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3.

Wo bleibt die Zeit beim Golf

Golf ist ein Kommunikationssport.

Eine Golfrunde dauert netto so um die 4 Stunden – ohne Anreise oder etwaige Bekleidungsauswahlvorbereitungs- und Anziehzeit bzw. Nachsitzenessentrinkenzeit. Das ist ganz schön lang und es lohnt sich ein Blick auf eine ungefähre Zeitverteilung.

Grob könnte man die 4 Stunden auf dem Golfplatz ungefähr 5 Perioden zuordnen:

1 Gehen bzw. Schieben des Trolleys 2,0 h

2 Warten 0,5 h

3 Vorbereiten auf den Schlag (Schlägerwahl, Probeschwung …) 0,3 h

4 Eigentliche Schlagroutine (Ansprechen, Atmen, Aufteen …) 0,2 h

5 Schauen & Loben, Suchen & Finden 1,0 h

Diese Zeitangaben variieren zwar auf jeder einzelnen Runde in Abhängigkeit von Golfplatz, Spieler, Wetter, langsamer vorausspielender Flight und ähnlichem, aber sie gleichen sich über die Spielsaison hinweg aus. Die Benützung eines Carts kann den Gehteil nona verkürzen, erhöht dafür bei vollem Spielbetrieb die Wartezeit. Die Cart Nutzung ist in Europa ohnehin deutlich geringer als etwa in Asien oder den USA. Elektrisch betriebene Schiebetrolleys sind in Europa vor allem auf hügeligen Kursen sehr beliebt, verändern aber am Zeitgefüge nichts. Auch mir hat ein kürzlich runder Geburtstag zu einem Power-Schiebetrolley verholfen und zumindest meine Auf und Abs aus Herz-Kreislauf Sicht erleichtert.

Aus Sicht der Zeitbilanz ist Golf ein ausgedehnter Spaziergang (1) mit ausgedehnten Pausen (2) und das ist das unumstritten Gesunde am Golfsport – für Körper und Geist. Tendenziell gesehen spielt man Golf ohne Zeitdruck und Hektik und durch die vielen Pausen ist es auch für viele Senioren und Seniorinnen sehr attraktiv.

Aber natürlich tut Golf auch viel Gutes für die Psyche und so können die Perioden Gehen und Warten zur Meditation oder, und das ist die bevorzugte Variante, zur Kommunikation zwischen den Flightpartnern genutzt werden.

Der Austausch von Ansichten über Gott und die Welt sowie das Golfspiel im Allgemeinen und Besonderen, Bemerkungen zur Großwetter- und Geschäftslage bleiben ein essenzieller Teil des Spiels. Man wird übrigens sogar Spieler erleben, die die Kommunikation auch während der Schlagvorbereitung (3) aufrechterhalten, so dringend ist manchmal das Kommunikationsbedürfnis. Es ist natürlich eine großartige Gelegenheit, Leute mit persönlichen Sympathiepunkten zu versehen. Man kann die Leute, mit denen man gerade spielt, nett finden und die anderen nicht – oder umgekehrt.

Nona spielt man überwiegend mit seinen Golffreunden, aber ich golfe auch sehr gerne mit Leuten, die ich nicht kenne – irgendwo auf der Welt. Die gemeinsame Zeit ist lange genug, nach einer Eingewöhnungsphase von 2 bis 3 Bahnen gelingt meist sogar Kommunikationsmüden ein persönlicher Austausch. Im Vergleich zu Beurteilungen in anderen Lebenslagen scheint es eine rosa Golfbrille zu geben, denn die Chancen, auf einen netten Menschen zu treffen, sind höher – oder anders gesagt, oft gelingt allen Flightpartnern das Bemühen sich nett zu geben, und das über die gesamte Golfrunde plus anschließendem Umtrunk. Die wenigen Unnetten oder Gestressten sind meist schon nach wenigen Löchern zu erkennen und es verkürzt sich entsprechend schnell die Kommunikation bzw. die Flightpartneraufgaben, die im nächsten Kapitel zusammengefasst sind.

Zudem gibt es nicht viele Sportarten, bei denen auch Eheleute zusammen oder gegeneinander spielen können. Der klassische Sonntagsvierer bestehend aus 2 Ehepaaren ist hierzulande sehr beliebt – und ein Beweis für die Beziehungsfreundlichkeit des Spiels.

Für Ehepaare eine Win-win-Situation, denn die ausgetauschte Wortdichte kann situativ auf den Abschlägen, sprich Herren – gelb und Damen – rot, angepasst werden. Das Mitteilungsbedürfnis kann so hoch werden – und es soll vorkommen, dass man eine Gesprächspause der Flightpartner zur Konzentration auf den eigenen Schlag erbitten muss.

Natürlich gibt es auch Paare, die sich während der Runde in die Haare kriegen und bei denen eine Aufteilung der Spieler auf unterschiedliche Flights psychologische Vorteile hätte, aber es ist definitiv nicht die Mehrheit. Tendenziell ist es eher die psychologische Hochschaubahn des Einzelnen, die dem Spieler selbst stark zusetzen kann und die natürlich auch die Stimmung im Flight beeinflusst. Ein ehepartnerlicher Rückzug auf: „Ich sag jetzt besser nichts mehr“ hat auch schon Gutes bewirkt.

Sollte ein Kommunikationsloch entstehen, bieten alle Golfkurse ein wunderschönes Panorama und eine beobachtbare Flora und Fauna, die sich zwischen Bächen, Teichen, Wäldern, Blumenbeeten und viel Grün darbietet. Die Augen mögen weiden und die Seele beruhigen.

Es ist nicht fad. Im Gegenteil, viele Golfer berichten, dass sie bei einer Golfrunde in ein zeitliches Jetzt versetzt werden, die Zeit quasi vergessen. Man fühlt sich wie im Urlaub – weit weg und doch gegenwärtig (siehe auch Kapitel Hochschaubahn). Erst Signale wie Müdigkeit und Durst erinnern den Geist, dass man schon lange unterwegs ist und der Körper Regeneration braucht.

Die eigentliche sportliche Performance (3&4) ist bei Golf kürzer, als man zunächst vermuten würde – von den 240 Minuten der Runde sind es vielleicht 30 Minuten, wenn man alles Vorbereitende, wie Schlägerwahl, Probeschwung, Ansprechroutine, Grünlesen, Ballmarkieren etc., dazuzählt. Die Schwünge selber, gerechnet mit 2 Sekunden für letzten Gedanken, Ein- und Ausatmen, Auf- und Durchschwung mal 90 Schläge, machen vielleicht 3 Minuten, nur um eine Orientierung zu bekommen. Diesen 3 Minuten plus Teilen der 27 Minuten für das Vorbereitende widmen sich 99 % der Golfbücher. Natürlich wird sich dieses Buch mit diesem Teil der Runde auch befassen, aber trotz unumstrittener Wichtigkeit hier in einer der Zeit angemessenen Proportion.

Beleuchten wir zunächst noch einige Aspekte, die zusammen die Zeitperiode 5 begründen.


Die Golfgesellschaft

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