Читать книгу Der Killermacher von New York: N.Y.D. - New York Detectives - Cedric Balmore - Страница 10
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ОглавлениеJerome Kidwell erreichte die dritte Etage. Er hatte Gummisohlen unter den Schuhen und bewegte sich nahezu lautlos. Den Revolver hielt er in seiner behandschuhten Rechten. Ein Schalldämpfer ließ die Waffe ungewöhnlich groß und klobig erscheinen.
Kidwell bezweifelte, ob der Schalldämpfer in dieser Umgebung sinnvoll war, aber das Ding konnte auf keinen Fall schaden, in dem leeren Haus musste jeder Schuss für ein schallendes Echo sorgen.
Die meisten Wohnungen waren ohne Türen. Alles, was nicht niet- und nagelfest war, hatten Schrotthyänen längst abgeholt. Nur das total Verbrauchte und Unverkäufliche war zurückgelassen worden.
Kidwell befand sich im Hause 27. Die Zahl löste eine Gedankenverbindung in ihm aus. Sein erstes und einziges Mordopfer war 27 gewesen. Der schöne Angelo!
Um ein Haar hätte Angelo ihn mit ins Grab gerissen, zumindest war er, Jerome Kidwell, im Gefängnis gelandet. Lebenslang war ihm so gut wie sicher gewesen, aber dann war eines Tages dieser superclevere Morton Freather aufgetaucht und hatte sein Angebot gemacht - Freather, der Retter.
So hatte es ausgesehen, so hatte es sich auch bestätigt. Erst sehr viel später war klargeworden, dass Morton Freathers Fantasie und Vielseitigkeit noch eine weitere, ganz besondere Facette aufwiesen - Freather, der Erpresser.
Jerome Kidwell stoppte, als er Stimmen hörte. Er näherte sich auf Zehenspitzen einer der wenigen Türen, die sich noch in ihrem Rahmen befanden. Behutsam presste er sein Ohr gegen die von abblätternder Farbe bedeckte Füllung. Er vernahm Freathers Stimme.
„Du musst dich entscheiden, Junge! Entweder du handelst egozentrisch und versinkst in Selbstmitleid, entweder du fährst als Penner zur Hölle - oder du trittst als großer Held ab.“
Jerome Kidwell begriff sofort, worum es ging. Morton Freather war wieder einmal unterwegs, um sich als Topman seines höchst ungewöhnlichen Berufs zu bewähren. Er war nicht nur ein Retter für jene, die in ihrer Bedrängnis jeden geforderten Preis zahlten. Er war nicht bloß ein gemeiner Erpresser, er war hauptsächlich ein Killermacher. Der Boss der Killermacher.
Jerome Kidwell glaubte jedenfalls zu wissen, dass sich hinter Freather eine Organisation verbarg. Sie war möglicherweise nicht groß, ein Team von Spezialisten - aber Freather war ihr Kopf, ohne ihn würde sie zusammenbrechen.
„Geben Sie mir Zeit“, bat die zittrige Stimme von Freathers Gesprächspartner.
„Wir haben keine“, erklärte Freather. „Wir müssen an deinen Zustand denken. Wie viele Monate bleiben dir noch? Zwei oder drei? Ich brauche mindestens eine Woche, um dich wieder menschlich aussehen zu lassen, eine weitere Woche, um dich für die zu erwartenden Verhöre zu präparieren.“
„Ich bin kein Krimineller! Mit einem Vorschlag dieses Kalibers muss ich mich gründlich auseinandersetzen, und zwar in Ruhe. Wie steht es übrigens mit Garantien für das versprochene Geld? Wer sind Sie? Wer sagt mir, dass Sie nicht vorhaben, mich aufs Kreuz zu legen?“
„Du kriegst deine Garantien. Und das Geld. Aber vorher musst du wissen, was du willst. Ich gebe dir vierundzwanzig Stunden Zeit, nicht mehr und nicht weniger“, sagte Freather.
Jerome Kidwell zuckte herum und huschte zur Treppe. Dort verbarg er sich hinter dem Fahrstuhlschacht.
Die Tür wurde aufgestoßen. Morton Freather verließ die Wohnung und blieb nach einigen Schritten stehen. Er schien etwas vergessen zu haben und noch einmal umkehren zu wollen, aber dann setzte er seinen Weg fort.
Jerome Kidwell hielt die Luft an, sein Herzschlag beschleunigte sich. Er fühlte sich fabelhaft, wie in alten Zeiten. Es tat ihm gut, die innere Spannung zu kontrollieren und zu wissen, was ihn erwartete.
Freather hatte die Treppe erreicht und stieg sie hinab. Er pfiff leise vor sich hin und glaubte, mit sich zufrieden sein zu dürfen. Haggart würde mitziehen, er hatte keine Wahl.
Plötzlich stoppte Freather. Er spürte, dass jemand hinter ihm war. Ein merkwürdiges Gefühl kroch ihm über die Haut, es zog sich bis unter das Nackenhaar. Er wandte den Kopf und blickte über seine Schulter geradewegs in die auf ihn gerichtete Schalldämpfermündung.
„Hallo, Killermacher“, begrüßte Kidwell ihn leise.
„Kidwell, Menschenskind!“, stieß Freather hervor und drehte sich um. „Ich habe Sie seit einer Ewigkeit nicht gesehen. Was, zum Teufel, bedeutet das Ganze?“
„Keine falsche Bewegung“, warnte Kidwell. Sein Finger lag am Druckpunkt des Abzugs.
Freathers Sakko war geschlossen, aber unter dem dünnen, dunkelblauen Stoff zeichneten sich klar die Konturen des im Hosenbund steckenden Revolvers ab.
Kidwell grinste. Er war nur durch vier Stufen von Morton Freather getrennt, aber er fühlte sich ihm turmhoch überlegen.
„Du hast eine Million von mir kassiert, Freather“, sagte er leise. „Eine ganze Million! Ich denke, das war mehr als genug für die von dir erbrachte Leistung. Was mich betrifft, so hat mir das Geld niemals leidgetan. Es war die beste und klügste Investition meines Lebens. Warum konntest du mit diesem Superhonorar nicht zufrieden sein?“
„Ich habe keine Ahnung, wovon Sie sprechen, Kidwell“, sagte Freather. „Habe ich jemals mehr von Ihnen verlangt, als abgesprochen war?“
„Oh nein, das besorgt dein Strohmann. Er hat versucht, mir eine weitere Million abzuknöpfen. Wenn er sie bekäme, ginge es endlos so weiter. Die Detailkenntnisse des Erpressers zeigen deine Handschrift. Ganz klar! Du kannst es dir nicht leisten, in vorderster Linie zu kämpfen, aber du bist und bleibst der Drahtzieher des Geschehens.“
„Wir setzen uns zusammen und besprechen das Ganze in aller Ruhe“, schlug Freather vor. „Da muss es ein Sicherheitsleck geben. Ich bin doch nicht verrückt! Ich habe es nicht nötig, meine eigenen Klienten zu erpressen.“
„Drehe dich mit der Visage zur Wand und lege deine schmutzigen Pfoten dagegen!“, befahl Kidwell.
Morton Freather gehorchte. Er hatte nicht vor, seinen Gegner auszutricksen oder gar über den Haufen zu schießen. Wer schlachtete schon eine Milchkuh? Von einem toten Kidwell wäre nichts zu holen gewesen.
Irgendetwas war schiefgelaufen, aber Morton Freather traute sich zu, die Dinge wieder ins Lot zu bringen. Kidwell klopfte nur mal auf den Busch, beweisen konnte er nichts.
Situationen wie diese waren ganz nach Morton Freathers Geschmack. Sie boten ihm die Möglichkeit, mit seinem Können, seiner Cleverness und seiner Argumentationstechnik zu brillieren.
Jerome Kidwell trat hinter Freather, rammte ihm den Schalldämpfer in den Rücken und holte mit der Linken den Revolver aus dem Hosenbund.
„Gehen wir“, sagte Kidwell.
Sie erreichten die Straße, kletterten in Freathers Pontiac und fuhren los. Freather lenkte den Wagen, Kidwell saß im Fond. Er deckte die Waffe mit.seinem Sporthütchen ab.
„Ich schwöre Ihnen, dass ich mit der Sache nichts zu tun habe“, sagte Morton Freather. „Wenn es stimmt, dass Sie erpresst werden, müssen wir etwas dagegen unternehmen. Gemeinsam! Ich habe ein natürliches Interesse daran, dass die Hintermänner ermittelt und zur Rechenschaft gezogen werden - schließlich steht dabei auch meine Sicherheit auf dem Spiel.“
Jerome Kidwell schwieg und blickte auf die vorüberziehende Landschaft. Immer noch tote, schmutzige Straßen, gesäumt von leeren Häuserblocks. Zwischen den wuchtigen Komplexen das Signalgelb eines Baggers, darüber eine sich ausbreitende rötliche Staub- und Schmutzwolke.
„Wohin fahren wir?“, erkundigte sich Freather. „Zu Ihnen oder zu mir?“
Kidwell blickte auf Freathers massiven Nacken. Die Muskelstränge waren von markanter Beschaffenheit und signalisierten Freathers wachsame Spannung. Zwischen Haaransatz und Kragen befand sich ein daumenbreiter Hautstreifen.
Kidwell hob die Waffe. Er war ganz ruhig.
„Ich fahre nach Hause“, erklärte er, „und du fährst in die Hölle.“
Er zielte und drückte ab. Der Schuss fiel zusammen mit dem donnernden Grollen einer Stahlbirne, die wuchtig gegen eine Hauswand prallte und das Mauerwerk zum Einsturz brachte.
Jerome Kidwell ließ im Hochspringen die Waffe fallen, er beugte sich über den Vordersitz und den zur Seite rutschenden Fahrer hinweg und brachte den Pontiac zum Stehen, noch ehe der Wagen außer Kontrolle geraten konnte. Jerome Kidwell ließ sich zurück in den Sitz fallen. Er hob den Revolver auf, stülpte sein Hütchen über die Glatze und spürte eine seltsame Schwäche in seinen Knien. Sie bereitete ihm keinen Kummer.
Im Gegenteil.
Er hatte sein Ziel erreicht. Morton Freather war tot.
Kidwell legte die Waffe seines Opfers in den Handschuhkasten und wartete, bis der Schalldämpfer seines Revolvers abgekühlt war, dann zog er ihn vom Lauf und ließ ihn in seiner Jackentasche verschwinden. Den Revolver schob er in seine Schulterhalfter.
Kidwell stieg aus und ging zurück zu dem Wagen, mit dem er gekommen war. Ein Buick Electra. Er kletterte hinein, startete die Maschine und hatte erneut das beklemmende Gefühl, beobachtet zu werden.
Er fuhr in Richtung Linden Avenue davon und stellte den gestohlenen Buick auf dem Parkplatz eines Supermarktes ab. Er ging hinein, kaufte wahllos ein paar Kleinigkeiten und begab sich mit der gefüllten Einkaufstüte zur Toilette. Dort verstaute er Schalldämpfer und Revolver unter dem Erworbenen. Die auffälligen Handschuhe hatte er bereits nach dem Verlassen des Wagens abgestreift. Zehn Minuten später saß er in einem Taxi, das ihn nach Hause brachte.
Er lebte in einem Penthouse an der 3rd Avenue, nur ein paar Häuserblocks von der Grand Central Station entfernt. Es war keine sehr noble Gegend, er hätte sich etwas weit besseres leisten können, aber da er in dieser Umgebung aufgewachsen war, fühlte er sich hier wohler als anderswo.
Er atmete auf, als er die Wohnungstür hinter sich ins Schloss drückte, dann ging er in die Küche und verstaute den Revolver hinter der Bodenleiste der Geschirrspülmaschine. Den Schalldämpfer legte er dazu. Er befestigte die Leiste wieder in ihrer Verankerung, richtete sich auf und ging ins Wohnzimmer. Dort genehmigte er sich einen Bourbon on the Rocks.
Er setzte sich in einen Sessel, stellte den Polizeifunk ein, legte die Beine hoch und wartete gutgelaunt auf die offizielle Nachricht vom Tode des Morton Freather.