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Die Hexenfinger

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Es waren einige Wochen vergangen, seit Max den fiesen, kleinen Kellerteufeln gerade noch entronnen war. Immer wieder plagten ihn nachts Albträume von dem gefährlichen Erlebnis. Inzwischen waren seine zahlreichen Stichverletzungen alle verheilt. Gott sei Dank hatte keine von den Wunden zu eitern begonnen. Nicht auszudenken, wenn er einen Arzt aufsuchen hätte, müssen.

Natürlich hatte er kleine Narben davongetragen. Sie wurden aber von Tag zu Tag unsichtbarer. Max war sich sicher, dass bald keine Einzige mehr davon zusehen war. In seinen Keller war er vorsichtshalber nicht mehr gegangen. Gut möglich, dass Max nie mehr da hinuntergehen wird. Komischerweise hatte Max keinen einzigen Gedanken daran verschwendet das Haus zu verlassen und umzuziehen. Das Haus, die Wohnung waren schließlich seit zig Jahren sein zu Hause. Er wollte nicht vertrieben werden. Auch nicht von einer möglichen Hölle tief unter dem alten Gebäude. Die größte Schwierigkeit hatte in den ersten Tagen nach dem Horrorerlebnis darin bestanden, die blutenden Wunden vor seiner Frau Gitti zu verbergen.

Nicht, dass er seiner eigenen Frau nicht vertraut ... aber immer noch hatte er den Ansatz einer Idee, wie er das Erlebte jemanden wie Gitti erzählen sollte. Zu unwirklich und abgedreht war es unten im Keller gewesen. Ohne die Wunden hätte er das Geschehene als bösen Traum abgetan. Gitti war definitiv die Verkehrte, um über Übersinnliches und Übernatürliches zu reden. Sie wäre imstande gewesen und hätte ihm geraten, sich auf seinen Geisteszustand untersuchen zu lassen. Stichwort: Altersdemenz.

Außerdem hätte sie hundertprozentig darauf bestanden, dass er kein Bier mehr trinken durfte. Nein, so weit wollte es Max lieber nicht kommen lassen. Natürlich war er viel zu Hause geblieben in den Tagen danach. Er hatte eine Erholung dringend notwendig. Die anstrengende Kletterei im Keller hatte ihn ganz schön mitgenommen.

Schließlich war er um Haaresbreite dieser verborgenen Hölle unter seinem Haus entkommen. Er mochte gar nicht daran denken, was passiert wäre, wenn er in den endlos tiefen Brunnenschacht gefallen wäre! Oder, wenn ihn die Teufelchen zu den grausigen, riesigen Monstern getrieben hätten ...

Aber nun fühlte er sich endlich ausreichend fit und war bereit, sich wieder in der Öffentlichkeit sehen zu lassen. Es lockte ihn wieder nach draußen. Er wollte unbedingt wieder teilhaben an dem öffentlichen Leben da draußen. Schließlich war Max kein Eigenbrötler oder Eremit.

Nachdem er sich das Essen für Mittag in der Mikrowelle aufgewärmt und hungrig verspeist hatte, las Max noch etwas lustlos in der Zeitung, und döste anschließend an seinem Lieblingsplatz. Dann war es soweit! Er beschloss endlich mal wieder einen ausgiebigen Spaziergang zu machen. Vorher machte er sich noch daran sich gründlich zu rasieren. Das Rasieren hatte er auch ein wenig vernachlässigt. Gitti hatte darüber schon des Öfteren abfällige Bemerkungen fallen lassen. Endlich war er bereit und hergerichtet um sich unter die Leute zu begeben.

Als er unten auf der Straße stand, atmete er tief durch und beobachtete den Verkehr. Die Menschen liefen geschäftig umher. Max mischte sich unter die Fußgänger, ging ganz bewusst dahin, wo sich viele Menschen aufhielten.

„Ah, das tut richtig gut, wieder an der frischen Luft und unter Menschen zu sein.“

Max hatte es sich automatisch angewöhnt mit sich selber zu reden. Üblicherweise so leise, dass es Umstehende nicht gleich mitkriegten. Irgendwie war ihm das peinlich. Doch die Zwiegespräche waren ganz von allein gekommen.

Er lief ein wenig ziellos durch die Straßen, die Geschäfte wurden weniger, so bog er in eine Grünanlage ein und schlenderte auf den verschlungenen Spazierwegen. Er genoss das Grün der sprießenden Natur. Es war herrlich so zwischen den Bäumen und Büschen zu laufen. Er breitete die Arme aus, um möglichst viel von dem Duft der Blumen und der blühenden Sträucher Luft einzufangen. Tief atmete Max die unverbrauchte Luft in seine Lungen. Jetzt wurde ihm erst bewusst, was er so lange vermisst hatte. Als er die Anlage wieder verließ, musste er sich erst einmal orientieren. Wie weit war der denn schon gelaufen? Wie er so an der Straßenecke stand, drang ihm ein wohlbekannter Duft in die Nase.

Aus einer Bäckerei mit kleinem Café roch es so lecker nach

Kuchen und frischen Kaffee ... Max wurde regelrecht davon angezogen. Er ging hinein, bereit sich eine große Tasse Kaffee und ein ordentliches Stück Kuchen zu gönnen.

Das Café bestand lediglich aus vier kleinen Tischen. Leider waren alle schon besetzt. Aber an einem der Tische sass nur eine einzelne Frau. Max fackelte nicht lange und beugte sich zu der Frau hinunter.

„Ist hier noch etwas frei? Haben Sie etwas dagegen, wenn ich mich noch dazu setze?“

Die Frau las in einem Büchlein und sah gedankenverloren zu ihm auf. Sie musterte ihn wortlos. Ihre Blicke trafen sich wie zufällig. Sie nickte ohne jegliche weitere Regung. Es war ein bisschen eng in der Ecke für die vier Tische. Trotzdem quetschte sich Max an den Tisch. Max schälte sich aus seinem Mantel und hängte ihn über die Stuhllehne und nahm umständlich Platz.

Er sass eine Weile wartend herum, bis die Frau schließlich ihren Blick von dem Buch wendete und ihn ungewöhnlich laut ansprach:

„Hier ist Selbstbedienung angesagt!“

Sie hatte eine tiefe, rauchige Stimme, die aber irgendwie erotisch klang. Komisch, aber in letzter Zeit hatte Max selten an so etwas wie Erotik gedacht.

Na, ja immerhin ein Zeichen, dass man noch nicht ganz zum alten Eisen gehört, dachte er bei sich.

„Oh, vielen Dank, das wusste ich nicht.“

Max grinste die Frau an und machte sich auf den Weg an die Theke. Sie hatte sich jedoch schon längst wieder ihrer Lektüre gewidmet und ihn nicht weiter beachtet.

Kurz darauf kam er mit einem kleinen Tablett wieder.

„Ahhh“ strahlte er den Teller an. Mit einem Heißhunger verspeiste er in Windeseile das Stück Käsekuchen und die Schlagsahne dazu. Dann rührte er eine halbe Ewigkeit in seinem Kaffee.

Nun hatte er Zeit sein Gegenüber gründlich in Augenschein zu nehmen.

Die Frau war mittleren Alters, vielleicht ein wenig über vierzig Jahre alt und hatte eine unglaublich wilde, gelockte Mähne aus dichtem rötlichen Haaren. So rote, feste und gekräuselte Haare hatten Max schon immer gefallen. Die Haare dieser Frau hatten genau diesen dunklen, feurigen Farbton, wie er in der Natur sehr selten vorkommt. Max überlegte, ob die Haare gefärbt waren. Er kniff die Augen zusammen, um am Haaransatz einen anderen Ton

zu erkennen. Doch er fand nichts. Vom Gesicht der Rothaarigen konnte Max nicht allzu viel erkennen, weil sie immer noch den Kopf über ihr Buch gesenkt hatte. Sie trug einen Mix aus verschieden Tüchern, die sie um den Körper gewickelt hatte. Es waren allesamt lila und rötliche Töne mit undefinierbaren Mustern. Die Muster und Farben harmonierten so gar nicht miteinander. Es kam Max so vor, als hätte die Frau wahllos in ihren Kleiderschrank gegriffen. Aber dafür waren ihre Hände schön anzusehen. Sie besaß lange feingliedrige Finger, deren Nägel sorgfältig mit dunkelrotem Lack verziert waren. Wenigstens passte der Nagellack zur Haarfarbe.

Beinahe jeder ihrer Finger war jeweils mit einem gewaltigen Ring bestückt.

Max war fasziniert. Er versuchte die Verzierungen ihrer Ringe zu deuten. Einer hatte eine große grüne Kugel, die so schien es ihm, ein geheimnisvolles Licht ausstrahlte. Ein anderer glänzte silbrig und hatte ineinander verschlungene Schriftzeichen auf seiner Oberfläche. Max war so in Gedanken versunken, dass er gar nicht gemerkt hatte, wie die Frau das Lesen eingestellt hatte.

Ohne konkretes Ziel wanderte sein Blick nach oben und traf plötzlich auf ihr Gesicht. Er erschrak. Sie hatte ihn die ganze Zeit über angesehen.

Sie hatte ein überaus hübsches Gesicht. Ein paar Fältchen zierten ihre Augenpartie und die Mundwinkel. Das passte aber gut zu ihrem Alter und ihrer Erscheinung. Das Einzige, was in ihrem Gesicht ein wenig störte, war die große Nase. Sie war außerdem einen Tick zu kantig geraten. Trotzdem war sie sehr attraktiv, das musste Max zugeben. Auf ihren Lippen waren noch Reste von Lippenstift zu sehen, der die gleiche Farbe wie ihre Nägel hatte.

Aber das Beste waren ihre Augen.

Sie hatten eine tiefgründige, grüne Farbe, als würde sich dunkles Blätterwerk in einem Teich spiegeln. Es war derselbe Farbton wie die große Kugel auf einem ihrer Ringe. Max begann verträumt in diesen Augen nach dem Geheimnis ihres Glanzes zu suchen. Er konnte sich gar nicht losreißen von ihrem Blick. Diese Augen sahen tief in sein Inneres und gewährten ihm einen Blick wie ein Kaleidoskop. Max wusste sofort, dass er solche geheimnisvollen grünen Augen schon einmal gesehen hatte. Wie lange war das her?

Nein, er mochte gar nicht daran denken. Das war schon wieder so eine heikle Sache, die er unglaublich lange verdrängt hatte ...

Max Muckel Band 2

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