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1. Der Bericht
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Am Anfang erschienen Erde und Mond. Betörend schön erstrahlte das helle Doppelgestirn aus dem dunklen Universum heraus. Keinerlei Sterne sonst waren zu sehen. Die gemeinsame Leuchtkraft des Duos, ein größerer, blaugrün-weißer, und ein ihn begleitender, dunkelgrau bis silbriggelb scheinender Himmelskörper, ließ den üppigen Sternenteppich ganz und gar verblassen. Jetzt schwenkte die Kamera gemächlich zum viel kleiner wirkenden, aber fast weiß blendenden Fixstern hin, der die ihm zugehörigen Gestirne des Vordergrundes in sein gleißendes Licht tauchte.
Die dieser kosmischen Konstellation folgende Aufblendung gab den Blick frei auf einen riesig wirkenden, sich aber allmählich entfernenden Planeten, dessen Oberfläche von dunklen, giftig wabernden Wolken, durch die hindurch immer wieder grellweiße und gelbrote Blitze hervorzuckten, vollständig verborgen war. Hin und wieder breiteten sich an verschiedenen Stellen seiner unruhigen Oberfläche gewaltige Explosionsherde ringwellenförmig aus.
Während dieser graubraun umwölkte Wandelstern langsam immer kleiner wurde und für wenige Sekunden einer seiner beiden Trabanten, ein kartoffelförmiger, nicht großer Mond mit einer riesigen Kraterdelle in seinem oberen Drittel, durch das Blickfeld schwebte, ertönte eine merkwürdig näselnde Falsettstimme in einer unbekannten, überwiegend in rasselnden Schnalztönen intonierenden fremden Sprache und am unteren Bildrand begann ein Schriftband aus arabisch anmutenden Zeichen zu laufen.
Diese Eröffnungssequenz wurde allerdings recht schnell beendet und es erschien nun das ebenmäßige Gesicht Li Hui´s auf der Reflexionswand des Konferenzraumes, in welchem sich etwa zwanzig hochrangige Persönlichkeiten, darunter Mitglieder des Politbüros, Offiziere des Geheimdienstes und Gelehrte der Akademie der Wissenschaften versammelt hatten. Die Asiatin sah den Zuschauern während ihrer Ansprache ruhig und direkt in die Augen. Ihre etwas müde wirkenden Gesichtszüge verrieten kaum Emotionen. Nur wer genauer hinsah, konnte die nahezu verborgene Spannung und in der hellbraunen, fast bernsteinfarbenen Iris der Frau eine gut versteckte innere Unruhe bemerken. Die attraktive Chinesin schwer bestimmbaren Alters sprach in leisem, mit einem leicht asiatischen Akzent versehenen, Englisch direkt in die Kamera:
"Wir schreiben das Jahr 2013. Ich zeichne diesen Bericht auf, weil ich vermuten muss, dass nun, nachdem die wichtigsten Botschaften der Kristalle decodiert und die Aufzeichnungen der Besucher sichtbar gemacht worden sind, einige Personen, die mit diesem Projekt betraut waren und wichtige Arbeit an ihm geleistet haben, für die hier Führenden zum Problem geworden sind.
Es war schon immer schwer, Projekte dieser Dimension vollständig geheim zu halten. Das hatte sich bereits beim Manhattanprojekt, also beim Bau der ersten Atombombe, im vergangenen Jahrhundert gezeigt. Deshalb müssen diejenigen, die nicht mehr von aktuellem Nutzen sind und die nicht möchten, dass all diese Dinge geheim bleiben, damit rechnen, dass sie nach erfolgreich getaner Arbeit beseitigt werden. Ich denke, dass ich zu denen gehöre, die ihnen genug gegeben haben, und dass sie meine Dienste und Fähigkeiten nun nicht mehr benötigen. Darum fürchte ich, dass Jerome Redcliff Recht hat und ich zu denen gezählt werden muss, die auf ihrer Todesliste stehen. Es ist jedoch unbedingt notwendig, dass diese Informationen endlich an das Licht der Öffentlichkeit gelangen.
Nachdem ich in den Berichten zufällig darauf gestoßen war, dass die Codierung der Überlieferungen der Besucher auf einem dreiundzwanziger Zeichensystem basierte und wir davon ausgehend ihre Syntax relativ schnell begreifen lernten, besteht die neue Schwierigkeit vor allem darin, die große Anzahl der von ihnen verwendeten und für uns vollkommen fremden Begriffe in irgend einer Weise vernünftig auszudeuten, weil es sie in unserer Wissenschaftssprache und in unserer Vorstellungswelt einfach noch nicht gibt.
Wir müssen davon ausgehen, dass die Besucher unserer Population vielleicht hunderttausend Jahre, womöglich sogar noch weiter voraus waren. Ihre gesamte Wissenschaft, besonders ihre Mathematik und ihre Physik, basiert auf Gedankengebäuden und axiomatischen Voraussetzungen, die für uns zur Zeit nur mit äußerster Mühe und bisher auch nur zu ganz geringen Teilen zu verstehen sind. Das Problem, vor dem wir stehen, müssen Sie sich ungefähr so vorstellen, als wollten Sie aktuell einem der letzten Amazonasindianer die Relativitätstheorie erklären. In der Mathematik, der Astrophysik, der Teilchenphysik und der Biogenetik, um einige uns wichtige Teilbereiche der modernen Forschung zu nennen, arbeiteten sie mit Theorien, die wir einfach noch nicht begreifen können. Unsere Spezialisten waren zum Beispiel nicht wenig verblüfft, bei ihnen im breiten Maßstab die für uns vollkommen exotisch anmutende, nicht kommutative und nicht assoziative Oktionen-Mathematik vorzufinden, die bei unseren Mathematikern und Astrophysikern erst seit Neuestem wieder im Gespräch ist, um mit den Multiversen der Stringtheorie einigermaßen klarkommen zu können.
Ihr Umgangsidiom hatten wir dagegen bald verstanden. Es schien so, als hätten sie es uns besonders leicht machen wollen, ihre Schriftzeichen und ihre Lautsprache zu entschlüsseln. Die Arbeiten an einer kompletten Theorie der Semantik ihrer Sprache sollten wir auf Anordnung der Ranch jedoch vorläufig ruhen lassen. Man wies uns an, unsere Bemühungen darauf zu konzentrieren, ihre, die Mathematik, die Physik und die Molekularbiologie betreffenden, Botschaften möglichst pragmatisch und vorläufig mit eher empirischen Methoden schnellstmöglich in unser Verständnis zu ´transponieren´.
Die Führung hoffte, dass auf diese Weise die baldige praktische Anwendung einiger ihrer Technologien ermöglicht würde. Immerhin befinden sich in den Tiefbunkern von Area 51 schon seit langem viele in Jahrzehnten angesammelten Gebrauchsgegenstände der Besucher, einschließlich zweier fast intakter Flugschüsseln, deren Zweck und Gebrauchsweise unsere Physiker, Technologen und Materialforscher zum Teil bereits verstanden haben. Das erlaubte uns Schlussfolgerungen zu einigen anderen unbekannten Phänomenen, die sie uns in ihren Aufzeichnungen hinterlassen haben. Dennoch gewann ich bald den Eindruck, dass wir in unserem kurzen Leben niemals in der Lage sein würden, ihre Botschaften ganz zu entschlüsseln.
Mit diesen hochkomplexen Arbeiten sind wir also erst ganz am Anfang. Auch deshalb, weil die aufgefundenen Speicherkristalle solch ein riesiges Reservoir an wissenschaftlichen und bildlichen Informationen enthalten, dass allein deren Entcodierung Jahre dauern wird und den größten Aufwand an manpower und Computertechnologie erfordert, ganz unabhängig davon, ob wir jemals alles verstehen werden oder nicht. Neuestens wurden diese Arbeiten auf zahlreiche Einzelteams und Spezialisten innerhalb der Ranch aufgeteilt, teilweise, und unter ganz besonderen Sicherheitsvorkehrungen, auch außerhalb der Area 51 sogar auf der ganzen Welt. Somit wissen nur noch wenige Privilegierte der Führung über das sehr komplexe Ganze Bescheid.
Im folgenden kann ich Ihnen leider nur wenige Kapitel der uns von den Besuchern überlieferten Aufzeichnungen, ihre eigene Historie betreffend, sowie einige Bilderserien von ihrem ersten Kontakt mit den Erdenbewohnern bis zum Untergang dieser Zivilisation am Ende des zweiten, des Atlantischen Zeitalters, schildern. Soweit es mir unter den komplizierten und angespannten konspirativen Umständen möglich war, habe ich die in ihren Kristallbibliotheken enthaltenen Filmsequenzen auf ein Maß reduziert, das den allgemeinen Zusammenhang gerade noch gewährleistet. Ihre originalen Aufzeichnungen sind dreidimensionaler, holografischer Art, soweit sie nicht die reinen Formelwelten der Naturwissenschaften betreffen. Sie versetzen das Publikum mit nahezu hypnotischer Macht in vollkommene Scheinrealitäten, deren Konsum bei manchen Zuschauern zu nicht unerheblichem psychischem Stress geführt hat.
Die Spezialisten, die vom Stanford Research Institute im Menlo Park von Palo Alto und vom Massachusetts Institute of Technology in Boston zusammengezogen worden waren, hatten unter höchster Priorität erfolgreich Maschinen gebaut, die diese ´Filme´ in ebensolcher holografischen Qualität wiedergeben konnten, wie es zunächst nur die Kommunikationsapparaturen in den erhalten gebliebenen und in der Area aufbewahrten kleinen Flugapparaten der Besucher möglich gewesen war. Bezüglich der Kristallspeicher- und Holografietechnologie besitzen die US-Amerikaner ja seit längerem einen weiten Vorsprung vor der übrigen Welt, da sie auf diesem Gebiet bereits jahrzehntelang ziemlich erfolgreich geheimgehaltene Entwicklungen betrieben haben. Natürlich installierte Pegasus zwei von diesen Apparaten in den weitläufigen Bunkeranlagen der ´Ranch´, welche sich zu meiner Zeit in Ebene drei befanden.
Als ich das erste und einzige Mal an einer Vorführung dieser virtuellen Realitäten teilnehmen durfte, fühlte ich mich binnen kurzem vollständig in ihre außerirdische Welt versetzt. Ich kann nur schwer beschreiben, was ich alles empfand und welche bislang unbekannten Gefühle mich durchfluteten. Allenfalls könnte man sie ´himmlisch´ nennen. Mein Gehirn gaukelte mir die Welt aus einem völlig anderen Blickwinkel und von solch kosmischen Dimensionen vor, wie ich sie bisher nie für möglich gehalten hatte.
Ich fühlte mich bald selbst wie überirdisch. Den anderen Teilnehmern erging es damals offenbar genauso. Binnen weniger Minuten erschien mir dieser holografische Kosmos als die Realität. In diesen Stunden konnte ich sogar an ihren exotischen Geruchswelten teilnehmen, obwohl mir wegen dieses Unfalls vor zweieinhalb Jahren in Kairo mein realer Geruchssinn vollkommen abhanden gekommen ist.
Bei meinen Kopierarbeiten musste ich im übrigen besonders darauf achten, dass die Kapazität der mir zur Verfügung stehenden Microchips nicht überschritten wird. Die Filmsequenzen, die Sie gleich sehen werden, sind daher selbstverständlich nur zweidimensional dargestellt. Es war mir nicht möglich, die allein für das Militär kreierten neuen 500-Gigabite-Nanochips zu bekommen, die für diese Aktion natürlich besser geeignet gewesen wären. Ich musste mit den handelsüblichen 128 Gigabite vorlieb nehmen, von denen ich einige konspirativ erwerben konnte. Entsprechend winzig ist der Auszug von dem, was die Kristalle tatsächlich enthalten. Ich habe von diesem komprimierten Bericht eine weitere Kopie hergestellt, die ich an einem speziellen Ort in den USA verwahrt habe.
Nun zur Sache selbst: In den Vereinigten Staaten und in der Volksrepublik China waren die im Geheimen arbeitenden SETI-Archäologen und Grenzwissenschaftler bereits Ende des zwanzigsten Jahrhunderts zu der Überzeugung gelangt, dass die Erde vor etwa zwanzigtausend Jahren Besuch von Außerirdischen bekommen haben musste. Einerseits wiesen immer wieder seltsame Artefakte und Ansiedlungen, die vor allem bei Ausgrabungen in Nordafrika, auf der Sinai-Halbinsel, in China und in Mittelamerika gefunden wurden, darauf hin, dass die allgemein herrschende Lehre von der rasanten Entwicklung der Menschen vom Jäger und Sammler zum Ackerbauer bis hin zum Monumentalbauten errichtenden Kulturmenschen, äußerst fragwürdig erscheinen musste.
Vor nur siebentausend Jahren soll sich demnach wie aus dem Nichts mitten aus archaischen Gruppen von Jägern und Sammlern ein staatliches Herrschaftssystem entwickelt haben, das in der Lage war, eine Bauindustrie für die Errichtung der babylonischen Städte und Türme oder der altägyptischen Tempelanlagen und Pyramiden zu entwickeln, während der größte Teil der humanoiden Erdpopulation noch im Kannibalismus verharrte. Das konnte nicht richtig sein!
Und nachdem man in den drei großen Pyramiden des Gizehmassivs mehrfach Hinweise gefunden hatte, dass ´Göttersöhne´ geheime ´Steine´ mit Botschaften für zukünftige Generationen hinterlegt hätten, begann eine intensive und hektische Suche amerikanischer und chinesischer Spezialisten nach solcherart Artefakten. Ob auch Russen oder Deutsche dabei mitgemacht haben, entzieht sich meiner Kenntnis.
Ich selbst arbeitete seit Beginn des neuen Jahrtausends für die US-Behörden offiziell an der Stanford University, am Stanford Research Institut und am Messachusetts Institute of Technology in Boston als Kryptologin. Schließlich fanden die Chinesen und wir Nordamerikaner im Oktober des Jahres 2011 fast gleichzeitig nicht nur einige ihrer hochentwickelten, fast unzerstörbar in eine spezielle Schutzmasse eingegossenen, unvorstellbar riesige Informationsmengen enthaltenden, Speicherkristalle, sondern auch einige mumifizierte und in durchsichtigen Kristallcontainern in den unterirdischen Gizehlabyrinten aufbewahrte ´Göttersöhne´ und -´töchter´.
Wir arbeiteten also wie besessen an der Transkription sowohl ihrer unendlich scheinenden bildlichen als auch ihrer schriftlichen Botschaften. Wir Wissenschaftler der ´Ranch´ erreichten wegen unserer fortgeschrittenen Computertechnologie wohl weit schnellere Erfolge als die Chinesen, die meines Wissens bisher zu keinen durchschlagenden Ergebnissen bei der Entschlüsselung, geschweige der holografischen Darstellung der in den Kristallen enthaltenen Botschaften gekommen sind.
Während wir die fremde Semantik der Besucher bald verstehen lernten, blieb uns ihr gesamtes wissenschaftliches Begriffsgebäude bis heute größtenteils ein völliges Rätsel. Wir standen und stehen einem Gedankengebäude gegenüber, das viele tausend Jahre weiterentwickelt ist, als unser Wissen, unser Vorstellungsvermögen und unsere Moral. All diese neuartigen Informationen zu verarbeiten, bereitet uns nahezu unüberwindbare Probleme. Am Herabtransformieren ihrer technischen, technologischen und wissenschaftstheoretischen Darlegungen in unsere Bedeutungshierarchien zermartern sich inzwischen hunderte Fachleute des "Pegasus"-Thinktanks die Köpfe.
Einfacher waren ihre historischen Filmaufzeichnungen zu verstehen, die ich in der vorliegenden Kopie zusammengefasst habe.
Die Anunnaki, wie sie sich selber nannten, waren die Überlebenden einer humanoiden Population, die annähernd fünfzigtausend Jahre auf dem vierten Planeten unseres Systems gelebt hatte, welchen die antiken Sterndeuter Horus, den Roten und die Römer Mars benannt hatten. Aber nicht unser Solarsystem war ihre kosmische Heimat, sondern sie kamen aus einer uns relativ nahen Gegend unseres Galaxisarmes, die die Sumerer als Das Schaf, die Ägypter als Osiris und die Griechen als Orion bezeichnet hatten. Nach den Beschreibungen, die die Besucher uns von ihrer Sonne im Sichtbereich des von unseren Astronomen als Cr70 identifizierten Sternhaufens gaben, muss es sich um einen mittleren, sonnenähnlichen Stern in diesem Fixsternkonglomerat handeln, der von unserem Planeten aus nicht erkannt werden kann, weil er vom superhellen Alnilam in der so genannten Jakobsleiter – andere nennen sie die Dreikönigs- oder Gürtelsterne des Orion - vollständig überstrahlt wird.
Ihr lebensspendender Stern hieß natürlich Anunnak, ihr Planet Nibiru. Die Vorfahren unserer Besucher waren als Sternenreisende aus dieser Region des Orions auf unser Sonnensystem gestoßen und hatten unser inneres Planetensystem, besonders aber den unweit von unserer Erde kreisenden Nachbarplaneten, in Bezug auf ihre Kolonisationsabsichten näher inspiziert. Offenbar hatten sie bereits mehrere Solarsysteme ihres immerhin einige dutzend Lichtjahre umfassenden Aktionsradius´ auf bewohnbare Planeten untersucht.
Die habitable Zone der für humanoides Leben in Frage kommenden Sonnen ist ja von unseren Astrobiologen einigermaßen klar definiert worden. Solch ein Wandelstern muss nach deren Erkenntnissen eine mittlere Temperatur von zwei bis drei Grad Celsius, ideal zwischen minus fünfzig und plus fünfzig Grad, sowie eine Anziehungskraft zwischen dem 0,7 bis 1,4-fachen der Erdanziehung besitzen. Nur dann kann sich eine wie immer geartete Atmosphäre und Wasser im flüssigen Zustand halten und die Gravitation wird andererseits nicht zu stark. Vor allem aber muss er vor der harten, kosmischen Strahlung geschützt sein. Dies sind die uns bekannten unabdingbaren Voraussetzungen für alles höhere biologische Dasein, welche auch für sie gegolten haben müssten.
Mars war ihnen damals als ein grüner Reflektierer aufgefallen und schien ihnen brauchbare Bedingungen für eine Kolonisierung zu bieten. Im Gegensatz zum dritten Planeten besaß dieser zwei kleinere Monde, von denen einer ziemlich nahe um seinen Wandelstern rotierte. Ihrem kartoffelähnlichen Aussehen nach handelte es sich wohl, anders als bei der Erde, um eingefangene Asteroiden. Ihre Umlaufbahnen verliefen einigermaßen stabil, so dass sie von den beiden Trabanten die nächsten hunderttausend Jahre nichts befürchten mussten.
Primaten hatten sie auf ihm nicht vorgefunden, wohl aber eine mannigfaltige Tier- und Pflanzenwelt, die sie noch im Naturzustand, das heißt, völlig frei von technischen und technologischen Veränderungen einer intelligenten Spezies, vorfanden. Lediglich eine flugfähige Säugetierart besaß ein leistungsfähigeres Gehirn mit besonderen, außergewöhnlichen sinnlichen Fähigkeiten und Fertigkeiten, wie Magnetsensitivismus und Ultraschallortung. Diese merkwürdigen Säuger hatten soziale Formationen gebildet, die von ihnen als Anfänge kulturellen und technischen Lebens gedeutet wurden.
Nachdem die Anunnaki ihr Immunsystem an die für sie fremden Mikroben des vierten Planeten angepasst hatten, war es ihnen nach einigen Jahrzehnten kriegerischer Auseinandersetzungen gelungen, jene Urbewohner des Mars zu unterwerfen und schrittweise für ihre Zwecke dienstbar zu machen. In einem Zeitraum von etwa hundert Generationen entwickelten sie sich zu einer Population von rund einer Milliarde ihrer Art, während die Marsflederer von ihnen aus rein pragmatischen Gründen in einem nach unseren Maßstäben gewaltigen Genozid auf rund dreißig Millionen Exemplare dezimiert wurden. Auf diese Weise behielten die Anunnaki die Oberhand in ihrer neuen Kolonie. Die Domestizierung dieser merkwürdigen Marsflederer wurde von ihnen dabei weniger auf deren Ausbeutung und Unterdrückung ausgerichtet, als auf Kooperation im Rahmen der besonderen Leistungen, die diese Flugsäuger entsprechend ihren speziellen Eigenschaften anbieten konnten. Allerdings vermieden es die Besucher auf dem Mars, die Intelligenz dieser Mitbewohner zu befruchten oder Mischwesen zu erzeugen, wie sie es später auf der Erde versuchten.
In den Ozeanen des Mars lebte, wie auf unserer heutigen Erde, ungleich mehr Getier als auf dem Festland. Die aus den Meeren und anderen Gewässern gewonnenen Würmer und Fische waren Hauptlieferanten für die von ihnen benötigten Eiweiße und Kohlehydrate. Säuger aßen sie dagegen nicht.
Die interstellaren Wanderer hatten nach ihrer Ankunft im Sonnensystem auch Erde und Venus als mögliche Habitats untersucht. Während Venus wegen ihrer zu heißen und zu dichten Atmosphäre als Lebensstern völlig ausfiel, stellten sie in jener grauen Vorzeit in der Atmosphäre der Erde außer den überwiegenden Gasen Stickstoff, Sauerstoff und Kohlendioxid neben Methan noch weitere für sie schädliche Bestandteile der Luft fest. Wegen der starken Vulkanaktivitäten an fast allen Orten der Oberfläche unseres Planeten und besonders auch in den Ozeanen an den Schnittstellen der Kontinentalplatten, wurden auch immer wieder größere Mengen an Schwefelwasserstoffen und Kohlenmonoxiden freigesetzt, die für ihre Stoffwechselsysteme ebenso lebensbedrohlich waren, wie sie es für uns sind.
Dennoch entwickelte sich in den Meeren auch dieses dritten Planeten bereits in jener Zeit regelmäßig höheres biologisches Leben, das allerdings oft heftigen unterseeischen Kataklysmen zum Opfer fiel. Außerdem entdeckten die Anunnaki zwei weitere schwerwiegende, für sie negative Besonderheiten auf der Gaia, wie sie den dritten Wandelstern dieses Solsystems nannten: Die DNA-Spirale des dortigen Lebens drehte überwiegend entgegengesetzt zu der ihrigen. Ihre weiteren Bioanalysen sprachen ebenfalls dafür, dass sie vorerst nicht in der Lage waren, auf diesem Stern ein neues Leben für sich aufzubauen. Die Durchschnittstemperatur des Mars war zudem bereits einige Grade niedriger, und damit angenehmer für sie, als auf Gaia. Der kleinere, vierte Planet der Sonne bot den Anunnaki zu jener Zeit also insgesamt verträglichere Biokomplexe und günstigere Aussichten zur Reproduktion ihrer eigenen Art.
Kehren wir aber zurück zu Mars, dem damals ´Grünen Reflektierer´.
Das Mikrobenproblem auf unserem äußeren Nachbarplaneten war von ihnen also in relativ kurzer Zeit gelöst worden. In den Anfangsjahren dieser Besiedelung waren sie, wie bereits erwähnt, oftmals gezwungen, kleinere und größere Aufstände der Marsflederer bekämpfen. Diese Aborigines waren anfangs ziemlich erfolgreich darin, überraschende Guerillaattacken auf die Neuansiedlungen der Weltraumwanderer durchzuführen. Sie sahen diese Okkupanten gefühlsmäßig und objektiv richtig als Feinde ihrer Population und wollten sich ihnen nicht freiwillig unterwerfen. In Schwärmen von abertausenden geräuschlosen Nachtseglern fielen sie immer wieder in die Behausungen und Depots der Anunnaki ein und töteten viele von ihnen, indem sie mit ihren scharfen Gebissen einfach ihre Kehlen oder Hauptschlagadern durchtrennten und ihnen das Blut aussaugten. Oftmals raubten sie auch ihre Kinder, die sie gern als Nahrung horteten und in kannibalischer Art und Weise verzehrten.
Die Vorstellungswelten der Flederer waren aufgrund ihres niedrigen Entwicklungsstandes weitgehend abergläubischer Natur. Aber wegen ihrer speziellen Fähigkeiten, im Dunkeln mit Ultraschallortung und unter Nutzung von Magnetströmungen des Planeten fliegen und operieren zu können, waren sie in den ersten Jahrzehnten ein äußerst schwieriger Gegner für die Neusiedler. Erst als die Anunnaki durch mehrfache massive Feldzüge und unter rigorosem Einsatz bakterieller Massenvernichtungsmittel diesen Flugsäugern, die zudem noch überwiegend unterirdisch in weitverzweigten Höhlensystemen des Festlandes hausten, ihre absolute Überlegenheit unter Beweis gestellt hatten, blieb es in den folgenden Jahrhunderten einigermaßen friedlich auf dem ´Grünen Reflektierer´. Fortan dienten die fliegenden Säuger den Anunnaki in vielfältiger Weise.
Doch dann kam es etwa zwanzigtausend Jahre vor unserer Zeitrechnung unter den Marskolonisatoren zum Streit. Der Hauptgrund war die als notwendig erachtete zahlenmäßige Begrenzung der eigenen Population. Die Grenzen des Wachstums auf dem kleinen Planeten waren erreicht worden. Das natürliche biologische Gleichgewicht war in Gefahr, aus den Fugen zu geraten. Entweder mussten sie ihre Vermehrung begrenzen, oder Teile ihrer Population mussten auf einen anderen Stern auswandern.
Auf den sich nördlich und südlich gegenüberliegenden Seiten des zentralen Ozeans bildeten sich zwei politische Lager, die zunehmend begannen, sich wegen ihrer unterschiedlichen Auffassungen und Ideologien und wegen ihrer Überlebensressourcen zu bekriegen. Anstatt weiter interstellare Raumfahrt, galaktische Energiegewinnung, gemeinsame Planetenbesiedelung im Sonnensystem oder die Erkundung intelligenten Lebens in ferneren Fixsternsystemen zu betreiben, verbrauchten die streitenden Parteien fast ihre gesamten geistigen und moralischen Kräfte in dem Bestreben, der anderen Seite die jeweilige eigene Vorstellung von der Nutzung der Energieressourcen und der Beschränkung des Wachstums mit Gewalt aufzwingen zu können. Der Rüstungsaufwand, der für beide Seiten erforderlich wurde, um ein funktionierendes Gleichgewicht der Abschreckung aufrecht zu halten, stieg daraufhin ins Unermessliche.
Als sich aus dem extrasolaren Raum schließlich wieder einmal einer der großen Asteroiden näherte, welche zu dieser Zeit noch zahlreicher durch das Weltall vagabundierten als heute, und sie dann sogar erkennen mussten, dass dieser genau auf ihren ´Grünen Reflektierer´ zuraste und mit größter Wahrscheinlichkeit auf der nördlichen Hälfte einschlagen würde, reichten ihre zersplitterten materiellen und energetischen Kapazitäten nicht annähernd aus, diese Kollision zu verhindern. Ebenso wenig waren sie in der knappen noch zur Verfügung stehenden Zeit in der Lage, die erforderliche Anzahl großer Raumkreuzer für langzeitliche interstellare Wanderungen zu bauen, um ihre gesamte Bevölkerung retten zu können.
Die Siedler der Nordhalbkugel schafften es lediglich noch rechtzeitig, ein künstliches Habitat für einige tausend Anunnaki und verschiedenes Getier und Pflanzenmaterial ins zu All bringen, bevor ein gigantisches Inferno den Mars ereilte, um aus ihm in kosmisch gesehen kürzester Zeit einen wüstenartigen Sonnentrabanten, eben unseren Roten Planeten zu machen. Als solchen beobachteten ihn dann die Kulturvölker der ZWEITEN und DRITTEN WELT. Dieser in größter Eile erbaute Weltraumkreuzer steuerte auf der Suche nach einem neuen Lebensstern zuerst die Erde an, von der sie wussten, dass diese einigermaßen erträgliche Lebens-bedingungen für sie bieten könnte.
Ich kann kaum beschreiben, was ich alles empfand, als ich im unterirdischen 3D-Tempel der Pegasusorganisation den Prozess der Annäherung des Anunnaki-Raumschiffes an das Erde-Mond-System miterlebte. Alles, was wir von den Archäologen und Althistorikern über die Entwicklung der menschlichen Art und unsere Geschichte gelernt hatten, musste von uns nun im neuen Licht gesehen und zu großen Teilen vollkommen revidiert werden. Andererseits fiel es uns mit einem Mal viel leichter, die merkwürdigen Legenden in den alten Überlieferungen der Sumerer, Babylonier und Ägypter, der Tora und des Talmud der Juden oder die Texte der Veden der Induskulturen zu verstehen.
Die Führung der Ranch beauftragte daraufhin eine Reihe von Altphilologen, die chaldäischen, ägyptischen und hebräischen Urschriften neu zu übersetzen und nach Begriffen zu durchforsten, die adäquat zu unserem neu gewonnenen Wissen wären. Vieles, was von den antiken Schreibern ebenso wie von den Übersetzern voriger Jahrhunderte noch dem Jenseitigen, Überirdischen, Göttlichen zugeschrieben worden war, erlangte plötzlich einen modernen Sinn und neuen Hintergrund und konnte nun wissenschaftlich erklärt werden. Götter und Göttersöhne, Engel und Teufel wurden mit einem Mal real deutbar. Aber ich sollte nicht vorgreifen."
Mit diesen Worten verschwand das Gesicht Li Hui´s von der Leinwand und es wurde eine weitere Filmsequenz des Reiseabenteuers der Anunnaki eingeblendet. Ein vielstimmiges Raunen und bewunderndes leises Stöhnen der Konferenzteilnehmer durchzog den Raum, als die kosmischen Weltraumansichten des Erde-Mond-Systems und Bilder von den Orbitalumkreisungen des Weltraumhabitats der stellaren Wanderer um den Mond und um unseren Heimatplaneten aus der Zeit vor etwa zwanzigtausend Jahren sichtbar wurden. Das Sonnenlicht dominierte in dieser Region unseres Systems um einiges stärker, als es bei den Aufnahmen im Marsumfeld der Fall gewesen war. Die Vereisung der nördlichen Kappe des heimatlichen Globus besaß dennoch annähernd die fünffache Ausdehnung, wie es in der Gegenwart der Fall ist und gab die Lichtstrahlung funkelnd und glitzernd zurück. Dagegen erblickte man über dem südlichen Pol einen Kontinent, der grüne Küstenstreifen, gewaltige Gebirge und einen riesigen Binnensee besaß. Die hochkarätige Versammlung von Repräsentanten des kubanischen Staates sah die Bilder der ZWEITEN WELT und letzten großen nördlichen Eiszeit auf unserer Erde.
"Zunächst erlebten wir mit, wie sie ihren Raumkreuzer im äußeren Lagrange-Punkt 2 unseres Sonne-Erde-Mondsystems positionierten“, ließ sich dazu wieder die Stimme Li Hui´s vernehmen. „Ihr Schiff blieb zwar auch dort nicht von allein völlig stabil, versprach in jenem Gravitationsdreiklang von Sonne, Erde und Mond dennoch größtmögliche Energieeffiziens für die Dauer, in der sie den Erde-Mond-Raum neu erforschen wollten. Von L2 aus starteten sie die ersten Patrouillen mit ihren schnellen, kleinen Raumgleitern. Jeweils fünf fliegende Untertassen - ich verwende fortan die aktuellen Synonyme unserer Sprache – bildeten mit ihren regelmäßig dreiundzwanzig Besatzungsmitgliedern eine Formation. Nach unseren vorläufigen Berechnungen flogen sie erstmals im Jahr 18.700 vor unserer aktuell gültigen westlichen Zeitrechnung in Richtung Erdorbit los.
Wie Sie sehen können, präsentierte sich unser Heimatplanet den Besuchern aus der Parkposition ihres Raumkreuzers in einem faszinierenden Lichtschimmer von Grün, Weiß und Blau. Die Regionen des nördlichen Polarkreises glitzerten und funkelten im hellen Widerschein der Sonnenstrahlung mit ihren schier endlos erscheinenden Eis- und Schneewüsten bis weit hinein in die Areale der nördlichen Kontinentalplatten, während die übrigen Festlandzonen vor allem das Grün der Savannen und Regenwälder widerspiegelten, soweit sie nicht von weißen und grauen Wolkenspiralen verhangen waren. Die Ausdehnung von Wüsten und Steppengebieten erscheint zu dieser Zeit erheblich geringer, als es heute der Fall ist. Der weitaus umfangreichste Teil der Zentralplatte, unseres Eurasiens, schimmerte jedoch zart hellgrün, was auf eine Wald- und Wiesenflora – wie wir heute wissen, überwiegend lockere Lärchenwälder – des nördlichen Asiens, des heutigen sibirischen Permafrostbodens, hindeutete. Doch der weit überwiegende Teil der Erdkugel strahlte im Hell- bis Dunkelblau der großen Ozeane. Und über dem gekrümmten Horizont unseres Planeten fluoreszierte der schmale, gelb-rosa Schimmer der lebenserhaltenden Atmosphäre.
Die Astronomen der Anunnaki hatten bald herausgefunden, dass sich die Erde seit geraumer Zeit in einer Kaltphase befand, weshalb sich im Gegensatz zur Zeit des Besuches ihrer Vorfahren, auf der nördlichen Halbkugel, vom Nordpol über den Nordatlantik bis hinein in die großen nordamerikanischen und asiatischen Landmassen, kilometerdicke Eisschichten gebildet hatten, die eine Besiedelung so gut wie ausschlossen. Süßwasser in gefrorener Form gab es damit jedoch in Hülle und Fülle auf diesem von ihnen gesehen zur Sonne zu gelegenen Nachbarplaneten. Das eisfreie Festland, besonders das der südlichen Kontinente, war in reichem Maße von beachtlichen Flusssystemen und zahlreichen Seenlandschaften durchzogen. Die Anunnaki gaben den Ozeanen und den größeren Landmassen, ebenso wie den Strömen und Flüssen, ihre Bezeichnungen. Wie sie schnell feststellen konnten, hatte sich die Zusammensetzung der Luft in den vergangenen Jahrtausenden zu Gunsten ihres Bedarfs verändert. Nur die Symbiose ihrer Biosysteme mit den vorhandenen Mikroorganismen bereitete wegen der DNA-Verschiedenheiten schwer-wiegende Probleme.
Was die Fremden vom Mars aus nicht ausreichend erforscht und in den vergangenen Jahrhunderten ihrer Machtkämpfe auf dem Nachbarplaneten versäumt hatten zu beobachten, waren Stand und Entwicklung des höheren biologischen Lebens der Gaia zu Wasser und zu Lande. Besonders die Frage, ob man mit einer intelligenten, abwehrfähigen Spezies zu rechnen hatte und auf welchem wissenschaftlich-technischen Entwick-lungsstand sich diese befand, war für die Exulanten noch unbeantwortet. Deshalb herrschte große Gespanntheit unter den rund achttausend Bewohnern ihres Weltraumhabitats, als die erste Raumpatrouille in einen nahen Orbit des blau-weiß-grünen Planeten einsteuerte, um zunächst eine genaue 3D-Karthografierung ihrer künftigen Heimat vorzunehmen.
Die kleinen Explorer begannen ohne Verzögerung mit der systematischen Erkundung der Gaia. Während sie in nahen und eng versetzten Orbits über die Erdpole hinweg ihr zukünftiges Siedlungsterritorium umkreisten, drehten ihre hochauflösenden Spezialkameras unablässig Filme von der Planetenoberfläche und ihre Speziallaser erfassten pausenlos dreidimensionale geografische wie biochemische Daten.
Bald setzten sie ihre Erkundungen mit der näheren Erforschung der Flora und Fauna in mehreren Explorerteams fort. Die Tier- und Pflanzenwelt der Erde erwies sich als noch reichhaltiger als jene auf dem Mars. Und noch bevor die ersten dutzend Erdumdrehungen vergangen waren, hatten sie sie entdeckt: Primaten in größeren Populationen, die in den Wäldern und am Rande der Steppen der eisfreien Kontinente herumstreiften. Dazu gewaltige Herden großer und kleinerer vierbeiniger Säuger auf dem Lande und in den Ozeanen, sowie tausende schwimmender Kiemenatmer in allen Gewässern. Die Zahl der niederen Tiergattungen, angefangen bei den Vögeln und Kriechtieren, bis hin zu den Insekten, Würmern und sonstigen Wirbellosen, war schier unübersehbar und ihre Erfassung musste von den Anunnaki zunächst vernachlässigt werden, denn die Suche nach einer intelligenten, abwehrfähigen Spezies besaß die höhere Priorität.
Bereits nach wenigen Tagen hatten sie dann auch mehrere aufrecht gehende Humanoiden ausgemacht, die in kleinen, wandernden Gemeinschaften zu dreißig bis vierzig Personen sowohl in Wäldern, als auch in Steppen und Savannen jagten und vorwiegend in Höhlen lebten. In den Schneeregionen konnten die Anunnaki dagegen nur ganz vereinzelt Gruppen von dahinziehenden Jägern und Sammlern entdecken. Doch eine viel höher entwickelte Rasse war das eigentliche Ziel ihrer näheren Untersuchungen. Die Anunnaki hatten mehrere umfangreiche Populationen dieser Art auf den Inseln eines Archipels entdeckt, welcher sich zu dieser Zeit inmitten des kleineren der beiden Hauptozeane von Nordosten nach Südwesten hinzog. Diese lebten bereits in festen, gesicherten Ansiedlungen, mit Wohnstätten aus Holz, Lehm und Steinen. Es waren, wie Sie sich denken können, Cro-Magnon-Menschen.
Meine Damen und Herren, im Folgenden verwende ich die uns heute geläufigen Begriffe und Eigennamen, die zum größten Teil aus jener goldenen Vorzeit stammen. Ich habe aus Gründen der bereits genannten begrenzten Speicher-kapazität meines Chips darauf verzichtet, die Berichte der Anunnaki von der Erkundung des pazifischen Raums einzuspielen. Für unsere Betrachtungen ist der atlantische Raum vorerst wesentlich interessanter, da uns hier vor Augen geführt wird, dass es vor unserer DRITTEN WELT bereits eine großartige Zivilisation gegeben hat, nämlich die der so genannten Atlanter.
Deshalb wissen wir nun auch, warum die heutigen, ebenso wie die antiken, kartografischen Darstellungen unserer Erde die großen Kontinente rechts und links des Atlantiks gruppieren. Damals war Atlantis der Mittelpunkt der Welt. Heute geht man aus Gründen, die womöglich mit dem Übergang in eine VIERTE WELT zu tun haben, mehr und mehr dazu über, die großen Festlandplatten Eurasien und Amerika rechts und links des Pazifik, mit der Inselkette Hawaiis als Mittelpunkt, darzustellen. Unnötig vielleicht der Hinweis für Sie, dass die beiden gewaltigsten Vulkane der Welt, der Mauna-Kea und der Mauna-Loa, einer der wichtigsten strategischen Häfen der USA, Pearl Habour, sowie die beiden größten Observatorien der Welt, dort gelegen sind. Aber das ist eine andere Geschichte.“
Im Weiteren bekamen die Konferenzteilnehmer eine Folge von Filmsequenzen mehrerer Flüge der schnellen Raumdiscs in etwa zehn Kilometer Höhe über die kleinen und größeren Inseln jenes besonderen Archipels, bis hin zur großen, nördlich des Äquators gelegenen, Hauptinsel geboten. Deren Ausdehnung konnte man auf etwa die Hälfte Australiens schätzen. Im Norden war sie von einem hohen, schnee- und gletscherbedeckten Gebirgsmassiv eingefasst. Diese Kordillere schützte die Großinsel vor den kalten Nordwinden und verlieh ihr zusammen mit einer warmen Meeresströmung entlang ihrer südlichen und westlichen Gestade ein besonders günstiges Klima.
Der Flug einer Explorerdisc führte zuletzt über dieses Nordgebirge hinweg und gab den Blick in eine unendlich scheinende Eiswüste frei: Die nordatlantischen Eisfelder der letzten Glacialperiode. Wieder gingen Laute des Erstaunens und der Bewunderung durch die Reihen der auserwählten Zuschauer. Schließlich kehrte die Kamera von da zurück und verharrte im südlichen Teil des Festlandes über einer größeren, bebauten Ansiedlung. Die Umgebung wurde so nahe herangezoomt, dass die Einzelheiten einer Siedlung deutlich erkennbar wurden. Selbst das Treiben der Bewohner ließ sich problemlos beobachten.
Cromagnon-Menschen der jüngeren Vorzeit, wir bezeichnen sie heute als frühe Bronzezeit, gingen dort ihren vielfältigen Beschäftigungen nach. Ihre Stadt, so konnte man diese Ansiedlung wohl bereits bezeichnen, war in einem Oval von etwa eineinhalb auf einen halben Kilometer angelegt und von einem über zwei Meter hoch aufgeschichteten Erd- und Steinwall umfasst, der mit eben so hohen Holzpalisaden gekrönt war. Um den gesamten Palisadenwall herum führte ein etwa fünf Meter breiter Wassergraben, der vom nahen Flusssystem abgezweigt worden war und nördlich des Dorfes in den ein wenig tiefer liegenden See abgeleitet wurde. In der Mitte befand sich ein Steinturm von etwa zehn Metern Höhe.
Die so gesicherte Siedlungsfläche war deutlich zweigeteilt. Ein Teil war entlang der parallel und rechtwinklig verlaufenden Gassen mit achtzehn rechteckigen, schilfgedeckten Langhäusern bebaut, deren Länge ungefähr dreißig, ihre Höhe fast sechs Meter betrug.
Diese Wohnsiedlung belegte zwei Drittel der Gesamtfläche des Ovals und mochte vielleicht zweitausend Menschen aufnehmen. Das andere Drittel beherbergte im kleineren Teil hofartige Areale, in denen offensichtlich verschiedenes Handwerk betrieben wurde. Im größeren Teil befanden sich einige Koppeln für Ziegen, Schafe und eine merkwürdige Art langhörniger Rinder, die es in unserer heutigen Welt nicht mehr gibt. Entlang des Schutzwalls waren auf dieser Seite des Großdorfes unterschiedlich hohe Tonkrüge aneinander gereiht, von denen einige die Spitzen der Palisaden erreichten und die allem Anschein nach als Speicher für verschiedene Nahrungsgüter dienten. Im Innern des Walls lief rund um die Siedlung direkt unter den Palisaden ein schmaler Trampelpfad entlang.
An die Siedlung schloss sich der weit nach Norden führende Süßwassersee an. An mehreren stabilen Holzstegen lagen stattliche Einbäume mit einseitigen Auslegern, und westlich der Siedlung konnte man kleine Getreide- und Gemüsebeete erkennen, die dem umgebenden Urwald abgetrotzt worden waren. Nach unserer Einteilung der Jahreszeiten war es auf dieser nördlichsten Großinsel des Archipels gerade Sommer.
Der Film wurde nun ausgeblendet und es blieb einen Moment dunkel im Raum. Langsam flutete das elektrische Licht hoch und Li Hui, schlank und unauffällig mit schwarzem Hosenanzug und weißer Leinenbluse gekleidet, ließ ihren forschenden Blick verstohlen über die Versammlung huschen.
"Meine Damen und Herren, ich denke, wir gönnen uns jetzt alle eine kleine Erholungspause. Ich sehe, Sie sind ebenso beeindruckt, wie ich es jedes Mal bin, wenn ich die Kopien ihrer Aufzeichnungen aus jenen lange vergangenen Zeiten unserer Menschheitsgeschichte anschaue."
Sie warf einen fragenden Blick zu Juan Soto del Valle hinüber, um nach dessen kurzem Kopfnicken zu ergänzen: "Wir treffen uns alle 15 Uhr wieder hier, um fortzufahren. Bis dahin dürften alle ihren Lunch und ihre wohlverdiente Siesta genommen haben. Freuen Sie sich auf die unwahrscheinlichen Eröffnungen und die grandiosen Bilder, die Sie im zweiten Teil meines Berichtes erwarten."