Читать книгу Xenophon - Christian Müller-Goldingen - Страница 9
I. Xenophon über das Wesen von Macht 1. Die Ausgangssituation
ОглавлениеIm folgenden soll etwas näher auf drei Fragen eingegangen werden, die die Griechen der klassischen Zeit, also etwa in den Jahren 475-399 (Tod des Sokrates), aber auch im 4. Jahrhundert, in besonderem Maße beschäftigt haben: wie entsteht Macht im privaten und öffentlichen Bereich? Wie lässt sie sich so konservieren, dass ein Machtanspruch nicht zu Lasten der Bürger einer Polis geht?
Gibt es Möglichkeiten, eine isolierte Machtposition umzuwandeln?4
Diese Fragen wurden in verstärktem Maße von den sokratischen Philosophen Antisthenes, Platon und Xenophon in den Blick genommen. Die Rolle der Sophistik, mit der sich in besonderem Maße der literarische wie auch der historische Sokrates auseinander gesetzt hat, ist in diesem Zusammenhang nicht zu unterschätzen. Nicht nur, dass diese Weisheitslehrer eine große Menge an staatstheoretischer und allgemein politischer Literatur hervorgebracht haben: Sie machten in Athen sozusagen vor, wie man das Phänomen der Macht in einen weiteren anthropologischen Zusammenhang einordnen konnte, wie diese Macht als so etwas wie eine anthropologische Konstante wirken und begriffen werden konnte und wie man in der Theorie die Geschichte der Menschheit auch als eine Geschichte der kleinen und großen Machtbeziehungen zu entwickeln vermochte.5
Die griechische Geschichtsschreibung kommt in diesem Kontext als ein weiterer Faktor hinzu. Bereits Herodot hatte anhand großer historischer Persönlichkeiten solche anthropologischen Konstanten herausgearbeitet; er hatte freilich diese Form der Historiographie mit seinem eigenen Weltbild und seiner persönlichen Theologie unterlegt – ein Umstand, der dann dazu führte, dass Thukydides eine neue Form von Geschichtsschreibung entwickelte, eine, in der die Rationalität des politischen Handelns triumphieren konnte und in der sichtbar wurde, dass dieses Handeln immer wieder vom Machttrieb und der Vorstellung, sich anderen als überlegen zu erweisen, dominiert wurde.