Читать книгу Perry Rhodan 2512: Die TRAITOR-Marodeure - Christian Montillon - Страница 5
1.
ОглавлениеZorbar, im Orbit:
Der Kelch des Anstoßes
»USO-Spezialist Noah Kelch ist verschwunden.« Die Worte klangen nüchtern, geradezu emotionslos, wie immer, wenn Monkey sprach. Dieser Mann hatte keine Gefühle. Hieß es zumindest.
Ronald Tekener wusste es besser. Obwohl er nur auf eine holografische Wiedergabe blickte, kam es ihm so vor, als würden ihn die anthrazitfarbenen Implantate, die der Lordadmiral der USO und Sicherheitsbeauftragter des Galaktikums anstelle seiner Augen trug, direkt fixieren. Dass die Hyperfunk-Nachricht keineswegs live war, sondern eine Aufzeichnung, änderte nichts an Teks Empfinden.
Wahrscheinlich könnte er mich nicht einmal fixieren, wenn er mir direkt gegenübersäße.
Dem Smiler fiel wieder einmal auf, dass er nicht wusste, wie Monkeys Augen-Implantate funktionierten und auf welche Art und Weise der Oxtorner seine Umwelt optisch wahrnahm. Manche nannten ihn einen halben Cyborg – oder auch eine hundertprozentige Maschine, wenn sie gerade ein Gespräch mit ihm hinter sich gebracht hatten.
Monkeys kurze Sprechpause erlaubte Tekener nicht, seine Gedanken länger schweifen zu lassen. Stattdessen lauschte er den Worten, die ihm sein einziger Vorgesetzter in der Hierarchie der USO, des galaktischen unabhängigen Geheimdienstes, mitzuteilen hatte.
»Der Kontakt zu Noah Kelch ist abgebrochen. Möglicherweise wirft das ein neues Licht auf die bevorstehende Aktion. Für einen Zufall kann man es wohl schwerlich halten. Welche Schlussfolgerungen daraus allerdings konkret zu ziehen sind, ist unmöglich zu sagen, solange keine weiteren Informationen vorliegen. Diese Entscheidung kann ich aus der Ferne nicht fällen.«
Das breite, kahle, olivfarbene Gesicht blieb völlig ausdruckslos. Die schmalen Lippen bewegten sich kaum, als Monkey die nächsten Worte sprach: »Aber ich überlasse es dir, Tekener, mit allen Konsequenzen. So leid es mir tut.«
Die Wiedergabe erlosch.
Tekener fragte sich, ob die letzten Worte eine Art Scherz gewesen waren. Dem stand das geflügelte Wort entgegen, das jeder USO-Agent ebenso zu seinem Credo gemacht hatte wie die ethischen Konzepte von Ehre und Unbestechlichkeit: Der Lordadmiral scherzt nie. Eine Weisheit, die auf den ersten Blick irrelevant erschien, aber alles andere war als das: Wer Mokey gegenüberstand, sollte sie sich zu Herzen nehmen und sich jeden Anflug von Humor verkneifen.
Was nun?
Noah Kelch war verschwunden. Diese Information konnte alles Mögliche bedeuten. Monkey hatte Weitblick bewiesen, als er seinen Stellvertreter darüber informierte, kurz vor dem Start des aktuellen Einsatzes und trotz all der Risiken, die mit einer gerafften Hyperfunk-Übertragung einhergingen. Sie durften nicht entdeckt werden; nicht in den letzten Minuten vor der heißen Phase.
Tekener blieb ohnehin keine andere Möglichkeit. Wenn er es genau betrachtete, war es längst zu spät. Die Maschinerie lief und würde sich nicht ohne größere Verluste stoppen lassen. Der Einsatz musste beginnen. Sogar wenn der Tipp, der ihn zum Planeten Zorbar II, zur Siedlung Randhoi geführt hatte, von eben jenem Noah Kelch stammte.
Es konnte eine Falle oder alles nur fingiert sein, aber auch ein zufälliges Zusammentreffen zweier Ereignisse, die nichts miteinander zu tun hatten. Es konnte Hintergründe geben, die Tek nicht einmal erahnte.
Wie dem auch sei ... als USO-Agent war es Tekener gewohnt, schnelle Entscheidungen zu treffen. Er schaltete die Kommunikationseinheit ab und wandte seine Konzentration wieder dem Hier und Jetzt zu.
Ihm war, als stürze er aus einem fremden Raum zurück in die kleine Zentrale des Beiboot-Raumers, in der fieberhafte Aktivität herrschte. Ein Rundumblick zeigte ihm, dass alles perfekt lief, genau wie erwartet. Wer kein Vollblut-Profi war, hatte an diesem Ort nichts zu suchen. Die Mikro-Bestien standen bereit. Keiner machte eine unnötige Bewegung. Fehler gab es nicht, bei aller gebotenen Hektik verhielten sich alle ruhig und konzentriert.
»Wir müssen uns beeilen«, hörte er die Stimme des Anführers der Mikro-Bestien.
Ein winziger Haluter, dachte Tek, wie schon so oft. Manche alte Sehgewohnheiten prägten sich eben allzu tief ein. Und was waren rund hundert Jahre Bekanntschaft mit Mikro-Bestien im Vergleich zu zweitausend Jahren, die er Haluter bereits kannte? Und so war USO-Spezialist Senego Trainz, der Anführer der Mikro-Bestien, eben ein kleiner Haluter. Die Bezeichnung Haluti, die hier und da durch die Runde geisterte, fand er allerdings nicht nur völlig unpassend, sondern auch geradezu grenzenlos albern.
»Alles bereit?«, fragte der Smiler.
»Dort unten wird bereits der erste Mor'Daer zur Exekution geführt. Wir müssen runter. Sofort. Wir stehen schon in den oberen Atmosphäreschichten.«
Tek zog seinen Strahler. »Der oberste Befehl ist klar. Schützt die Angehörigen TRAITORS. Um jeden Preis.«
*
»Vier Kampfgleiter«, setzte der Pilot sie in Kenntnis. »Eindeutige Ortung. Sie stehen über der Siedlung.«
Ronald Tekener blieb ruhig. »Wie lange bis zu unserer Landung?«
»Zwei Minuten, zwanzig Sekunden.«
Der Smiler überlegte nicht lange, sondern baute eine Funkverbindung zu allen USO-Spezialisten und Mikro-Bestien auf, die sich an diesem Einsatz beteiligten. »Ich werde mit dem Gleiter landen. Trainz' Leute bringen die Situation am Boden unter Kontrolle. Alle anderen Einheiten kümmern sich um die feindlichen Kampfgleiter. Festsetzen. Auf keinen Fall entkommen lassen. Notfalls zerstören.«
Er warf einen Blick auf den Chronometer. Zwei Minuten bis zur Landung in der Siedlung. Eine Ewigkeit. Jederzeit konnte ein Angriff erfolgen. Er wandte sich an Senego Trainz. »Wir werden mit aller gebotenen Härte zuschlagen. Aber keine Opfer, die sich vermeiden lassen.«
Kaum war die letzte Silbe ausgesprochen, fragte er sich, weshalb er Trainz auf diese Selbstverständlichkeit aufmerksam gemacht hatte. Kein Angehöriger der USO musste extra darauf hingewiesen werden. Auch wenn die Mikro-Bestien nicht im Rang von Spezialisten standen, waren sie doch mit dem Geheimdienst assoziiert und akzeptierten dessen Regeln. Auf Trainz und seine Truppe war absoluter Verlass.
Bisher. Er hielt seine Hand nicht dafür ins Feuer, wenn es um Extremisten ging, die ehemalige TRAITOR-Angehörige suchten, ausfindig machten und exekutierten. Schließlich handelte es sich dabei um Angehörige von Völkern, mit denen die Mikro-Bestien deutlich länger verbunden waren als mit der USO.
Eines der feurig roten Augen in Trainz' Schädel schloss sich. Tekener konnte diese Mimik nicht deuten; selbst bei einem normalen Haluter wäre es ihm schwergefallen, doch die Mikro-Bestien unterschieden sich von diesen erheblich. Obwohl sich die beiden Völker – abgesehen von der Größe – optisch stark ähnelten, lag eine völlig andere Historie und Entwicklungsgeschichte hinter ihnen. Die einen waren freie, unabhängige Individualisten, die anderen ein Soldatenvolk im Dienst der Terminalen Kolonne TRAITOR im Krieg gegen die Ordnungsmächte des Universums.
Trainz zögerte mit der Antwort keine Sekunde. »Wir erfüllen unseren Auftrag. Wie immer.«
Tekener glaubte, Verärgerung herauszuhören, doch es war durchaus möglich, dass er sich irrte. »Das weiß ich.«
»Siebzig Sekunden. Wir sollten uns bereit machen.«
Der Check seines SERUNS war für den Smiler reine Routine. Natürlich waren die Systeme intakt, und selbstverständlich war sein Kampfanzug auf Herz und Nieren – oder auf Schaltkreis und Mikrochip – geprüft worden. Schon lange, ehe er ihn angelegt hatte.
Bildübertragung möglich, meldete das System des SERUNS.
»Projizieren!«, befahl Tekener.
Auf der Innenseite der Helmscheibe entstand das Bild, das die Außenorter des Kampfgleiters aufnahmen und in eine optische Normaldarstellung verwandelten. Dadurch gewann er den Vorteil, sich einige Sekunden früher einen Überblick verschaffen zu können.
Der Flug wurde unruhig; der Kampfgleiter neigte sich bedrohlich. Zweifellos handelte es sich um Ausweichmanöver des Piloten vor Angriffen der Gegner. Tek kümmerte sich nicht darum. Es war nicht seine Aufgabe. Diesen Teil der Mission musste er einem anderen überlassen.
Er beobachtete eine Szene, die sich geradezu in sein Gedächtnis einbrannte, und erkannte erneut, dass er auf der richtigen Seite stand, wenn er die in der Milchstraße versprengten Angehörigen der Kolonnenvölker beschützte.
In der Siedlung Randhoi hatten schwer bewaffnete, mit schwarzen Anzügen vermummte Humanoide die Bewohner der Häuser rund um einen zentralen Platz zusammengetrieben. In der Mitte des Platzes standen sechs, nein sieben andere.
Ein Schutzschirm lag über dem Gelände.
Also kein großflächiger Paralysatorbeschuss, dachte Tekener und betrachtete die sieben Gefangenen genauer: vier Mor'Daer und drei Ganschkaren.
Es handelte sich um ehemalige Angehörige der Terminalen Kolonne TRAITOR, die vor inzwischen 116 Jahren die Milchstraße verlassen hatten. Sieben von den Hunderten oder Tausenden, die zurückgeblieben waren.
Diese sieben waren der Grund, aus dem Ronald Tekener das USO-Einsatzkommando auf diesen abgelegenen Planeten geführt hatte. Zorbar gehörte zum Galaktikum, hatte jedoch nie größere Bedeutung erlangt. Der Planet lag im Randbereich des Dron-Imperiums, einem Sternenvolk, das als aufstrebend galt und auf das die USO als galaktische Feuerwehr ein besonderes Auge geworfen hatte. Wie auf Dutzende andere Völker auch.
Momentan zählten jedoch nicht die etwa dreißig Dron, die von den Bewaffneten zusammengetrieben worden waren. Die Reptiloiden standen reglos, starrten auf das Schauspiel, das sich in ihrer Mitte abspielte. Der erste Mor'Daer wurde auf die Knie gezwungen, eine Waffe an seinen Schlangenschädel gepresst.
Tekener nahm die ganze Szenerie binnen einer Sekunde auf. Ebenso den Countdown, der unerbittlich langsam rückwärts lief und ihnen die Zeit zeigte, bis das Einsatzteam ausschleusen konnte. Sechsundvierzig Sekunden. Für den Mor'Daer bedeutete diese unscheinbare Zahl das Todesurteil.
Beiläufig registrierte der Smiler ein erneutes Rucken.
Dann der Schuss, der ihm durch Mark und Bein ging, so viele Kilometer entfernt und doch zum Greifen nah – dank der Projektion in seinem Helm.
Unten auf dem Planeten kippte der Mor'Daer langsam zur Seite, bekam das Übergewicht und schlug auf. Eine Blutlache breitete sich unter dem reglosen Körper aus.
In die Bewaffneten kam Unruhe. Spätestens in diesem Moment hatten sie wohl bemerkt, was sich über ihnen abspielte. Es hatte ohnehin erstaunlich lange gedauert, bis die Gleiterpiloten ihnen Nachricht gefunkt hatten.
»Außenortung!«, verlangte Tekener.
Die Steuerung des SERUNS reagierte augenblicklich und zeigte ihm die relevanten Daten an. Zwei der Kampfgleiter hatten das Feuer auf Teks Einheiten eröffnet, die ihre Schutzschirme längst aktiviert hatten und soeben zum Gegenangriff übergingen.
Sein eigener Gleiter bremste ab, die Außenschleuse öffnete sich.
»Ausschwärmen!«, befahl Trainz.
Tek gehörte zu den Ersten, die absprangen und mithilfe der Flugfunktion des SERUNS dem mörderischen Geschehen auf dem freien Platz entgegenrasten.
Das Dach eines Gebäudes tauchte vor ihm auf, geschwungen, spitz zulaufend und grün leuchtend. Das Sonnenlicht brach sich darauf. Er passierte das Dach, warf einen beiläufigen Blick durch bullaugenartige Fenster, die die Sicht ins Innere des Hauses verzerrten, und glaubte, eine Bewegung wahrzunehmen – ein flüchtiger Eindruck, sonst nichts.
Dann war er nahe genug heran, zielte auf einen der Bewaffneten, die diese ruhige Siedlung überfallen und zum Ort ihrer grausamen Hinrichtungspraktiken hatten machen wollen. Doch der Gegner ging hinter einem Mor'Daer in Deckung.
Tekener war nur noch etwa fünfzig Meter entfernt und sah mit bloßem Auge, was sich dort unten abspielte. Die Geisel bäumte sich auf und spuckte etwas aus. Gleichzeitig färbte sich ihre Brust nass von Blut.
Der Smiler fühlte Zorn in sich aufsteigen. Es kam selten vor, dass er so nahe daran war, die Beherrschung zu verlieren. Mühsam rief er sich zur Ordnung. Er musste einen kühlen Kopf bewahren, durfte sich nicht von Gefühlen zu unbedachten Handlungen hinreißen lassen.
Ein erster Strahlerschuss schmetterte in seinen Schutzschirm.
Noch war es harmlos und der SERUN von einer Überlastung weit entfernt. Tekener wusste jedoch aus leidiger Erfahrung, dass sich das schnell ändern konnte. Momentan sah es nicht danach aus, als könnten die Gegner ihnen gefährlich werden; zu sehr waren sie zweifellos vom unerwarteten Auftauchen der USO-Einheiten überrascht. Doch der Verlauf eines Kampfes war unberechenbar, es gab zu viele im Vorfeld unbestimmbare Faktoren.
Als Tekener sein Ziel erreichte, waren einige Mikro-Bestien bereits im Einsatz. Sie trugen die nachtblauen Kampfanzüge, die Roi Danton der USO besorgt hatte, Spezialanfertigungen für dieses Volk, die von Kolonnen-Technikern entwickelt und gefertigt worden waren. Kampfanzüge, die einem SERUN in nichts nachstanden, die die Mikro-Bestien perfekt handhaben konnten und sie zu wahren Kampfmaschinen machten, tödlich, schnell und präzise.
Doch auch ihre Gegner waren bestens gerüstet. Während rund um ihn Schüsse peitschten und Dron schreiend flohen, widmete sich Tekener dem Gegner, den er von Anfang an fixiert hatte. Jener hielt den Mor'Daer wie einen zusätzlichen Schutzschild vor sich, obwohl seine Geisel längst tot war.
Der Smiler hegte keinerlei Absicht, diesen Feigling entkommen zu lassen. Bislang hatte die USO keinen der TRAITOR-Jäger in die Hände bekommen; allerdings waren sie ihnen auch noch nie so nahe gewesen. Erst der Tipp durch Noah Kelch hatte diesen direkten Zugriff möglich gemacht.
Tekener feuerte in den Boden vor seinem Gegner. Steine schmolzen, Erde spritzte zur Seite, und schwarzer Qualm umwölkte den Feind und dessen Geisel. Es konnte höchstens zur kurzzeitigen Verwirrung dienen, denn zweifellos orientierten sich die Jäger ebenso wenig auf rein optischem Weg wie die USO-Spezialisten.
Er sah neben sich ein rasendes blaues Etwas – ein beiläufiger Blick: Vier Mikro-Bestien stürmten auf die Gegner zu, rissen zwei Mor'Daer mit sich. Dann erreichte er den Rand der Wolke, die an den Rändern zerfaserte. Etwas flog daraus auf ihn zu. Der tote Mor'Daer. Seine Schuppenhaut war aufgequollen vor Hitze.
Instinktiv wich der Smiler aus, tauchte in den Qualm ein. Rund um ihn herrschten mörderisch hohe Temperaturen, Strahlerschüsse jagten ungezielt auf ihn zu, an ihm vorbei, schmetterten in den Boden, in seinen Schirm. Alles ging rasend schnell. Er sah den Gegner, umgeben von einem kugelförmigen Schutzschirm, in dem Rußpartikel verglühten. Er leuchtete wie eine Fackel in der Nacht.
Der Smiler gab Dauerfeuer.
Schutzschirmbelastung 130 Prozent, meldete der SERUN. Noch kein Grund zu echter Sorge. Die Frage war nur, wie er den Feind gefangen nehmen sollte.
Soeben meldete Senego Trainz per Helmfunk, dass die TRAITOR-Jäger flohen, in ihren Kampfanzügen in die Höhe rasten, zweifellos, um die Kampfgleiter in wenigen hundert Metern Höhe zu erreichen.
»Die Zielobjekte?«, fragte er, während er weiterfeuerte und erstaunt feststellte, dass der Gegenbeschuss endete.
»Zwei überlebende Mor'Daer, ein Ganschkare. In unserer Gewalt.«
Kaum erhielt er diese gute Nachricht – die gleichzeitig bedeutete, dass sie für vier ehemalige TRAITOR-Angehörige zu spät gekommen waren –, als er erkannte, warum sich sein Feind nicht mehr wehrte. Auch er setzte zur Flucht an.
Tek folgte, jagte wie ein Geschoss mit Vollschub in die Höhe, seinem Gegner hinterher.
Der Anblick, wie Jäger und Gejagte aufeinander feuernd durch die Luft rasten, musste für die am Boden zurückbleibenden Dron einen grotesken Anblick bieten. Tek sah nach oben, und ein Adrenalinschub jagte durch seinen Leib. Ein Kampfgleiter kam auf ihn zu. Eine der gegnerischen Einheiten. Er nahm schon fast sein gesamtes Gesichtsfeld ein.
Und er brannte.
Ein lodernder Koloss aus Stahl, Feuer und Tod raste auf ihn zu.
Der Jäger, den Tek verfolgte, änderte verzweifelt den Kurs, doch er wurde mitgerissen und verschwand zwischen den Flammen.
Der SERUN gab ein schrilles Warnsignal. Tek bremste auf brutale Weise seinen Flug, indem er vollen Gegenschub gab.
Physikalische Kräfte tobten sich in ihm aus. Das Metallmonstrum war schon fast heran. Tek wurde durch den Gegenschub aus der Flugbahn gedrückt, trudelte zur Seite, schrie auf und wurde zum Spielball von Gewalten, auf die er keinerlei Einfluss mehr hatte.
Etwas Heißes fauchte über ihn hinweg, sein Schutzschirm loderte, das ganze Universum bestand nur noch aus Brausen und Kreischen.
Endlich war der brennende Gleiter unter ihm. Teks Flug stabilisierte sich in der Sekunde, da das Wrack aufschlug. Er sah ein letztes Bild, das er so nie hatte sehen wollen.
Flüchtende Dron. Berstende Mauern. Metall, das sich durch Dächer und Wände bohrte. Bruchstücke, die durch die Luft wirbelten und Krater in den Boden rissen. Gewaltige Bäume, die wie winzige Äste knickten. Und blaue Schemen – die Mikro-Bestien, die durch das Chaos rasten.
Dann ein Donnern, eine Explosion, und ein gewaltiger, weiß lodernder Feuerball.
*
Ronald Tekener war der Letzte des USO-Einsatzkommandos, der sich noch auf Zorbar II aufhielt. Die übrigen Spezialisten hatten sich ebenso wie die Mikro-Bestien mit den geretteten TRAITOR-Angehörigen in ihre Gleiter zurückgezogen.
Ihm gegenüber stand ein Dron; ein hochrangiger Vertreter seines Volkes, der sich nach der Katastrophe am Ort des Absturzes eingefunden hatte. Die Bergungsarbeiten waren inzwischen abgeschlossen, es stand fest, dass es in dem gewaltigen Trümmerfeld keine Überlebenden mehr gab.
Ein Berg aus Stahl, umringt von steinernen Trümmern, ragte hinter dem Reptiloiden auf. Die Stille im weiten Umfeld war geradezu erschreckend. Es schien, als wolle sich die Natur der Trauer der Dron um die Opfer anschließen. Es wehte kein Windhauch, die kleine rote Sonne brannte mit erbarmungsloser Hitze vom Himmel. In den umliegenden Häusern und Straßen war niemand unterwegs.
Der Dron überragte Tek um wenige Zentimeter und erinnerte ihn an einen Tyrannosaurus Rex. Die Schuppenhaut bestand aus einer braunschwarzen Hornschicht, die – wie Tek während der Rettung überdeutlich miterlebt hatte – äußerst widerstandsfähig war. Und dennoch nicht widerstandsfähig genug, wenn ein Gebäude über ihnen einstürzte.
»Was wird mit unseren Gästen geschehen?«, fragte der Dron.
Tek versuchte sich an den Namen seines Gegenübers zu erinnern. Zu viel war in den letzten Stunden auf ihn eingestürmt. Schori ... war es nicht etwas wie Schori Marg gewesen?
»Du sprichst von den ...«
»Richtig«, unterbrach Marg. »Von den beiden Mor'Daer und dem Ganschkaren.« Kegelförmige Zähne blitzten kurz am Kieferrand auf, verschwanden dann unter der hellroten großen Zunge. »Von unseren Gästen. Den letzten Nachkommen der Flüchtlinge, die mein Volk aufgenommen und ihnen Asyl gewährt hatte, nachdem die Terminale Kolonne abgezogen war.«
Das alte Problem, dachte Tek, der die Motive seines Gegenübers nur zu gut verstand. Auf vielen Welten lebten versprengte Nachkommen der ehemaligen Angehörigen der Terminalen Kolonne, meist friedlich und von den Bewohnern akzeptiert. Man strafte diese Wesen nicht für ihre Volkszugehörigkeit oder dafür, was ihre Vorfahren getan oder welchem Herrn sie gedient hatten.
Andererseits gab es Hardliner, die exakt entgegengesetzt dachten und handelten. Sie trauten sich politisch zwar praktisch nie aus der Deckung, aber ihre Taten sprachen eine überdeutliche Sprache. Dass es sich bei den Jägern, die die Siedlung Randhoi überfallen hatten, um ebensolche handelte, stand so gut wie fest.
Immer wieder tauchten sie blitzartig auf und töteten ehemalige TRAITOR-Angehörige; meist zwangen sie, wie auch auf diesem Planeten vor wenigen Stunden, deren Asylgeber dazu, bei den Exekutionen zuzuschauen. Es war wohl ihre Art von Strafe für die, die Barmherzigkeit gezeigt hatten.
Tek war zu müde, um das Für und Wider der Politik, die die USO, und damit auch gerade er als Stellvertreter des Lordadmirals, vertrat, mit dem Dron zu diskutieren. Stattdessen versuchte er sich mit einigen belanglosen Worten aus der Affäre zu ziehen.
Doch Schori Marg blieb hartnäckig. »Wir danken dir und der USO für euren Einsatz, auch wenn er letztlich zu einer Katastrophe geführt hat, die sich so sonst nicht ereignet hätte.«
»Darauf musst du mich nicht hinweisen!« Der Absturz des Gleiters nach dem Feuergefecht über der Siedlung lag Tek ohnehin schwer im Magen. Eine nachträgliche Analyse der Schlacht würde hoffentlich ergeben, dass die Schuld nicht bei seinen Männern zu suchen war. Eine Gleiterschlacht in der Atmosphäre eines Planeten, noch dazu über bewohntem Gebiet, war reiner Wahnsinn. Doch was war den Spezialisten anderes übrig geblieben, als sich zu wehren?
»Uns ist auch nicht entgangen«, fuhr der Dron fort, »dass deine Agenten unsere Bergungsversuche mit aller Kraft unterstützt haben.«
»Selbstverständlich«, murmelte der Smiler. Wobei diese Hilfe den Jägern so viel Zeit verschafft hatte, um in ihr Trägerschiff, einen Kugelraumer mit 500 Metern Durchmesser, einzuschleusen und in den Linearraum zu flüchten. Tek sagte sich selbst immer wieder, dass sie diese Flucht ohnehin nicht hätten verhindern können.
Alle Hoffnungen, im abgestürzten Kampfgleiter Überlebende oder sonstige Hinweise zu finden, hatten sich darüber hinaus wohl zerschlagen – die Schäden waren zu groß. Unlöschbare Plasmafeuer sorgten für die Zerstörung sämtlicher technischer Einheiten, das Innere des Gleiters war förmlich sterilisiert.
Schori Margs Zähne mahlten aufeinander, er schloss die Augen, indem sich das untere Lid hob. »Dennoch wissen wir nicht, ob wir zulassen sollen, dass die USO unsere Gäste entführt.«
»Ohne uns würden sie nicht mehr leben«, entgegnete Tek. »Und sieh es nicht als Entführung an, sondern als Schutzhaft. Wir werden gut für sie sorgen. Und damit auch euch aus der Schusslinie der Jäger nehmen.«
»Finde eine Lösung, Ronald Tekener«, verlangte der Dron. »Nicht nur für unsere drei Freunde, sondern für alle.«
»Die Situation ist komplizierter, als du denkst.«
»Bist du dir da so sicher?« Marg wies mit den kurzen Oberarmen auf das Trümmerfeld. »So etwas darf nicht mehr geschehen. Vielleicht benötigt diese Galaxis lediglich einige unbequeme Entscheidungen auf höchster Führungsebene.«
Tek nickte und versicherte seinem Gegenüber, dass nicht nur die USO, sondern auch die Führungsriege des Galaktikums, namentlich dessen Vorsitzender Bostich I., alles tun würde, was in ihrer Macht stehe.
Leere Worte, schale Hülsen. Politik.
Und dabei kannte Schori Marg nur einen Bruchteil der wirklichen Problematik, mit der sich die USO – und nicht nur sie – auseinandersetzen musste.