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Notizen Ein Blick in die Bibel Römer 3,11 – 12.23 (Hfa)
ОглавлениеEs gibt keinen, der einsichtig ist und nach Gott fragt. Alle haben sich von ihm abgewandt und sind dadurch für Gott unbrauchbar geworden. Da ist wirklich keiner, der Gutes tut, kein Einziger.
Alle sind schuldig geworden und spiegeln nicht mehr die Herrlichkeit wider, die Gott dem Menschen ursprünglich verliehen hatte.
Der Römerbrief ist ein Brief des Apostels Paulus und zeigt das Evangelium (die frohe Botschaft von Jesus) deutlicher auf als die anderen Briefe des Neuen Testaments. Paulus erklärt in kurzen, klaren Worten den Weg zurück zu Gott. Aber bevor er diesen Weg präsentiert, führt er in den Kapiteln 3 und 4 aus, warum jeder Mensch, ob Jude oder Heide, vor Gott schuldig ist und nur Gott selbst, durch Jesus, unsere Rettung ist (vgl. Epheser 2,1 – 3).1
Um die Trennung von Gott aufzuzeigen, verwendet der Römerbrief den Begriff Sünde. Jesus verwendet in seinen Reden häufiger die Bezeichnung der Verlorenheit, um den Zustand des Menschen zu beschreiben. In den folgenden Erklärungen wird als zentraler Begriff die Sünde verwendet, denn von Gott als Sünder betrachtet zu werden bedeutet, verloren zu sein.
In Römer 3,9 – 20 stellt Paulus die allgemeine Sündhaftigkeit des Menschen dar. Er stellt klar, dass jeder von Gott getrennt ist und es keinen Menschen gibt, dessen Beziehung zu Gott von Natur aus gut ist. Dabei kann Sünde viele verschiedene Formen annehmen. Im Alten Testament wird der Begriff durch eine Vielzahl von unterschiedlichen Wörtern ausgedrückt. Als Sünde kann alles bezeichnet werden, was gegen Gott gerichtet ist. Dabei umfasst der Ungehorsam einen passiven wie auch einen aktiven Aspekt. Der Mensch kann als Person neidisch oder stolz sein (passive Sünde) und er kann lügen und stehlen (aktive Sünde). Des Weiteren berichtet die Bibel an verschiedenen Stellen, dass wir in einem sündigen System leben und Gott das Volk zur Buße ruft (vgl. Amos, Maleachi). Die Hauptbetonung liegt jedoch auf dem Aktiven, nämlich dass Unrecht begangen wird.
Der berühmte dänische Philosoph Søren Kierkegaard schrieb 1849 ein faszinierendes Buch mit dem Titel Die Krankheit zum Tode. In ihm definiert er Sünde so: Sünde ist das verzweifelte Sich-Weigern, meine tiefste Identität in meiner Beziehung zu und im Dienst für Gott zu finden. Sünde heißt: Ich versuche, ohne Gott mein Ich, meine Identität zu finden.2 Der Mensch macht sich selbst und die Welt zum Ziel seines Lebens, anstatt den Schöpfer zu ehren und in ihm die Erfüllung des Lebens zu suchen.
Wer sich auf die Suche begibt, das Geheimnis der Sünde zu erfassen, der kommt auch nicht an einem der schönsten Gleichnisse von Jesus vorbei. Die Erzählung von den zwei Söhnen (vgl. Lukas 15) beschreibt die unterschiedlichen Arten, wie Menschen sich von Gott trennen können. Denn Sünde ist im Kern keine einzelne Verfehlung, sondern eine Lebenshaltung, die sich in Selbstverwirklichung und Selbstgerechtigkeit äußert. Das beschreibt Jesus in diesem Gleichnis. Doch in der Zentrierung auf uns selbst liegt weder Glück noch das Leben. Dort, wo der Mensch diese Haltung aufgibt und den Weg zu Gott, dem Vater, sucht, findet er das Leben. Alles Leben in der Trennung von Gott ist ein geistlich totes Leben. In einem selbstzentrierten Leben verpassen wir den wahren Grund und Sinn unseres Lebens. So befindet sich einer der schönsten Verse der Bibel auch in dem Gleichnis vom verlorenen Sohn: Denn mein Sohn war tot, und nun lebt er wieder; er war verloren, und nun ist er wiedergefunden. Und sie begannen zu feiern (Lukas 15,24).
Um das Problem der Sünde zu begreifen, ist es wichtig, das biblische Gottesbild zu verstehen. Die Bibel spricht von einem persönlichen Gott und nicht von einem abstrakten, nicht fassbaren Gott. Doch leider ist es genau dieses Gottesbild, das in der westlichen Kultur vorherrscht.3 Und weil Gott kein abstraktes Wesen ist, können wir auch ihm gegenüber schuldig werden. Dies führt Paulus im dritten Kapitel des Römerbriefes aus und dieses Bild zeigt sich auch im Gleichnis aus Lukas 15.
Dabei ist es von zentraler Bedeutung, die Sünde nicht in einzelnen moralischen Vergehen zu sehen, sondern zu verstehen, dass wir in einem Zustand der Trennung von Gott leben und dass die Bibel jeden mit dem Ruf zur Buße und Umkehr anspricht.
Die Bibel beschreibt den Menschen nach seiner Vertreibung aus dem Garten Eden als Sünder – unabhängig von seinem Geschlecht oder seiner Herkunft, egal wie ethisch gut er lebt, wie sehr er sich um die Natur kümmert oder sein Leben für andere einsetzt. Der Mensch ist Sünder, weil er von Adam abstammt.
Dazu kommt noch ein weiterer wichtiger Punkt: Der von Gott getrennte Mensch ist sich seines „Elends“ nur bruchstückhaft bewusst. Er merkt möglicherweise, dass die Welt und er nicht perfekt sind, doch den Grund dafür erkennt er nicht (vgl. 2. Korinther 4,3 – 6 und 1. Korinther 2,6 – 16). In dieser Blindheit hat sich der Mensch wie das verlorene Schaf verirrt. Und wie für ein verlorenes Schaf ist es dem Menschen nicht möglich, alleine zu Gott zurückzufinden. Gott, der Hirte, muss sich aufmachen und das Verlorene suchen und retten (vgl. Lukas 15).
Der Wissenschaftler Blaise Pascal sagte zu der Trennung von Gott, dass die Lehre von der Erbsünde auf den ersten Blick wie eine Beleidigung der Vernunft erscheine, doch einmal akzeptiert, diese den Schlüssel zum Verständnis des Zustandes des Menschen biete.4
Zwischen Gott und den Menschen gibt es also eine Kluft, sie sind voneinander getrennt. Dabei kann der Mensch sich Gott nicht einfach so wieder nähern, denn Gott ist heilig und rein und der Mensch lebt in Sünde. Aus diesem Grund hat Gott nach einem Weg gesucht, der seiner Heiligkeit gerecht wird, der die Sünde in ihrer ganzen grausamen Dimension ernst nimmt und den Menschen gleichzeitig die Freiheit und den Willen überlässt, sich für oder gegen Gott zu entscheiden.