Читать книгу WIDERSTAND UND BEFREIUNG 1934 - 1945 - Charlotte Rombach - Страница 5
Alexander Bergelson: Der Feind muss vernichtet werden
ОглавлениеAlexander (Iljitsch) Bergelson wurde im Jahre 1922 in der Kleinstadt Nowograd-Wolynsk im Gebiet Schitomir, Ukraine, geboren. Er ist Veteran des Zweiten Weltkriegs, den Hitler zum totalen Krieg gegen „die jüdischbolschewistische Gefahr“ erklärte. A. Bergelson war einer der 500.000 Soldaten jüdischer Nationalität in der Roten Armee, die gegen die Wehrmacht kämpften.
Frage: Alexander, Sie nahmen aktiv als Soldat der Roten Armee am Großen Vaterländischen Krieg teil. Erzählen Sie bitte davon.
Am 9. Mai 1941 wurde ich zur Roten Armee einberufen und kam in das 1. Artillerie-Luftabwehr-Bataillon der Flakabwehr, wo ich bis zum Kriegsanfang in einem besonderen Ausbildungskurs mit anderen Rekruten eingeschult wurde. Nur acht der 38 jungen Rekruten meines Zuges überlebten den Krieg.
Es begann der Krieg. Die Deutsche Wehrmacht hatte am 21. Juni 1941 vertragsbrüchig die Sowjetunion überfallen. Ihre Truppen überschritten die polnisch-russische Grenze und griffen in einem Überraschungsangriff unsere Grenztruppen an. Die Angriffe waren so heftig und unerwartet, dass sich unsere Truppen zurück ziehen mussten. Für eine weitere Ausbildung blieb uns also keine Zeit. In höchster Eile wurden wir auf Lastwagen verfrachtet und nach Lwow gebracht. Dort zogen sich unsere Truppen nach heftigem Feindbeschuss weiter zurück. Die erste Schlacht erlebte unser Zug bei Iwano-Frankowsk und wurde dann ins Hinterland Richtung Stalingrad gebracht. Erst in der Stadt Achtyrka (Sumsker Gebiet), erhielten wir unsere Soldatenuniform, Gewehr und Munition. Dort begannen wieder Gefechte mit den Deutschen, bei denen unsere Soldaten unter das Feuer deutscher Flugzeuge kamen und sich wieder zurückziehen mussten.
Anfang 1942 wurde ich mit der Gruppe meiner Landsleute in Bykowo bei Stalingrad weiter militärisch eingeschult, man rüstete uns mit guten Waffen und warmer Kleidung aus. Danach wurden wir nach einer Umgruppierung in die Nähe von Kursk verlegt, ich kam in die 15. zweifach mit dem Roten Bannerorden ausgezeichnete Sewaschsker Division. Im Kursker Bogen kam es zu schweren, langen Kämpfen, die sich niemand vorstellen kann, der sie nicht selbst erlebt hat, sie waren unbeschreiblich hart und entsetzlich.
Damals sind sehr viele Kameraden gefallen. Dort war insgesamt eine sehr schwierige Situation. Hier haben unsere Truppen aber schon intensiv angegriffen. Von unserem Schützengraben aus sah ich Luftkämpfe, aber auch schreckliche Kämpfe von Mann zu Mann. Ich hörte, wie die Raketenwerfer, die Katjuschas („Stalinorgeln“), mit konzentriertem Feuer den Feind beschossen – das war eine mächtige Waffe!
Das erste Mal wurde ich 1942 im Orlower Gebiet verwundet, am Rücken erwischte mich ein Riesensplitter, der sofort, direkt an der Front operiert wurde. Daneben erhielt ich noch viele andere kleine Splitter, im rechten Bein, über dem Auge, im linken Arm, die bis heute in meinem Körper stecken. Danach wurde ich noch zwei Mal 1943 bei Kursk verwundet.
Anfang 1943 wurden wir in die Westukraine verlegt, wo die Rote Armee wieder angriff. Es kam zu örtlichen Kämpfen, einmal eroberten wir einen Ort von den Deutschen, dann zogen wir uns wieder zurück.
Im Herbst 1943 griff die Rote Armee in der Ukraine weiter an, und wir kamen auch durch meinen Heimatort Nowograd-Wolynsk. Wie ich später erfuhr, waren meine Eltern damals schon von den deutschen Faschisten erschossen worden.
Im Frühjahr 1944 nahm der Stab mich und acht weitere junge Soldaten aus der Armee und kommandierte uns zum Studium ab. Wir kamen in die Technische Ingenieur Fachschule in Ramenskoje bei Moskau. Man wählte nämlich noch während der Kriegshandlungen die jüngsten Kader aus unserer 15. Division aus, um sie bereits für die Zeit nach dem Krieg als Fachleute auszubilden. Schon nach einem Monat entließ man mich aus Krankheitsgründen und überstellte mich für drei Monate in die berühmteste Fachschule für Luftfahrt der Ukraine namens A.S. Mjasnikow (in Krasnyj Kut im Gebiet Saratow), wo die besten und bekanntesten Köpfe der sowjetischen Luftfahrt jener Zeit studierten. Meine Aufgabe war es, die Kursanten aus zu bilden, die u.a. bei Scheinluftkämpfen mit Fotokino-Maschinengewehren auf Ziele schossen.
Den Tag des Sieges über die Hitlerfaschisten, den 8. Mai 1945 feierte ich in der Fachschule für Luftfahrt im Bezirk Komsomol (Gebiet Saratow) im Kreise meiner Kursanten. Die Nachricht über die Kapitulation der Generäle der Deutschen Wehrmacht wurde mit Begeisterung und Hurra- Rufen aufgenommen. Es herrschte riesige Freude über das Ende dieses grausamen, opferreichen Krieges, die Menschen waren überglücklich, die Stimmung stieg im Laufe des Abends, wir begannen bereits Pläne für die Zukunft in Frieden zu schmieden. Ich spielte Geige, ein anderer Soldat Gitarre, und Hunderte Menschen tanzten die ganze Nacht durch.
Im Jahr 1945 arbeitete ich als Redaktionssekretär der Bezirkszeitung „Für bolschewistische Kolchose“ und als Redakteur des örtlichen Radios bis 1946. Danach rüstete ich ab und fuhr als erstes in meine Heimat – unser Haus, in dem wir gewohnt hatten, gab es nicht mehr, ich erfuhr, dass unsere ganze Familie von den deutschen Faschisten und ihren Kollaborateuren getötet worden war.
Danach fuhr ich nach Kiew zu meiner Schwester Anna. Ich arbeitete dort anfangs als Ladearbeiter, später als Leiter einer Lkw-Garage im Trest Gorkomustroi. Gleichzeitig studierte ich abends am Pädagogischen Institut. Bis 1951 arbeitete ich in einer Radio-Fabrik des Ministeriums für Leichtindustrie der USSR, danach im Verlag „Naukowa dumka“.
Das erste Mal heiratete ich 1950, meine Frau starb aber bereits 1968, sie hinterließ mir einen Sohn. 1998 heiratete ich ein zweites Mal und übersiedelte mit meiner Frau Galina, deren Kinder bereits in Wien lebten, aus der Ukraine nach Österreich.
Frage: Wie war der „Alltag“ der Soldaten, die Verpflegung usw.?
Der Militärdienst war etwas Alltägliches, aber zu erleben, dass man dich jeden Moment töten konnte, das war das Entsetzlichste. Der Kriegsalltag war schrecklich. Wir haben 800 Gramm Brot erhalten, davon habe ich die halbe Portion für Zigaretten oder Tabak (Machorka) getauscht.
Die Verpflegung wurde je nach Kampfsituation mit Lastwagen an die Front befördert, Menschen riskierten ihr Leben, indem sie mit der Feldküche Thermosflaschen mit Wasser und Essen an die vorderste Front transportierten. Wenn das Essen tatsächlich ankam, erhielten wir abwechselnd Nudelsuppe, Hirse oder Buchweizen, Zucker, Fleisch oder Wurst, Brot. Erst nach den Kämpfen konnten wir verpflegt werden. Manchmal jedoch sammelten wir zwischendurch auf den Feldern nicht geerntete rohe Kartoffeln, zerquetschten sie zu einem Laibchen, brieten sie auf einem Stück Blech über einem kleinen Feuer, das wir unter unserem Mantel versteckten, und aßen sie mit Appetit.
Wir aßen auch Körner – Weizen, Mais usw., was wir eben auf den Äckern fanden. Ich habe sogar Fleisch von einem toten Pferd gegessen, es war gefroren, ich schnitt ein Stück heraus, steckte es unter mein Hemd, damit es auftaute und aß davon stückchenweise – nichts Besseres konnte man sich damals vorstellen! Mit dem Trinken war es besonders schwer, wir litten oft Durst. Nach Kämpfen oder während der Umdisponierung der Truppen hat man uns in Dörfern in Hütten bei Bauern untergebracht. Diese waren meist solidarisch, sie gaben uns zu essen, die Bäuerinnen wuschen und flickten unsere Wäsche.
Das stundenlange Gehen war sehr anstrengend, du hast mit der Zeit gar nicht mehr gespürt, wie du gehst, wohin du gehst, du hast beim Gehen fast geschlafen, musstest aufpassen, dass du nicht fällst, die Beine und Füße schmerzten, aber du hast gewusst, warum und wozu du das machst.
Wir schliefen in den Schützengräben, die wir meistens selbst mühsam ausschaufeln mussten. Normalerweise grub man nur zwei bis drei Stunden, aber für die volle Körpergröße haben wir die ganze Nacht gegraben. Wenn man Wache schob oder auf Patrouille war, war man danach zwar oft nass, aber natürlich so müde, dass man sich wie ein Igel zusammen rollte und sofort im Unterstand einschlief.
Während des Krieges herrschte große Not in der ganzen Sowjetunion. Infolge der Raub-, Plünderungs- und Vertreibungspolitik der Deutschen Wehrmacht wurde die russische Bevölkerung, vor allem Flüchtlinge und Stadtbewohner, dem Hunger überlassen.
So zählte die deutsche Besatzungsmacht für die Großstadt Charkow vom Dezember 1941 bis zum August 1942 12.000 Hungertote [2]. Die Menschen versuchten, auf jegliche Art zu überleben. Der Staat führte Versorgungsnormen für die einzelnen Bevölkerungsgruppen ein. Zusätzlich wurden Essensmarken bei Urlaub, Dienstreisen und bei Reisen für die Beschaffung von Lebensmitteln ausgegeben.
Diese Kupons waren die eiserne Reserve für Nahrungsmittel. Auf den Bahnhöfen gab es z.B. einen Küchenblock, dort konnte man die Kupons für heiße, frische Speisen einlösen. Man konnte sich auch eine Trocken- Verpflegung vom Lager holen, entsprechend der Essensration, die einem zu stand. Jeder erhielt diese Bezugsmarken.
Frage: Welche Waffen hatten Sie als Soldat?
Ich war ausgerüstet mit einem Gewehr mit Bajonett, Granaten, Patronen, also der üblichen Kampfausrüstung. Kommandeure und Unterleutnants hatten das Recht, auch einen Revolver, eine persönliche Waffe zu tragen.
Frage: Was trugen Sie in Ihrem Tornister, wie war Ihre Bekleidung?
Im Tornister hatte ich einen kleinen Kessel, eine Zahnbürste, Wäsche, Tabak, Seife. Zusätzlich eine Gasmaske, Patronen, Granaten (eine Panzergranate wog drei bis vier Kilo), Trockenverpflegung und eine eiserne Proviantreserve. Wenn wir durch ein Dorf gingen, gaben uns die Bäuerinnen meistens Kartoffeln oder Gemüse. Aber jedes Gramm zuviel wog schwer, nicht einmal eine Nadel hätten wir zusätzlich tragen können.
Im Sommer waren wir in die normale Soldatenuniform mit Pilotenmütze gekleidet, in der kalten Jahreszeit erhielten wir warme Überkleidung und warme Unterwäsche, einen Uniformmantel und eine Fellmütze. Anfangs gab es nur Lappen, Wickelgamaschen für die Stiefel, sie anzulegen mussten wir üben. Später erhielten wir Schweinslederstiefel und Schuhe. Unsere Wäsche und die Lappen haben wir, wo es möglich war, selbst gewaschen. Auf saubere Kleidung wurde immer geachtet, der Kragen musste immer weiß sein.
Frage: Wurden im Krieg nicht auch Flugblätter und Zeitungen produziert?
Ja, wir machten Propaganda-Arbeit, brachten die Zeitung „Kampfblatt“ heraus, die mit der Hand geschrieben und an die Soldaten verteilt wurde. An der Ersten Ukrainischen Front stand ich an der vordersten Linie mit einem Megaphon in der Hand und schrie „Hitler kaputt, der Krieg ist verloren“ usw.
Ich sprach natürlich nicht fließend Deutsch, aber einzelne Wörter und Sätze kannte ich. Die Deutschen haben bei ihren Nachtangriffen sehr viele Flugblätter abgeworfen – Fragmente der „Prawda“ und „Iswestija“, in deren Mitte ein russischer Text, wie z.B. „Ergebt euch“ platziert war.
Auch die Rote Armee hat Flugblätter verfasst und abgeworfen. Darin forderte sie die Soldaten der Deutschen Wehrmacht auf, überzulaufen (es desertierten viele Deutsche) und garantierte ihnen das Leben. Unsere garantierten wirklich das Leben der Überläufer, aber bei den Deutschen war das nicht der Fall. Sie haben besonders mit den gefangenen Politkommissaren grausam abgerechnet (der “Kommissarbefehl” vom 6. Juni 1941, der später aufgehoben wurde, bestimmte die Erschießung der politischen Offiziere der Roten Armee gleich nach der Gefangennahme), Kommunisten, Komsomolzen, Kommandeure haben sie ebenso sofort erschossen.
Eine große Hilfe für die Armee waren die Aufklärer. Ihre Einsätze waren sehr gefährlich, bei Einbruch der Dunkelheit krochen sie in Richtung des Feindes und fingen geräuschlos einen Gegner, während der Himmel ständig von deutschen Leuchtraketen erhellt wurde. Normalerweise waren 90% der Aufklärungsaktionen erfolgreich, aber es gingen trotzdem viele Aufklärer zugrunde. An der Front wurde jeden Tag ein neues Losungswort zum Erkennen der eigenen Leute ausgegeben – der letzte Buchstabe eines Losungswortes war gleichzeitig der Beginn des zweiten Losungswortes. Wenn dieses nicht genannt wurde, wurde die Person sofort verhaftet.
Frage: Wie schätzen Sie die Tatsache ein, dass die Truppen der Deutschen Wehrmacht am 21. bzw. 22. Juni 1941 so schnell in die SU einrücken konnten?
Ich als einfacher Soldat kann natürlich keine Einzelheiten darüber sagen. Ich weiß nur, dass der Kriegsbeginn überraschend kam, unsere Armee war noch nicht genügend vorbereitet, wir hatten zu diesem Zeitpunkt noch nicht genügend Panzer und Flugzeuge. Das war natürlich eine schwierige Ausgangssituation.
Stalin hat es nicht geglaubt, als man ihm sagte, dass Hitler den Krieg begonnen hat, er hat weder Richard Sorge noch anderen Kundschaftern geglaubt, auch nicht den beiden Überläufern in der Nacht zum 22. Juni – sogar als die Deutschen schon die Grenze überschritten hatten. Er hatte auch keinen Anlass es zu glauben, da doch der Molotow-Ribbentrop-Nichtangriffs-Vertrag (der so genannte „Hitler-Stalin-Pakt“) existierte.
Wir haben zwar heldenhaft Widerstand geleistet, aber zu spät. Die Tatsache, dass der Überfall plötzlich und unerwartet geschah, war der Grund für die kolossalen Erfolge der Deutschen am Anfang des Krieges. Aber auch für ihre großen Verluste. Schließlich siegte aber doch die Sowjetunion, das sowjetische Volk errang einen historischen Sieg über den deutschen Faschismus und befreite seine Heimat und einen Teil Europas von der braunen Pest.
Frage: Waren die Rotarmisten Patrioten?
Ich war immer mit den Soldaten aus meinem Heimatgebiet um Schitomir, alles junge Kolchosarbeiter, zusammen, sie waren keine Nationalisten, sondern Patrioten, wir glaubten alle an den Sieg. Kein Soldat aus unserem Zug ist zu den Deutschen übergelaufen, sie waren alle diszipliniert.
Wenn unsere Kompanie zusammen gerufen wurde und ein schwieriger Angriff mit Nahkämpfen bevorstand, dann wussten wir, wir müssen um jeden Preis siegen. Immer wenn ein Kampf begann, waren mein Entsetzen und meine Angst mit mir. Denn ständig drohte die Möglichkeit, getötet zu werden. Ein Kampf ist etwas Schreckliches, und wenn du in den Kampf ziehst, dann brauchst du den Sieg über den Feind. Ich kämpfte für die Sowjetmacht, für die Heimat. Für mich war aber das Wichtigste, zu überleben! Und das galt, glaube ich, für alle.
Unsere ersten Kämpfe waren unbeschreiblich, entsetzlich. Wenn man auch nur eine Stunde an der Front war, galt man bereits als Kriegsteilnehmer – denn in dieser einen Stunde hätte man bereits fallen können. Es war schrecklich, an einem Angriff teilzunehmen, du hast den schweren Rucksack, die Waffe, Granaten, Munition getragen, konntest dich nur mit Mühe aufrichten, musstest aber angreifen, laufen, im Laufen schießen. Bei jedem Schritt lauerte Gefahr, bei jedem Schritt konntest du getötet werden. Du hast den Feind ganz nahe gesehen, hast mit dem Gewehr gezielt, geschossen...
Alle Befehle mussten unbedingt ausgeführt und es musste darüber Bericht erstattet werden. Niemand von uns hat aber eigentlich jemals daran gedacht, etwas gegen die Befehle der Vorgesetzten zu unternehmen oder einen Befehl nicht zu befolgen. Wir wussten, wofür wir kämpften, wir verstanden – der Feind hat uns überfallen, er muss vernichtet werden.
Frage: Finden Sie es gut, dass die Erinnerung an den Großen Vaterländischen Krieg hoch gehalten wird?
Ja, denn wir, die Veteranen, werden nicht mehr sein, aber die Denkmäler für die gefallenen Soldaten, die Soldatengräber und Soldatenfriedhöfe werden bleiben. Sie sollen erhalten bleiben, wie z.B. das Denkmal für die Befreier der Stadt Kiew in der Ukraine, Schukows Reiterdenkmal in Moskau, das Denkmal für den sowjetischen Soldaten in Wien usw.
Vor einigen Tagen habe ich allerdings im Fernsehen erfahren, dass in Estland, Georgien, Russland und der Westukraine Denkmäler für die gefallenen sowjetischen Soldaten zerstört wurden. Ich sehe das als eine Schmähung. Es ist auch nicht richtig, dass z.B. die Statue Dscherschinski’s abgerissen wurde – wir müssen unseren Enkeln zeigen und erzählen, wer Dscherschinski war, wer Stalin war, müssen die Geschichte unseres Landes und des Krieges wahrheitsgemäß erzählen.
In den Jahren nach der Perestroika hat man begonnen, Medaillen, Orden und andere Ehrenzeichen auf Flohmärkten zu verkaufen. Ich weiß, manche Veteranen haben das getan, weil sie nicht einmal genug Geld für das tägliche Brot haben, weil sie eine kleine Pension erhalten. Ich würde das trotzdem nie machen, und wenn ich verhungern müsste.
Frage: Wie war die Situation der Veteranen nach dem Krieg?
Bis 1947 war die Wirtschaftslage in der Sowjetunion durch die vielen Zerstörungen und Plünderungen der Deutschen Wehrmacht im Land sehr schlecht, der Produktionsprozess und die Produktivität kamen erst langsam in Schwung. Außerdem wurde eine Währungsreform durchgeführt, zusätzlich gab es Missernten, so dass es in den Geschäften kaum Waren gab.
Aber die Kriegsveteranen erhielten gleich nach Kriegsende einen speziellen Ausweis mit Sonderrechten. Der Staat stellte den aktiven Teilnehmern am Vaterländischen Krieg kostenlos Wohnungen zur Verfügung, für die sie nur die Hälfte der Miete zu zahlen brauchten. Sie waren im allgemeinen steuerbegünstigt, erhielten Medikamente kostenlos, hatten die Möglichkeit in eigenen Lebensmittelgeschäften einzukaufen, die öffentlichen Verkehrsmittel kostenlos zu benützen. Auch Autos erhielten sie auf Wunsch früher und billiger als alle anderen.
In der Roten Armee war ich von Mai 1941 bis Oktober 1946. Da ich von den fünf Jahren Armeedienst 228 Tage unmittelbar an Kämpfen an der vordersten Front teil genommen hatte, erhielt ich eine Zusatzpension, in die auch die Zeit der Umgruppierungen eingerechnet wurden. Ich habe auch einige Orden und Medaillen verliehen bekommen.
Hier in Wien wurde ich von einigen Schulen als Zeitzeuge eingeladen, die Kinder stellten sehr interessante Fragen. Ich habe das getan, weil ich davon überzeugt bin, dass es sehr wichtig ist, Kindern und Jugendlichen über die Schrecken des Krieges zu erzählen. Die Erinnerung an den Zweiten Weltkrieg und den großen Sieg des sowjetischen Volkes über das faschistische Deutschland soll für immer in Erinnerung bleiben. Aber es ist auch wichtig, den Anfängen zu wehren und überall gegen den wieder erstarkenden Faschismus auf zu treten.
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