Читать книгу Ich bin Matteo Salvini - Chiara Giannini - Страница 6

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Es war der 17. Juni des Jahres 2014, ich war noch Herausgeber der Tageszeitung Libero.1 Mein Leitartikel auf der Titelseite an diesem Tage trug die folgende Überschrift: »Und wenn Salvini der neue Kopf des Centrodestra2 wäre?« Matteo Renzi war seinerzeit noch Ministerpräsident. Der heutige »einfache Senator« von Scandicci3 ritt damals auf einer regelrechten Erfolgswelle und hielt sich für unsinkbar. Doch zu seiner Rechten war irgendwie etwas in Bewegung geraten, selbst wenn die Situation der Mitte-RechtsParteien noch alles andere als rosig war. Ihre Ergebnisse bei der Europawahl 2014 waren trotz aller Bemühungen Silvio Berlusconis nicht gerade ein Erfolg. Forza Italia mußte Stimmeinbußen hinnehmen und auch die anderen Parteien des rechten Lagers hatten nicht besser abgeschnitten. Viele stellten Grundsatzfragen nach der Zukunft des Centrodestra, man organisierte Umfragen und führte Feldversuche durch, um sich ein Bild davon zu machen, wer die Moral, ja das Schicksal eines ganzen politischen Lagers wiederaufrichten könne. Ich selbst hielt es für müßig, mir über diese Frage allzu sehr den Kopf zu zerbrechen und schrieb an jenem Tag: »Vielleicht muß man gar nicht lange suchen, um doch den Namen eines Gewinners zu finden. Der einzige Vertreter des Centrodestra, der keine Stimmeinbußen hinnehmen mußte, der trotz der schlimmsten Wahlprognosen sogar zulegen konnte, das ist der andere Matteo – nämlich Salvini.«

Fünf Jahre zuvor, nach dem Skandal um die Diamanten und die in Tansania investierten Gelder durch Trota und die Piranhas, die um die Via Bellerio herumschwammen4, hätte niemand auch nur einen Euro auf die Zukunft der Lega gesetzt. »Il Carroccio«5 schien zusammen mit seinem Gründer am Anfang eines langsamen Untergangs zu stehen, der auch durch die Rettungsversuche eines Roberto Maroni6 nicht mehr aufhaltbar erschien.

Und da, im Moment der größten Schwierigkeit, kommt der ehemalige Mailänder Stadtrat daher, ein Bursche von vierzig Jahren, von denen er zwanzig in der Lega verbracht hat. Matteo Salvini, der nie um ein flottes Wort verlegen ist und wegen seiner Sentenzen, besonders wenn sie das Thema Ausländer betreffen, stets im Sperrfeuer wilder Empörung steht. Als neuer Vorsitzender der Partei, die sich den in ihrem Wappen verewigten Ritter Alberto da Giussano als Inspiration wählte, wußte er, was zu tun war, damit die Lega ihr Schwert mit neuer Kraft gen Himmel zu strecken vermochte. Hinfort also mit »Padanien«7 und den keltischen Riten, hinfort mit dem Sezessionsgedanken und all dem anderen Brimborium, das Umberto Bossi gegen die Regierungen der Ersten und der Zweiten Republik ins Feld geführt hatte. Hinfort mit der Polemik gegen den »parasitären Süden«, der dem italienischen Norden nur auf der Tasche läge. Sicher, der Kampf gegen die Zuwanderung blieb als zentrales Thema erhalten, aber der neue Feind hieß nun Europa.8

Von der »Diebin Rom« ging man über zum Feindbild »Moloch Brüssel« und hatte das Bestreben, aus der Lega eine Art italienischen Front National zu machen. Matteo Salvini verbannte die allzu extremistischen Themen auf den Dachboden, um sich als Vorsitzender einer Partei darzustellen, die in der Lage sein würde, sowohl den Euro wie auch die sogenannte Fornero-Reform9 zu attackieren, und außerdem nicht mehr bloß Stimmen im Kernland Venetiens, einer Lega-Hochburg, holen wollte, sondern auch in Kampanien und auf Sizilien.

Mein Leitartikel von 2014 schloß wie folgt: »Und wenn dies der neue Führer des Centrodestra sein wird? Wir werden es bald erfahren.« Und tatsächlich, bald schon sollte es Gewißheit werden. Salvini führte die Lega zu Erfolgen, die alle Erwartungen übertrafen, und erfreut sich heute einer enormen Zustimmung. Es gibt praktisch keine politische Debatte, die sich nicht um seine Person dreht. So ist es auch kein Zufall, daß der Innenminister und Vizepremier den wütenden Haß fast der gesamten italienischen Linken auf sich zieht, für die er nun zum Feind Nummer 1 geworden ist, eine Rolle, die einst mit Silvio Berlusconi besetzt war.

Als der cavaliere noch an der Regierung war, verging kein Tag, ohne daß von links nicht irgendein bekannter Kommentator die bevorstehende Diktatur oder wenigstens die Gefährdung der Demokratie ins Spiel brachte. Heute nun ist es nicht mehr der Vorsitzende der Forza Italia, den man als ärgste Bedrohung für Freiheit und Demokratie ausmacht – sondern der der Lega.

Es ist kein Zufall, daß die von Intoleranz und Haß motivierten Angriffe auf die Lega im Laufe der letzten Monate ernorm zugenommen haben. Das Innenministerium hat sogar in einem umfangreichen Dossier alle Angriffe auf Angehörige und Büros der Partei Salvinis zusammengestellt. In den ersten vier Monaten des Jahres 2019 wurden mindestens einhundert Fälle zur Anzeige gebracht. Das Jahr begann mit einem Pistolenschuß auf das Auto eines Kreisvorsitzenden der Lega in Taurianova, danach kam es in Bozen zu einem Übergriff auf einen kommunalen Mandatsträger der Partei, während in Pisa einige Anarchisten einen Abgeordneten der Lega überfielen, ihn beschimpften und mit Eiern bewarfen. Von den Alpen bis nach Sizilien, die Liste ist lang: von Pistolenschüssen auf Fahrzeuge über Angriffe auf Parteibüros, von Flugblättern mit Drohungen bis hin zu Briefen mit beigefügten Patronen, Sachbeschädigungen, verschiedensten Attacken und Beleidigungen am Rande von Versammlungen. Am stärksten betroffen ist, man glaubt es kaum, die Lombardei, Salvinis Heimat, gefolgt von der Emilia-Romagna, Trient und der Toskana. Kein einziger Vorfall wurde hingegen in der Basilikata im Süden Italiens angezeigt, wo es der Lega sogar gelang, nach Jahren der Mißregierung durch den Partito Democratico die Führung zu übernehmen.

Zu diesen hunderten Angriffen auf die Partei allein im ersten Quartal des laufenden Jahres kommen noch jene Attacken gegen ihren Chef hinzu. In vier Monaten gab es 127 Delikte, die im Zusammenhang mit Flugblättern, Schmierereien und Einschüchterungen stehen. Nur weil Salvini selbst unter Personenschutz steht, fehlen in dieser Aufzählung noch schlimmere Übergriffe gegen ihn persönlich. Andernfalls, so kann man sich leicht ausmalen, wäre dem Haß auf seine Person überhaupt nicht mehr beizukommen. Neben schriftlichen Morddrohungen und Parolen, die an Orten, die der Innenminister besucht, von irgendwelchen »Antagonisten« auf die Wände gesprüht wurden, verging kaum ein Tag, an dem nicht jemand eine Nettigkeit dieser Art an ihn richtete. Da gibt es jene, die ihm den Tod herbeiwünschen, die versichern, daß er das gleiche Ende wie Mussolini nehmen werde, die dazu auffordern, auf ihn zu schießen, oder die andere Untergriffigkeiten für ihn übrig haben. Nicht selten fällt auch der Begriff »Piazzale Loreto«, in Anspielung auf den Platz in Mailand, an dem Partisanen den Leichnam des duce mit dem Kopf nach unten aufgehängt hatten. Hinzu kommen die Beleidigungen im Internet oder im Zuge von Demonstrationen, die ungezählt bleiben. Allerdings werden die Urheber bisweilen identifiziert. Meist handelt es sich um Personen, die jenem linksradikalen Spektrum angehören, dessen Anhänger man früher als »Autonome« zusammengefaßt hätte und die heute einfach als »Antagonisten« bezeichnet werden.

Es sind natürlich wahrhaft aufrichtige Demokraten, die da unsere Freiheit verteidigen. Üblicherweise sehen wir sie eingereiht in die diversen antifaschistischen Demonstrationszüge, wo sie sich vermummen, um Schaufenster einzuschlagen oder geistreiche Phrasen auf Hauswände zu schmieren. Unter ihnen erwischte der italienische Staatsschutz Digos ab und an auch einige Ausländer, meist Afrikaner, also jene berühmten »Fachkräfte«, die wir mit offenen Armen aufgenommen haben und die sich dafür nun höflich bedanken. So etwa ein Tunesier, der Anfang März 2019 in Partinico auf Sizilien den Minister schreiend und mit den folgenden Worten begrüßt hat: »Du sollst sterben, mit durchgeschnittener Kehle unter der Erde, du Stück Scheiße«, um sich daraufhin vom Veranstalter der Demonstration mit einem unmißverständlichen Zeichen zu verabschieden: der Kopf-ab-Geste.

Das Dossier der Lega hat nicht einmal die Fälle des Vorjahres aufgenommen, aber es reicht ein kurzer Blick, um zu erkennen, daß zu den mehreren Dutzend Einschüchterungen und Übergriffen von 2018 allein in den ersten Monaten des Jahres 2019 schon mehrere hundert hinzugekommen sind.

Warum all dieser Haß? Weil Salvini – wie ich es 2014 vorhersagte – der neue Hauptdarsteller der italienischen Politik und der Leuchtturm des Centrodestra geworden ist. Ein im Vergleich zur Vergangenheit stark verändertes Centrodestra, nämlich sein eigenes, das des Matteo Salvini. Ein Centrodestra, das in der Lage ist, einen breiten gesellschaftlichen Konsens herzustellen und hohe Zustimmungswerte zu erreichen. Salvini hat eine Vision. Diese Vision muß nicht jedem gefallen, aber sie ist präzise und er verfolgt sie mit Entschiedenheit. Das ist der Grund, weshalb er von so vielen geehrt und wiederum von so vielen anderen brutal bekämpft wird. Aber genau das ist eben das Schicksal eines echten leaders.

Maurizio Belpietro

Ich bin Matteo Salvini

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