegt hat, wie die Polizei…“

„Was genau hat sie Ihnen erzählt?“, unterbrach Winkels ihren Redestrom, denn beim Stichwort Polizei war sein Interesse schlagartig geweckt worden.

Frau Schrader sah ihn irritiert an.

„Die Polizei ist jetzt dort.“

Tjade Winkels drückte ihr die Hundeleine in die Hand. „Passen Sie bitte eine Zeitlang auf den Hund auf. Ich hole ihn später wieder ab. Ich sehe mir das mal an.“

Harm sprang sofort an Frau Schrader hoch. Sein Interesse galt jetzt einzig und allein den zu erwartenden Leckereien.

*

Er sah das Blaulicht schon von weitem. In der normalerweise stillen Wohnstraße standen gleiche mehrere Fahrzeuge hintereinander, die sonst nicht hierher gehörten.

Tjade Winkels sah einen Streifenwagen, das Fahrzeug des Notarztes und zwei weitere Autos, die halb auf dem Bürgersteig standen. In einem davon hatte er früher selbst gesessen, jetzt fuhr vermutlich sein Nachfolger damit spazieren.

Kriminalhauptkommissar Uwe Dröver blickte sich gerade um, als sein Vorgänger an der Gartenpforte auftauchte. Er verdrehte kurz die Augen, verwehrte Winkels aber nicht den Zutritt auf das Grundstück.

Sie begrüßten sich stumm mit einem freundlichen Nicken. Soviel musste sein!

Der Rest der versammelten Truppe hörte von Winkels nur das landesübliche „Moin“, das zu jeder Tageszeit Verwendung fand.

Mit einem raschen Blick überflog er die Situation. Vor der Hauswand lag in seltsam verkrümmter Haltung ein alter Mann, neben ihm eine umgestürzte Leiter, sowie eine kleine Schaufel und ein Eimer voller Unrat.

„Er wollte wohl die Dachrinne reinigen und ist abgestürzt“, erklärte Dröver.

Ein weiterer Mann trat neben Dröver. Er trug ein Klemmbrett in der Hand, auf dem er eifrig geschrieben hatte. Winkels erinnerte sich dunkel, ihn schon mal gesehen zu haben. Auf sein Gedächtnis war schließlich immer noch Verlass. Einer der Ärzte, mit denen er früher zu tun hatte – wenn auch nur in wenigen Fällen mit denen er zutun gehabt hatte.

„Das nehme ich auch an“, ergänzte der Arzt Drövers Aussage. „Dabei hat er sich den Unterarm gebrochen und hatte vor Schreck wahrscheinlich einen Herzstillstand. Das wäre in seinem Alter ja nicht wirklich verwunderlich.“

„Darf ich mich umsehen?“, fragte Winkels.

„Tu dir keinen Zwang an, Tjade. Ich weiß ja, wie sehr dich Todesfälle interessieren, auch wenn es wie hier nur ein ganz normaler Unfall ist.“

Dröver wandte sich wieder an den Arzt, während Winkels ganz vorsichtig an dem Toten vorbei und weiter die Stelle inspizierte, an der die Leiter ursprünglich gestanden hatte. Die Abdrücke der Holme waren im Boden gut zu erkennen, der vom letzten Regen noch leicht feucht war. Er ließ sich auf ein Knie sinken und strich mit der Hand über die Erde. Dabei murmelte er etwas, das keiner der Umstehenden verstand.

Anschließend hob er die Leiter an und studierte den unteren Teil des rechten Holms sehr gründlich, ehe er ihn wieder zu Boden sinken ließ.

Dröver hatte ihm währenddessen mit nachsichtigem Blick zugesehen.

Winkels stemmte sich ächzend hoch und klopfte sich die Erde von der Hose. Es war nur seine alte Cordhose, die er gern zu Hause trug.

„Kein Unfall“, stellte er fest.

Er runzelte die Stirn und sah seinem früheren Stellvertreter in die Augen.

„Das war eindeutig Mord.“

Alle starrten ihn an, als hätte er etwas Unanständiges gesagt. Dröver brauchte eine Weile, ehe er reagierte. In seinen Augen lag ein spöttischer Ausdruck.

„Wie kommst du denn darauf?“

„Ich zeige es dir.“

Dröver trat neben ihn und musterte die Stelle am Boden, auf die sein Vorgänger deutete.

„Dort stand die Leiter“, erläuterte Winkels. „Die Abdrücke sind deutlich zu erkennen, weil sie ein ganzes Stück in den Boden reichen. Damit hätte die Leiter nicht umfallen können. Neben jedem Loch siehst du eine Furche in der Breite der Leiterholme. Sie führt zur Seite und leicht schräg nach oben.“

Drövers Gesicht war ein einziges Fragezeichen. „Na, und?“

Winkels hob die Leiter erneut an und zeigte auf eine bestimmte Stelle.

„Siehst du das hier?“

Dröver runzelte die Stirn, bis er sich zu einer Antwort durchrang.

„Das ähnelt einem Fußabdruck“, gab er schließlich zu.

Winkels nickte. „Der stark geriffelte Abdruck einer Schuhsohle, die vorher im nassen Boden gestanden hat. Irgendjemand hat die Leiter mit einem kräftigen Tritt gegen den Holm umgestossen, so dass der… wie heißt der Tote noch mal?“

„Papendieck“, antwortete Dröver automatisch. „Wilhelm Papendieck.“

„…so dass Herr Papendieck den Halt verlor als die Leiter kippte und zu Boden stürzte.“

Dröver sah verwirrt aus und stand stocksteif da.

„Ihr solltet jetzt vielleicht eine Mordermittlung einleiten.“

Der ehemalige Hauptkommissar lächelte fein.

Der Arzt sah Winkels mit offenem Mund an., sagte aber nichts.

Dann riss er das oberste Blatt von seinem Klemmbrett ab und ließ es unauffällig in der Tasche verschwinden.

„Wir sollten die Rechtsmedizin verständigen“; sagte er mit leicht brüchig klingender Stimme.

Dröver nickte und zog sein Handy aus der Tasche.

Tjade Winkels grinste fröhlich in die Runde. Das würde jetzt dauern, denn das zuständige rechtsmedizinische Institut befand sich in Emden. Doch das war nicht mehr seine Angelegenheit.

„Einen schönen Tag noch. Ich muss jetzt meinen Hund abholen.“

Als er mit den Händen in den Taschen zur Gartenpforte ging, spürte er förmlich, wie sich Drövers Blicke in seinen Rücken bohrten.

Fröhlich pfiff er vor sich hin.

Er würde noch einen kleinen Umweg machen.

Frau Schrader erwartete ihn schon. Als sie den ehemaligen Kriminalbeamten kommen sah, eilte sie bereits aus der Tür. Harm konnte es kaum erwarten, nach Hause zu kommen und zerrte an der Leine, so dass Frau Schrader beinahe stolperte.

Der Hund roch schon von weitem, dass Winkels ihm eine Belohnung vom Schlachter mitgebracht hatte und sprang an seinen Beinen hoch.

„Und?“, fragte Frau Schrader und platzte fast vor Neugier. „Was ist mit Papendieck? Was ist passiert?“

„Sie hatten recht“, antwortete Winkels. „Er ist tot.“

Er vermied es, genauere Ausführungen zu machen.

Sie sah ihm sprachlos nach, wie er mit seinem Hund an der Leine die Straße überquerte, seine Haustür aufschloss und in seiner Wohnung verschwand.

Harm war jetzt nicht mehr zu halten, und Winkels ließ das Stück Fleisch in den Fressnapf fallen. Der Leckerbissen war hinuntergeschlungen, noch bevor Winkels in seinem bequemen Sessel Platz genommen hatte.

Er griff zur Fernsehzeitung und schlug das Programm für den heutigen Tag auf. Harm legte sich zu seinen Füßen auf den Boden und schien hochzufrieden nach seinem Festmahl.

Winkels legte die Zeitschrift wieder beiseite. Er hatte schon befürchtet, dass ihm der tote Wilhelm Papendieck nicht aus dem Kopf ging. Die alten Ermittlerinstinkte waren wieder zum Leben erwacht, und er hätte sich zu gern an den weiteren Nachforschungen beteiligt. Natürlich war ihm bewusst, was sein Nachfolger davon hielt, wenn er sich einmischte. Nämlich nichts!

Wenn er allerdings behutsam vorging…

Es gab noch genügend Kollegen, die ihm mit der einen oder anderen Auskunft helfen würden. Da war er sicher. Er hatte bestimmt noch viele Freunde unter ihnen…

Eine kleine Nachforschung konnte doch nicht schaden, wenn es im Interesse der Aufklärung eines Mordfalles war.

Er sah nach unten. „Was hältst du von der Sache?“

Harm legte seinen Kopf auf die Vorderpfoten und sah ihn treuherzig an. Vielleicht rechnete er damit, dass es noch ein weiteres Stück Fleisch gab?

„Du stimmst mir doch zu, dass es sich nicht um einen schief gegangenen Einbruch handelte. Dröver hätte mir erzählt, wenn sie dafür Hinweise gefunden hätten. Ein Einbrecher hätte auch verschwinden können, solange Papendieck auf der Leiter stand. Nein, das war es nicht.“

Harm gähnte. Winkels ließ sich nicht irritieren.

„Dass jemand zufällig vorbeigekommen ist und aus Spaß die Leiter umgeworfen hat, können wir wohl auch ausschließen. So etwas passiert in Aurich nicht.“

Harm hatte die Augen geschlossen und die Ohren nach vorn gedreht, als würde er weiter aufmerksam zuhören.

„Ich denke viel mehr“, fuhr Winkels fort, „dass es sich um einen sehr persönlichen und geplanten Mord handelt, und dass der Mörder einen guten Grund für seine Tat hatte. Das war keine zufällige Tat!“

Harm öffnete kurz die Augen und klopfte mit seinem Schwanz zweimal auf den Boden.

„Das siehst du also genauso? Dann sind wir uns ja einig. Ich bin froh, einen so intelligenten Hund zu haben.“

Harm rührte sich nicht.

Tjade Winkels griff zur Fernbedienung.

Er würde die Angelegenheit überschlafen, und am nächsten Morgen entscheiden, wie er weiter vorgehen wollte.

Jetzt widmete er sich erst mal dem Wetterbericht.

Mörderhände: 7 Strand Krimis

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