Читать книгу Gesammelte Werke von Charles Darwin (Mit Illustrationen) - Чарлз Дарвин, Darwin Francis - Страница 45
ОглавлениеNeuntes Capitel.
Secundäre Sexualcharaktere in den niederen Classen des Thierreichs
Derartige Charaktere fehlen in den niedersten Classen. – Glänzende Farben. – Mollusken. – Anneliden. – Crustaceen, secundäre Sexualcharaktere hier stark entwickelt; Dimorphismus; Farbe; Merkmale, welche nicht vor der Reife erlangt werden. – Spinnen, Geschlechtsfarben derselben; Stridulation der Männchen. – Myriapoden.
In den niedersten Classen des Thierreichs sind die beiden Geschlechter nicht selten in einem und demselben Individuum vereinigt und in Folge hiervon können natürlich secundäre Sexualcharaktere nicht entwickelt werden. In vielen Fällen, wo die beiden Geschlechter getrennt sind, sind die einzelnen verschiedengeschlechtlichen Individuen an irgend eine Unterlage dauernd befestigt, so daß das eine nicht das andere suchen oder um dasselbe kämpfen kann. Überdies ist es beinahe sicher, daß diese Thiere zu unvollkommene Sinne und viel zu niedrige Geisteskräfte haben, um die Schönheit und andere Anziehungspunkte des andern Geschlechts würdigen, oder Rivalität fühlen zu können.
In so niedrigen Classen wie den Protozoen, Coelenteraten, Echinodermen und niederen Würmern kommen daher secundäre Sexualcharaktere von der Art, wie wir sie zu betrachten haben, nicht vor; und diese Thatsache stimmt zu der Annahme, daß derartige Charaktere in den höheren Classen durch geschlechtliche Zuchtwahl erlangt worden sind, welche von dem Willen, den Begierden und der Wahl der beiden Geschlechter abhängt. Nichtsdestoweniger kommen dem Anscheine nach einige wenige Ausnahmen vor; so höre ich z. B. von Dr. Baird, daß die Männchen gewisser Eingeweidewürmer von den Weibchen unbedeutend in der Färbung abweichen. Wir haben aber keinen Grund zu der Vermuthung, daß derartige Verschiedenheiten durch geschlechtliche Zuchtwahl gehäuft worden seien. Einrichtungen, mittelst deren das Männchen das Weibchen hält und welche für die Fortpflanzung der Species unentbehrlich sind, sind unabhängig von geschlechtlicher Zuchtwahl und sind durch gewöhnliche Zuchtwahl erlangt worden.
Viele von den niederen Thieren, mögen sie hermaphroditisch oder getrennt geschlechtlich sein, sind mit den glänzendsten Farbtönen geziert oder in einer eleganten Art und Weise schattiert oder gestreift. Dies ist z. B. der Fall bei vielen Corallen und See-Anemonen (Actiniae), bei einigen Quallen (Medusae, Porpita u. s. w.), bei manchen Planarien, Ascidien, zahlreichen Seesternen, Seeigeln u. s. w.; wir können aber aus den bereits angeführten Gründen, nämlich aus der Vereinigung der beiden Geschlechter bei einigen dieser Thiere, dem dauernd festgehefteten Zustande anderer und den niedrigen Geisteskräften aller, schließen, daß solche Farben nicht als geschlechtliche Anziehungsreize dienen und nicht durch geschlechtliche Zuchtwahl erlangt worden sind. Man muß im Auge behalten, daß wir in keinem einzigen Falle hinreichende Beweise dafür haben, daß Färbungen in dieser Weise erlangt worden sind, ausgenommen wenn das eine Geschlecht glänzender oder auffallender gefärbt ist als das andere und wenn keine Verschiedenheit in den Lebensgewohnheiten der beiden Geschlechter besteht, welche diese Abweichungen erklären könnte. Der Beweis hierfür wird aber nur dann so vollständig, wie er je sein kann, wenn die bedeutender verzierten Individuen, welche fast immer die Männchen sind, ihre Reize willkürlich vor dem andern Geschlechte entfalten; denn wir können nicht annehmen, daß eine derartige Entfaltung nutzlos ist; und ist sie von Vortheil, so wird auch fast unvermeidlich geschlechtliche Zuchtwahl die Folge sein. Wir können indessen diese Folgerung auch auf beide Geschlechter, wenn sie gleich gefärbt sind, in dem Falle ausdehnen, daß ihre Färbung derjenigen des in gewissen andern Species derselben Gruppe allein so gefärbten Geschlechts offenbar analog ist.
Wie haben wir denn nun die schönen oder selbst prachtvollen Farben vieler Thiere der niedersten Classen zu erklären? Es erscheint sehr zweifelhaft, ob derartige Färbungen häufig zum Schutze dienen; doch sind wir in dieser Hinsicht äußerst leicht einem Irrthum ausgesetzt, wie jeder zugeben wird, welcher Mr. Wallace's ausgezeichnete Abhandlung über diesen Gegenstand gelesen hat. Es würde z. B. auf den ersten Blick wohl Niemand der Gedanke kommen, daß die vollkommene Durchsichtigkeit der Quallen oder Medusen von dem höchsten Nutzen für sie als ein Schutzmittel sei; wenn wir aber von Haeckel daran erinnert werden, daß nicht bloß die Medusen, sondern auch viele oceanische Mollusken, Crustaceen und selbst kleine oceanische Fische dieselbe glasähnliche Beschaffenheit, häufig von prismatischen Farben begleitet, darbieten, so können wir kaum daran zweifeln, daß sie durch dieselbe der Aufmerksamkeit pelagischer Vögel und anderer Feinde entgehen. Mr. Giard ist auch überzeugt,533 daß die hellen Farben gewisser Spongien und Ascidien ihnen zum Schutze dienen. Auffallende Färbungen sind für viele Thiere auch in so fern wohlthätig, als sie die Thiere, welche sie zu verschlingen Lust hätten, warnen, daß sie widrig sind, oder daß sie gewisse specielle Vertheidigungsmittel besitzen; dieser Gegenstand wird aber besser später erörtert werden.
In unserer Unwissenheit über die meisten niedern Thiere können wir nur sagen, daß ihre prachtvollen Farben das directe Resultat entweder der chemischen Beschaffenheit oder der feineren Structur ihrer Körpergewebe sind und zwar unabhängig von irgend einem daraus fließenden Vortheile. Kaum irgend eine Farbe ist schöner als das arterielle Blut; es ist aber kein Grund vorhanden zu vermuthen, daß die Farbe des Blutes an sich irgend ein Vortheil sei; und wenn sie auch dazu beiträgt, die Schönheit der Wangen eines Mädchens zu erhöhen, so wird doch Niemand behaupten wollen, daß sie zu diesem Zwecke erlangt worden sei. So ist ferner bei vielen Thieren, und besonders bei den niederen, die Galle intensiv gefärbt; in dieser Weise ist z. B. die außerordentliche Schönheit der Eoliden (nackter Seeschnecken), wie mir Dr. Hancock mitgetheilt hat, hauptsächlich eine Folge der durch die durchscheinenden Hauptbedeckungen hindurch gesehenen Gallendrüsen; und wahrscheinlich ist diese Schönheit von keinem Nutzen für diese Thiere. Die Färbungen der absterbenden Blätter in einem amerikanischen Walde werden von Allen, die sie gesehen haben, als prachtvoll beschrieben; und doch nimmt Niemand an, daß diese Färbungen für die Bäume von dem allergeringsten Nutzen sind. Erinnert man sich daran, wie viele Substanzen neuerlich von Chemikern gebildet worden sind, welche natürlichen organischen Verbindungen äußerst analog sind und welche die prachtvollsten Farben darbieten, so müßten wir es doch für eine befremdende Thatsache erklären, wenn nicht ähnlich gefärbte Substanzen oft auch unabhängig von einem dadurch erreichten nützlichen Zwecke in dem complicierten Laboratorium der lebenden Organismen entstanden wären.
Fußnote
533 Archives de Zoologie expérimentale. Tom. I. 1872, p. 563.