Читать книгу Déjà-vu des Teufels - Chris Martin - Страница 7

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7. Tag; Montag, 10. September 2012

In den vergangenen Tagen hatte sich Mekinsky in den „Fall Schönbacher“ vertieft, Literatur zum Thema Sekten gelesen und sich taktisch auf die erste Anhörung vorbereitet, die nun in wenigen Augenblicken im Landesgericht Wien beginnen sollte. Markus Kienzl schlichtete am Tisch der Verteidigung einige Papiere, während Mekinsky sich leise mit Demessos unterhielt. Der Angeklagte trug einen eleganten, hellen Anzug, verzichtete aber auch heute nicht auf ein Stirnband. Diesmal war es ein schwarzes mit blutroten Ziffern, die mehrfach die Zahl „666“ bildeten. Die Zahl des Teufels nach der Offenbarung des Johannes.

So sehr sich Mekinsky im Vorfeld auch bemüht hatte, Demessos war nicht dazu zu bringen, sich zumindest während des Prozesses von dieser Symbolik zu trennen.

Der Vorsitzende der drei Berufsrichter, Dr. Jürgen Kamasch, eröffnete die Anhörung. Staatsanwältin Mühlbacher verlas die Anklageschrift und schilderte in aller Deutlichkeit die Situation, welche die WEGA-Beamten bei der Erstürmung des Hauses der Satanisten vorgefunden hatten. Sie erläuterte ausführlich die diabolischen Symbole an den Wänden, die umgekehrten Kreuze, Hetzschriften gegen die Kirche und schließlich das Tieropfer über der nackten Frau, die laut Polizeibericht unter LSD-Einwirkung stand.

„Wollen Sie nicht Einspruch erheben, Staranwalt?“, raunte Demessos Mekinsky leise zu.

„Warum? Sie hat doch recht. Ein Einspruch lässt uns nur dumm aussehen“, antwortete der Strafverteidiger, nicht ohne es zu genießen, diesmal in der stärkeren Position zu sein. „Verlassen Sie sich auf mich. Ich weiß, was ich tue.“

Die Staatsanwältin erläuterte nun die Gefahr, die von Demessos Dolch ausgegangen sei und ihrer Ansicht nach das entschlossene Vorgehen der Beamten rechtfertigen würde. Zuletzt schloss die Anklägerin mit der allgemeinen Gefährlichkeit der Gruppe um Demessos und mit der Gefahr, die von falschen Religionen für Jugendliche, Labile oder sonst leicht Verführbare ausgehen würde.

Richter Kamasch dankte ihr kommentarlos.

„Herr Verteidiger, Sie sind am Wort.“

„Danke, Euer Ehren, wir haben im Moment keine Stellungnahme.“

Der Richter nickte und wandte sich an seine beiden Kollegen. Nach einer kurzen Absprache waren sich die drei Richter einig.

„Im Namen des Volkes erkläre ich die Anklage im vollen Umfang für zugelassen. Der Prozess beginnt hier in einer Woche um neun Uhr. Bitte seien Sie pünktlich. Für heute ist die Sitzung beendet“, schloss der Vorsitzende die Anhörung ab.

„Und jetzt?“, fragte der sichtlich enttäuschte Demessos in Richtung seines Verteidigers.

„Showdown in einer Woche“, antwortete Kienzl stellvertretend für seinen Chef.

Die drei verließen den Gerichtssaal. Vor dem Gebäude hielt Demessos plötzlich inne. „Herr Doktor, ich möchte Sie gerne heute Abend zu uns einladen“, sagte Demessos ungewohnt höflich. „Ich möchte Ihnen etwas mehr über uns erzählen, Ihnen meine Tochter vorstellen und natürlich gibt es auch ein nettes Abendessen.“

Mekinsky blickte dem Teufelsanbeter überrascht ins Gesicht. Der Anflug von Freundlichkeit passte so gar nicht ins Bild, das er sich bisher von seinem Klienten gemacht hatte. Allerdings konnte ein besseres Kennenlernen des Umfelds nicht schaden, und so sagte Mekinsky nach kurzem Zögern zu. Demessos kritzelte eine Adresse auf einen Zettel und Mekinsky steckte diesen ohne ihn zu lesen ein. Der alte Mann stoppte ein herannahendes Taxi und die beiden Juristen stiegen in Mekinskys Mercedes, der diesmal gleich vor dem Landesgericht parkte. Den Strafzettel dafür warf Mekinsky, wie gewohnt, weg.

„Was denken Sie, wie wird das ausgehen?“, fragte Kienzl, kaum, dass die beiden Platz genommen hatten.

„Du wirst sehen, das wird ein Kinderspiel. Mühlbacher hat im Grunde gar nichts. Eine Geldstrafe – vielmehr kann Sie sich wohl kaum ausrechnen.“

„Ich weiß nicht. Auf mich wirkte sie sehr selbstsicher.“

„Ja, alles nur Show. Offenbar will irgendjemand in der Staatsanwaltschaft Demessos den Prozess machen. Und unsere liebe Frau Mühlbacher hat die Arschkarte gezogen und darf nun antreten.“

„Ich habe ein dummes Gefühl bei der Sache“, ließ Kienzl nicht locker.

„Wenn es dich beruhigt, kannst du ja noch ein wenig im Umfeld der Teufelsanbeter recherchieren. Vielleicht findest du ja noch etwas Interessantes.“

„Mache ich“, antwortete Kienzl nachdenklich.

*************

„Sie haben Ihr Ziel erreicht. Das Ziel befindet sich auf der linken Seite“, flötete die weibliche, überaus angenehme Stimme des Navigationsgerätes und Mekinsky stoppte seinen Wagen.

Es war bereits knapp nach zwanzig Uhr. Das Haus auf der linken Seite der Gartenheimstraße wirkte gutbürgerlich, ebenso wie jene, an denen Mekinsky seit einigen Minuten vorbeigefahren war. Allerdings stand es allein, grenzte auf der einen Seite an ein leeres Grundstück und auf der anderen Seite an den Eßlinger Friedhof.

Er parkte den Mercedes und stieg aus. Das schmiedeeiserne Tor war geöffnet und der Besucher trat in einen kleinen Vorgarten, der sehr ungepflegt aussah. Mekinsky gefiel das Haus irgendwie nicht und wenn er an seinen Bewohner dachte, bereute er seine Zusage zum Abendessen schon jetzt.

Er klopfte und in Sekundenschnelle öffnete sich die Tür. Die junge Frau vor ihm raubte ihm beinahe den Verstand. Trotz seiner Ein-Meterachtzig blickte er fast gerade in ihre stahlblauen Augen.

Gegen seinen Willen zwang er sich, seinen Blick aus dem wunderschönen, von pechschwarzen Locken umrahmten Gesicht zu nehmen und abzusenken. Das machte die Situation für ihn aber auch nicht besser: Sein Blick fiel auf ein schwarzes, ärmellosen T-Shirt, das sich eng über herrlichen Brüste spannte, gefolgt von einem kecken, schwarzen Minirock und langen, makellosen Beine. „Ich bin Kira, Demessos Tochter“, stellte sich die Schönheit, die an die Sängerin Cher in jungen Jahren erinnerte, selbst vor.

„Ich bin …“

„Ich weiß, wer Sie sind, Herr Doktor“, unterbrach das Mädchen den Gast, „mein Vater erwartet Sie bereits. Kommen Sie doch weiter.“

Mekinsky zwängte sich durch den schmalen Spalt, der zwischen Türrahmen und Kira, die keinen Millimeter zurückwich, frei war. Für einen Moment hatte er das Gefühl, dass ihm die junge Frau ihren Busen sogar etwas entgegenstreckte, doch er war sich dessen nicht wirklich sicher. Er spürte, wie seine Erregung anstieg.

Immer geradeaus, Herr Doktor“, erklärte Kira und der Gast schritt weiter durch das Halbdunkel ins Wohnzimmer.

Auch dort herrschte diffuses Licht, allerdings sorgte ein Dutzend Kerzen für eine angenehme Atmosphäre. Neugierig blickte sich Mekinsky so unauffällig wie möglich um, aber er konnte nichts entdecken, was nicht tausendfach auch in anderen Häusern zu sehen gewesen wäre. Nichts ließ auf die ungewöhnliche Gesinnung des Eigentümers Rückschlüsse ziehen und Mekinsky ertappte sich bei dem Gedanken, Demessos vielleicht wirklich zu viel Mystik unterstellt zu haben. Vielleicht ist der Satansjünger ja doch nur ein weiterer Spinner, die der spirituellen Welt wohl niemals ausgehen werden?

„Mein Vater wird gleich kommen. Nehmen Sie Platz. Möchten Sie etwas trinken?“, riss ihn Kira aus seinen Gedanken.

„Was immer Sie haben“, antwortete Mekinsky und ließ sich schwerfällig auf einer schwarzen Ledercouch nieder.

„Okay, kommt sofort“, antwortete die junge Frau schon im Hinausgehen. Mekinskys Befangenheit legte sich so plötzlich, wie sie vor dem Haus gekommen war.

Die Tür, durch die Kira verschwunden war, öffnete sich und Demessos betrat das Wohnzimmer. Diesmal trug der Alte einen schwarzen, knielangen Umhang mit blutroten Symbolen, schwarze Jeans, ein ebensolches T-Shirt und das obligatorische Stirnband, ebenfalls blutrot, aber diesmal ohne Symbole.

„Guten Abend, Staranwalt, Ihr Drink“, begrüßte der Hausherr seinen Gast und stellte ihm eine Flasche Chimay Bleue samt Glas auf den Couchtisch, „Zum Wohle! Schön, dass sie Zeit gefunden haben.“

„Guten Abend, Herr Schön … ähh … Demessos“, entgegnete Mekinsky, völlig verblüfft, woher sein Gastgeber seine Lieblingsbiersorte kannte. „Woher …?“

„Woher ich weiß, welches Bier Sie bevorzugen?,“ unterbrach ihn der alte Mann, während er aus einem antiken Globus, der als Bar diente, eine Flasche entnahm und eine undefinierbare, rote Flüssigkeit in sein Glas einschenkte, „nun, sagen wir, ich weiß zum jetzigen Zeitpunkt mehr über Sie als Sie über mich wissen. Cheers.“

Mekinsky füllte sein Glas mit dem dunklen Mönchsbier und hoffte, dass der Alte das Zittern seiner Hände nicht bemerkte. Ein unheimliches Gefühl beschlich ihn wieder und er musste sich eingestehen, dass der Teufelsanbeter es immer wieder mühelos schaffte, ihn aus dem Konzept zu bringen.

Wortlos stieß er mit dem Alten an, machte einen langen Zug und spürte, wie der gewohnte Alkohol sein Selbstbewusstsein mehr und mehr zurückbrachte.

„Möchten Sie etwas essen?“, fragte Demessos und Mekinsky verneinte.

„Vielmehr würde mich interessieren, warum Sie mich hergebeten haben. Alles, was es zu besprechen gibt, hätten wir genauso gut in der Kanzlei erledigen können.“

„Ich will Ihnen die Möglichkeit geben, uns besser zu verstehen, Staranwalt, damit Sie für den Prozess besser gewappnet sind. Unsere Gegner werden mit harten Bandagen kämpfen.“

„Mühlbacher hat gar nichts. Sie stochert herum, aber den Unterlagen nach zu schließen, wird sie gehörig ausrutschen“, antwortete Mekinsky und schenkte sich den Rest aus der Bierflasche ein.

„Seien Sie da nicht so sicher“, unterbrach der Satanist, „die Dame ist gefährlich. Karrieregeil. Und sie hat sich unseren Fall förmlich erbettelt. Auf Knien, wenn Sie verstehen, was ich meine.“

Mekinsky grinste. „Sie meinen, sie ist auf den Knien vor ihrem Chef rumgerutscht, um den Fall zu bekommen?“

„Nein, ich meine, sie hat Hofrat Hirtner einen geblasen, um an diesen Fall zu kommen. Ihr Chef konnte auf Hirtners Weisung gar nicht anders, als ihr den Fall zu übergeben.“

„Verdammt nochmal, woher wissen Sie das denn?“

Mekinskys Verblüffung amüsierte Demessos sichtlich. „Staranwalt, Sie begehen immer noch den Fehler, uns für eine Juxtruppe zu halten. Aber wir sind gut vernetzt, und Sie würden sich wundern, wie viele wir wirklich sind und vor allem, bis in welche Kreise unser Einfluss reicht.“

Demessos sagte das mit einer Ruhe, die Mekinsky fast überzeugte.

„Wenn Ihre Sekte …“

„Glaubensrichtung“, unterbrach der Teufelsanbeter.

„.. wenn Ihre Glaubensrichtung so mächtig ist, warum konnte Sie dann den WEGA-Einsatz nicht verhindern? Das müsste doch eine einfache Übung für ein angeblich so starkes Netzwerk sein“, antwortete der Anwalt spöttisch.

„Können Sie sich vorstellen, dass wir durch unsere Gesinnung auch durchaus mächtige Feinde haben?“

„Wen denn? Die Todesschwadronen des Opus Dei?“, spottete Mekinsky weiter.

Demessos sah ihn lange schweigend an. Kurz bevor Mekinsky das peinliche Schweigen beenden wollte, erwiderte der alte Mann mit ruhiger Stimme: „Sie denken immer noch zu einseitig, Staranwalt. Dass das Christentum mit Satanisten nichts zu tun haben will, wird Ihnen schon klar geworden sein. Aber wie ist das mit dem Judentum? Oder den Moslems? Ist es für Sie vorstellbar, dass praktisch alle Weltreligionen in uns eine Bedrohung sehen? Und wenn Sie eine Sekunde bereit sind, anzunehmen, dass diese Bedrohung für uns real ist, können Sie sich dann vorstellen, dass unsere Feinde durchaus in der Lage sind, eine Truppe wie die WEGA loszuschicken?“

Mekinsky dachte über das eben Gehörte nach. Wenn der Alte Recht hatte, dann war der Fall wirklich um einiges größer als bisher angenommen. Mekinsky nahm sich vor, ab jetzt ein wenig weiträumiger zu denken und die Dimension des Ganzen anders zu bewerten.

„Was genau möchten Sie und ihre Glaubensgenossen eigentlich erreichen?“, fragte der Gast neugierig.

„Im Grunde ist es einfach. Wir wollen in Ruhe gelassen werden, unsere Riten und Gebräuche ausleben können und dem gefallenen Erzengel Luzifer dienen dürfen. Nicht mehr und nicht weniger, als alle anderen Glaubensrichtungen auch tun.“

„Die Weltreligionen haben sich aber nicht dem Bösen verschrieben, so wie es bei Ihnen der Fall ist.“

„Das Böse? Was, Staranwalt, ist das Böse? Sie verteidigen ständig irgendwelche Typen, die Böses begangen haben und empfinden dabei keinerlei Skrupel. Politiker begehen Verbrechen am Volk, Priester ficken Knaben, Eheleute betrügen einander. Die Welt, Staranwalt, ist voll böser Taten. Nur, wir stehen dazu, so zu sein, wie der Mensch nun einmal ist, ohne der ganzen Schönfärberei und dem Drang, sich ständig als edel und gut verkaufen zu müssen.“

„Sie halten die Menschheit für im Grunde böse?“

„Ja, und wenn Sie die Augen aufmachen, würden Sie das auch erkennen können. Jesus Christus, der Sohn Gottes, ist am Kreuz gestorben, um die Menschen zu erlösen. Und wie hat es ihm die Menschheit gedankt? Neid, Hass, Eifersucht, Betrug, Mord, Folter, Habgier und alle anderen sogenannten negativen Eigenschaften sind heute weiter verbreitet als je zuvor.“

Demessos hatte sich in Rage geredet und Mekinsky merkte, dass sein Gastgeber entschlossen war, ihm sein Weltbild schmackhaft zu machen. Er nahm einen weiteren kräftigen Schluck Bier.

„Sie sind doch verheiratet, oder?“

„Ich nehme an, dass Sie das genau wissen“, erwiderte Mekinsky.

„Natürlich. Und jetzt meine Frage: Haben Sie, als meine Tochter Sie hier hereingeführt hat, nicht daran gedacht, wie es wäre, sie zu ficken? Natürlich haben Sie das. Streiten Sie es nicht ab. Wo bleibt da Ihre Tugend? Wie heißt es in Ihrer ulkigen Religion? „Du sollst nicht begehren deines nächsten Weib“ und „Du sollst nicht ehebrechen“.“

Mekinsky errötete und fürchtete, dass sein Gegenüber es im Halbdunkel bemerken könnte. Schnell nahm er noch einen Schluck Bier, um sich eine Antwort zu ersparen. Einmal mehr stellte er fest, dass der Alte in ihm wie in einem offen Buch lesen konnte.

„Nein, Staranwalt, Sie sind genauso vom Bösen durchdrungen wie ich, auch wenn Sie sich das selbst nicht eingestehen wollen“, fuhr Demessos fort, „es fehlt Ihnen nur der Mut, es auszuleben.“

„Halten Sie mich für einen Feigling?“, empörte sich Mekinsky.

„Nein, nur für jemanden, der Wasser predigt und Wein trinkt. Aber das ist Ihre Sache.“

Demessos stand auf, ging zum Globus, öffnete ihn und entnahm wieder die Flasche mit blutroter Flüssigkeit, füllte zwei Gläser und begab sich zurück zur Couch. Er stellte Mekinsky ein Glas hin und behielt das andere in seiner Hand.

„Trinken wir auf einen erfolgreichen Prozessverlauf. Prost!“

Mekinsky nahm das Glas, betrachtete kurz die rote Flüssigkeit und stieß wortlos mit seinem Gastgeber an. Er nahm einen großen Schluck und hätte beinahe die Flüssigkeit wieder ausgespuckt.

„Verdammt noch mal, ist das scharf! Was ist das für ein Zeug?“, fragte der geeichte Trinker.

„Wir nennen es „Luzifers Tränen“, aber woraus es genau besteht, wissen nur unsere Glaubensbrüder in Chile. Die stellen es für uns her.“

Mekinsky kämpfte mit den eigenen Tränen, spürte, wie sich der Schmerz in seinen Gedärmen ausbreitete und fürchtete schon, vergiftet worden zu sein. Doch das unangenehme Gefühl ließ rasch nach und wich, ähnlich wie bei einem guten Whiskey, wohliger Wärme. Und noch ein Umstand irritierte ihn. Er hatte eine derart heftige Erektion, dass er fürchtete, seine Jeans zu sprengen.

„Kommen Sie mit, Staranwalt, ich will Ihnen noch einen tieferen Einblick in unsere Welt geben“, sagte der Teufelsanbeter und stand auf. Er wandte sich jener Tür zu, durch die Kira vorhin verschwunden war und im Nu schluckte ihn das Halbdunkel. Mekinsky blieb nichts anderes übrig, als dem Alten zu folgen. Mehr tastend als sehend arbeitete er sich vorwärts. Unvermittelt prallte er auf Demessos.

„Hier geht’s bergab. Versuchen Sie, nicht zu stolpern, die Stufen sind sehr schmal“, warnte der Hausherr und ging voran.

Mekinsky schritt vorsichtig über die Wendeltreppe nach unten. Leise drang eine Art Singsang, ähnlich den gregorianischen Chorälen, an sein Ohr.

Am Ende der Treppe öffnete sich ein weiträumiges Kellergewölbe. Sofort sprang dem Gast ein umgedrehtes, etwa zwei Meter großes Kreuz an der gegenüberliegenden Wand ins Auge. Fackelschein beleuchtete eine Gruppe nackter Menschen, alle mit einer roten Kapuze, ähnlich jener, wie sie der Ku-Klux-Klan in den Südstaaten früher trug, verhüllt.

In der Mitte des Raumes stand eine Art Altar, auf dem ein nacktes Mädchen lag. Über ihr stand ein kräftig gebauter Mann, ebenfalls nur mit einer Kapuze bekleidet. Er sang in einer kehligen Sprache, und die Umstehenden beteiligten sich an manchen Stellen. Mekinsky schaute gebannt auf die Szenerie.

Als Demessos von den Anwesenden wahrgenommen wurde, trat die Menge zur Seite und bildete ein Spalier für den Anführer. Demessos deutete Mekinsky stumm, ihm zu folgen. In Hemd und Jeans wirkte der Gast wie ein Fremdkörper unter all den nackten Teufelsanbetern, aber daran verschwendete er keinen Gedanken. Demessos erreichte den Altar und verhalf der dort liegenden Frau in die Senkrechte. Sie trug keine Maske und Mekinsky erkannte, dass es sich um Kira handelte. Völlig nackt näherte sich ihm das Mädchen. Gewandt wie ein Schatten trat Demessos an seinen Begleiter heran und ließ seine flache Hand einige Male blitzschnell über dessen Stirn gleiten.

„Temestos igon, Te usa kreh – Adana tu!“, stieß der Alte gepresst hervor.

Mekinsky hatte plötzlich das Gefühl, schwer wie Blei zu sein. Er wollte etwas sagen, aber seine Stimme verweigerte ihm ebenso den Dienst wie sein Körper. Er spürte, wie eine Vielzahl an Händen von allen Seiten an seinem Hemd zerrten und es ihm schließlich vom Körper rissen. Er wollte sich wehren, aber genauso gut hätte er versuchen können, einen Schnellzug mit einer Hand zu stoppen. Kira sah ihm tief in die Augen, öffnete seine Hose und zog sie mit einem Ruck bis zu den Knöcheln herunter. Mekinsky wurde zwischen Furcht und Erwartung hin und her gerissen, wie ein Segelboot im Sturm.

Ein Mädchen zerschnitt mit einem Bowiemesser seine Calvin-Klein-Unterhose und Mekinsky stand splitternackt in der Runde. In Studententagen hatte er zwar einige Zeit an der Wiener Swingerszene teilgenommen, aber das war Jahre her und ihn überkam nun doch eine gewisse Verlegenheit. Der nackte Mann auf dem Altar begann wieder seinen undefinierbaren Gesang und die Gruppe folgte seinem Beispiel. Das Mädchen mit dem Bowiemesser ging in die Knie und nahm einen von Mekinskys Hoden in den Mund. Sofort stöhnte der Anwalt auf.

Mit geschlossenen Augen genoss er die ihm zuteilwerdende Behandlung. Die aufsteigende Lust ließ ihn die Furcht vergessen. Als Kira in die Knie ging und sich seinen Schwanz mit einer einzigen Bewegung bis zum Anschlag in den Mund schob, verlor Mekinsky jedes Gefühl für Raum und Zeit. Vier Lippen, die seine intimsten Stellen bearbeiteten, wie dies niemals zuvor geschehen war, raubten dem sonst so selbstsicheren Mann jede weitere Wahrnehmung. Erst ein brennender Schmerz am linken Oberschenkel veranlasste ihn, die Augen zu öffnen. Das Mädchen mit dem Bowiemesser hatte ihn geschnitten! Eine dünne Blutspur rann an seinem Bein nach unten.

Mekinsky wollte schreien, aber mehr als ein Krächzen brachte er nicht zustande. Das Mädchen sah ihm von unten direkt in die Augen und leckte einen Teil des Blutes ab. Kira gab den Blowjob auf und tat es ihrer Geschlechtsgenossin gleich. Trotz der Skurrilität der Situation stand Mekinsky kurz vor dem Orgasmus.

Kira nahm eine Art Peitsche und schlug damit dem immer noch Bewegungsunfähigen auf den Penis. Mekinsky stöhnte auf. Das andere Mädchen drehte ihm den Rücken zu und steckte sich seinen Schwanz in ihr Lustzentrum. Sofort begann Mekinsky mit stoßenden Bewegungen. Er spürte, dass er nur noch Sekunden von einem heftigen Orgasmus entfernt war. Kiras Peitsche sauste auf sein nacktes Hinterteil, dass ihm der Schmerz durch den ganzen Körper fuhr.

Zugleich erlebte er einen Höhepunkt, der alles, was er bisher erlebt hatte, weit in den Schatten stellte. Er verlor so schnell das Bewusstsein, als wäre er betäubt worden.

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Mekinsky versuchte, sein Bein auszustrecken und schlug sich das Knie an. Mühsam öffnete er die Augen und benötigte ein paar Sekunden, um zu erkennen, dass er hinter dem Steuer seines Wagens saß.

Er blickte durch das rechte Seitenfenster auf das Haus der Satanisten, doch es war dunkel und sah verlassen aus. Kein weiterer Wagen stand in unmittelbarer Nähe. Er hatte keinerlei Erinnerung, wie er in seinen Wagen gekommen war.

Mekinsky stieg umständlich aus und versuchte seine steifen, aber immerhin wieder funktionstüchtigen Glieder zu strecken. Dabei fiel ihm auf, dass er ein T-Shirt trug, welches den Papst mit einem Joint im Mund zeigte. Demessos hatte also doch so etwas wie Humor. Mekinsky fiel etwas unbeholfen in den Sportsitz des Mercedes und wünschte sich zum ersten Mal seit Jahren wieder eine Marlboro. Er startete und fuhr langsam zurück nach Oberlaa. Das Geschehene beschäftigte den begabten Analytiker den ganzen Heimweg.

Was wollte Demessos ihm damit beweisen? „Ich möchte, dass Sie uns besser verstehen“, hatte der Teufelsanbeter bei seiner Einladung gesagt. Nun, so ganz von der Hand zu weisen waren seine Thesen nicht. Aber auch die Scientologen haben toll klingende Argumente und werden dennoch in vielen Ländern als gefährlich eingestuft. Ihm wurde bewusst, dass ihm Demessos einen klitzekleinen Einblick in die Rituale einer Schwarzen Messe gestattet hatte. Etwas, das vermutlich nur wenigen Nichtmitgliedern zugestanden wurde. Und dann blieb da noch die Kernfrage: Warum war es Demessos so wichtig, dass er, der gut bezahlte Strafverteidiger, seine Lebensanschauung verstehen und respektieren lernte?

Déjà-vu des Teufels

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