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Viertes Kapitel Die Kirchspieldieners-Wahl.
ОглавлениеEin großes Ereigniß hat sich unlängst in unserem Kirchspiel zugetragen. Ein Streit von höchster Wichtigkeit ist soeben beendigt worden; eine Parochial-Erschütterung hat stattgefunden, auf die ein glorreicher Triumph gefolgt ist, dessen sich das Land – oder wenigstens das Kirchspiel, was wohl dasselbe ist – noch lange erinnern wird. Wir haben eine Wahl gehabt – die Wahl eines Kirchspieldieners. Die Vertheidiger des alten Kirchspieldiener-Systems sind auf das Haupt geschlagen worden, und die Kämpfer für die großen neuen Kirchspieldieners-Prinzipien haben einen stolzen Sieg errungen.
Unser Kirchspiel – das wie alle andern Kirchspiele eine kleine Welt für sich bildet – war seit langer Zeit in zwei Parteien getheilt, deren Streitigkeiten, wenn sie auch eine Weile schlummerten, unfehlbar bei der nächsten besten Veranlassung, wo sich die Möglichkeit einer Erneuerung zeigte, mit unverminderter Heftigkeit wieder ausbrachen. Nachtwächter-, Beleuchtungs-, Pflaster-, Wasserleitungs-, Kirchen-, Armen-Steuern, – kurz alle Arten von Steuern, wie sie heißen mochten, sind der Reihe nach Gegenstände großer Umtriebe gewesen; und was dafür gethan wurde, sie in Schutz zu nehmen, wie auch die Heftigkeit und Entschlossenheit, womit man sie bekämpfte, so oft irgend ein Amt neu zu besetzen war, ist kaum zu glauben.
Der Vorkämpfer der Beamtenpartei – der unerschütterliche Fürsprecher der Kirchenvorsteher, die unbeugsame Stütze der Aufseher – ist ein alter Herr, der in unserer Reihe wohnt. Er besitzt ungefähr ein halbes Dutzend Häuser darin, und geht stets auf der entgegengesetzten Seite der Straße, um immer sein ganzes Eigenthum mit einem Blicke überschauen zu können. Er ist eine große, hagere, klapperdürre Figur mit einer wahren Spürnase und kleinen, stets beweglichen, neugierigen Aeuglein, die ihm die Natur blos zu dem Zwecke gegeben zu haben scheint, um damit in anderer Leute Angelegenheiten hineinzugucken. Er ist von der Wichtigkeit unserer Kirchspiel-Angelegenheiten tief eingenommen, und bildet sich nicht wenig auf seine Vorträge in unseren Kirchspiel-Versammlungen ein. Seine Ansichten sind eher beschränkt, als großartig; seine Grundsätze eher engherzig, als liberal. Man hat ihn sehr laut zu Gunsten der Preßfreiheit, und der Aufhebung des Zeitungstempels sprechen hören, weil die jetzt bestehenden Zeitungen, welche das Monopol der Oeffentlichkeit haben, nie die Debatten der Kirchspiels-Versammlungen wörtlich wiedergeben. Er möchte, wie er sagte, vor der Welt nicht selbstgefällig erscheinen; könnte aber doch zu bemerken nicht unterlassen, daß Reden in derselben gehalten würden – wie z. B. seine berühmte Rede über die Emolumente und Pflichten der Todtengräber – welche verdienten, öffentlich bekannt zu werden, um zum Glücke des Volks und zur Verbesserung seines Zustandes mitzuwirken.
Sein Hauptgegner im öffentlichen Leben ist Kapitän Purday, der alte Seeoffizier auf halbem Solde, den wir unseren Lesern schon vorgeführt haben.
Da der Kapitän ein entschlossener Gegner aller bestehenden gesetzmäßigen Autoritäten, wer sie auch immer sein mögen – unser Freund aber, mit gleicher Beiseitsetzung ihrer persönlichen Verdienste, ihr unerschütterlicher Vertheidiger ist, so darf man wohl nicht zweifeln, daß es an Gelegenheiten, hintereinander zu kommen, nicht mangelt, ohne daß sie weit hergeholt zu werden brauchten. Sie brachten in vierzehn Kirchspiel-Versammlungen aus Veranlassung der Motion, ob die Kirche mit warmem Wasser oder mit Steinkohlen zu heizen sei, Stimmengleichheit zuwege, und hielten Reden über Freiheit und Ausgaben, Verschwendung und heißes Wasser, wodurch das ganze Kirchspiel in eine gewaltige Aufregung versetzt wurde. Als der Kapitän Mitglied des Prüfungs-Ausschusses und sein Gegner Aufseher war, brachte er gewisse besondere und namentliche Fälle vor, um die schlechte Verwaltung des Arbeitshauses darzuthun, sprach sich unverholen dahin aus, daß er kein Vertrauen zu dem bestellten Verwaltungspersonal habe, und verlangte eine Abschrift des Küchenreceptes, nach dem die Armensuppen gekocht würden, nebst allen hierauf bezüglichen Dokumenten. Der Oberaufseher verweigerte deren Ausfolge hartnäckig; er steckte sich hinter die Vorgänge, berief sich auf den hergebrachten Gebrauch, und führte namentlich an, daß der öffentliche Dienst leiden würde, wenn Dokumente rein privativer Natur, die zwischen dem Hausmeister des Arbeitshauses und dem Koche hin- und herliefen, auf solche Weise nach dem Antrage eines einzelnen Mitgliedes der Kirchspiels-Versammlung an's Licht gezogen würden. Die Motion des Kapitäns fiel mit einer Mehrheit von zwei Stimmen durch, worauf er, der nie zugab, daß er geschlagen wurde, auf die Niedersetzung einer Untersuchungscommission antrug. Die Angelegenheit wurde ernsthaft; Zusammenkünfte über Zusammenkünfte, und Versammlungen über Versammlungen fanden statt, bei denen über diese Frage debattirt wurde; Reden wurden gehalten, Angriffe zurückgewiesen, persönliche Herausforderungen gewechselt, Erklärungen gegeben, kurz das ganze Kirchspiel gerieth in die schrecklichste Aufregung, bis zuletzt, gerade als die Endentscheidung nahe war, die Kirchspiels-Versammlung die Entdeckung machte, daß ein wesentlicher formeller Punkt übersehen worden und die Sache dadurch in eine solche Verwickelung gerathen sei, daß man mit Ehren nimmer weiter fortzufahren vermöge. So ließ man die Motion fallen; Jedermann gab sich das Ansehen großer Wichtigkeit, und schien in Betracht der Verdienstlichkeit des ganzen Verfahrens vollkommen zufrieden gestellt.
So war der Stand der öffentlichen Angelegenheiten in unserem Kirchspiele vor ein paar Wochen, als der Kirchspielsdiener Simmons plötzlich das Zeitliche segnete. Der tiefbetrauerte Hingeschiedene hatte sich einen oder zwei Tage vor seinem Tode, beim Abführen einer alten, stark berauschten Weibsperson in den strengen Arrest des Arbeitshauses, über seine Kräfte angestrengt. – Die hierdurch veranlaßte Abspannung, verbunden mit einer starken Erkältung, die sich dieser unermüdliche Diener in seiner Eigenschaft als Dirigent der Kirchspiels-Feuerspritze zugezogen hatte, indem er sie unachtsamer Weise über sich spielen ließ, statt sie nach dem Feuer zu richten, waren zuviel für seine überdieß bereits durch Alter geschwächte Gesundheit; er mußte unterliegen. Eines Abends kam daher der Kirchspiels-Versammlung die Nachricht zu, daß Simmons gestorben sei und sonach seinen Dienst quittirt habe.
Kaum hatte der verstorbene Diener seinen letzten Athemzug gethan, als sich die Straßen mit Schaaren von Bewerbern um die vakante Stelle anfüllten, die sämmtlich ihre Ansprüche auf die Zahl ihrer Kinder stützten, als wenn der Dienst eines Kirchspieldieners ursprünglich als ein Aufmunterungsmittel für die Vermehrung des menschlichen Geschlechts eingesetzt worden wäre. »Bung, vorgeschlagen als Kirchspielsdiener. – Fünf kleine Kinder!« – »Stopkins, empfohlen als Kirchspielsdiener. – Sieben kleine Kinder!!« – »Timkins, zum Kirchspielsdiener. – Neun kleine Kinder!!!« So lauteten die Anschläge, die in unendlicher Zahl in großen, schwarzen Buchstaben auf weißem Grunde an die Mauern der Häuser angeklebt und an den Fenstern der besuchtesten Kaufladen aufgehängt waren. Timkins' Wahl wurde für ausgemacht erachtet. Verschiedene Familienmütter sagten schon ihre Stimmen halb zu, und die neun kleinen Kinder würden ohne Zweifel den Sieg davon getragen haben, wenn nicht ein neuer Anschlag das Auftreten eines noch weit verdienstvolleren, mehr zu berücksichtigenden Bewerbers angekündigt hätte. »Spruggins, zum Kirchspielsdiener. – Zehn kleine Kinder (worunter zwei Zwillinge) und eine Frau!!!!« Da war natürlich an keinen weitern Widerstand zu denken. Zehn kleine Kinder würden an sich schon fast unwiderstehlich gewesen sein, ohne die Zwillinge; aber die rührende Parenthese über diese interessante Productionskraft der Natur und die noch mehr ergreifende Hindeutung auf Frau Spruggins mußten ihm den günstigsten Erfolg im Voraus versichern. Herr Spruggins wurde auf einmal der Günstling aller Damen, und die Gestalt seiner Ehehälfte, die herumging, Stimmen für ihren Gemahl zu werben, wobei sich die zuversichtliche Hoffnung darthat, daß eine noch weitere Vermehrung des Hauses Spruggins in einer nicht sehr entfernten Periode stattfinden würde, trug nur dazu bei, die bereits zu seinen Gunsten vorgefaßte Meinung noch mehr zu vergrößern. Die andern Kandidaten, mit einziger Ausnahme Bungs, gaben in der Verzweiflung jede fernere Bewerbung auf. Der Tag zur Wahl wurde angesetzt, und das Sollicitiren von beiden Seiten mit Eifer und Beharrlichkeit fortgesetzt.
Man konnte nicht wohl erwarten, daß die Mitglieder der Kirchspiels-Versammlung als Wahlcollegium von der ansteckenden Aufregung frei bleiben würden, die von einer solchen Veranlassung unzertrennlich war. Die Mehrheit der weiblichen Einwohnerschaft des Kirchspiels erklärte sich einstimmig für Spruggins, und der vorbesagte, das alte Herkommen verteidigende Oberaufseher schlug sich um so mehr zu der Partei, weil Männer mit großen Familien von jeher zu diesem Dienste erwählt worden wären, und weil, obgleich er zugeben müsse, daß Spruggins in andern Beziehungen von den beiden Kandidaten die am wenigsten empfehlenden Eigenschaften besitze – dieß der alte Brauch sei, und er keinen Grund einsähe, warum man sich von einem alten guten Brauche trennen wolle. Dieß war genug für den Kapitän. Er ergriff augenblicklich Bungs Partei, warb auf allen Seiten persönlich Stimmen für ihn, schrieb Spottschriften über Spruggins, veranlaßte seinen Fleischer, sie an den einladensten Bratenstücken seines Ladens am Fenster zu befestigen, schüchterte seine Nachbarin, die alte Dame, durch die heftigsten Anklagen gegen Spruggins Partei ein, wodurch er sie so in Schrecken jagte, daß sie Herzklopfen bekam, und rannte ein und aus, auf und ab, rückwärts und vorwärts, so daß alle besonnenen Einwohner des Kirchspiels nichts Anderem entgegensahen, als daß er noch lange vor dem Beginn der Wahl an einer Hirnentzündung sterben würde.
Der Wahltag kam endlich heran. Es handelte sich aber nun nicht mehr um einzelne Personen und deren Interessen, der Kampf war vielmehr zum Parteienkampf geworden, in welchem die Herren im Amt den nicht Beamteten gegenüber standen. Die Frage war, ob man zugeben wolle, daß der schädliche Einfluß der Aufseher, die Herrschsucht der Kirchenvorsteher und der verabscheuungswürdige Despotismus des Kirchspielschreibers die Wahl eines Kirchspielsdieners zu einer bloßen leeren Förmlichkeit machen dürfe; ob man dem Kirchspiele einen von der Kirchspiels-Versammlung erwählten Kirchspielsdiener aufdringen lassen wolle, der blos den Befehlen und Zwecken derselben lebe, oder ob die Kirchspielsgenossen furchtlos an ihren unbezweifelten Rechten festhalten und einen unabhängigen Kirchspielsdiener nach ihrer eigenen Wahl ernennen wollen?
Es war bestimmt worden daß die Wahl in der Sakristei stattfinden solle; der Andrang der auf den Ausgang gespannten Zuschauer wurde aber so groß, daß man für nöthig erachtete, die Kirche selbst hierzu einzuräumen, wo sofort die Handlung mit einer passenden Feierlichkeit begann. Die Erscheinung der Kirchenvorsteher oder Aufseher, und der Ex-Kirchenvorsteher und Ex-Aufseher, begleitet von Spruggins, erregte allgemeines Aufsehen. Spruggins war ein kleiner, schmächtiger Mann mit einem langen, blassen Gesichte; er trug einen groben, schwarzen Rock, und sah bekümmert und niedergedrückt aus, war es, daß er an seine Familie dachte, oder weil er sich in so ängstlicher Erwartung befand. Sein Mitbewerber erschien in einem abgelegten blauen Rock des Kapitäns mit großen Knöpfen, weißen Beinkleidern und jener Gattung von Stiefeln, die man allgemein unter der Benennung »Tiefhohen« kennt. In Bungs anständiger Haltung lag eine Ruhe, – eine Art moralischen Gefühls seiner Würde, ein gewisser ermutigender Ausdruck in seinen Blicken, der zu sagen schien: »Ich, ich bin der Mann für das Aemtchen« – lauter Ostentationen, die seiner Partei Vertrauen einflößten und seine Gegner augenscheinlich entmutigten.
Der Ex-Kirchenvorsteher erhob sich, Thomas Spruggins zum Kirchspieldiener vorzuschlagen. Er habe ihn schon lange gekannt, ihn seit Jahren schon genau beobachtet, und seit Monaten mit doppelter Schärfe bewacht. (Ein Kirchspiels-Angehöriger bemerkte hier, man könnte dieses eine »doppelte Aufsicht« nennen, aber die Bemerkung wurde durch den lauten Ruf »zur Ordnung« unterdrückt.) Er wolle wiederholen, daß er ihn seit Jahren im Auge gehabt, und daher mit Recht sagen könne, daß er nie einen Mann kennen gelernt habe, der sich anständiger betrage, der eine bessere Aufführung gehabt, der nüchterner und ruhiger sei, der eine edlere Gesinnung besitze. Ein Mann mit einer zahlreicheren Familie sei ihm nie bekannt gewesen (Heiterkeit). Das Kirchspiel brauche einen Kirchspieldiener, auf den man sich verlassen könne. (»Hört«, von den Anhängern Spruggins; durch ironisches Lächeln von Bung's Partei beantwortet.) Einen solchen Mann schlage er nun vor. (»Nein!« – »Ja!«) Er wolle nicht auf Personen hindeuten; (der Ex-Kirchenvorsteher fuhr in dem bekannten Negativ-Style fort, dessen sich große Redner mit Erfolg bedienen;) er wolle nicht von einem Herrn reden, der einst einen hohen Rang im Dienste Seiner Majestät eingenommen; wolle nicht sagen, daß dieser Herr kein Gentleman sei; nicht behaupten, daß dieser Mann kein Mann wäre; nicht sagen, daß er ein aufwieglerischer Kirchspielsgenosse sei; nicht behaupten, daß er sich nicht blos bei dieser, sondern auch bei frühern Gelegenheiten sehr tadelnswerth benommen habe; wolle nicht sagen, daß er zu jenen mißvergnügten, meuterischen Köpfen gehöre, welche überall Verwirrung und Unordnung anrichteten, wo sie hinkämen; wolle nicht sagen, daß in seinem Herzen Neid, Haß, Bosheit und Lieblosigkeit ihren Wohnsitz aufgeschlagen hätten. Nein! Er wünsche Alles zufrieden und vergnügt, und wolle daher gar nichts weiter sagen. (Beifall.)
Der Kapitän entgegnete im ähnlichen parlamentarischen Tone. Er wolle nicht sagen, daß er über die so eben vernommene Rede erstaunt sei, nicht sagen, daß sie ihn empört habe. (Beifall.) Er wolle die schönen Epitheta, die auf ihn abgeschossen worden seien, nicht wieder zurückschleudern (erneuerter Beifall); er wolle nicht auf Männer zielen, die einst im Dienste gewesen, aus dem sie nun glücklicherweise entfernt worden wären; die das Arbeitshaus schlecht verwaltet, die Armen gedrückt, das Bier verdünnt, schlecht gebackenes Brod und Knochen statt Fleisch gegeben, die Arbeit vermehrt und die Suppenportionen vermindert hätten. (Stürmischer Beifall.) Er wolle nicht fragen, was Leute dieser Art verdienten. (Eine Stimme: »Nichts für den Tag, und das Uebrige mögen sie sich suchen!«) Er wolle nicht sagen, daß ein Ausbruch des allgemeinen Unwillens sie aus dem Kirchspiele treiben sollte, das sie mit ihrer Gegenwart befleckten. (»Recht so!«) Er wolle nicht von dem unglücklichen Mann reden, der vorgeschlagen sei – er wolle nicht sagen, zum dienstbaren Werkzeug des Kirchspielvorstandes, sondern zum Kirchspielsdiener. Er wolle nicht auf dessen Familienverhältnisse hindeuten, wolle nicht sagen, daß zehn Kinder, Zwillinge und eine Frau ein schlechtes Beispiel zur Nachahmung für die Armen wären. (Lauter Beifall.) Er wolle sich ebensowenig auf Herzählen der Fähigkeiten Bungs einlassen. Der Mann stehe vor ihm, und er müsse in seiner Gegenwart verschweigen, was er von ihm sagen möchte, wenn er abwesend wäre. (Hier winkte Bung einem ihm nahe stehenden Freunde unter seiner Kopfbedeckung vor, indem er sein linkes Auge zudrückte und seinen rechten Daumen an seine Nasenspitze legte.) Es sei wider Bung die Einwendung gemacht worden, daß er nur fünf Kinder habe. (»Hört! Hört!« von der Gegenpartei.) Es müsse ihm aber noch bewiesen werden, daß die Gesetzgebung eine bestimmte Kinderzahl festgesetzt habe, welche für die Stelle eines Kirchspielsdieners befähige. Aber auch zugegeben, daß eine große Familie ein wesentliches Erforderniß sei, so bitte er, Thatsachen und Umstände in Betracht zu ziehen, über die wohl kein Zweifel obwalten könne. Bung zähle fünfunddreißig Jahre, Spruggins, von dem er gerne mit aller möglichen Achtung zu sprechen wünschte, fünfzig. Er frage nun, ob es nicht als sehr möglich, ob es nicht als sehr wahrscheinlich anzunehmen sei, daß Bung, wenn er Spruggins Alter erreicht hätte, eine Kinderzahl um sich erblicken könnte, die sogar noch größer wäre, als die, auf welche Spruggins gegenwärtig seine Ansprüche begründete? (Betäubender Beifall und Schwingen der Taschentücher.) Der Kapitän schloß unter lautem Beifall und Zuruf mit der Aufforderung an die Kirchspielsgenossen, die Sturmglocke zu läuten, und frei und ohne alle Einflüsterungen zur Abstimmung zu schreiten, sich von der Diktatur des Vorstandes los zu machen, oder zu gewärtigen, Sclaven zu bleiben.
Am folgenden Tage begann das Abstimmen, und nie haben wir in unserem Kirchspiele einen solchen Tumult erlebt, seit wir unsere berühmte Petition gegen die Sclaverei durchsetzten, die für so wichtig erachtet wurde, daß das Haus der Gemeinen auf die Motion des Mitgliedes für den Bezirk ihren Druck verfügte. Der Kapitän bestellte zwei Miethkutschen und ein Cabriolet für Bung's Partei – das Cabriolet für die betrunkenen Stimmgeber, und die zwei Kutschen für die alten Frauen, deren Mehrzahl in Folge des ungestümen Benehmens des Kapitäns zu der Abstimmung und wieder nach Hause gefahren wurden, ehe sie sich von dem plötzlichen Sturm zu erholen im Stande waren, und hinreichend und mit einigem Grad von Klarheit zur Ueberzeugung gelangen konnten, was sie gethan hatten, oder was mit ihnen vorgegangen war. Die Gegenpartei vernachlässigte solche Vorsichtsmaßregeln gänzlich, und die Folge davon war, daß eine große Menge Damen, die gemächlich – denn es war ein sehr heißer Tag – nach der Kirche spazierten, um für Spruggins zu stimmen, listig in die Kutschen gelockt wurden und für Bung stimmten. Hatte des Kapitäns Rede schon keine gewöhnliche Wirkung hervorgebracht, so veranlaßte der Versuch des Kirchspielscollegiums, einen besondern Einfluß zu üben, eine noch größere. Eine Drohung des Kirchspielsschreibers, einer Familie ihren Gewerbsverdienst zu entziehen, wurde diesem klar nachgewiesen; es war ein Versuch der feigsten, niederträchtigsten Gewaltthätigkeit. Es ergab sich nämlich, daß der Angeschuldigte gewohnt war, alle Wochen für sechs Pence Theekuchen bei einer armen, alten Frau, die ein kleines Haus im Kirchspiele gemiethet hatte und mit der eigentlichen Besitzerin des Hauses zusammenwohnte, kaufen zu lassen; bei dem letzten wöchentlichen Einkaufe, kurz vor der Wahl, war ihr nun durch die Vermittlung der Köchin, zwar in geheimnißvollen, aber doch hinreichend klaren Andeutungen zu verstehen gegeben worden, daß des Kirchspielsschreibers Begehr nach Theekuchen in Zukunft lediglich von ihrer Stimme bei der Kirchspieldienerswahl abhängen würde. Dieß gab den Ausschlag. Der Strom hatte sich schon vorher gewendet, und der durch diese Entdeckung hervorgebrachte Eindruck regulirte seinen Lauf vollends. Bung's Partei schlug vor, den Betrag zusammenzulegen, um der alten Frau, so lange sie lebte, wöchentlich für einen Schilling Theekuchen abzunehmen; die Kirchspielsgenossen stimmten laut bei, und Spruggins Schicksal war entschieden.
Es war vergeblich, daß sich Frau Spruggins mit den ganz gleich gekleideten Zwillingen auf den Armen, den Knaben auf dem rechten und das Mädchen auf dem linken, an der Kirchthüre aufstellte – Frau Spruggins selbst war nicht länger mehr Gegenstand der Theilnahme. Bung wurde mit einer Mehrheit von vierhundert achtundzwanzig Stimmen erwählt, und die Sache des Kirchspiels feierte, den Vorständen gegenüber, seinen Triumph.