Читать книгу Tequila - Chloé Césàr - Страница 6
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Patrick räkelte sich genüsslich im warmen Sand. Die Sonne stach bereits seit Stunden auf Key West herunter, obwohl es noch relativ früh am Tag war. Kein Wölkchen ließ sich am tiefblauen Himmel blicken, das Meer schimmerte türkisgrün, die Wellen rauschten verheißungsvoll.
Er war erst eine halbe Stunde zuvor überhaupt aus den Federn gekommen, die Nacht war lang und heiß gewesen, an Schlaf war in einem Klima wie diesem vor fünf Uhr morgens ohnehin nicht zu denken. Zumindest wenn man wie Patrick aus kälteren Gefilden stammte und noch nicht an die hiesigen Verhältnisse angepasst war.
Außerdem dauerte sein Dienst letzte Nacht wieder einmal bis weit nach drei Uhr. Die letzten Barfliegen hatten sich einfach nicht verscheuchen lassen, die von Patrick gekonnt gemixte Margarita »Hemingway« hatte weiblichen wie männlichen Gästen gleichermaßen geschmeckt.
Obwohl er erst seit wenigen Wochen in der Crocodile-Bar arbeitete, hatten Patricks Margaritas bereits einen gewissen Bekanntheitsgrad erlangt. Es gab Leute, die am späten Nachmittag zur Happy Hour eigens rasch vorbeikamen, um eine Margarita dieser Güte zum halben Preis zu ergattern. Hinterher mussten sie dann häufig nochmals ins Geschäft oder Büro zurück oder in den nächsten Supermarkt, um das Abendessen für die Familie einzukaufen.
Patrick konnte über solche Verrücktheiten der Amerikaner nur lächelnd den Kopf schütteln. Er war kein Trinker, vor allem aber stand er nicht auf Cocktails, auch wenn er sie gerne und absolut gekonnt mixte. Zum einen gefielen ihm die Farben, die dabei entstanden. Zum anderen liebte er es, immer neue Variationen von wohl bekannten »klassischen« Drinks – wie der Margarita – zu kreieren und seine Gäste damit zu überraschen.
Die entzückten Mienen beim ersten Schluck, die Nachbestellungen – »Hey, Patrick! Superjob, Mann. Noch so einen für die Straße!« – sowie die meist großzügigen Trinkgelder – im Amerikanischen Tip genannt – machten seinen Job für ihn so liebenswert.
Er fühlte sich ohnehin wie der geborene Barkeeper. Patrick hatte, solange er sich zurückerinnern konnte, nie etwas anderes werden wollen.
Als Junge hatte ihn sein Vater an Samstagabenden manchmal mitgenommen, wenn er in der einzigen Bar der Kleinstadt, in der sie wohnten, am Klavier saß und für die Gäste, die sich fast alle untereinander kannten, Chopin spielte.
Eigentlich war der Vater ein mittlerer Beamter bei der Post, aber sein Traum war stets Konzertpianist gewesen. Dafür hatte es nicht gereicht, die Bar in der bayerischen Kleinstadt war ein Ersatz und tat es auch.
Patricks Vater war nicht unglücklich, der Postjob ernährte die Familie, die er liebte, und das Klavierspiel am Samstagabend – zwei Stunden lang – brachte ein nettes Zubrot ein.
Die Mutter billigte das Hobby ihres Mannes, allerdings hielt sie wenig davon, ihren Sohn in so jungen Jahren bereits »in diesen Kreisen« zu wissen. Und um Punkt zwanzig nach zehn hatten die beiden zu Hause zu sein. Der Auftritt endete stets um zehn in der Nacht – danach sang eine junge Frau Chansons -, der Heimweg dauerte zehn Minuten, fünf Minuten brauchte der Vater, um das Klavier zu schließen, aufzustehen und sich zu verbeugen, den mageren Applaus und anschließend sein mageres Honorar vom Besitzer der Bar in Empfang zu nehmen.
In den beiden Piano-Stunden bekam Patrick von dem Barbesitzer stets zwei Pepsi-Colas spendiert, eine für jede Stunde, die der Vater Chopin oder auch so manchen alten, schnulzigen Schlager spielte: Gehm Se dem Mann am Klavier noch ’n Bier, noch ’n Bier! – was auch prompt und immer funktionierte. Der Vater bekam vom Barbesitzer seinerseits pro Stunde Auftritt ein Gläschen Bier auf den Flügel gestellt. Zusätzlich zum vereinbarten Honorar. Der Chef war ein netter Kerl und mochte sich nicht lumpen lassen.
Natürlich gab es in dem Etablissement auch einen Barkeeper. Er hieß Oskar, war mittleren Alters, trug ein freches Schnurrbärtchen, konnte es gut mit den Damen und erzählte hinreißend lustige Geschichten.
Patrick mochte Oskar, und umgekehrt verhielt es sich genauso. Der Junge beobachtete den Barkeeper gerne bei seiner Arbeit. Was er sah, gefiel ihm immer besser. Irgendwann begann er den Mann zu bewundern.
Patrick erkannte im Laufe der Zeit, dass es eine Kunst für sich war, ein wirklich guter Barkeeper zu sein. Das Mixen und Einschenken von diversen Getränken war dabei nur ein Teil des Jobs. Viel wichtiger schien zu sein, wie souverän Oskar mit Menschen umging. Freundlich-zurückhaltend und lässig-heiter, oder fürsorglich, aufmerksam, tröstend, zuhörend, je nachdem, welcher Typ Gast am Tresen auftauchte. Und in welcher Stimmung der Besucher sich gerade befand.
Oskar erkannte stets blitzschnell, was Sache war.
Hatte jemand Kummer und wollte nur reden, reden, reden, dann hörte Oskar einfach zu. Brauchte jemand Ansprache, so quasselte Oskar munter drauflos.
Sein Vorrat an schrägen Witzen schien unerschöpflich, für jeden war etwas dabei.
Und die Frauen – ach, die hübschen Frauen!
Sie liebten ihn alle, den Oskar. Er brachte sie zum Lachen. Und es gelang ihm mühelos, jeder einzelnen von ihnen das tolle Gefühl zu geben, schön und begehrenswert und charmant zu sein. Die Königin des Abends.
Und mehr wollten sie ja meist auch gar nicht. Ein paar Stunden dem Alltag entfliehen, sich ein wenig amüsieren, ein nettes Gespräch mit dem Mann hinter der Bar, ein kleiner Flirt, ein bisschen Alkohol für den besseren Schlaf später, das war’s!
Der Mann am Klavier – Patricks Vater also – interessierte die Damen ebenfalls. Aber er war beschäftigt mit seinem Spiel, hatte keine oder nicht viel Zeit für die Schönen der Nacht – die Zeit hatte Oskar. Und sie arbeitete prompt für ihn.
Also beschloss der junge Patrick eines schönen Samstagabends: Der einzige Beruf, der jemals für ihn in Frage käme, war Barkeeper.
Als Erstem vertraute er sich natürlich Oskar an. Der strahlte vor Stolz und Freude, wusste er doch ganz genau, dass er dem hübschen und intelligenten Jungen als Vorbild diente.
»Gute Wahl, Bub!« sagte Oskar und schenkte ihm noch eine Pepsi ein. »Ein Sunnyboy bist du schon von Natur aus, den Rest lernst du mit Links. Die hübschesten Mädels werden dir später zu Füßen liegen. Das ist unbezahlbar, damit kommst du prima durchs Leben, wenn du schlau bist. Und du bist es, ich weiß das.«
Der Vater war weniger begeistert von den Zukunftsplänen seines Sprösslings.
»Lass das bloß nicht deine Mamma hören, Sohn!«, sagte er und räusperte sich ausgiebig. »Die reißt mir den Kopf ab dafür, und außerdem lässt sie dich dann auch nicht mehr mit mir in die Bar gehen.«
Das verstand Patrick intuitiv, er wusste nur zu gut: In dem Punkt lag der Vater richtig. Und noch eines wusste er von da an: Sein Erzeuger selbst fand den Plan des Sohnes nicht gerade umwerfend. Bloß hielt er sich mehr zurück, dachte er doch an seine eigenen Jugendträume: eben Konzertpianist, und vorher Schornsteinfeger.
»Träume sind Schäume!«, sagte der Vater und setzte sich mit einem leisen Seufzer wieder ans Klavier. Später, auf dem Heimweg, sprachen sie über andere Dinge, Fußball und die Schule, die bevorstehenden Ferien.
Der Junge lernte etwas Neues an diesem Tag und hielt also in Zukunft lieber seinen Mund über das offenbar heikle Thema. Aber der Entschluss war dennoch unumstößlich gefasst.
Patrick wollte nur noch eines werden und sein für den Rest seines Lebens: BARKEEPER.
Nicht weit von ihm entfernt ließen sich jetzt zwei Touristinnen in farbenfrohen, knappen Bikinis auf ihren Badelaken am Strand nieder.
Die blondierten Haare waren neckisch hochgesteckt, riesige und sündhaft teure Designer-Sonnenbrillen glänzten auf gebräunten Näschen. Zigeunerohrringe klimperten verheißungsvoll und einladend.
Sorgfältig manikürte Füße staken in weichen Ledersandalen mit Goldriemchen, um die Fesseln schlängelten sich zarte Fußkettchen ... Jedes einzelne Accessoire schien sorgfältigst ausgewählt, um so sexy und anziehend wie möglich durch einen sonnigen Strandtag zu flattern – wie ein beschwipster Schmetterling.
Patrick beobachtete die Szene amüsiert. Sie war nichts Neues für ihn, lediglich die weiblichen Darsteller wechselten von Woche zu Woche.
Jede Wette: Auch diese Ladys hier werden nicht einmal die große Zehe ins Meer halten! Immerhin könnte eine vorwitzige Welle jederzeit und urplötzlich den schönen Schein einfach wegspülen. Man hat doch sicher andere Pläne und Absichten als zu schwimmen, oder?
Die Damen warfen verstohlene Seitenblicke in seine Richtung, und Patrick musste unwillkürlich breit grinsen.
Das alte, immer gleiche Spielchen. Ah – sieh an, wusste ich es doch! Schon gesehen, das verräterische Blinken des Goldes in der gleißenden Sonne, Ladys ... Ihr tragt eure Eheringe wie heilige Symbole, ihr beiden Hübschen. Als könnten sie euch vor euren eigenen schlüpfrigen Wünschen und begehrlichen Gedanken schützen. Die Sonnenbrillen nützen auch nicht viel, ich kann trotzdem genau erkennen, wohin ihr eure Äuglein wandern lasst.
Zu gerne würdet ihr jetzt mit euren Händchen über meinen trainierten Body streicheln, ihn behutsam erforschen bis hinunter zu der prallen, verheißungsvollen Ausbuchtung in meiner knappen Badehose.
Ich kann eure Wünsche und Gelüste körperlich spüren, Ladys! Denn ich bin genau der Typ Sunnyboy, den ihr euch herbeisehnt für eure Urlaubsbettchen.
Zu Hause den treusorgenden, hart arbeitenden Ehemann – und hier auf den Keys den knusprigen, unverbrauchten Loverboy. Zum Vergnügen und zur Ablenkung von der langweiligen Routine eures Alltagslebens.
Frauen wie euch gibt es überall auf der Welt. In Scharen. Sie kommen zu mir an die Bar, sie trinken, lachen, reden und flirten mit mir. Ich helfe ihnen dabei, sich gut zu fühlen, oft über diesen Abend hinaus. Manche hat mir schon am anderen Tag verschämt gestanden, geträumt zu haben in der Nacht, einen feuchten Traum, mit mir in der Hauptrolle. Und am Tag darauf auch noch weiter geträumt zu haben im warmen Sand, irgendwo am Meer.
Ich bin längst viel besser in dem Job, als Oskar es jemals war. Aber um fair zu sein – mir hat das Leben auch viel bessere Chancen geboten als ihm.
Ich konnte unsere kleine Stadt verlassen, in München, Düsseldorf, Berlin, und später sogar in Rom, Paris und London arbeiten.
Ich spreche fünf Sprachen, mixe sämtliche berühmten Cocktails aus dem Effeff und habe sogar eine Weile Schauspielunterricht genommen, um zu lernen, wie man sich am besten bewegt und verhält – je nachdem, in welcher Rolle man gesehen werden möchte.
So habe ich zum Beispiel auch den Part des »bösen Jungen« drauf! Bei manchen von euch Mädels zieht das nämlich besser als alles andere.
»Frauen sind merkwürdige Geschöpfe. Je schlechter ein Mann sie behandelt, desto mehr fressen sie ihm aus der Hand!« – diesen denkwürdigen Satz sprach einst mein Onkel zu meinem Vater, seinem Bruder.
Ich war vielleicht zwölf, dreizehn, kapierte aber bereits, was Onkel Theo meinte! Konnte ich dieses Phänomen doch sogar an meiner Schule in der Pause täglich beobachten.
Die Jungs, die sich am rüpelhaftesten und großspurigsten aufführten, ernteten das Lächeln und die Blicke der hübschesten Mädchen.
Ich aber bildete eine Ausnahme. Sie hatten mir den Spitznamen Sunnyboy verpasst. Beziehungsweise um bei der Wahrheit zu bleiben: Es war Oskars Werk gewesen. Vater erzählte es zu Hause, Mama und Großmama übernahmen es willig, irgendwie sprach es sich herum bis in die Schule.
Sie nannten mich nicht so, oder jedenfalls nur selten. Aber sie sprachen von mir, dem »Sunnyboy«, unserem Patrick. Hinter meinem Rücken, aber ich wusste es natürlich.
Es machte mir nichts aus, weil ich mich angenommen und gemocht fühlte. Ich besaß viele Freunde, auch die Lehrer mochten mich und triezten mich deshalb nicht. Sogar die Mädels schienen auf mich zu stehen, obwohl ich sie nicht an den Haaren zog oder ähnlich dummes Zeug anstellte.
Erst später im Leben probierte ich es dann doch aus und machte die Erfahrung, dass es durchaus von Vorteil sein kann, den »bösen Jungen« ebenfalls im Repertoire zu haben. Insbesondere auf sexuellem Gebiet!
Manche wunderschöne Frau bekommt man todsicher ins Bett, wenn man sie nur herablassend genug behandelt.
Erniedrige sie mit Blicken oder zusätzlich sogar mit Worten, und sie wird es kaum erwarten können, ihr Höschen auszuziehen. Und es dir blitzschnell über den Bartresen hinweg zu reichen. In den Augen dieses hungrige Betteln, das dir alles verspricht, was du dir als Mann nur wünschen kannst.
Und im Bett die harte Nummer weiter abzuziehen – das gibt den besonderen Kick. Auch dies durfte ich im Laufe der Zeit lernen. Natürlich nur innerhalb bestimmter Grenzen, tief drinnen muss das Mädchen nämlich immer spüren, dass es dir trotzdem vertrauen kann. Du wirst ihr nichts Schlimmes antun, auch wenn du sie brutal fesselst und ihr den süßen Hintern versohlst, bis die Haut sich rötet und brennt.
Wenn du es ihr hinterher nur gut genug besorgst, kannst du später alles, wirklich alles von ihr haben.
Auch außerhalb des Bettes ...
Oskar hatte ja so Recht damals, bloß wusste ich zu der Zeit natürlich noch nicht genau, was er gemeint hatte. Seine Worte hatten harmlos geklungen, jedoch exakt dieselbe Botschaft verkündet.
Ich frage mich ohnehin manchmal, wie viele Damen der »oberen Tausend« in unserem Städtchen Oskar wohl versorgt haben mag?
Es müssen etliche gewesen sein ... es gab sogar Gerüchte, jemand hätte ihn eines Tages auf einer lauschigen, versteckten Bank im Stadtpark mit der Frau des Bürgermeisters gesehen.
Meine Mutter brachte die Geschichte vom Bäcker heim und erzählte sie flüsternd meinem Vater.
Ich spitzte die Ohren und bekam natürlich alles mit. Außerdem hatte ich die Frau des Bürgermeisters einige Male alleine mit einer Freundin in der Bar gesehen. Nie an den Abenden, wenn mein Vater spielte – also samstags –, aber unter der Woche, wenn der Bürgermeister Versammlungen besuchte, zu denen Vater auch zu gehen pflegte, und ich allein durchs Städtchen streifte und in Fenster oder Türen lugte.
Ich war ein frühreifes, aufgewecktes und neugieriges Kerlchen gewesen, am meisten interessierten mich die Menschen und ihr Verhalten.
An jenem Sommertag – es war ein warmer Abend und die Tür zur Bar stand halb offen – hörte ich drinnen Oskars Bass dröhnen. Und die Gattin des Bürgermeisters und ihre Freundin kicherten albern dazu.
Irgendwie erregte mich das, und ich schlich nach Hause in mein Zimmer, wo ich auf dem Bett liegend genüsslich masturbierte. Wobei ich mir vorstellte, wie Oskar es mit der nackten Bürgermeistersgattin auf dem Boden hinter dem Tresen trieb. In derselben Stellung wie die Hunde im Park, die ich am Tag zuvor beobachtet hatte.
Die beiden Frauen neben ihm am Strand lachten plötzlich schrill und taten so, als ob sie sich prächtig über irgendetwas amüsierten.
Das Gekreische riss Patrick für einen Moment aus seinen Erinnerungen. Weil er wusste, worum es den Ladys in Wirklichkeit ging, drehte er den Kopf in ihre Richtung und schenkte ihnen ein siegessicheres Lächeln.
Strahlend weiße Zähne in einem gebräunten, markant geschnittenen Gesicht, wilde dunkelblonde Locken bis in den Nacken, filmreifer stahlblauer Blick: Die Wirkung trat schlagartig ein, das Gelächter verstummte, dafür wurde die Körpersprache intensiviert.
Da verrutschte der einen das Bikinioberteil doch so unglücklich – eine feste, runde Brust zeigte sich plötzlich völlig entblößt.
Der anderen ging das seitliche Bändchen am ohnehin schon winzigen Tangaslip auf, ein Windstoß und hui – die Lady besaß ja wirklich ein herzallerliebstes zartes und total rasiertes Venus-Mäuschen, das auch noch sprechen konnte: Komm zu mir, Katerchen, und schleck mein Honigtöpfchen leer!
Patrick tat so, als hätte er die beiden kleinen Malheurs gar nicht bemerkt. Das war der sicherste Garant dafür, bald mehr fürs Auge geboten zu bekommen. Die Ladys würden sich sicher etwas einfallen lassen. Allerdings vergeudeten sie damit ihre Energie, aber das konnten sie natürlich nicht wissen. Er rollte sich auf den Bauch, legte den Kopf auf die verschränkten Arme und schloss die Augen.
Er konnte die begehrlichen Blicke von nebenan auf seinem wohltrainierten Knackarsch spüren, wo sie brannten wie Feuer. Die Sonne meinte es heute wirklich gut. Einen Moment lang regte sich sein Schwanz: eine rein instinktive, völlig natürliche, quasi vollautomatische Reaktion auf das weibliche Angebot in nächster Nachbarschaft – immerhin war er ebenso gut trainiert und in Schuss wie alles andere an ihm.
Wer über ein derart reges Sexleben verfügte, brauchte sich bis ins hohe Alter hinein keine Sorgen zu machen wegen seiner Potenz. So ein Männerschwanz reagierte wie jeder normale Muskel auf ein gesteigertes Trainingsprogramm. Nur nie nachlassen, faul und häuslich werden, oder gar monogam!
Treue mochte für den Charakter ein Vorzug sein. Auf die Potenz wirkte sie sich langfristig verheerend aus.
Wissenschaftler hatten das sogar bei Ratten nachgewiesen, erst neulich war da dieser Artikel im Internet erschienen.
Zu Versuchsbeginn rammelten die Rattenmännchen noch voller Begeisterung und so oft wie möglich mit ihren neuen Partnerinnen. Doch irgendwann wurde das langweilig, waren die Rattenweibchen zu vertraut geworden. Prompt schadete das dem Trieb. Die Männchen fraßen lieber doppelte Portionen und wurden fett, Sex gab es viel seltener, wenn überhaupt.
Aber dann setzten die schlauen Forscher besagte Männchen in einen Käfig voll neuer, fremder Weibchen. Und sofort wurde eine heiße Sexorgie gefeiert. Tagelang. Bis die Männchen zwar erschöpft, aber dafür wieder schlank und rank und potent waren wie ehedem.
Aber nur knapp eine Woche später stellte sich der alte Schlendrian wieder ein: Sex? Nein danke, langweilig. Her mit dem Zusatzfutter und die Bäuche gemästet, Jungs!
Patricks Schwanz zuckte in der Badehose, wohlweislich lag sein Herr und Meister aber bereits auf dem Bauch. Er kannte sich selbst schließlich gut genug – der Anblick einer nackten Frauenbrust oder gar einer rasierten Muschi – meine Güte, da ging die Post halt einfach ab, wenn ein Mann ein echter Kerl war! Selbst wenn ihm momentan gar nicht der Sinn nach einer heißen Nummer stand, zumindest nicht bei dem Angebot von nebenan, die Welt hatte schon Besseres gesehen, immerhin.
Seht euch nur in Ruhe satt, Mädels! Mehr bekommt ihr nicht geboten. Ihr seid leider zu offensichtlich auf der Pirsch, lange verheiratet, ziemlich gefrustet, und das sieht man euren Gesichtern zu deutlich an.
Ich warte lieber auf meine Herzensprinzessin ...
Unter geschlossenen Augenlidern versuchte er, sie sich vorzustellen: wie sie aussah, sich bewegte, roch, sprach, lächelte, wie sie ihn ansah.
Geheimnisvoll und verräterisch zugleich ihre Blicke aus tiefdunkel veilchenblauen Augen ... Blicke, die nur ihm galten, ihm ganz allein.
Schwarze Locken hatte sie, blond war er schließlich selbst, er stand mehr auf dunkle Frauentypen, seit jeher. Und wenn schon blond, dann mit zarter, fast durchscheinender Haut, nicht so gegerbt wie seine beiden Strandnachbarinnen dort.
Seiner Herzensprinzessin würde er für ein Weilchen absolut treu sein, so lange, bis die Bindung hinreichend gefestigt wäre, bis sie ihn so sehr liebte, dass sie ihm alles verzeihen würde.
Oder – noch besser – alles glauben würde, was er ihr erzählte, denn so würde sie gar nicht erst Verdacht schöpfen.
Er wollte ihr nämlich um keinen Preis wehtun, der Herzensprinzessin, wäre sie nur endlich aufgetaucht in seinem Leben, an seiner Seite.
Andererseits wollte und konnte er auch nicht riskieren, das Schicksal eines seiner Gefährtin schließlich überdrüssigen Rattenmännchens zu erleiden!
Vor allem nicht, weil der Traum noch in die zweite Vollrunde gehen sollte, wenn die Herzensprinzessin erst aufgetaucht wäre.
Denn Lebensziel Nummer zwei war die eigene Bar!
Eine hochkarätige Bar, kein billiger Schuppen. Ein Ort, wo sich die Reichen, Schönen und Berühmten die Klinke in die Hand gaben, ein In-Tempel. Nicht mehr und nicht weniger.
PATRICK’S
Die Herzensprinzessin sollte die Sache krönen und schmücken, sie sollte auf Wolke sieben hoch über den Dingen schweben, sorgenfrei und glücklich. Ganz Lady, ganz sein. Patrick’s.
Später – wenn er vom Strand in sein kleines Apartment käme und noch vor der abendlichen Dusche, mit der er sich auf die lange Bar-Nacht vorbereitete – wollte Patrick diese beiden Wunschziele endlich schriftlich in seinem Tagebuch festhalten.
Selbstmotivation nannte sich der Trick.
Patrick hatte sich auch für kurze Zeit neben dem Schauspielunterricht einen Coach geleistet, von ihm stammte die Weisheit.
Laut Coaching musste man die wichtigsten Lebensziele klar, aber so kurz und knapp wie möglich formulieren: also etwa Herzensprinzessin und In-Bar Patrick’s. Und schon hatte man seine private Gebetsmühle für ein erfolgreiches, glückliches Leben gebastelt.
Zwei heilige Mantras, die helfen würden, diese Wünsche in die Realität umzusetzen.