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SONNTAG

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Ich saß ihr gegenüber und in mir kam plötzlich ein Gefühl auf, mit dem ich nicht gerechnet hatte. Diese Frau kam mir fremd vor. Fremd! Nach all den Jahren gemeinsamen Lebens. Ich musterte sie unauffällig, während ihre Worte an mir vorbeirauschten. Diese Frau dort, die ich ansah, die mich ansah, die mir Dinge erzählte, die ich nur zeitweise und teilweise mitbekam, da meine Gedanken kreisten, entfernte sich auch während des Gesprächs immer weiter von mir. Wie konnte es nur sein, dass mich dieses fast unwirkliche Gefühl beschlich und man sich in nur wenigen Wochen so weit voneinander entfernt hatte? Dabei machte sie nichts falsch. Es lag einzig und allein an meinem Eindruck, meinem Gefühl. Oder doch nicht? Ich hatte bemerkt, dass sie mir nicht richtig zuhörte. Alles musste ich mehrfach erzählen, was bei mir den Eindruck hinterließ, dass sie sich nicht mehr für mich interessierte. Was wohl auch so war und mich negativ berührte. Es waren Momente, in denen man einfach alles was passierte und gesagt wurde auf sich bezieht. Dabei hätte es ja durchaus sein können, dass Julie derzeit einfach viel um die Ohren hatte und deshalb so unkonzentriert war. Auf diese Idee kam ich jedoch erst gar nicht. Streckenweise dachte ich vielmehr, dass es überhaupt keinen Sinn mehr machte, sich noch mit ihr zu unterhalten. Ich fühlte mich plötzlich unwohl. Dabei hatte ich mich auf dieses Treffen gefreut. Nun kam es mir als Zeitverschwendung vor.

„Oder nicht?“, hörte ich Julie wie aus dem Nichts fragen. Plötzlich stand eine Frage im Raum, die ich aufgrund meiner Gedankenausflüge nicht zu beantworten vermochte. Ich blickte sie stumm an, bevor mich ein „Es tut mir sehr leid, aber ich muss heute Abend noch ein paar dringende Telefonate führen“ verließ. Jetzt blickte sie mich stumm an und ich sah ein Blitzen der Verärgerung in Ihren Augen, während ich nach meiner Brieftasche griff.

Ich bat die Kellnerin um die Rechnung, bezahlte und wir verabschiedeten uns wie gute Freunde mit einer Umarmung. Mit einer Umarmung! Vor zwei Monaten lebten wir noch zusammen! Taten wir das? Heute kommt es mir so vor, als hätten wir uns lediglich die Wohnungsschlüssel, Küche, Bad und Bett geteilt, zumindest im letzten gemeinsamen Jahr. Offenbar fand da schon die Entfremdung statt. Anders konnte ich mir meine jetzigen Gefühle nicht erklären. Ich setzte mich ins Auto und fuhr davon. Irgendwie war ich erleichtert. Irgendwie aber auch wehmütig.

Zu Hause angekommen, machte ich mir erst mal einen Drink. Jetzt war einer dieser genau richtigen Momente für einen Single Malt oder auch zwei. Ich war mir zwar nicht sicher, ob das die Wehmütigkeit tatsächlich bekämpfen oder doch eher verstärken würde, aber was soll´s! Drei Whiskey und eine Dreiviertelstunde CNN später – die hatten auch nicht wirklich was Positives zu berichten – ging ich zu Bett, versuchte Julie aus meinem Kopf zu verdrängen und döste dabei allmählich immer tiefer weg.

EINE WOCHE

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