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Vorwort

Das römische Privatrecht ist die historische Grundlage unserer Zivilrechtsordnung. Es gibt daher eine Fülle von Gründen, sich mit diesem Recht zu beschäftigen, nicht nur für diejenigen, die ohnehin ein allgemeines Interesse an der Antike haben. Es ist gemeinsame Tradition der europäischen sowie der von diesen beeinflussten Rechtsordnungen auf der ganzen Welt und kann daher bei deren Verständnis helfen. Es schult systematisches Rechtsdenken und das Judiz, auch unabhängig von einer bestimmten (positiven) Rechtsordnung. Es stellt eine intellektuelle Herausforderung ersten Grades dar. Die Art und Weise der Darstellung und Lösung von Rechtsproblemen durch die römischen Juristen kann auch heute noch als Vorbild dienen. Und manch anderer Grund lässt sich anführen. Hier soll aber vor allem zunächst einmal davon ausgegangen werden, dass die Leserin oder der Leser das Buch aus schlichtem Interesse an der Materie zur Hand genommen hat. Ziel der folgenden Darstellung ist es, grundlegende Informationen zu geben und dieses Interesse zugleich zu verstärken; die Leserinnen und Leser sollen das römische Recht und seine Geschichte in den wichtigsten Elementen und Grundzügen kennenlernen und mögen sich dabei aufgefordert fühlen, den Nutzen dieser Kenntnis selbst zu erleben und zu reflektieren. Und da römisches Recht Fallrecht par excellence ist, liegt es nahe, dies anhand von Fällen zu tun.

Die Beschäftigung mit dem monumentalen, durchaus einschüchternden, in ca. 1000 Jahren gewachsenen Gedankengebäude des römischen Rechts lässt sich mit einem Besuch der ebenfalls in Rom gelegenen und nicht minder monumentalen Vatikanischen Museen vergleichen. Man kann in kurzer Zeit durch möglichst viele Säle eilen und auf jede Statue, jedes Bild, jedes Kunstwerk einen raschen Blick werfen, auf die Gefahr hin, dass vielleicht nicht alles im Gedächtnis haften bleiben wird. Interessierte können sich auch die Zeit nehmen und in vielen Besuchen alles ansehen, was die Jahrhunderte geschaffen und dort zusammengetragen haben, und, wenn sie die dafür erforderliche Ausdauer und Muße mitbringen, eine profunde Kennerschaft entwickeln. Es gibt aber auch noch einen weiteren Weg. Der Betrachter kann auf dem Wege durchaus tieferer Beschäftigung mit exemplarischen Ausstellungsstücken einen fundierten Eindruck von der gesamten Sammlung gewinnen, ohne jeden Saal und jede Vitrine gesehen zu haben. Er wird auf Stücke treffen, die allein der Vergangenheit angehören, und auf solche, deren Bedeutung bis heute ungebrochen ist. Als hilfreich kann sich dabei eine Führung erweisen oder eben, mit dem Titel dieses Buches, eine Einführung. Der Betrachter kann dadurch das notwendige geistige Handwerkszeug erlangen, um nun auch selbstständig andere Stücke der Sammlung einer intensiven Schau zu unterziehen. Zu dieser Art der Beschäftigung mit dem Monument „Römisches Recht“ möchte das vorliegende Buch einladen.

Dieses Buch enthält also keine, auch keine gekürzte, Darstellung oder Zusammenfassung des römischen Privatrechts und seiner Geschichte. Es ist bewusst unvollständig. Vielmehr soll der Versuch unternommen werden, exemplarisch wesentliche Grundprinzipien und Institute des (klassischen) römischen Rechts darzustellen, die unerlässlich sind, um es als Ganzes zu verstehen. Das Bild des Gedankengebäudes bietet sich hier wieder an. Gut erhaltene römische Bauwerke verfehlen bis heute ihre Wirkung nicht: das Kolosseum, der Titusbogen, das Pantheon, um nur einige und sehr bekannte zu nennen, die zur gleichen Zeit wie das klassische römische Recht errichtet wurden, die beiden Erstgenannten sogar in unmittelbarer Nähe zum Forum Romanum, der Geburtsstätte dieses Rechts. Ihre Großartigkeit beruht auf wenigen grundlegenden Elementen (wie Bogen, Gewölbe, Säulen, Pfeiler, Proportionen etc.), die der Variation fähig sind, aber nie ihren eigentümlichen und spezifisch römischen Charakter verlieren und dadurch das Gesamtbild bestimmen. Das römische Recht lässt sich durchaus mit der römischen Architektur vergleichen, und die Kenntnis der Grundelemente hilft dem Betrachter, die Struktur des Gesamtbaus zu erfassen.

Der hier verfolgte Ansatz verlangt eine Auswahl. Der Möglichkeit zur Erweiterung und zur Vertiefung der behandelten Themen dienen die zahlreichen Hinweise auf die römischen Quellen, von denen alle mit einem „Q“ bezeichneten wie die unmittelbar im Buchtext wiedergegebenen zweisprachig im Anhang zu finden sind. Die Auswahl der Themen ließ sich auch davon leiten, was heute zivilrechtlicher Prüfungsstoff im Staatsexamen und daher für die Studierenden von besonderer Bedeutung ist. Daher werden, in der Regel kurz gehaltene, Hinweise zum geltenden deutschen Recht und aus rechtsvergleichender Perspektive zu anderen Rechten gegeben. Elementare Grundkenntnisse im BGB werden dabei vorausgesetzt. Die Studierenden, die sich mit dem Gedanken tragen, das römische Recht als Schwerpunktbereich zu wählen, sollen einen Einblick erhalten, „worauf sie sich da einlassen“; und allen generell am römischen Recht Interessierten soll die Möglichkeit geboten werden, sich in überschaubarer Zeit die Grundlagen anzueignen.

Die Römer wurden schon in der Antike das „Volk des Rechts“ genannt. Eine so tiefgehende Prägung einer Gesellschaft durch das Kulturphänomen Recht hinterlässt seine Spuren auch in einem anderen Kulturphänomen: der Literatur. Die bedeutendsten lateinischen Schriftsteller lebten, als das römische Recht zu blühen begann und seine Hochblüte erreichte; viele von ihnen verfügten selbst über, zuweilen umfangreiche, Rechtskenntnisse und waren aktiv am Rechtsleben beteiligt. Bei ihnen finden sich zahlreiche Bezüge zum Recht, nicht nur in Gerichtsrede, Geschichtsschreibung und staatsphilosophischem Werk, sondern auch im Epos, in Satire und Tierfabel, in unzähligen Privatbriefen und sogar in der Liebesdichtung. Es bietet sich daher an, bei der Führung durch das römische Recht gelegentlich auch den Weg der literarischen Annäherung oder Exemplifizierung zu beschreiten. Vielleicht werden die Leserinnen und Leser dadurch sogar ein wenig Lesevergnügen empfinden, jene suavitas et delectatio in cognoscendo, welche Cicero mit dem Studium des Rechts verbindet1.

Herzlich danken möchte ich denen, die mir durch ihre Bereitschaft zur kritischen Lektüre des Manuskriptes und viele hilfreiche Hinweise dazu zur Seite standen:

Prof. Dr. Ulrich Manthe, der in seinen Vorlesungen und Seminaren an der Universität Passau die Begeisterung für das römische Recht bei mir entfachte;

Prof. Dr. Christian Baldus, Universität Heidelberg, dem ich eine Fülle bereichernder Gespräche verdanke, und Herrn Ass. iur. Robin Repnow, Akademischer Mitarbeiter am Lehrstuhl für Bürgerliches Recht und Römisches Recht der Universität Heidelberg, der mir viele wertvolle Impulse gab;

meinen Fakultätskollegen an der Universität Osnabrück, Prof. Dr. Hans Schulte-Nölke und Prof. Dr. Marcus Bieder, die mich stets in vielfältiger Weise bei meinem Vorhaben unterstützt haben; und Frau Patricia Kainka und Frau Chiara Resing, studentische Mitarbeiterinnen am Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Europäisches Privat- und Wirtschaftsrecht, Rechtsvergleichung und Europäische Rechtsgeschichte der Universität Osnabrück, für ihre intensive Probelektüre, Textkorrektur und Mithilfe bei der Erstellung des Registers;

und schließlich Frau Emilia Lutz, Universität Freiburg, für aufschlussreiche Gespräche und stets verlässliche Recherche auf dem Gebiet der lateinischen Philologie.

Dem C. F. Müller Verlag habe ich zu danken für die freundliche Genehmigung zur Nutzung der deutschen Übersetzungen der aus dem Corpus Iuris zitierten Texte. Sie sind entnommen aus: Behrends/Knütel/Kupisch/Seiler (Hg.), Corpus Iuris Civilis. Text und Übersetzung. Bd. I, Institutionen (1990); dies., Bd. II, Digesten 1–10 (1995); dies., Bd. III, Digesten 11–20 (1999); Knütel/Kupisch/Seiler/Behrends (Hg.), Bd. IV, Digesten 21–27 (2005); Knütel/Kupisch/Rüfner/Seiler (Hg.), Bd. V, Digesten 28–34 (2012).

Die Übersetzungen sind gemeinsam verantwortet von den Herausgebern und den jeweiligen Erstübersetzern, die zu Beginn der einzelnen Bände angeführt sind.

Der Wissenschaftlichen Buchgesellschaft schulde ich Dank für die freundliche Genehmigung zur Verwendung der Institutionen des Gaius, herausgegeben, übersetzt und kommentiert von Ulrich Manthe (2. Aufl. 2010).

Schließlich möchte ich dem Böhlau Verlag, namentlich Frau Dorothee Rheker-Wunsch und Frau Julia Roßberg, für die angenehme Zusammenarbeit danken.

Osnabrück, im Juni 2021 Christian Reiter

1Cicero, de or. 1, 193: „Annehmlichkeit und Genuss beim Lernen“.

Einführung in das römische Privatrecht

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