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3 Forschungsstand
ОглавлениеDie wissenschaftliche Forschung zum Lernen außerhalb der klassischen Schulumgebung nahm seit den 1970er Jahren deutlich zu. Bestehende Vorbehalte gegenüber informelleren Lernanlässen traten zunehmend zurück, weshalb der Terminus »Lernort« rasch an Bedeutung gewann.[61] Bildungspolitisch vorangetrieben wurde die Entwicklung von der Bildungskommission des Deutschen Bildungsrates, die in ihrem Gutachten zur Weiterentwicklung der Sekundarstufe II eine verstärkte Berücksichtigung von Lernorten ausdrücklich einforderte und zugleich eine erste Auswahl an möglichen Orten vorlegte.[62] Innerhalb der bildungswissenschaftlichen Diskussion orientierte man sich anschließend an der Differenzierung zwischen primären und sekundären Lernorten, die Joachim Münch in die Diskussion eingebracht hatte.[63] Inzwischen scheint diese Debatte überwunden. Als allgemeingültiger und fächerübergreifender Terminus hat sich die Rede vom »außerschulischen Lernort« durchgesetzt. Von Schulklassen werde dieser ausdrücklich zum Zwecke des Lernens besucht,[64] um ihn absichtsvoll in den schulischen Unterricht einzubringen, da sich an ihm ein didaktisches Arrangement vorfinden lasse, welches umfangreichen pädagogischen Ertrag verspreche.[65]
Als Vorzüge von außerschulischen Lernorten werden vor allem die angeblich authentische Begegnung vor Ort, das Lernen in größeren Sinnzusammenhängen, ein ganzheitliches und sinnliches Lernerlebnis, ein hoher Grad an Selbsttätigkeit bei den Schülerinnen und Schülern, auch durch kooperative Lernformen, sowie der Einbezug von Expertinnen und Experten genannt.[66] Im Zentrum steht dabei die Andersartigkeit des besuchten Raums, die es ermöglicht, Ergebnisse vorzulegen, die im Klassenzimmer unmöglich seien.[67] Erreicht werde damit, die Lernenden »in die Situation mit hineinzunehmen«[68]. So eröffne sich ein ganzheitliches Lernen, da viele Sinne angesprochen würden.[69] Nicht zuletzt weist die Bildungswissenschaft darauf hin, dass die Begegnung mit Lernorten jenseits der Schulmauern den klassischen 45-Minuten- oder 60-Minuten-Rhythmus aufbricht, an dessen Stelle längere Arbeitsphasen oder vollständige Projekttage treten, die eine weit intensivere und umfassendere Auseinandersetzung ermöglichen.[70] Zudem wird die Rolle der Expertinnen und Experten betont, auf die Lernende bei ihren Besuchen stoßen.[71] Im konkreten Fall der Exkursionen nach Auschwitz-Birkenau handelt es sich dabei um die Gespräche mit Überlebenden des Lagers, die als Zeitzeugen berichten, was von den Schülerinnen und Schülern immer wieder als absolutes Highlight ihrer Reisen hervorgehoben wird.[72] Obgleich in der didaktischen und bildungswissenschaftlichen Literatur auch potenzielle Probleme diskutiert werden – genannt werden dabei der hohe Organisationsaufwand,[73] eine eventuell zu hohe Komplexität[74] oder ein potenziell unangemessenes Verhalten der Lernenden[75] – steht doch fest: Außerschulische Lernorte genießen hohe Anerkennung und werden als Möglichkeit angesehen, gleichsam die ganze Welt als Klassenzimmer für die schulische Arbeit heranzuziehen.[76] Sie sind damit weit mehr als eine »Flucht aus der Anstalt«[77]. Gleichwohl beziehen sich bislang die meisten Untersuchungen auf den naturwissenschaftlich-technischen Bereich, während für die geisteswissenschaftlichen Fächer ein deutlicher Forschungsrückstand, vornehmlich in der dezidiert empirisch orientierten Forschung, festgestellt wird.[78] Zielsetzung der vorliegenden Studie ist es dementsprechend, zu klären, ob sich diese vielfältigen, dem Umgang mit außerschulischen Lernorten auch für das historisch-politische Lernen[79] zugeschriebenen Potenziale bei einer schulischen Exkursion zum Staatlichen Museum Auschwitz-Birkenau nachweisen lassen. Forschungsmethodisch sollen dabei hermeneutische Quellenarbeit und empirische Erhebungsmethoden kombiniert werden.
Doch bevor der Blick auf den konkreten Untersuchungsgegenstand des Lernortes Auschwitz gerichtet wird, ist zunächst der engere Bereich der domänenspezifischen Forschungsliteratur zu skizzieren. Dabei konzentriert sich der Forschungsüberblick auf den schulischen Umgang mit historischen Orten im Allgemeinen und mit ehemaligen Lagern des nationalsozialistischen Deutschlands im Besonderen. Andere außerschulische Lernorte des Faches – zu denken wäre etwa an Archive, Museen oder Denkmäler – bleiben dementsprechend ausgeklammert. Für den ausgewählten Teilaspekt der geschichtsdidaktischen Literatur zeigt sich, wie zu erwarten ist, dass die domänenspezifische Diskussion zu außerschulischen Lernorten nicht grundsätzlich entkoppelt von der erziehungswissenschaftlichen Debatte blieb. Demgemäß spielten im Fach Geschichte außerschulische Lernorte lange Zeit keine exponierte Rolle. Zwar können erste Forderungen, das direkte Umfeld der jeweiligen Bildungseinrichtungen für das historische Lernen zu nutzen, bis in das 17. Jahrhundert auf Comenius zurückgeführt werden,[80] doch finden sich konkrete Versuche, sein allgemeines Konzept für das historische Lernen zu nutzen, erst wesentlich später. Vor allem im Zeitalter der Reformpädagogik zogen sie erstmals in die schulische Alltagswelt ein.[81] Zumeist blieben Unterrichtsgänge allerdings auf die Primarstufe beschränkt,[82] wo sie bis heute zu den gängigen Formaten des auf die Orts- und Lokalgeschichte bezogenen Unterrichtens zählen.[83] In der Sekundarstufe I und noch verstärkt im Bereich der Sekundarstufe II fand sie hingegen kaum Unterstützung, da Exkursionen in das unmittelbare Umfeld der jeweiligen Schulen bis in die 1970er Jahre das Stigma der Provinzialität anhaftete.[84] Dieses offenkundige Desinteresse spiegelt sich in der einschlägigen Forschungsliteratur wider, wenn beispielsweise die erste Auflage des Handbuchs der Geschichtsdidaktik aus dem Jahr 1979 überhaupt keinen ausgewiesenen Beitrag zum Lernen an Stätten bedeutsamer historischer Ereignisse beinhaltete.[85] Lernen an Orten – wenn dieser »Ort« nicht das eigene Klassenzimmer war – fand also lange Zeit im deutschsprachigen Geschichtsunterricht ebenso wie in der geschichtsdidaktischen Literatur nicht statt.[86] Dementsprechend entwickelte sich keine Forschung zur Bedeutung von Lernorten. Ebenso wie in den Bildungswissenschaften entfaltete sich breiteres, wissenschaftliches Interesse erst ab der Mitte der 1970er Jahre, als erste einschlägige theoretische Überlegungen die Frage nach dem Ertrag von Exkursionen zu historischen Orten aufwarfen. Der Landeshistoriker und Geschichtsdidaktiker Walter Ziegler war es beispielsweise, der in einer ersten Abhandlung vorschlug, mit Schulklassen die Schauplätze bedeutsamer historischer Ereignisse zu besuchen und dort mit den Methoden der Geschichtswissenschaft die noch vorhandenen Überreste im schulischen Kontext zu befragen.[87] Neben zahlreichen Beispielen aus vormodernen Zeiten rief er ausdrücklich dazu auf, beispielsweise das vormals erste NS-Lager in Dachau zum Ziel einer Exkursion im Geschichtsunterricht zu machen.[88] Schon in seiner Pionierarbeit stellte Ziegler also die Zeitgeschichte und mit ihr die Orte der Gewaltverbrechen der jüngsten Vergangenheit deutlich heraus, was gerade den etwa zeitgleich entstehenden Forschungsbemühungen der lokalen Geschichtswerkstätten entsprach.[89]
Ein breiteres Verständnis von Lernorten im Geschichtsunterricht legte etwa zeitgleich der in Oldenburg lehrende Geschichtsdidaktiker Bernd Hey an den Tag. Er forderte, Archive, Lehrpfade oder Museen ebenfalls als Ziele von Exkursionen anzuerkennen, selbst wenn sie nicht am eigentlichen Geschehensort errichtet worden seien oder der direkte Bezug zum Schauplatz des Ereignisses zum Teil fehle.[90] Hey war es denn auch, dessen wiederholte Plädoyers für einen stärkeren Einbezug von Lernorten außerhalb der angestammten Schulmauern im Fach gehört wurden und ein Umdenken einläuteten.[91] Lernorte außerhalb der Schule hatten das historische Lernen erreicht. In der Folge wuchsen die Forschungsanstrengungen zum historischen Lernen an außerschulischen Lernanlässen deutlich an,[92] sodass sie inzwischen sogar die einschlägigen Handbücher erreicht haben[93] und Bestandteil von Grundlagenwerken zur Geschichtsmethodik geworden sind.[94] Ob damit aber der Spatial Turn in der Geschichtsdidaktik angekommen ist, der räumlichen Prägung von Geschichte also gebührender Raum zugestanden wird, worum sich die Geschichtswissenschaft seit mehr als einem Jahrzehnt bemüht,[95] ist keineswegs gesichert. Vielmehr lässt sich wohl weiterhin mit Vadim Oswalt konstatieren, dass für den Geschichtsunterricht ebenso wie für die Geschichtsdidaktik das »Wo« zum »Was« und »Wann« zu häufig fehle.[96]
Wenn der Raum doch in den Blick rückt, findet dies oft am Beispiel spezifischer, zumeist eng umgrenzter Orte statt, denen dann allerdings als »Lernorte« eine besondere Dignität für den Geschichtsunterricht attestiert wird.[97] Ursache für diese Wertschätzung ist zunächst der Umstand, dass Lernende bei Besuchen an historischen Orten sich an die Räume begeben, an denen sich bedeutsame Ereignisse in der Vergangenheit abgespielt haben. Im Sinne eines »ex-currere« aus der angestammten Lernumgebung wird ihnen zugleich ein erhöhtes Motivationspotenzial zugeschrieben.[98] Weit schwieriger ist die Lage bei der »originalen« Begegnung, von der in der erziehungswissenschaftlichen Literatur mit Bezug auf die uneingeschränkt bestehende Authentizität besuchter Lernorte die Rede ist.[99] Gerade für historische Orte ist Authentizität nicht mehr gegeben, eine »reale« oder »originale« Begegnung mit dem historischen (Geschehens-)Ort ist ausdrücklich nicht mehr möglich.[100] Der aufgesuchte Ort besteht schließlich nicht mehr im Zustand des ursprünglichen Ereignisses, sondern hat sich im Verlauf von Jahren oder Jahrhunderten vielfach verändert. Die oft gebrauchte Rede von der Authentizität, die das wichtigste Kapital historischer Orte sei, ist sicherlich nicht zutreffend,[101] gerade für Gedenkstätten ist Authentizität eine ausgesprochen »problematische Kategorie«[102]. Zugleich resultiert aus dieser Veränderbarkeit des historischen Untersuchungsraums das Potenzial, bei Schülerinnen und Schülern ein Bewusstsein für die Historizität von Geschichte allgemein und von historischen Orten im Speziellen aufzubauen.[103] Nicht zuletzt gelingt es an besuchten Orten, den besuchten Raum als Manifestation einer öffentlichen Geschichtskultur zu studieren, da er als derartig exponiert angesehen wird, dass dort ein (mehr oder minder umfangreiches) öffentliches Erinnern an ein spezifisches Ereignis stattfindet.
In diesem Sinn zählen ehemalige Lager, ebenso wie andere exponierte Orte des Nationalsozialismus, zur geschichtsdidaktischen Kategorie der historischen Orte – zu denken ist etwa an das ehemalige Reichsparteitagsgelände in Nürnberg, die Stätten der »Euthanasie«, den Obersalzberg als Sitz von Hitlers »Berghof« oder die NS-Ausbildungsstätte Vogelsang in der Eifel. Seit den 1980er Jahren wurden ehemalige Stätten des Nationalsozialismus als Lernorte entdeckt.[104] Gerade die besonders bekannten KZ-Gedenkstätten – Peter Reichel nennt hier für den Osten Deutschlands Buchenwald, Sachsenhausen und Ravensbrück, für den Westen Dachau, Bergen-Belsen und Neuengamme[105] – sind inzwischen kanonische »außerschulische Lernorte« für Schulen[106] und zählen sicher zu den am häufigsten aufgesuchten Exkursionszielen des historischen Lernens an deutschen Schulen.[107] Das gilt besonders für Bayern, wo schon seit dem Jahr 1964 eine Empfehlung des Bayerischen Kultusministeriums besteht, Abschlussklassen aller Schulen sollten die KZ-Gedenkstätten in Dachau oder Flossenbürg besuchen, was aber in den ersten Jahren kaum stattfand. Zwar wuchs die Nachfrage bis in die 1980er Jahre deutlich und für das Jahr 1983 wurden beispielsweise bereits rund 6.000 Schulklassen und Jugendgruppen allein in Dachau verzeichnet,[108] doch blieb und bleibt der Ertrag derartiger Reisen weitgehend im Dunkeln. Selbst wenn die Quantitäten inzwischen nochmals gestiegen sind und die ministeriellen Vorgaben inzwischen verpflichtende Besuche für alle Lernenden weiterführender Schulen vorsehen, zählt die wissenschaftliche Begleitung des Vor- und Nachbereitens sowie der Durchführung derartiger Exkursionen nicht zu den zentralen Gegenständen der geschichtsdidaktischen Forschung.[109] Vielmehr stützt sich selbst das schuladministrative Vorgehen in Bayern mit seinen weitgehend verpflichtenden Gedenkstättenbesuchen bislang auf ein (sicher sehr umfangreiches) Erfahrungswissen von Lehrkräften, wonach die direkte Auseinandersetzung mit den Relikten der Gewalt bei Lernenden großen Eindruck hinterlasse und für das historische Lernen besonderen Ertrag zeitige.[110]
Anders als vielleicht zu erwarten, kann sich die Schulbürokratie bei ihrem Vorgehen jedoch nicht auf eine umfangreiche geschichtsdidaktische Literatur stützen. Zwar liegen zahlreiche Sammelbände oder Tagungspublikationen zum Themenfeld Geschichtsunterricht und Shoah vor,[111] daneben untersuchten vor allem die Bildungswissenschaften das Lernen über, vom und zum Holocaust,[112] jedoch fehlt es bislang an Forschungsarbeiten zur Rezeption von Gedenkstättenbesuchen. Diese Lücke reicht so weit, dass Gedenkstätten sogar in den geschichtsdidaktischen Basispublikationen erst spät als regelmäßige Ziele schulischer Exkursionen behandelt wurden.[113] Unter den dezidierten Forschungsarbeiten zum Thema ragt weiterhin die Dissertationsschrift von Meik Zülsdorf-Kersting heraus, die den Besuch Jugendlicher in der Gedenkstätte Neuengamme begleitet und ausgewertet hat.[114] Daneben sind in den letzten Jahren vor allem kleinere Studien entstanden, die vornehmlich Lernenden auf ihrem Weg durch einzelne Gedenkstätten folgen.[115] Grundlegende Fragen zur Rezeption von Gedenkstättenbesuchen, wie sie methodisch durchaus bereits früh aufgeworfen wurden,[116] blieben bislang weitgehend unbeantwortet, obwohl sich die Geschichtsdidaktik zuletzt durchaus wieder des Potenzials von Emotionen für das historische Lernen angenommen hat.[117]
Die meisten einschlägigen Analysen zum hier besprochenen Themenfeld entstammen der Gedenkstättenpädagogik.[118] Das Fach, das sich in den letzten Jahrzehnten zunehmend professionalisiert hat und mit der Zeitschrift Gedenkstättenrundbrief ein stark rezipiertes und themensetzendes Journal besitzt,[119] prägt das Wissen um schulisches Lernen an Gedenkstätten, obwohl es sich nicht im engeren Sinne über die Zielgruppe der Schülerinnen und Schüler definiert.[120] Schließlich sollen gedenkstättenpädagogische Angebote sich an alle Alters- und Zielgruppen richten, obwohl Schulen durchaus als die größte »Rekrutierungsadresse«[121] für Gedenkstättenbesuche wahrgenommen werden und wohl etwa die Hälfte der Gäste stellen.[122] Demnach sind sie es eben doch in großen Teilen, die die Angebote der meisten Einrichtungen wahrnehmen.[123] Das Beispiel der Gedenkstätte Auschwitz-Birkenau, wo aktuell Jugendliche etwa zwei Drittel der Gäste stellen, bestätigt dies.[124] Dass sich in der Öffentlichkeit das Arbeitsfeld der Gedenkstätten oftmals als eine unweigerliche Symbiose von Gedenken und Lernen darstellt, wird in der Gedenkstättenpädagogik höchst kritisch gesehen. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Gedenkstätten definieren ihr Arbeitsfeld dezidiert nicht als »staatstragende Lernorte«[125], weshalb sie sich bewusst von einem in ihren Augen ungenügenden Geschichtsunterricht abzusetzen versuchen.[126]
Vor diesem Hintergrund ist es nicht verwunderlich, dass bislang kaum verlässlichere Untersuchungen zum Ablauf und zum Ertrag von schulischen Exkursionen in Gedenkstätten vorliegen.[127] In einer Metastudie bilanzierte Bert Pampel zum Stand der Forschung im Jahr 2011, es lägen insgesamt überraschend wenige Auswertungen vor, die sich dem Lernen von Schülerinnen und Schülern in Gedenkstätten zum Nationalsozialismus widmen.[128] Das Desiderat ist bereits lange bekannt[129] und wiederholt festgestellt worden.[130] Beseitigt ist es gleichwohl noch nicht. Die vorliegende Studie kann es sicher nicht vollständig tilgen, soll aber dazu beitragen, die bestehende Forschungslücke weiter zu schließen.
Richtet sich das Erkenntnisinteresse auf schulische Gedenkstättenfahrten, deren Ziel jenseits der nationalen Grenzen liegt, wird die Datenbasis nochmals deutlich dünner. Spezifisch für Auschwitz-Birkenau kann bislang nur auf gedruckte Reflexionen von federführend an der Organisation von Exkursionen nach Oświęcim mitwirkenden Lehrkräften zurückgegriffen werden. Dieses Genre reicht schon länger zurück. Beginnend in den 1980er Jahren referierten Pädagoginnen und Pädagogen von ihren in Polen gesammelten Erfahrungen,[131] bei welchen die Besuche im Staatlichen Museum stets eine besonders exponierte Stellung einnahmen. Obwohl sich die Fahrtgestaltung seit den 1980er Jahren durchaus veränderte und zunehmend innovativere Methoden, wie beispielsweise das Konzept Schüler-führen-Schüler,[132] die umfangreiche Einbeziehung von Zeitzeugen in die schulische Exkursion[133] oder die Nutzung des Ortes Auschwitz zur Erarbeitung des Themas Heterogenität,[134] eingesetzt wurden, finden sich weiterhin Schilderungen zu Reisen, die vorrangig auf Führungen durch die Gedenkstätte basieren.[135] Zugleich muss aber festgestellt werden, dass generell über die Intention von Lehrkräften, mit ihren Klassen oder Kursen eine Gedenkstätte zu besuchen, kaum Erkenntnisse vorliegen.[136]
Gleichwohl decken die genannten Texte der Lehrkräfte, ebenso wie der an anderer Stelle exemplarisch dokumentierte Eindruck eines einzelnen Lernenden,[137] nicht den Anspruch ab, empirisch abgesicherte Erhebungsergebnisse beizusteuern. Mit dieser Intention liegt bislang lediglich ein Titel vor, der die Auswertung einer schulischen Fahrt aus Thüringen nach Oświęcim erfasst.[138] Seine Befunde decken sich jedoch nicht mit den eingangs zitierten optimistischen Sichtweisen auf die langfristige Rezeption von Gedenkstättenfahrten, obwohl an der untersuchten Exkursion nur Lernende mit »positivem Sozialverhalten« hatten teilnehmen können.[139] Vielmehr scheinen sie skeptische Stimmen zu bestätigen, die vor einer Überbewertung von Besuchen im Staatlichen Museum warnen. »Auschwitz sperrt sich gegen jede Form der Didaktisierung«[140], formuliert Manfred Wittmeier etwa eindringlich. Die vereinfachte Hoffnung in Politik und Gesellschaft, Fahrten zu NS-Gedenkstätten im Allgemeinen und noch verschärft zum »Lernort« Auschwitz würden generell eine Katharsis bei allen Besuchern nach sich ziehen,[141] sie könnten demgemäß als »antifaschistische Schutzimpfung« dienen, wie dies im Jahr 2001 der damalige österreichischer Innenminister Ernst Strasser mit Blick auf Mauthausen formuliert hatte,[142] erscheint zu naiv-optimistisch.[143] Dennoch scheint in den letzten Jahren unter dem Stichwort der Holocaust Education eine Entkoppelung von den historischen Vorgängen eingesetzt zu haben, die vor allem auf eine Emotionalisierung setzt und weniger eine kritisch-analytische Auseinandersetzung mit der Vergangenheit.[144] Zugleich wird vor einer »Pädagogisierung der Erinnerungskultur«[145] gewarnt. Weiterhin gilt nämlich, dass ein direkter Zusammenhang zwischen einer umfassenden Kenntnis der Fakten über die nationalsozialistische Willkürherrschaft und der Bereitschaft, sich aktiv für den Erhalt einer freiheitlich demokratischen Ordnung einzusetzen, bislang nicht nachgewiesen ist.[146]