Читать книгу Eine deutsch-englische Verbindung überschattet von zwei Weltkriegen - Christa Andresen - Страница 6
Оглавление2. Das Klavierzimmer in Antwerpen
Lizzi war indessen 27 Jahre alt geworden, die Zeit war wie im Fluge vergangen. Sie hatte sich in Südafrika mit Richard, einem Eisenbahningenieur, verlobt und war auf dem Weg zurück nach England. Natürlich freute sie sich unbändig, nach so langer Zeit ihre Eltern wiederzusehen. Nach der langen Schiffsreise von Port Elizabeth hatte sie sich vorgenommen, ein paar Tage in Antwerpen Station zu machen, und sie hatte sich einen schönen Gasthof für diese Zeit ausgesucht. Es war September und das Wetter lud noch zu einem kleinen Spaziergang ein. Auf ihre langen hochgesteckten Haare setzte sie ein kesses Hütchen. Der Mode entsprechend war ihr langes grünes Seidenkleid in der Taille eng geschnürt. Sie sah bezaubernd aus.
Während sie so den Flur des Gasthauses entlang schritt, hörte sie Klavierspiel, begleitet von einer schönen Männerstimme. Sie hielt inne, vorsichtig öffnete sie die Tür zum Musikzimmer und da sah sie Wilhelm. Er lud sie ein, sich neben ihn zu setzen, um dann weiterzuspielen. Sie tat es mit Freuden. Schon bei den ersten Worten, die er an sie richtete, wurde ihm klar, dass sie ihn nicht verstand. Wilhelm sprach fließend Englisch, so kam das Gespräch dennoch bald in Gang. Sie erzählten sich, was sie nach Antwerpen verschlagen hatte und stellten sich mit Namen vor. Bis tief in die Nacht ging ihr Gespräch weiter. Beim Abschied sagten sie sich zu, dass sie beim Frühstück das Gespräch weiterführen wollten. Nie zuvor war Wilhelm einer so lebenserfahrenen und zugleich kapriziösen Dame begegnet. Auch sie war augenblicklich in seinen Bann geraten. Sein gepflegtes Äußeres und seine Weltgewandtheit hatten sie tief beeindruckt.
Am Morgen nach dieser Begegnung eilte Wilhelm ganz beschwingt zum Frühstücksraum. Groß war seine Enttäuschung, als ihm mitgeteilt wurde, dass die englische Lady bereits abgereist sei. Schon am folgenden Tag reiste er nach Duisburg, um den Rat seiner Freunde einzuholen. Die Freunde merkten sofort, wie sehr diese Dame sein Herz entflammt hatte. Sie rieten ihm, sich sofort auf den Weg zu machen, um die Dame zu finden. Zu der Zeit war es leichter gesagt, als getan – mal eben schnell nach Wales zu fahren. Aber angespornt von seinen Gefühlen schaffte er es, sein Ziel zu erreichen. Wie würde er bei Lizzis Eltern aufgenommen werden? Schnell waren alle Befürchtungen zerstreut, weil sie ihn mit Freundlichkeit und Gastfreundschaft aufnahmen.
Das Verlobungsfoto von Eliza und Wilhelm von 1896 (Bild 4).
Lizzi war nicht im Hause, sie hatte es wieder zu ihrem Lieblingsplatz im Hafen von Cardiff gezogen, wo ihre ersten Träume von der Ferne entstanden waren. Sie musste ihre Gefühle ordnen. Warum ging ihr die Begegnung mit dem jungen Deutschen nicht aus dem Sinn? Ganz einfach, genau wie er hatte sie sich Hals über Kopf verliebt. Bedrückt machte sie sich auf den Rückweg. Als sie die Haustür öffnete, blieb ihr fast das Herz stehen, als sie Wilhelms Stimme hörte. Freudestrahlend kam er ihr entgegen. Froh war sie, genau wie er, hatte sie sich doch rettungslos verliebt. Nun musste sie den Eltern die Wahrheit berichten. Nachdem der unvermeidliche Tee getrunken und die Cookies verzehrt waren, bat Eliza Wilhelm, sie zum Hafen zu begleiten, um ihm den Platz zu zeigen, wo ihr Traum von der Ferne angefangen hatte. Hand in Hand ließen sie sich auf einer Bank nieder, um den schönen Blick auf den Hafen zu genießen. Wilhelm verstand genau, wie sie empfunden hatte. Hier besprachen sie ihre Zukunftspläne.
Anzeige der Verlobung (Bild 5).
Bis zu ihrer Verlobung 1896 blieb Eliza bei ihren Eltern, um dann eine lange Reise nach Port Elizabeth anzutreten. Sie musste ihre Verlobung mit Richard lösen und den Clarks endgültig Adieu sagen. Alle waren betrübt, wussten sie doch, dass sie sich wohl nicht wiedersehen würden. Der Abschied war für Eliza schwer, aber der Gedanke an Wilhelm war stärker als der Abschiedsschmerz. Endlich war sie wieder in Antwerpen bei ihrer großen Liebe. Wilhelm wurde von seinem Mentor, Herrn
Commerzienrat Lehnkering, beauftragt, die Leitung der Filiale in Antwerpen zu übernehmen. Er war mit seiner neuen Aufgabe vollauf beschäftigt und wie immer machte er das mit allem Eifer. Sein Entschluss stand fest, baldmöglichst zu heiraten. In der Zeit war es üblich, eine Frau nicht lange hinzuhalten. Auch dass Lizzi drei Jahre älter war als er, war für ihn kein Hinderungsgrund.
Weihnachten 1896 verlobten sich beide. Leider gab es nur selten Gelegenheit, sich zu sehen. Aber diese Gelegenheiten nahmen die beiden schwer Verliebten wahr. Wilhelm hatte eine kleine hübsche Wohnung in Antwerpen gefunden. Genau ein Jahr nach ihrem Kennenlernen heirateten sie am 6. September 1897.
Die Heiratsurkunde(Bild 6).
Antwerpens besonderer Reiz macht die Lage des Hafens aus: Er ist nicht wie in anderen Städten außerhalb gelegen, sondern Kernstück dieser wunderschönen Stadt. Wieder gefiel Lizzi die Möglichkeit, das Treiben im Hafen zu erleben. Die Liebe zu Antiquitäten hatte sie bei den Clarks kennengelernt und Antwerpen bot ihr alle Gelegenheit, in Antiquitätenläden zu stöbern. Im Juni 1898 wurde das erste von vielen Kindern geboren. Die Kleine wurde Erin getauft. Lizzi gab ihr den Namen ihres Lieblingszöglings. Das Mädchen Erin hatte sie immer mit besonderer Liebe betraut.