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... UND EIN GEGENSPIELER: OTTO NICOLAI

Der in diesem Artikel angesprochene preußische Komponist Otto Nicolai (Königsberg 1810 – Berlin 1849) war 1837-38 unter Conradin Kreutzer Kapellmeister am Kärntnertortheater gewesen und dann nach Italien gegangen, wo er eine erfolgreiche Karriere als Komponist italienischer Opern{22} begonnen hatte.


Otto Nicolai (1810-1849)

Mit der Entstehung des Nabucco stand er in direktem Zusammenhang. Das Nabucco-Libretto von Temistocle Solera war kein für Verdi oder in dessen Auftrag geschriebener Operntext. Merelli hatte das fertige Libretto zuerst Nicolai angeboten, der es allerdings ablehnte und sich für Il proscritto entschied, einen Text, der ursprünglich Verdi angeboten worden war, den dieser aber nicht komponieren wollte. Nicolais Proscritto fiel im März 1841 ebenso durch wie Verdis Un giorno di regno, allerdings mit gravierenden Konsequenzen: Nicolais Karriere in Italien erfuhr durch den Misserfolg ein abruptes Ende (in Wien wurde seine Oper 1844 unter dem Titel Die Heimkehr des Verbannten mit Erfolg gespielt). Nicolai verlangte von Merelli daraufhin die Auflösung seines Vertrages. Seinem Wunsch wurde entsprochen und er ging nach Wien zurück, wo er als Nachfolger Kreutzers Hofkapellmeister wurde und u.a. die philharmonischen Konzerte ins Leben rief. Hier hörte er zähneknirschend von dem überwältigenden Erfolg des Nabucco, der an der Scala nach der ersten, acht Vorstellungen umfassenden Serie ab 13. August 1842 siebenundfünfzig Mal wiederholt werden mußte, was ein absoluter Aufführungsrekord war. Zu seinen italienischen Kollegen und zu Verdi äußerte er:

Wie sehr ist aber auch Italien in den letzten 5 Jahren gesunken?! Donizetti lebt fast immer in Paris oder Wien, in welch letzterer Stadt er jetzt als k.k. Kammerkapellmeister und Hofkompositeur mit 4000 fl. Gehalt auf Lebenszeit engagiert ist – und thut nichts mehr für Italien. Rossini ist ganz verstummt. Wer jetzt in Italien Opern schreibt ist Verdi. Er hat auch den von mir verworfenen Operntext Nabucodonosor komponiert und damit großes Glück gemacht. Seine Opern sind aber wahrhaft scheußlich und bringen Italien völlig ganz herunter. * – Ich denke unter diese Leistungen kann Italien nicht mehr sinken – und jetzt möchte ich dort keine Opern schreiben.{23}

Nicolais Frustration ist deutlich spürbar. Über Verdi hat er an der mit * bezeichneten Stelle auch eingetragen: „Er instrumentiert wie ein Narr – ist kein Meister in technischer Hinsicht – muss ein Herz wie ein Esel haben und ist wirklich in meinen Augen ein erbärmlicher, verachtenswerter Kompositeur.“{24} Was sich wie bösartige Kritikerinkompetenz liest, war der Ärger über den Erfolg der Oper des fast gleichaltrigen Kollegen. Es schien aber weniger Erfolgsneid zu sein als vielmehr die bedauernde Einsicht über die Beschränktheit der eigenen musikdramatischen Mittel:

Das für Mailand bestimmte neue Buch von Temistocle Solera „Nabuco“ war durchaus unmöglich in Musik zu setzen – ich mußte es refüsieren, überzeugt, dass ein einziges Wüten, Blutvergießen, Schimpfen, Schlagen und Morden kein Sujet für mich sei. – Der Nabuco taugte nicht. Der Proscritto taugte nicht.{25}

Es dürfte diese Donizetti sicherlich bekannte Einstellung Nicolais, der sich in dessen Agenden gerne eingemischt hätte, gewesen sein, die dazu beitrug, dass Donizetti den Ernani, ein Werk des von Nicolai zutiefst verachteten Kollegen, vor dessen bereitwillig helfendem Zugriff rettete und es selbst einstudierte. Nicolai dürfte nach seinem nicht ganz freiwilligen Weggang aus Italien kein großer Freund dieses Landes gewesen sein, auch weil ihn seine Kurzzeitverlobte, die berühmte Sopranistin Erminia Frezzolini (sie sang die Hauptrollen in zwei Verdi-Uraufführungen, I lombardi alla prima crociata und Giovanna d’Arco) verlassen hatte, um den Tenor Antonio Poggi zu heiraten. Er konnte seinen einzigen bleibenden Erfolg erst wenige Monate vor seinem frühen Tod mit Die lustigen Weiber von Windsor (Berlin 1849) erzielen. Das Libretto dieser Oper von Salomon Hermann von Mosenthal stützte sich allerdings ausschließlich auf die Komödiantik des nicht unbedingt gelungenen Shakespeare-Stücks, weshalb die Oper zu einem biederen, seichten Schwank geriet. Diese Vertonung des Shakespeare-Stoffes war – Ironie des Schicksals – nach demselben Stoff komponiert, aus dem Verdi zum Abschluss seiner unvergleichlichen Karriere 1893 den Falstaff formte, mit dem Unterschied, dass sein Librettist Arrigo Boito auch auf Text- und Charakterisierungspassagen sowie Anregungen aus anderen Shakespeare-Dramen zurückgriff und ein Werk mit philosophischem Tiefgang schuf.

GIUSEPPE VERDIS WIENBESUCHE

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