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Planetside

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//Yologram

Pic von @CowpersonYeeha

User CowpersonYeeha mit bläulich verschmierten Fingern, übers ganze Gesicht strahlend.

CowpersonYeeha:

Leute, das ist WAHNSINN!!!! Mink-Öl!!! Jede Menge! Direkt unter meiner Farm! Wenn ich das nächste Mal poste, bin ich entweder reich … oder tot, falls die Gater schneller sind als das Konzernshuttle!

Eine Faust hämmerte an Danais Tür.

Danai hörte am Klirren des Schmucks am Handgelenk, dass es ihre Mutter war. Sie hatte nie eine Kindheit gehabt, in der Marlene wütend an ihre Zimmertür gehämmert hätte – das hatte alles Danais Vater übernommen, oder eine der immer wieder wechselnden privaten Betreuungspersonen, denn als Teil des gehobenen Managements hatte Efhosa Nhira nicht immer Zeit für Gespräche mit einer bockigen Pubertierenden gehabt.

Danai drehte sich in ihrem Stuhl um, in dem sie im Schneidersitz hockte und rief: »Herein!«

Die Tür entsperrte sich. Hier im Devil’s Rock mochte es nicht viel stimmgesteuerte Technik geben, aber Türschlösser mit Stimmerkennung waren überall an der Tagesordnung.

Nicht nur Mama stand mit dem Cyberköter auf dem Arm im Türrahmen, sondern auch der breitschultrige Kian, der zwar in Mamas Schatten zu verschwinden versuchte, dem das aber nicht gelang. Was auch an seinen verdammten leuchtenden Tattoos liegen konnte. Einfach lächerlich.

»Yo, Mama«, sagte Danai, und ihre Mutter presste die heute tieflilafarbenen Lippen aufeinander.

»Kian hier wird deinen Account wiederherstellen. Mit den Likes, Danai, und ich dulde keinen Widerspruch.«

»Als meine Mama oder als meine Queen?«, fragte Danai gedehnt.

»Als deine versmashte President, junge Frau!«, zischte Mama. »Was fällt dir ein, den Account zu löschen?«

»Was fällt euch ein, ihn so zu pushen? Ich hab keinen Bock auf Likes-Melken, ich hol mir keinen drauf runter wie ihr!«

Sie sah, dass Kians vorher leicht betretener Gesichtsausdruck hart wurde. Solange beim Wort Runterholen nichts anderes an ihm hart wird. Marlene nutzte die Tatsache, dass sie sich an einem Wort verhakt hatte, um sie zu unterbrechen, statt abzuwarten, bis das Stottern vorbei war, wie es jede höfliche und normale Person tun würde.

Wie es vielleicht zwanzig Prozent höflicher und normaler Personen tun

»Danai, du bist jetzt …«

Danai hatte sich wieder gefangen. »Es ist mir zu gefährlich. Ich hab keinen Bock da drauf. Die Konzerne haben meine ganze Laufbahn über Flugmustererkennungsdaten gesammelt. Mein Ex-Arbeitgeber, aber auch die wichtigen Konkurrenzfirmen. Setzen Headhunter drauf an, die Talentiertesten …« Diesmal wartete Mama das Stottern ab, das unweigerlich vor dem Vokal A wartete. »… abzuwerben. Oder Spectres, um sie runterzuschießen. Wenn ich fliege und das streame, dann habt ihr die bald hier. Und mich dann nicht mehr lange.«

Mama ließ den Köter runter, tätschelte ihm kurz über den Kopf, als vergäße sie dabei die Unterhaltung, und verschränkte dann die Arme.

»Hier? Im Free-Turf?« Sie lachte spöttisch mit ihrer rauchigen Stimme. »Mach dich nicht lächerlich. Die kommen hier nicht an dich ran. Nicht mit den Daredevils als Wingpals!«

»Mama«, seufzte Danai. »Ich will lieber …« – anonym fängt mit A an – »… unerkannt bleiben!«

»Dich hier bei uns aufzuspüren wäre selbst für Spectre-Ops eine Selbstmordmission«, ließ sich nun Kian verlauten, der bislang geschwiegen hatte. Seine Stimme wollte nicht so ganz zu seiner Erscheinung passen, er klang jünger, als er aussah. Da sie vor wenigen Minuten noch seine Stimme in einem seiner Vids gehört hatte, wurde ihr bewusst, dass er sie dort offenbar ein wenig modifizierte.

Damit sie tiefer klingt. Als harter Ganger willst du dir doch nicht nachsagen lassen, du hättest eine Jungenstimme.

»Kian«, sagte sie langsam und vielleicht so, als spräche sie mit jemandem, der jünger war, als Kian es tatsächlich war. »Du hast gesehen, wie ich fliege. Du hast gesehen, wieviel besser als ihr ich bin, ja? Weißt du, warum ich so viel besser bin?«

Er versuchte, nicht zu reagieren, wenn sie stotterte, aber seine Augenlider zuckten nervös.

»Weil du Marlenes Tochter bist. Es kotzt mich zwar an, das zu sagen, aber: du fliegst verdammt geil.«

»Ach, du bist ein Schatz, Kian, dear«, kicherte Mama und sah ihn auf eine so … zärtliche Weise an, als habe sie ihn adoptiert und vergessen, es Danai zu sagen.

»Nein. Weil ein Haufen Geld in meine Ausbildung, meine Ausrüstung und meine Nervenmods gepusht wurde, Kian, dear«, äffte Danai ihre Mutter nach. »Deshalb fliege ich so verdammt geil.«

»Talent war nicht dabei? Wieso waren diese Konzernjäger dir dann so unterlegen beim Run?«

»Weil unterschiedliche Mengen an Credits in uns hineingepumpt wurden. Talent spielt auch eine Rolle, aber nicht so viel, wie du meinst.«

»Ich bin selbst Pilot!«, stieß er hervor und musterte sie wütend, wie sie da – hoffentlich äußerlich gelassen – im Schneidersitz auf ihrem Stuhl saß.

»Ja, dann siehst du ja, was Geld ausmacht«, erwiderte Danai und wusste nun wirklich nicht, inwiefern sein Argument ein Gegenargument sein sollte.

»Schluss jetzt, Kinder. Ich bin die President. Du hast deine Accounts gelöscht. Die wir brauchen, Schätzchen. Kian stellt sie wieder her, und dann pushen wir sie noch ein bisschen mit NetCoins nach oben. Und es gibt keine Widerrede, weil du Angst um deine Anonymität hast. Die ist im Moment gut für dich, die ganze Jockeywelt rätselt schon, wer du bist, dieses mysteriöse Supertalent, das drei Abschüsse in einem Run hingekriegt hat!« Danai wollte widersprechen, aber Marlene hatte sich den letzten Rest gutmütiger Mütterlichkeit aus dem Gesicht gefegt. »Kian, leg los. Gib ihm Zugriff auf dein Tablet, oder du bleibst am Boden, Princess, Abschüsse hin oder her.«

»Soll mir das Angst machen?«

»Du kannst nicht zu mir kommen, irgendwelche Gefallen einfordern und keine Gegenleistung erbringen.«

»Ich habe drei Konzernn00bs a–… runtergeknallt!«

»Aber das ist lange nicht alles, was ich von dir erwarte. Wenn du nicht anfängst, so zu ticken wie die anderen Devils, dann fliegst du, und zwar ohne Jäger. Wenn du Schiss hast, dass irgendjemand sich an deine Fersen heftest, hau die Zwillinge an, die modden deine Slipstream, bis du quasi unkenntlich bist. Die können dir limitierte KIs einbauen, die deine Flugmuster so verändern, dass du safe bist.«

»Ich will einfach nur keine versmashten Social-Media–…« Bevor sie das Wort »Accounts« hervorgebracht hatte, hatte Marlene sich umgedreht und den Raum verlassen. Danai schrie ihr einen wortlosen Laut der Frustration hinterher.

Kian stand näher als vorher.

»Also, ich soll deine Accounts wiederherstellen«, sagte er betont unbeteiligt und sah über ihre Schulter hinweg auf ihr Tablet. »Kann dich natürlich nicht zwingen, Bro.« Der Köter saß auf dem Boden und starrte sie mit leicht rötlich glühenden Augen an. Danai fragte sich, ob Mama ihn hiergelassen hatte, weil sie sie durch seine Augen hindurch beobachten konnte.

Danai entsperrte mit ihrem Daumen das Tablet und fühlte sich auf einmal kindisch und naiv – wie hatte sie denken können, sie könne über ihre eigenen Accounts bestimmen, über das, was sie sendete. Über ihr Leben!

»Yo, mach’s halt«, knurrte sie.

»Ich guck mir auch nicht die Ordner mit dem Schmuddelkram an«, grinste er im Versuch, die Stimmung aufzulockern.

»Ist das eine Anmache? Willst du mich klarmachen, oder was? Das Tablet ist brandneu, ich war sicher nicht dumm genug, da was Persönliches draufzuladen.«

»Okay. Worauf stehst du so? Bin ich dein Beuteschema?«, fragte Kian nachdenklich, während er in den Untiefen von Pixxor nach den Wiederherstellungsoptionen buddelte.

»Willst du mich verarschen?«

»Ich dachte, du willst vielleicht nicht bis in alle Ewigkeit hier in der Bude hängen. No fomo, ich steh zu deiner Verfügung.«

Sie starrte ihn an. Er hob den Blick und starrte zurück, aber die Linien auf Kinn und Stirn bewegten sich ein wenig – gut sichtbar in der mangelhaften Beleuchtung der Kabine –, als wäre er nervös.

»Was?«, fragte Danai.

»Was?«, fragte er zurück und schüttelte dann den Kopf. »Okay, eigentlich bist du nicht mein Typ.«

»Schläfst du lieber mit meiner Mutter, Kian, dear

Kian lachte auf und wandte sich wieder dem Tablet zu. Er antwortete aber nicht. Danai gab einen angeekelten Laut von sich.

»Was, nein, ich hab nicht mit deiner Mutter geschlafen! Also, zumindest noch nicht«, sagte er und grinste hinterlistig, als hätte er sie absichtlich so lange zappeln lassen. »Aber ernsthaft: Ich hab nicht mit allen in der Gang geschlafen.«

Er setzte sich in Ermangelung einer zweiten Sitzgelegenheit auf ihren Tisch und sah sie über das Tablet hinweg immer wieder an.

»Lass mich raten: Du erzählst mir gleich, wie du … no-fomo-mäßig eine Nummer mit den Zwillingen geschoben hast, zu der’s auf WhiteHub ein Vid in den Top Ten gibt.«

»Nee.« Er zögerte kurz. »Also, nicht, dass ich die Zwillinge nicht heiß fände, sie sind heiß. Aber erstens … Schwestern, das ist mir ein bisschen zu weird. Und zweitens stehen die Zwillinge nicht auf mich. Eyegle ist eher Yokais Fall. Was Kami heiß findet? Keine Ahnung, sie redet nicht drüber, aus ihr kriegt man selten was raus. Die mysteriöse Kami. Also, mit Eyegle hatte ich mal was, falls du das wissen willst.«

»Hab ich mir gedacht, es gab Fotos auf deinem und xiesem Profil.«

»Angezogene, hoffe ich. Für deine unschuldigen Corp-Augen.«

»Angezogen, aber eindeutig.«

»Weißt du, wir hängen halt in der Gang zusammen rum. Brokrastinieren.« Sie lachte kurz über diese typische Free-Turf-Wortschöpfung, die sie nur aus AnsVee-Shows kannte. »Haben Spaß. Mal so, mal so. Alle, wie sie mögen, weißt du. Gilt auch für dich. Wenn du willst. Nichts hilft vor einem heiklen Flug so sehr wie eine Runde Abschalten. Ist sogar gut fürs Teamwork. Ich sag’s nur. Falls du das auch als Beinahe-Ass mal nötig hast.«

Sie hob die Augenbrauen und schüttelte den Kopf.

»Okay. Muss ja nicht mit mir sein. Purple steht übrigens nur auf Frauen, falls das von Belang ist für dich.«

Danai entknotete ihre Beine und lehnte sich im Stuhl zurück. »Vielleicht«, sagte sie und lächelte kühl. Sein Blick irrte einmal an ihren Körperformen entlang und dann wieder aufs Tablet.

»In meinem alten Job war’s nicht verboten, aber ziemlich schlecht angesehen, wenn innerhalb der Staffel gevögelt wurde. Wenn ein Wingpal wegen irgendeiner Beziehungskiste sauer ist, wirkt sich das mies auf die ganze Staffel aus.«

Kian lachte. »Klar. Weil Corp-Turfler wie du alles viel zu eng sehen. Ist doch bloß ein bisschen Gevögel, warum denkt ihr da direkt dran, dass jemand sauer ist. Vielleicht ist auch jemand so richtig gut drauf, weil sie gerade die Bettgeschichte ihres Lebens erlebt.«

»Wäre vielleicht auch mies für die Konzentration.«

»Für welchen Konzern bist du eigentlich geflogen?«

»Gar nicht«, sagte Danai eisig. »Ich war Controllerin. Rechnungswesen.«

Er starrte sie kurz an, und sie versuchte, mit keiner Wimper zu zucken.

»Du … du hast doch gerade was von Staffel gesagt?«

»Ich habe nicht gesagt, meine Staffel.«

»Du verarschst mich. Du bist eine Jockey! Du hast doch sogar die Reflexmodder!«

»Dann verarsch ich dich wohl.«

»Okay, und sagst du mir, für wen du geflogen bist?«

»Ich war Controllerin«, wiederholte sie eisern. Sie würde diesem Smashwit sicherlich nichts über ihre Vergangenheit erzählen. Wenn er beschloss, das zu NetCoins zu machen, war sie die Gearschte.

»Hundo P, dann eben nicht, Prinzessin.« Er sah auf den Bildschirm herab und lächelte sie dann an. Seine Tattoos waren wirklich irritierend in diesem Halblicht. »So, da sind die Accounts wieder. Vergiss nicht, mein neues Channel-Video zu faven, kay?«

»Hundo … P«, bestätigte sie gedehnt, er gab ihr einen Daumen nach oben und schob sich dann vom Tisch. Kurz stand er fast an ihren Knien.

Sie sah sitzend zu ihm auf. Was jetzt, wollte er es drauf ankommen lassen? Wenn er noch näherkam, würde ihr Knie sich gleich ganz woanders befinden!

»Und wenn du mal nicht im Dunkeln auf deinen Screen starren willst – deine Mit-Daredevils sind für dich da. Muss ja nichts Körperliches sein, wir können auch ’ne Runde pokern oder so was. Ein Hologame. Tetherball. Einfach abhängen mit einem Bier oder zwei.«

Damit ging er zur Tür, ohne es drauf ankommen zu lassen.

»Kein Interesse«, knurrte Danai. Vielleicht sollte ich irgendeine von ihnen flachlegen. Einfach mal ausprobieren, ob es macht, was er sagt. Aber nicht ihn. Sie dachte ein paar Sekunden nach, während sich die Tür hinter Kian schloss. Sie alle nicht, stellte sie dann fest. Sie stand eben einfach nicht auf Gang-Jockeys.

Danai strich mit dem Daumen zufrieden über die drei Sparrow-Silhouetten, die sie außen an ihrem Chopper, direkt unterhalb der Cockpitkanzel und neben ihrem Callsign Princess aufgesprayt hatte. Drei Abschüsse im ersten Einsatz. In ihrer Zeit beim Konzert hatte sie bereits deutlich mehr angesammelt, obwohl es in ihrem Job seltener zu echten Kampfhandlungen gekommen war als das im Umfeld von Jockey-Staffeln offensichtlich der Fall war. Mit fünf Abschüssen galt eine Pilotin als Ass, und sie hatte diese Marke bereits vor sieben Jahren hinter sich gelassen. Aber das war in ihrem alten Leben gewesen. Hier fing sie von vorne an.

Immerhin war der Run kein schlechter Start in diese morbide Art von Wettbewerb gewesen. Es war ein Spiel mit dem Tod, das alle, ob Chopper-Jockey oder Corp-Turf-Kampfpilotin, zu gern mitspielten.

»Na? Stolz?«, erklang eine Stimme hinter ihr. Sie wandte sich um und erblickte eine der Zwillingsschwestern. Sie war in einen Mechanikerinnen-Overall gekleidet und sah aus, als wäre sie in ein Fass mit Schmieröl gefallen. Die kleine, zierliche Frau reinigte gerade mit einem Lappen das Induktionsphalanxelement einer Bordkanone und sah zu Danai hoch. Sie trug ihr glattes schwarzes Haar als Sidecut. Ihr Callsign Yokai kam aus dem Japanischen, wenn Danai sich nicht irrte – zumindest den Namen von Yokais Schwester, Kami, hatte sie schon einmal von einem ehemaligen Kollegen gehört, der Shintōist war.

Yokai war die Schwester mit dem Cyberbein, das unter dem Overall zwar nicht zu erkennen war, sich aber durch die Art verriet, wie die junge Frau sich bewegte. Beide Zwillinge hatten sich bei einem Crash schwere Verletzungen zugezogen, hatte Deardevil erzählt, als sie die einzelnen Jockeys vor ihrer ersten Vorstellungsrunde einmal durchgegangen waren.

»A… Beginnerglück«, rief Danai von oben. Sie stand auf der Leiter, mit der man das Cockpit erreichen konnte.

»Schon klar. Anfängerglück. Ziemlich krasses Anfängerglück. Wo lernt man das?«

Danai schüttelte nur ihre Locken und kletterte die Leiter hinab. Sie standen jetzt auf Armeslänge Abstand und mussten nicht mehr schreien, um sich über die Distanz und die üblichen Hintergrundgeräusche auf dem Flugdeck hinweg verständigen zu können.

»Geht mich ja nichts an«, sagte Yokai und wechselte das Thema auf ein noch Persönlicheres: »Dein Sprachfehler … wenn ich dich über die Commleitung vom Cockpit höre, merk ich nichts davon. Wie kommt das?«

Danai presste die Lippen aufeinander. Konnten sie nicht weiter über ihre Flugkünste sprechen? Oder gar nicht reden? Wollte Yokai was auf die Nase? Aber da lag keine Gehässigkeit in ihrem Blick, auch keine Arroganz – im Gegenteil, sie strahlte Danai geradezu an, mit offener Freundlichkeit, vielleicht ein bisschen schelmisch.

Danai entschied, das so hinzunehmen. Sie zuckte nur mit den Schultern und lächelte sogar andeutungsweise zurück. Yokai fuhr fort: »Deardevils Tochter. Ich wusste nicht, dass unsere President ein Kind hat. Okay, sie ist schon der mütterliche Typ irgendwie. Habt euch nicht oft gesehen in deiner Kindheit, was?«

»Du bist ganz schön neugierig, Yokai!«

»Neugierig-Sein ist sozusagen mein Signature Move. So wie es offenbar deiner ist, wilde Stunts in verzerrten Gravitionsfeldern abzuziehen.« Sie nahm einen Kondensatorring von einem kleinen Tisch und flanschte ihn an das Bauteil in ihrer Hand an. Dabei sagte sie, ohne von ihrer Tätigkeit aufzusehen: »Komm schon, wir sind doch jetzt in einer Gang und sollten zusammenarbeiten. Dazu es ist gut, was übereinander zu wissen. Wingpals müssen sich doch aufeinander verlassen können. Selbst dort, wo du herkommst. Jetzt, wo du brofessionell fliegst, ist gegenseitiges Vertrauen noch wichtiger!«

Danai prustete. »Brofessionell? Das ist nicht dein Ernst! Soll ich mir in Punkto Slang eine Scheibe Bro-t von euch Jockeys abschneiden?« Das war doch einfach nur lächerlich. Jetzt flammte kurz Unmut in Yokais Miene auf.

Vielleicht wäre es schlau, die Lebensweise der Leute hier ernster zu nehmen, wenn sie künftig mit ihnen Flügel an Flügel fliegen würde? Die Daredevils stellten schließlich ihre letzte Zuflucht vor der Vergangenheit dar. Sie waren jetzt eben genau das: ihre Bros.

»Wir!«, betonte Yokai, wie um Danais Überlegung zu bestätigen. »Wir Jockeys. Das wolltest du doch sagen. Du gehörst jetzt zu uns.« Sie lächelte wieder breit. »Lernen wir uns doch besser kennen.«

Die Tüftlerin spannte ein Element des neumontierten Teils ihrer Bordkanone mit einem Varo-Schlüssel. Dabei sprach sie zum Bauteil, nicht zu Danai: »Hier, so läufst du wieder rund. Lass mich im nächsten Kurvenkampf nicht mehr im Stich, hörst du!« Dann wandte sie sich wieder Danai zu.

»Guck mal, es ist ganz einfach: Yokai ist mein Callsign, meine Zwillingsschwester rufst du Kami. Wir sind eineiig und uns häufig einig, in der Kuppelstadt Atara-Edo aufgewachsen, wo sich unsere Mutter immer noch mit dem Verkauf von Synthfleisch über Wasser hält – wir nennen das Zeug liebevoll Beyond Snail. Wir fliegen immer gemeinsam in einer Maschine – ich als Pilotin, Kami als Sozia –, schrauben gern an Choppern rum. Kami behauptet, ich fliege besser, sie schraubt besser, aber ich schraube auch boots gut, danke der Nachfrage. Meine Lieblingsfarbe ist mattschwarz, Kamis ist eisblau-metallic.«

Danai seufzte und ließ sich auf das Spiel ein. »Na gut. Ich komme aus dem Corp-Turf, keine Details. Bin bei meinem Vater aufgewachsen. Mama hat uns ab und zu besucht, einmal im Jahr vielleicht. Sie hatte es nicht so mit dem Familienleben, und Papa hat sein Bestes getan, mich von …« Danai machte eine umfassende Geste. »… all dem hier fernzuhalten. Alles in allem ziemlich langweilig. Mehr gibt es da nicht zu erzählen.«

So langweilig die Ausbildung in einer Elite-Raumpilotenakademie von Hadronic Inc. eben sein konnte. Aber Yokai musste ja nicht alles wissen.

»Ach ja, Schwarz ist keine Farbe und meine Lieblingsfarbe ist Türkis … was war das?«

Ein Geräusch von Metall auf Metall – ihr Blick fuhr zu ihrem Chopper. Eine weitere Person im Mecha-Overall hatte eine Leiter an ihr Triebwerk gelehnt und war mit dem Oberkörper komplett darin verschwunden.

»Was bei Immelmanns Arsch soll das?«, fragte Danai und rief dann lauter in Richtung des Geschehens: »Hey! Was glaubst du, was du da tust? Das ist mein Chopper! Sieh zu, dass du da rauskommst!«

»Keine Sorge, das ist nur Kami. Und die Brüllerei wird dir nichts bringen. Sie schaltet ihre Audioimplantate immer stumm, um konzentriert arbeiten zu können.« Danai erinnerte sich, bei Yokais Schwester ein eisblau schimmerndes Cochlea-Implantat hinter einem Ohr gesehen zu haben, sichtbar gemacht durch den Sidecut, den Kami genau wie ihre Schwester trug. Seit dem Unfall, der ihre Schwester ein Bein gekostet hatte, war sie gehörlos.

Eine Mischung aus Fassungslosigkeit über die Dreistigkeit und Sorge um ihre Slipstream überkam Danai, gemischt mit der Wut, die in diesen Tagen immer so nah unter der Oberfläche lauerte. Als Kami tatsächlich nicht auf die Rufe reagierte, packte Danai die Leiter, um diese N00b eigenhändig an den Füßen aus ihrem Triebwerk zu ziehen, aber Yokai ergriff sanft ihren Arm und hielt sie zurück.

»Warte! Sie stellt nichts an. Wir kümmern uns genauso wie die Deckcrew ein wenig um die Chopper unserer Pals.«

»Bescheid sagen wäre eine gute Idee gewesen! Und was soll das überhaupt werden, wenn es fertig ist?«

»Der Überhitzschutz ist ab Werk normalerweise zu konservativ eingestellt und riegelt früher ab, als es wirklich nötig wäre. Kami rejustiert das und kitzelt damit noch ein Quäntchen Extraleistung aus den Triebwerken heraus. Glaub mir, du wirst glücklich damit sein, bei den Runs, die wir vorhaben.«

Danai war alles andere als glücklich, aber sie hielt sich zurück. In ihrem alten Job hatte sie den Vogel auch immer Profis überlassen, und Yokai und Kami wussten sicherlich, was sie taten. Sie gab ein Schnaufen von sich, gleichzeitig Unzufriedenheit und zögerliche Zustimmung. »Hab aber keine Lust drauf, beim nächsten Flug zu explodieren«, knurrte sie.

»Guck ihr einfach auf die Finger, wenn du willst. Ist schließlich dein Chopper«, sagte Yokai.

Danai hielt jedoch noch inne. »Was meintest du mit ›bei den Runs, die wir vorhaben‹? Was steht an?«

Yokai blickte finster, als sie antwortet. »Deardevil will es nachher allen mitteilen, aber die Info macht schon die Runde, weil es ein Vid von Bulldoxx dazu gibt. Die Frakster waren unzufrieden mit der Ausführung des letzten Runs. Scheiße unzufrieden. Sie haben unsere Ausrede nicht geschluckt und den Geldhahn komplett zugedreht – natürlich erst, nachdem sie die Ladung Gravitonium entgegengenommen hatten. Vertrag aufgekündigt, Credits futsch. Die waren unser wichtigster Sponsor. Das tut richtig weh in der Gangkasse. Um das auszugleichen, werden wir riskante Aufträge annehmen müssen. Oder durch krasse Aktionen auf uns aufmerksam machen, um einen Ersatzsponsor zu finden. Das ist jedenfalls das, was üblicherweise in solchen Fällen geschieht. So oder so wird es ungemütlich.«

»Blöd«, sagte Danai, obwohl für sie, die ihr Standing in dieser Staffel verbessern musste, eine Herausforderung gerade recht kam, um sich zu beweisen.

»Blöd«, bestätigte Yokai.

»Gibt’s auf diesem Felsen eigentlich auch Gelegenheit für ehrliche A… Tätigkeit?«, fragte sie interessehalber.

»Na klar. Willst du umsatteln? Im C-Bezirk der Minen wird immer noch Erz abgebaut, aber kein Gravitonium mehr. Was sie da an seltenen Erden finden geht in die Platinenwerkstätten auf Delay-6. Dann haben wir hier ein bisschen was an Casinos und Kaschemmen für Durchreisende. Aber die meisten hier arbeiten in der Chemie: Du hast sicher schon von Lokkers Skywards-Küche gehört?«

»Ehrliche Tätigkeit in der Drogenküche?«, fragte Danai spöttisch.

»Nee, dafür ist Lokkers Labor zu klein, und er lässt sich nicht gern über die Schulter schauen.« Yokai lachte. »Lokker nutzt dafür Räume und Apparaturen von ROFL, die haben hier ihren Hauptsitz.«

»ROFL? Energydrink-ROFL? Den gibt’s sogar auf Corp-Turf in jedem Kiosk!«, entfuhr es Danai.

»Klar, Baby! Aber hier sind die Mieten günstiger!«, erwiderte Yokai, bevor sie sich alle daranmachten, ihre Chopper für die anstehenden Runs aufzumotzen.

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