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CHRISTINAS SCHWEDENZEIT
ОглавлениеChristina wurde 1626 als Tochter Gustav II. Adolf von Schweden geboren, eines Herrschers, der das Bild Europas veränderte wie kaum ein zweiter. Bis heute ist Deutschland geteilt. Nicht mehr politisch, aber dem Glauben nach. Wäre Gustav Adolf nicht von Schweden aus in Pommern gelandet und hätte für das protestantische Deutschland gegen die kaiserlichen Truppen gekämpft, wäre Deutschland vermutlich ein katholisches Land wie Österreich oder Italien und Luther nur ein historisch nicht mehr bedeutender Sektenführer. Deutschland wäre im Glauben für Jahrhunderte geeint gewesen. Der Westfälische Friede 1648, den seine Tochter Christina vorantrieb und zum Abschluss brachte, zementierte die religiöse Zweiteilung. Der Krieg hatte 1618 mit dem »Prager Fenstersturz« begonnen, als böhmische Protestanten die katholischen königlichen Statthalter aus dem Fenster warfen. Die größten Erfolge erzielten die Protestanten, weil Gustav Adolf und seine schwedischen Truppen ihnen beistanden. Ausschlaggebend war auch die Rolle des katholischen Frankreichs, das sich mit den Schweden verbündet hatte, um eine Gegenmacht zum habsburgischen Kaiser zu bilden, ebenso zu Spanien, dem anderen Nachbarn, mit dem Frankreich ständig im Krieg lag. Christina hat wesentlich zu den Verhandlungen beigetragen, die nach 30 Jahren kriegerischer Verwicklung zum Frieden führten. Die letzte Schlacht am 5. Oktober 1648 war ein Sieg der kaiserlichen Truppen bei Dachau. Die schwedischen Truppen flohen ins Sumpfgebiet des Dachauer Mooses oder wurden gefangen genommen, der schwedische General Wrangel konnte zu Fuß flüchten. Aber Schweden blieb insofern siegreich, als kurz darauf, wie die Königin es wünschte, am 24. Oktober der sogenannte Westfälische Friede durch Verträge beschlossen wurde. Doch noch sollte es Jahre dauern, bis Christina selbst vom Luthertum zum Katholizismus fand. Ihre Konversion war unter anderem der Beginn einer erfolgreichen Strategie der Gegenreformation, maßgeblich von Jesuiten vorangetrieben.
Der Reichskanzler Axel Oxenstierna war gegen den Friedensschluss, der für die siegreichen Schweden ungünstig war, denn sie mussten Forderungen der anderen Parteien nachgeben. Christina, seit ihrer Einsetzung als Königin immer in vorsichtiger Opposition gegen ihren staatsmännischen Lehrmeister, setzte seiner Ansicht entgegen auf schnelle Friedensverhandlungen. Sie erhob Bauern und Kaufleute in den Adelsstand, vergrößerte den Reichsrat und schwächte so die Macht der großen Familien. Im Januar 1651 entzog sie sogar dem Kanzler die Leitung der Kanzlei und des Reichspräsidiums. Dafür lehnte er 1654 die ihm angebotene Herzogswürde verächtlich ab. Der Vormund wurde aus seiner Rolle als Bevormundender entlassen.
Die Spuren Christinas in Schweden sind größtenteils verweht.
Kein Gedenktag erinnert an sie. Ihre Krönung wurde durch die Abdankung quasi annulliert, ihre Regierungszeit stand im Schatten ihres großen Vaters und die Lebensorte existieren heute nur als Ruinen. Von Schloss Stegeborg, wo sie in der Nähe Nyköpings die ersten Jahre aufwuchs, stehen nur noch einige Mauern. Es war der Geburtsort ihres Cousins und Nachfolgers Karl X. Gustav, Sohn ihres angeheirateten Onkels Johann Casimir von Pfalz-Zweibrücken-Kleeburg, einem Deutschen, und Katharina, der Halbschwester ihres Vaters, die zeitweise die Mutterstelle bei Christina vertrat. Und Schloss Stegeborg war ihr Zwangsaufenthalt bei der unmäßig trauernden Mutter nach dem Tod des Vaters, bis der Reichsrat beschloss, sie von den ungünstigen Einflüssen der Witwe zu befreien. Als ihre Mutter nach Schloss Gripsholm verbannt wurde, um keinen Einfluss mehr auf ihre Tochter ausüben zu können, gab es kurze Besuche, die nicht reichten, um eine Beziehung herzustellen. Dort in Gripsholm befindet sich jetzt die Staatliche Porträtsammlung Schwedens, wo viele Gemälde der mit Christina bekannten Personen ausgestellt sind.
In Norrköping, der Stadt südlich von Stockholm, die ihr in den Abdankungsverträgen zugesprochen wurde, verbrachte sie bei ihrer letzten Schwedenreise entwürdigende Monate, ohne nach Stockholm reisen zu dürfen. Dort gibt es von der Johannisborg, wo sie gelegentlich lebte, nur noch ein restauriertes Torhaus zwischen Wällen, alles andere liegt brach. Dennoch kann man in dieser Stadt einen Eindruck von Christina gewinnen. Norrköping ist eine der frühen Industriestädte Schwedens, an den Ufern ihres Flusses stehen Fabriken, ein wenig auswärts die Reste der Burg. Es ist eine geschäftige Stadt, die an eine große unternehmerische Zukunft denken lässt, den Plänen Christinas, ebenfalls auf zukünftige Traumerfüllungen bezogen, nicht unähnlich.
In Stockholms Altstadt finden sich auch heute noch Gebäude, die Christina geprägt haben. Zeitgeschichtlich richtungsweisend war für sie das von 1641 - 74 im holländischen Barockstil erbaute Riddarhuset, das noch Elemente der italienischen Renaissance aufweist. Nicht weit davon blinkt der Sund zwischen zwei gleichen Gartenpavillons. Der Palast (das Wort Haus wäre hierfür zu schlicht) wurde Versammlungshaus des Adels, der um den Platz der nahen Kirche, der Riddarholmskyrkan, der gotischen Begräbniskirche der schwedischen Könige, seine Paläste errichten ließ. In dieser Kirche sind Christinas Eltern begraben, der hochverehrte Gustav Adolf und seine neurotische Gattin, die nach dem Staatsbegräbnis mit ihrer Tochter im Stockholmer Schloss lebte, bis sie vom Hof verbannt wurde.
Die Burg Tre Kronor, erbaut im 13. Jahrhundert in Stockholm, brannte 1697, acht Jahre nach ihrem Tode, ab, heute erinnert daran nur noch das Gewölbemuseum unter dem Königlichen Schloss in der Altstadt Stockholms. Auch zu Christinas Zeit, nämlich 1641 und 1648, gab es bereits Brände auf der Burg. Das war damals eine ständige Gefahr, natürlich schnell verursacht durch Kerzenlicht und Kaminfeuer. Die Häuser in den Städten waren fast gänzlich aus Holz gebaut, auch die Innenräume und Decken in den Steinpalästen waren mit Holz verkleidet.
Beim Brand Anfang 1648 entdeckte Christina selbst Flammen im Treppenhaus, das zu ihren privaten Räumen führte. Sie war dabei, als es sechs Stunden brannte, bis der Wind drehte und das Feuer erstickt werden konnte, immer in Angst, es könnte wertvolle Bücher und Akten vernichten. Im Gewölbe des Tre-Kronor-Museums, zu betreten unter der Eingangsempore, die hoch zum neu erbauten Schloss führt, finden sich alte Modelle des Schlosses, wie es zu Christinas Zeit ausgesehen hatte. Sogar der Brand ist filmisch simuliert. Hier bekommt man die beste Ahnung vom Leben in einem mittelalterlichen Schloss. Im oberhalb entstandenen Gebäudekomplex steht im Reichssaal der silberne Thron, den der Graf Magnus Gabriel De la Gardie Christina zur Krönung schenkte, eine der wenigen Erinnerungen an ihre Anwesenheit dort, heute von jedem Touristen fotografisch festgehalten. Das Schloss, das großartig über Stockholm thront, sollte nach dem Willen Karl XII., eines königlichen Nachfolgers, Zeichen einer Großmacht sein. Als es 1751 endlich fertig war, hatte Schweden den Wettkampf um eine Vorherrschaft in Europa verloren.
In der Schatzkammer findet sich die Krone von Erik XIV. aus dem 16. Jahrhundert, aber Kronjuwelen aus der Zeit Christinas sucht man vergeblich, denn die hat sie mitgenommen und entweder versetzt oder, wie eine ihrer Kronen, demonstrativ während der ersten Reise nach Rom am Altar der Madonna von Loreto abgelegt. Im Historischen Museum in Stockholm hängen Kopien von Gemälden Christinas und ihrer Eltern. Das ist alles, was der Öffentlichkeit präsentiert wird.
Selbst der Saal im Schloss Uppsala, wo sie am 6. Juni 1654 von ihrem Amt abdankte, wurde nach einem Brand 1702 wieder aufgebaut, ist also auch nicht mehr original vorhanden. Nur das Tor neben dem Schloss erinnert frisch getüncht daran, dass sie gleich nach der Abdankung mit ihrem Pferd hindurchpreschte, um nie mehr wiederzukommen.
Der stets wissbegierige Blick ihrer Augen beim Studium der gelehrten Bücher in der ältesten Universitätsbibliothek Schwedens in Uppsala ist nicht zu konservieren so wie die berühmte Silber- oder Wulfilabibel. Sie gehörte zu den Beutestücken aus Prag, die der Dreißigjährige Krieg nach Schweden brachte.
Im protestantischen Schweden, wo man sich heute noch daran erinnert, dass sie den Thron in Stich ließ, um zum Katholizismus zu konvertieren, gibt es für Christina kein Datum des nationalen Gedenkens.
Wer mit dem Zug in etwa fünf Stunden von Stockholm nach Malmö fährt, sieht auf menschenleere Landstriche. Die Einwohnerzahl Stockholms liegt bei 800 000, das ist die Hälfte der Gesamtbevölkerungszahl Schwedens zu Christinas Zeit. Die Städte in Schweden waren damals nach heutigen Maßstäben größere Dörfer. Stockholm hatte 1620 eine Zahl von 10 000 Einwohnern. Bis in die Zeit Christinas wuchs es auf circa 50 000. Im Bauernland Schweden lebten nur ungefähr fünf Prozent der Einwohner in Städten. Uppsala, wo Christine sich häufig aufhielt, hatte kaum mehr als 2 000 Einwohner. Auch die mittleren Städte, an deren Stationen der Zug hält, sind jetzt noch vom Charakter her kleinstädtisch-industriell geprägt. Die Landschaft moorig, Birken umrunden Gewässer, Wälder und vereinzelte Gehöfte ziehen vorüber. Hätte Christina ein Verhältnis zur Natur, zu Landschaft und Licht bekommen, wovon aber nichts vermerkt wurde, wäre es ihr möglicherweise nicht so leichtgefallen, die Heimat zu verlassen. Sicher, die Winter waren belastend, damals kälter als heute. Man spricht sogar von einer kleinen Eiszeit zu Beginn des 17. Jahrhunderts. Aber schon im Frühjahr entschädigen Sonne und Sommerabende um die Mittsommerwende. Deren Helligkeit nach Norden hin nimmt zu, sucht ihresgleichen. Wenn in Italien die Dunkelheit hereinbricht, dann wärmt in Schweden noch die Sonne hoch am Himmel. Die zahlreichen Seen spiegeln sie aus blinkenden schönheitstrunkenen Augen zurück. Für landschaftliche Schönheit schien Christina nicht viel übrig gehabt zu haben. Die reizvollsten landschaftlichen Gegenden auf ihren Reisen haben sie nicht so beeindruckt wie Stadtpaläste und Ausgrabungen antiker Metropolen. Eine Stadtfrau, am liebsten mitten im Geschehen der Macht. Naturschönheit nur als Hintergrund mythologisch-figurativer Gemälde.
Die Ereignisse ihrer Geburt und ihrer Kindheit möchte ich hier nur kurz schildern, sie stehen ausführlich in allen Biografien, meist auf ihre eigenen unvollendeten Memoiren zurückgehend, die Christina nach einem früheren Versuch 1661 in Hamburg noch einmal um 1680 neu begann, alles darauf ausgerichtet, aus ihr ein von Gott bevorzugtes Wesen zu machen, zum Teil sicherlich bewusst einer Legendenbildung dienend.
Die Persönlichkeiten ihrer Eltern könnten unterschiedlicher nicht sein. Ihr Vater ein stattlicher Kriegsheld, Nachkomme Gustav I. Wasa, der es geschafft hatte, eine Erbdynastie in Schweden zu errichten, ihre Mutter, eine hübsche aber verweichlichte Adelsperson, Tochter des Kurfürsten von Brandenburg. Vor Christina hatte sie zwei Totgeburten und eine Tochter, die als Kleinkind starb. Diese hat Christina mit ihrem Namen ersetzt, aber die Liebe der Mutter konnte sie nicht gewinnen, zu sehr hatte diese auf einen Sohn gehofft und verfiel nach der Geburt in Depressionen. Eine sogenannte Glückshaube oder Schafshaut, die den Körper des Kindes als Teil der Nachgeburt bedeckte, trug dazu bei, dass die kräftige Stimme und der Haarwuchs des Säuglings die Hebammen täuschte und sie einen Jungen vermuteten, den ersehnten und von Astrologen vorhergesagten königlichen Erbprinzen. Das spätere durchaus männliche Auftreten Königin Christinas tat ein Übriges, um Vermutungen über eine Intersexualität, Gerüchte über lesbische Neigungen und Zwitterwesen zu mehren, was aber aufgrund zweier Obduktionen nach dem Tod widerlegt wurde. Ein Mädchen war sie, wurde aber nach dem Willen des Vaters, der sie liebte, als legitimer Erbprinz erzogen. Gustav Adolf liebte auch seinen neun Jahre älteren unehelichen Sohn, mit deren Mutter ihn noch während seiner Ehe mit Maria Eleonore wohl viel verband. Aber um diese Bastarde machte man sich damals wenig Gedanken. Wichtig war die legitime Eheschließung. Liebe und Sexualität hat die königliche Ehefrau offensichtlich getrennt, das ist erstaunlich. Trotz der unermesslichen Anhänglichkeit der Gattin schickte diese ihrem Mann schöne Mädchen ins Feldlager, wenn sie selbst nicht anwesend war! Mit ihrem Neugeborenen ging sie lieblos um, hatte zunächst kein Interesse an ihm und überließ es den Hebammen. Es heißt, diese hätten das Kind einmal fallen gelassen. Eine Schulterverletzung war die Folge, eine Schulter blieb höher verwachsen als die andere, Christinas Haltung war leicht schief, dadurch aber nicht in ihren späteren sportlichen Aktivitäten behindert. Alle Augenzeugen berichteten, wie geschickt die Königin diese leichte Entstellung durch die Wahl ihrer Kleidung verbarg. Vor dem Tod ihres Vaters auf dem Schlachtfeld, als sie sechs Jahre alt war, musste sie also vorher ein Trauma verarbeiten.
Schon als kleines Kind schildert Christina sich in ihren Memoiren als Ehrfurcht einflößend gegenüber Gesandten aus fremden Ländern, wie zum Beispiel einer russischen Delegation. Das herrschaftliche Gebaren des Kindes entzückte natürlich auch ihren Vormund, den Kanzler Axel Oxenstierna, der im Testament des erschlagenen Gustav Adolfs als einer ihrer Erzieher bestimmt war. Christina hatte in ihrem Leben mit den zwei mächtigsten Staatsmännern des 17. Jahrhunderts zu tun, mit dem schwedischen Kanzler Axel Oxenstierna und dem französischen Kardinal Giulio Mazarin. Beide übten sich perfekt in Strategie und Taktik, in Kriegsführung und Vorteilnahme für ihr Land. Ihre eigenen staatspolitischen Kenntnisse und Begabungen lernte sie durch Axel Oxenstierna zu vervollkommnen. Sie ist ihm dankbar wie einem Vater, so schreibt sie in ihren Memoiren, aber wendet sich von ihm ab, wenn es um ihre eigenen Interessen geht. Zwischen beiden spielt sich das Drama eines Generationswechsels ab.
Axel Oxenstierna, ein orthodoxer Lutheraner, mag sogar eine Weile gehofft haben, seinen ältesten Sohn Johan mit Christina zu verheiraten. Er setzte ihn als Leiter der Delegation zu den Friedensverhandlungen in Westfalen durch. Aber dieser erwies sich als unfähig, bemühte sich wenig. Er hatte die väterliche Instruktion, den Frieden hinzuziehen. Oxenstierna glaubte, ein Frieden würde das militärisch starke Schweden schwächen. Christina setzte den ihr ergebenen John Adler Salvius als gleichberechtigten Verhandlungspartner ein, der schon ihrem Vater gedient hatte. Er hatte die heimliche Anweisung, so schnell wie möglich einen Friedensschluss herbei zu führen. Er bekam mehr Gewicht bei den federführenden Partnern als der Sohn Oxenstiernas, so kam es, dass Christina sich als Friedensstifterin feiern lassen konnte.
In der Pubertät geriet Christina wie jeder junge Mensch in Gefühlsverwirrungen, verliebte sich, war unsicher und erlebte auch Zurückweisung. Nicht von ihrer ersten Liebe, ihrem Cousin Karl Gustav, den sie lange heiraten wollte, sondern von Magnus De la Gardie, Sohn Ebba Brahes, der großen Liebe ihres Vaters, die er nicht heiraten durfte, aber von ebenso vornehmer Herkunft. Der überall glänzende Magnus schmeichelte ihr, nutzte sie und ihre Verliebtheit aus, liebte und heiratete aber ihre Freundin und Cousine, eine Tochter des Onkels, Pfalzgraf Johann, und von Katharina, der Halbschwester Gustav Adolfs. Christina ließ es sich nicht nehmen, den beiden bei der Trauung persönlich die Hände ineinander zu legen und den für ihre Umgebung zweideutigen Satz zu sagen, sie gäbe ihrer Freundin das Liebste, was sie habe. Der ausgesprochen gut aussehende Mann war der erste einer Reihe von Favoriten, der es schaffte, dass sie ihm trotz seiner Verschwendungssucht und obwohl er sie hinterging, weiterhin gewogen blieb. Erst als sie ihm ihre Gunst entzog, wurde er einer ihrer erbitterten Feinde nach ihrer Abdankung. Eifersüchtig hatte er beobachtet, wie andere, vor allem ausländische Gesandte wie der Spanier Pimentel oder der französische Arzt Bourdelot, ihm vorgezogen wurden. Inzwischen hatte sich auch eine neue Generation schwedischer Adeliger in ihre Gunst gedient. Er zettelte eine Intrige an, die aber für ihn schlecht ausging – er wurde vom Hof verbannt. Kein Wunder, dass er später, als Christina als Bittstellerin nach Schweden kam, ihr unversöhnlich entgegentrat.
In Schweden versammelte sich zur Zeit Christinas auf ihre Einladung hin ein Teil der besten Wissenschaftler und Künstler Europas. Kaum war der Westfälische Friede geschlossen, wurden Bibliothekare durch ganz Europa geschickt, um kostbare Bücher zu kaufen, wurden Gemälde aus Prag an den Hof gebracht, wurde Schweden Mittelpunkt im musischen Leben. Deutsche, italienische und französische Orchester spielten, Ballette wurden aufgeführt, bei denen Christina selbst mitwirkte, oft in der Rolle der Pallas Athene.
Sie gründete eine Akademie unter dem Namen Amaranthenorden, überwiegend zur Selbstverherrlichung. Das Symbol des Ordens war die der Immortelle verwandte Blüte des Amaranth. 15 Herren und 15 Damen sollten dem Orden angehören, sie mussten unvermählt sein und der Herrin, also ihr, ewige Treue geloben. Wie später bei ihrer Accademia reale in Rom war eine der wichtigsten Aufgaben die Reinigung der Dichtkunst von schwülstigen Ausdrücken. Das verwundert, wenn man heute ein von Christina entworfenes und mitverfasstes Drama liest, den Endymion von Alexander Guidi, im Pathos barocker Sprache. Diese sprachliche Komponente zu beachten ist aufschlussreich, wenn man den Abstand erkennen möchte, der zur heutigen Zeit besteht.
Eine Reihe großer Gelehrter wurde von Christina nach Stockholm eingeladen, der berühmteste war der Philosoph René Descartes, ein katholischer Franzose, der inzwischen im Exil in Holland lebte, da seine Ansichten in Frankreich für Misstrauen sorgten. Descartes’ Auffassung, dass die Welt unendlich sei, widerspräche der Lehre des Christentums, wurde behauptet. Wie sich Glaube mit »modernen« Wissenschaften vereinbaren lässt, war Christinas Frage. Nun, Gott sei unendlich, der Mensch und die Welt dagegen unbestimmbar. Das höchste Gut sei die richtige Anwendung des freien Willens. Das hörte sie natürlich gern, vor allem, weil die lutherische Orthodoxie solchen Gedanken kritisch gegenüberstand, für sie der Beweis der größeren Offenheit des Katholizismus.
Ein kurzer und insgesamt misslungener Besuch. Selbst wenn Christina vor seinem Ruhm und seiner Bedeutung große Hochachtung verspürte, scheint sie ihn als Mensch und Mann nicht sonderlich interessant gefunden zu haben, denn sie traf sich nur wenige Male mit ihm, vor allem zu einer Zeit, die für ihn eine Tortur war, nämlich um fünf Uhr früh. Kaum aus dem Bett in die winterliche Starre Stockholms geworfen, sollte er mit ihr über seine Philosophie diskutieren, die sie doch nicht verstehen konnte, wie er in Briefen an Elisabeth von der Pfalz offenbarte. Nichts hatte er an sich von der geschmeidigen Eleganz der Männer, die sie begünstigte, er war klein und dick und in ihren Augen wohl eher eine komische Figur. Sie beauftragte ihn, das Libretto für ein Ballett Geburt des Friedens zu schreiben, was er notgedrungen tat, nach dem Urteil von Zeitgenossen und Nachwelt gar nicht einmal schlecht. Dennoch blieb ihm Schweden genauso fremd wie die Königin. Die Missachtung und schlechte Stimmung trug sicher dazu bei, dass die Lungenentzündung, die er sich zuzog, ihn so schnell zu Tode brachte. Dem Freund Pierre Chanut, französischer Botschafter und Nachrichtenübermittler an Mazarin, der die beiden zusammengebracht hatte, war damit trotz der überragenden philosophischen Bedeutung Descartes’ kein Erfolg beschieden. Dabei hatten Christina und er vor dem Besuch viele Briefe gewechselt über Descartes, seine Ansichten, seine herausragenden Fähigkeiten diskutiert. Seit der Antike trieben jeden Philosophen die Beziehungen zwischen Geist und Körper, Verstand und Gefühl um. Den Leidenschaften, den Gefühlen, die Menschen quälen konnten wie die Liebe, hatte Descartes dabei eine Erkenntnis eingeräumt, die Christina entsprach. Erkenntnisse, die auf der Vernunft basieren und nachzuvollziehen sind. Also eine wissenschaftliche, keine spekulative Methode, wie die anderer Philosophen. Diese wissenschaftliche Methode wandte er auch auf Probleme an, die Seele und Gefühl betrafen.
Inzwischen aber hatte ihr neuer Arzt Pierre Bourdelot, früher einmal Leibarzt des französischen Königs Louis III. und der Familie des von Christina verehrten Prinzen Condé, der ihr ebenfalls von Botschafter Chanut vermittelt worden war, ihre Lebensweise verändert. Mehr Schlaf, mehr Vergnügen, mehr frische Luft und weniger Studien. Er brachte eine französische Leichtlebigkeit an den schwedischen Hof und die Gelehrten hatten das Nachsehen. Einige reisten enttäuscht wieder ab.
28 Jahre hat Christina von Schweden in Stockholm verbracht. Es waren überwiegend unglückliche Jahre, trotz ihres Bedürfnisses nach der Macht, die sie innehatte, voller vergeblicher Sinnsuche und Getriebenheit. Die Langeweile eines vorgezeichneten Weges muss sie daran gehindert haben, sich voll und ganz auf ihr Amt als Herrscherin einzulassen. Es gab außer Fragen zu Religionszugehörigkeit, Wissenschaft und Vergnügen nichts Neues mehr, was sie beschäftigen oder voranbringen konnte. Es hätte die Ehe sein können, vielleicht die Geburt eines Kindes. Aber nachdem sie allem abgeschworen hatte, vielleicht auch aus einem Gefühl der Unzulänglichkeit auf diesem Gebiet, nach vergeblichen Lieben zu Menschen, die sie nicht erhörten, die ihrer Stellung schmeichelten, aber nicht ihrer Person und Weiblichkeit, wie der schöne Magnus De la Gardie, der jeden Gedanken an den ihr verbundenen, immer korpulenter werdenden Cousin Karl Gustav verblassen ließ. Vor anderen äußerte Magnus sich wenig vorteilhaft über Christina. Für ihn war sie einfach zu männlich in ihrem Benehmen und ihrem Aussehen. Ihre materiellen Gunstbeweise verschmähte er natürlich nicht. Warum Christina ihn in seiner maßlosen und von allen Mitgliedern des Reichstages kritisierten Verschwendungssucht gewähren ließ, bleibt rätselhaft.
Die Intrigen des Hoflebens, vor allem Geheimnistuerei und Verstellung, hat Christina beherrscht wie kaum jemand. Darunter aber litt sie, denn sie war als junge Frau häufig krank, ein Grund dafür, nach geeigneten Leibärzten zu suchen. Krank wurde sie unter dem Druck, heiraten zu sollen, gleichzeitig zu spüren, wie sehr ihr die Macht zugunsten des Adels entgleiten würde, wenn sie die Nachfolge nicht bald regeln würde. Schweden sollte ein starkes, erbberechtigtes Königtum behalten, doch das ging nur, wenn sie heiratete und Kinder bekam oder aber, so ihr genialer Schachzug, den Reichsrat überzeugen konnte, ihren Cousin als Nachfolger einzusetzen. Der war ihnen dann doch lieber als Nachkommen des katholischen Zweigs der Wasa auf dem polnischen Thron, die auch Ansprüche stellten. Nicht zu wissen, wie sie den Konflikt lösen sollte, verursachte ihr Kopfschmerzen, Appetitlosigkeit, Magen-Darm-Erkrankungen, Fieberanfälle, Menstruationsbeschwerden, Geschwüre. Probleme, die sie schon kurz nach ihrem Regierungsantritt belasteten. Das lebensgefährliche Fieber zog sie sich zu, als sie ihrer Mutter, die nach sieben Jahren Abwesenheit nach Schweden zurückkehrte, entgegenreiste und ein Sturm sie zwang, zwei Nächte im Freien zu übernachten.
Vermutlich konnte ihr Körper die psychische Belastung nur so verarbeiten. Aber die neue Lebensweise, durch den Arzt Bourdelot veranlasst, wirkte Wunder und sie erreichte sogar für damalige Begriffe mit 63 Jahren ein hohes Alter. Stimmt es, dass die Krankheiten, besonders die, bei der sie dem Tode nahe war, sie Gott gegenüber verpflichteten, katholisch zu werden, wenn sie überlebte? So steht es in ihren Memoiren.
Es blieb für die hochgestellten Herrschaften auch nichts anderes übrig als eine Zweiteilung der Persönlichkeit: ehrlich und geradeaus mit wenigen Vertrauten zu sein, gegenüber der Umwelt jedoch Taktik, Hinhalten oder falschen Schein an den Tag zu legen. So nur konnte Christina die Konversation mit dem Kanzler Oxenstierna nach ihren eigenen Zielen lenken, so nur ihren Willen nach Bildung, ihre Abdankungsbestrebungen und ihren Friedenswunsch durchsetzen.
Man muss nur einmal zeitgenössische Philosophen lesen, um zu erkennen, dass diese höfische Persönlichkeitsspaltung normal war, sogar lebensnotwendig, um sich in Machtpositionen durchsetzen zu können. Das ist beileibe keine Tugend, auch wenn der Zeitgenosse Montaigne spottet: »… die Kunst der Verstellung gehört zu den namhaftesten Auszeichnungen dieses Jahrhunderts.« Ebenfalls sieht Christinas Zeitgenosse La Bruyère die einzige Möglichkeit, der Falschheit zu entrinnen, darin, sich aus dem gesellschaftlichen Leben zurückzuziehen. Er schreibt in Die Sitten im Zeitalter Ludwigs XIV:
»Ein Mensch, der den Hof kennt, ist Herr über seine Bewegungen, seine Augen, seine Mienen. Er ist undurchdringlich verschlossen; er weiß den schlimmen Diensten einen angenehmen Schein zu geben, lächelt seinen Feinden zu, beherrscht seine Laune, verhehlt seine Leidenschaften, verleugnet sein Herz, spricht und handelt wider seine Gefühle.«
Das alles beherrscht Christina im Sinne des Hoflebens perfekt. Wenn sie sich bei bestimmten Gelegenheiten davon befreien kann, so nur deshalb, weil sie autokratische Souveränität für sich beansprucht, das Taktieren nicht nötig hat, wenn es um ihr Machtwort geht. Wer aber verfolgt, mit welchem Geschick sie ihre Landsleute und später die päpstliche Politik jahrelang an der Nase herumführt, weiß, dass sie alle Tricks kennt und anwendet.
Ein anderer Ehrgeiz, der ebenfalls in den philosophischen Maximen bedeutender Zeitgenossen gegeißelt wird, ist ihr ebenfalls nicht fremd. Während sie einerseits Förderin von Künsten ist, will sie andererseits sich selbst künstlerisch verwirklichen, vor allem in ihren letzten Lebensjahren durch Schreiben. Auf ihre Aphorismen und Gedanken komme ich noch zurück, hier nur die Meinung der zitierten Philosophen, die sie sicherlich auch gelesen hat. Montaigne meint:
»Die Schreibseligkeit scheint ein Kennzeichen eines zuchtlosen Zeitalters zu sein. Wann haben wir so viel zusammengeschrieben, wie seitdem wir von Wirren heimgesucht sind, wann die Römer so viel wie zur Zeit ihres Niedergangs?«
La Bruyère schreibt:
»Mancher ergreift plötzlich und ohne am Abende vorher daran gedacht zu haben, Papier und Feder und sagt zu sich selbst: ›Ich will ein Buch machen‹.«
Christina hat viel geschrieben, fast immer französisch, eine Sprache, die im 17. Jahrhundert die Sprache des Adels und der Höfe war. Am preußischen Hof, an dem ihre Mutter aufwuchs, wurde französisch gesprochen, so ist es nicht erstaunlich, dass Christina diese Sprache so perfekt sprach, dass sie am französischen Königshof dafür Komplimente erhielt. Ihr Italienisch war nicht so vollkommen. Sie versuchte sich in allen literarischen Formen, die im 17. Jahrhundert aktuell waren. Die Literatur hatte damals vor allem einen ähnlichen Anspruch wie eine Unterhaltung intelligenter Höflinge, eine ständige Beobachtung der menschlichen Art und Weise zu denken und zu fühlen, sie war also eher philosophisch betont als erzählend. Es gab wenig Romane, die Gegenwart und Handlungsstränge schildern, sondern an Vorbildern geschulte mythologische Stoffe in dramatischer Form. Das galt auch für Christinas Schreiben. Ihr Leben lang schrieb sie unzählige Briefe, die gut lesbar sind. Und Aphorismen oder »Maximen«, die nicht immer originell sind, aber doch von einem unabhängigen Geist zeugen. Ihre Briefe, Memoiren und offiziellen Staatsdokumente werden im Schwedischen Reichsarchiv in Stockholm aufbewahrt. Sie zeigen ihre zügige Schrift, die leicht und gleichmäßig, wenn auch oft schwer zu lesen, über das Papier gleitet. Die Dokumente tragen, wie damals üblich, nur ihre Unterschrift.
Christinas Kardinalsfreund Azzolino schrieb Komödien und Opernlibretti und Gedichte, die sie besonders gern von ihm lesen wollte. Schreiben fungierte als Gesellschaftsspiel der höheren Kreise, war ganz der Sphäre des Hofes verhaftet, auch wenn die großen Geister wie Montaigne sich davon voll Abscheu abwandten. Die Königin aber ging nicht schreibend ins Kloster nach ihrer Abdankung, wie Papst und Kirchenvertreter vermutet und gewünscht hatten, sondern spielte weiter Königin. Tatsächlich lesen sich einige ihrer Briefe so, als wollte sie ihr nach außen gewandtes Leben total ändern nach der Abdankung. Ihrem Freund, Botschafter Chanut, der in ihre Pläne eingeweiht war und sie vor den Konsequenzen warnte, schrieb sie, sie wolle sich hinter die Bühne zurückziehen:
»Ich werde diese Muße benützen, um mein vergangenes Leben zu prüfen und meine Fehler ohne Bedauern und Erstaunen zu verbessern … Was auch immer geschieht, ich bin glücklich … und ich fürchte mich nicht vor der Vorsehung, von der Sie mir sprechen. Will sie meine Angelegenheiten bestimmen, so unterwerfe ich mich mit der Demut und Ergebung, die ich ihrem Willen schulde, überlässt sie mir die Leitung, so werde ich einsetzen, was sie mir an Kräften und an Einsicht in die Seele gelegt hat, um mich glücklich zu machen.«
Und sie hofft, ihn eines Tages zu sehen und mit ihm ihre Ruhe zu genießen. Nun, von Ruhe war nicht viel in ihrem Leben, aber die starken Worte, sich in das zu fügen, was sie nicht beeinflussen kann, dieser völlige Verzicht aufs Jammern, bleibt ihr bis in die letzten Lebenstage erhalten.
Lang war der Weg zu dem endgültigen Entschluss, abzudanken. Verdankt sie die Konversion ihrem toleranten Lehrer und Erzieher Johann Matthiae? Noch vor Axel Oxenstierna war er für ihre religiösen Belange zuständig und lehrte sie die sechs Sprachen, in denen sie sich zum Teil fließend verständigte. Kenntnisse in Philosophie, Theologie und Welterfahrung wurden ihr von ihm vermittelt. Johann Matthiae, ein bedeutender Theologe, Bischof und ein Meister an Toleranz, der am liebsten Lutheraner und Calvinisten vereint hätte, lehnte auch den Katholizismus nicht so konsequent ab wie schwedischen Lutheraner. Er, den sie Papa nannte und dem sie ihr Leben lang herzlich zugeneigt blieb, scheint seine Schülerin zu einem selbständigen Denken geführt zu haben. Auch wenn sie ketzerische Ideen äußerte (wie die Ablehnung des Jüngsten Gerichts), verurteilte er sie nicht. Mit ihm diskutierte sie theologische Lehren, mit ihm studierte sie die antiken Sprachen und Geschichte. Ihm bewahrte sie ein Leben lang eine Zuneigung und Achtung, gerade weil ihm seine Anschauungen das Bischofsamt in Uppsala gekostet hatten. Liebevoll schreibt sie über ihn in ihren autobiografischen Aufzeichnungen, die sie im Alter anfertigt.
Ein erster Versuch, den Reichsrat von einer geplanten Abdankung zu benachrichtigen, erfolgte 1651.
Damals wollte sie insgeheim den Glauben wechseln, hatte sich schon lange für den Katholizismus interessiert und sich mit allen Gewährsleuten, vor allem dem französischen Botschafter, vorsichtig ausgetauscht. Allerdings dachte sie zunächst noch daran, durch Geheimhaltung trotzdem Königin bleiben zu können. Vieles schaffte auch der Zufall. Katholiken am Hof, die alle in Staatsgeschäften aus fremden Ländern kamen, entpuppten sich wie der Portugiese Antonio Marcedo, Kaplan des portugiesischen Gesandten, als jesuitische Priester. Natürlich musste dies geheim bleiben, denn Jesuiten war es bei Todesstrafe verboten, Schweden zu betreten. Er sprang für einen erkrankten Dolmetscher ein und führte Unterhaltungen mit der Königin, die andere Inhalte als die Staatsgeschäfte hatten, die ein Gesandter führen sollte. Ein reiner Zufall 1651, als sie schon ein paar Jahre über die Abdankung nachgedacht hatte. Ihn schickte sie in geheimer Mission nach Rom. Kaum war er abgereist, kam ebenso zufällig der Jesuitenpater Godfried Francken im Gefolge eines spanischen Gesandten nach Stockholm, auch er ein wichtiger Kontakt. Die aus vielen Ländern stammenden Künstler, Balletttänzer, Schauspieler und Musiker gehörten überwiegend dem katholischen Glauben an und mögen sie beeinflusst haben. Neben der Einigung unter einem Oberhaupt, dem Papst, ist für sie, die schon die Trennung von Lutheranern und Calvinisten unnatürlich fand, der Unitätsgedanke ein Anziehungsmerkmal. Aber auch die Ästhetin ist es, die sich durch die äußerlichen Feierlichkeiten, die Pracht und Rituale der Liturgie eingenommen fühlt.
Die Korrespondenz, die sie mit dem vielgereisten Herzog von Bracciano aus der Familie Orsini führte, der ihr auch in Rom gewogen blieb, mag dazu beigetragen haben, die Sehnsucht nach einem Glaubenswechsel zu verstärken, auch wenn es sich in den Briefen meist um Fragen der Künste handelte.
Für eine, die inzwischen durch die Auseinandersetzungen mit den Mitgliedern des Reichstages, vor allem dem Kanzler Oxenstierna, erkannt hatte, dass die Politik ein Geschäft war, das ihr nicht nur lag, sondern sie auch ihr ganzes Leben interessieren würde, war es doch ein immenser Weg, wegen des Glaubens auf ihr Amt zu verzichten. Doch einer heimlichen Konversion wurde vonseiten der sie zum Glaubenswechsel bewegenden Jesuiten energisch widersprochen. Das würde der Papst niemals dulden.
Bei jeder Zusammenkunft des Reichstages galt es erneut, die widerstrebenden Interessen der adeligen und bäuerlichen Stände zu überzeugen, dass sie zwar alle Privilegien behalten, aber als Frau es sich nicht länger zumuten wollte, die Regierungsgeschäfte, die sie so glänzend wahrgenommen hatte, weiter zu bedienen. Das war das einzige Mal, in dem sie ihren Status als Frau in einer entschuldigenden Weise ins Spiel brachte. Sie wollte ein Leben allein nach ihren Vorstellungen, und das war keinesfalls ein Königinnenleben mit Mühen, Verantwortungen und Auseinandersetzungen wegen ihres persönlichen Lebensweges. Den wollte sie selbst bestimmen. Sie wusste auch, dass es Kritik gab an ihrem verschwenderischen Leben, daran, dass sie verdienstvolle Leute in den Adelsstand berief, die dann der Allgemeinheit zur Last fielen. Misstrauisch beobachtete der alteingesessene Adel, wie ihr Stand sich unter Christina vermehrte.
Eine Weile war sie unentschlossen, wohin sie sich wenden sollte. Sie suchte die Fürsprache des französischen Hofes, einmal weil sie perfekt Französisch sprach, dann weil die Nähe des verbündeten Frankreichs zu Schweden sowie ihre französischen Freunde am Hof dies bevorzugten. Oder sollte sie Schutz suchen beim spanischen König? Der schmiedete sogar Pläne, seinen Sohn mit ihr zu verheiraten. Aber schnell erkannte sie, dass eine Königskonkurrenz sie in dieselbe Bedeutungslosigkeit bringen würde wie eine Eheschließung. So blieb Rom erstrebenswert als am besten geeigneter Aufenthaltsort, als Glaubenszentrum ohne königliche Konkurrenz.
Zwei Beobachter haben den Weg zu ihrer Abdankung begleitet, durchaus nicht mit Bedenken sparend: der kaiserliche Gesandte Raimondo Montecuccoli, der alle Geschehnisse in einem Tagebuch festhielt, und der englische Botschafter Whitelocke. Mit ihm, einem steifen förmlichen Menschen des Hofes, der ihr zugetan war, tanzte sie auf dem letzten Ball als Königin bis in den Morgen.
Zu der beeindruckenden Abdankungszeremonie am nächsten Tag im Schloss von Uppsala, wo sie sich selbst die Krone vom Kopf nahm, weil keiner ihrer Untertanen das wagen wollte, wurde eine goldene Münze geprägt, für den neuen König und für sie. Auf seiner Münze stand: A Deo et Christina. Sie war also wie Gott die Königsmacherin. Und auf der Münze ihr zu Ehren steht unter einer Krone: Et sine te, also auch ohne Krone bleibt sie, was sie ist, nämlich Königin.