Читать книгу Drei Erzählungen von Christiane Benedikte Naubert in einer Transkription von Sylvia Kolbe: "Die Warnerin. Eine Geschichte aus dem dreißigjährigen Kriege.", "Die weiße Frau" und "Herzog Christian von Eisenberg oder: das eisenberger Gespenst" - Christiane Benedikte Naubert - Страница 7

________ Die Warnerin. Eine Geschichte aus dem dreißigjährigen Kriege.

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An Ludmilla.

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(1654 geschrieben)

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Du dringst in mich, Ludmilla, und ich muß dir nachgeben. Noch einmal schließe ich dir das Heiligste auf. Wahre es wohl, und laß es vor keine andern Augen kommen, als die deinigen. Laß dich die Tagebücher meiner Aeltern warnen; laß sie dich warnen vor der ausländischen Heirath. Wir sind deutsche Jungfraun, und keine Damen. Mir giebts allemal einen Stich ins Herz, wenn dein Signor Savelli mich eine Dame schilt. Seit diese fremden Worte deutsche Sitten verdrängen, ist bei uns deutsche Freiheit, samt deutscher Zucht und Freude verschwunden. Ich haße aber den Signor nicht allein ob dieser Frechheit in allerley ehrlich seyn sollenden Ekelnamen, und nicht nur weil er Savelli heißt, sondern noch um eins. Denkst du noch dran, als deine Neugier, und der Wahn, die Mutter, seel‘ge, sey verborgner Dinge kundig gewesen, mich bewog, dir zum erstenmal dieses Heiligthum zu öffnen? und Savelli, den ich damals noch leiden mochte, dazu kam, und, uns heimlich über die Schulter lesend, in des Vaters Buch die Worte fand: ,,Anno 1634 der Dinge wenige verzeichnet, amoris causa1?" Er befragte mich damals, fürwitzig gnug: ob der strenge, tugendliche Lilienström auch einst die Liebe gekannt, und in wen er entbrannt gewesen? und als ich, zorniglich ihn ansehend, antwortete: in wen anders, als in meine Mutter? zählte er an den Fingern, recht spottlich, die Jahre, und findend, daß ich damals schon auf der Welt seyn mußte, hat er weiter gefragt: Seyd ihr auch ehelich gebohren? Als ich aber vor Zorn schon erstummet, hat er hinzugesetzt: Ey, Dame, dann glaube ich, daß eure Mutter heimliche Künste beseßen! denn welch Weib kann im zweyten Ehestandsjahre, wo nicht gar im dritten, den Mann noch fesseln, daß er sein selbst vergäße?

Siehe, seitdem weiß ich, was ich von den Savelli denken soll; weiß es in alle Wege, und gebiete dir ernst: Laß keine Zeile dieser dir vertrauten Schriften vor seine Augen kommen.

Bist du seiner Meinung, daß Margaretha von Lilienström mehr vermochte als ein Weib, so lerne aus diesen Schriften, welches ihre Zauberkraft war, und wodurch sie freilich im Leben gar viel vermocht. Gott gebe dir und auch mir ähnliche Kräfte.

Hier sind die Blätter, so viel dir davon zu lesen dienlich.

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Es war im Jahr unsers Herren 1630. als ich, unter dem Kriegsvolk des großen Gustav, am Ausfluß der Peene, ans Land stieg.

Großer Gott, damals war noch Recht und Gottesfurcht unter den Leuten, und ich weiß keinen unter uns, der nicht, gleich dem schwedischen Helden, sein Herz zum Himmel erhoben, samt den Händen, als er, der König, auf die Knie fiel, und den Boden, den wir betraten, gleichsam mit Gebet weihete. Einige zwar meinten, dies sey pfäffisch, und ist sonderbar, daß, wie ich fleißig beobachtet, just diese zagten, wenn es an den Feind ging.

Ich habe jenesmal wohl herzlich gedanket und gebetet, hatte solches auch vonnöthen wegen der schweren Verwundung am linken Schenkel, die mein Tod hätt werden können, und nicht ward, jedoch mich noch gnugsam hinderte am Gebrauch der Waffen, auch das Reiten mir schwer macht, dazu ich inbrünstiglich bat, Gott möcht mir wieder helfen.

Als der König, dem ich allernächst stand, das inne ward, daß ich weinte, hat er gesprochen: Ey, langer Fritz! Hier gilts nicht Weinens, sondern freudigen Danks! Hat auch nach meinen Wunden gefragt, und verschafft, daß, als wir gen Stettin kommen sind, mein beßer gepflegt werden solt. Unglücks gnug für mich, daß in den Actionen, die dazwischen lagen, ich nicht mit machen konnt, sondern mußt auf der faulen Bärenhaut liegen. Sind inzwischen meine Wunden so verärgert2, daß die Wundärzte vom Abnehmen des Schenkels gesprochen, wofür ich lieber den Tod gewählt.

In Stettin hab' ich mich stark gemacht über mein Vermögen, und hat mich königliche Majestät zum alten Herzog gesandt, ihm anzudeuten, was der König nachmals selbst mit ihm sprach. Und als ich nun seiner Durchlaucht beweglichen zugeredet, Königs Güte nicht zu verkennen , sondern Stadt und Land in Gottes Namen in des christlichen Helden Hand zu legen, wo beyden wohl gerathen sey, hat des alten Herzogs Durchlaucht sich dennoch nicht entschließen können, sondern gesagt: Will seiner Majestät mündlichen Vorschlags gewärtig seyn. Ihr, Rittmeister, laßt inzwischen zu Euren Wunden sehen, maßen3 Euch wol herzlich weh ist, und ihr schier Euch Sinkens nicht entbrechen4 könnt. Man rufe der Jungfrau Margaretha, daß sie sein selbst wahrnehme! – Hab also damals den Namen dieser köstlichen Perle zum ersten gehört. Mir sind aber bald darauf alle Gedanken vergangen, und habe wol nichts von dieser Jungfrau gesehen, bis dieser sichtbare Engel Gottes schon mehrere Tage an meinem Lager ist beschäftigt gewesen.

Es war eines Morgens, just beym Frühläuten, als mir zuerst die Augen aufgingen, und ich gewahr ward, wo ich lag, und wen ich um mir hatte. Mein Diener, so mich diese Nacht bewacht, hatte sogleich laut ausgeschrien vor Freuden, und ist, seinen Gefärthen zu meiner Hut herbeyrufend, sogleich nach der Margaretha gelaufen, welche nicht weit seyn konnt, irgend im Nebenzimmer.

Habe ich denn je einen der guten Geister gesehen, so vor Gottes Throne stehen, so ists damals gewesen, so daß ich, als freudig erschrecken, mich ausgerichtet, und schwächlichen gestrebt, das Haupt zu blößen; wär wol vor ihr niedergekniet, hätte ich solches vermocht.

Sie, die Holdseelige, hereintretend, ging auf mich zu mit dargebotener rechter Hand. Willkommen ins Leben, Herr Rittmeister, sagte sie. Legt Euch flugs, und schließt die Augen wieder! Euch dienet jetzt weder Sehen, noch Reden! —

Gütiger Gott! nicht reden, wenn das Herz zerspringen will! nicht sehen, wenn all unser Geist in die Augen geflohen ist!

Ich gehorcht indeßen, hab aber doch ein wenig durch die Augenlieder geblinzt, die holde Rede, die aus ihrem Munde ging, auch zu sehen. Und sie sagte mir freundlich, wie krank ich gewesen, doch nicht allein aus Ursach des Schenkels, als der nun gerettet sey, sondern von übermäßiger Anstrengung; sollte hinführo Gott nicht versuchen, maßen ich auch ein Mensch sey, der sinken und ermatten könne, obgleich mir Gott ungewöhnliche Gestalt und Kräfte gegeben.

Ihre, der Jungfrauen Gestalt, war aber auch ungewöhnlich, nicht allein durch hohe Schönheit, sondern auch durch der Glieder stolzen Bau, so daß sie schier ehr einem rüstigen Jüngling glich, als einem Mägdlein. Habe sie einst, als sie schon mein war, in Waffen gesehen, da sie schier nichts verrieth, wenn ich ein einziges ausnehme, als des Auges sanfter, unter den langen Wimpern sittig gesenkter Blick, und des Mundes unaussprechliche Lieblichkeit. Schwarz war ihr Haar, die Augen von gleicher Farbe, zierliche Bogen beschirmten diese Lichter; in Summa, sie war untadelich.

Mit solchem Himmelsbild im Herzen sank ich bald in liebliche Träume, und wachte doch. Der Leib genas, aber die Seele erkrankte, bis eben andem Tage, da ich reden wolt, (es war der erste meines Aufseyns) man mir sagte: die Jungfrau lasse freundlich mich grüßen, und da ich ihrer Hülfe ferner nicht bedürfe, werde sie gerufen zu andrer Pflicht.

Ich fragte dann meine Leute, wer sie eigentlich sey, und wohin sie verschwunden, wußten mir aber solches nicht zu sagen. War damalen schon die Stadt den Schweden übergeben, und der Herzog mit seinem Volk hatte sich in andre Gegenden verwendet. Habe wol rechtschaffen getrauert ob ihrem Verschwinden, war aber doch immer, als sagte mir einer: du wirst sie wiedersehen! wie auch geschehen.

Man sagt, des Kriegsmanns Herz ist leicht geheilt; muß auch wol, denn wer dörfte mit krankem Herzen sich unter die Eisen wagen! Unselde5 hatte mich von meinem Herrn, dem schwedischen Helden, getrennt; Kriegsthaten ohne dies theure Haupt waren fast nie glücklich, denn es fehlte, nebst der alles ordnenden Seele, auch die alles zusammenhaltende Hand, daher wir auch gerathen sind in die leidige Gefangenschaft des Torquato Conti.

Hätten wol alle lieber sterben mögen, als ihm das Leben danken; denn, hilf Gott, welcher Gräuel mußten wir Zeugen seyn, bey ihm gezwungen in sogenannter freyer Haft verharrend! Nahm unser Ehrenwort, zu bleiben! waren uns Waffen vergönnt sogar, jedoch die Hände gebunden, sie zu führen! Heilloses Spiel mit den Worten Freyheit und Knechtschaft!

O Fritz Lilienström! daß du nicht lieber in dein Schwerd ranntest, als das sogenannte Quartier annahmst! Doch ist solches gottlos zu sagen; hab wol gethan was ich konnt um ehrlich zu sterben, dem Tyrannen nichts verschwiegen, ihn oftermalen gereitzt, fruchtet aber nichts, blieb immer mir hold.

Als Pasewalk überging, hab ichs dem Tyrannen ins Angesicht gesagt: hier werde teuflisch gewütet; hat mir auch solches zu gut gehalten, mir Macht gegeben sogar, den Rettenden bey Brand und Blut, so er am Ende selbst beordert, an die Seite zu treten. Ich habe solches redlich gethan, und viel Nachfolger funden, denn der Mensch von Natur ist nicht grausam geartet, sondern wirds nur, wenn ihm der leidige Satan den Taumelkelch reicht des Bluts und der Lüste, aus welcher Trunkenheit besonders einer dieses verruchten Heers nicht nüchtern ward!

Es war dies der Savelli, des Torquato Untergeneral. Hat selber unerhörte Unthat verübt, an Männern, Jungfraun und Kindern. Hatte einen Buben, der sein Sohn war, damals allermeist zehn Jahr; mußte der Zeuge seyn aller Gräuel, und hat ihn der Vater gar eben erzogen, das zu werden, was er selbst war, und noch viel mehr, sagend: Weiß wol, was mirs für Mühe gekostet, hinüber zu kommen über das Pfaffengeschwätz, so sie Gewissen nennen, und soll mein Jung kein Gewissen haben! –

Mit des Conti Gutheißen, der jenen immer nur eine Weil machen ließ, bereitet ich also dem kranken Herzen in mir auf diesen blutigen Tag ein Fest, zu retten, was jener Teufel verderben wolt. Wer mir nachfolgt, ward deß bald gar willig, und haben den südlichen Theil der Stadt fast ganz aus den Flammen gerißen, auch des elenden Manns- und Frauenvolks viel in des Conti Obhut bracht, darzu auch Kinder.

Das schwerste Werk stand uns vor in einer Kirchen, da sich ein Haufe Frauenvolk und Alte, nebst unmündigen Kindlein, enthielten. Hatten Gewehr drinn, und vertheidigten sich aufs verzweifeltst, indem sie aus Fenstern und Zuglöchern schoßen auf den eindringenden Savelli; wurden befehlicht von einem Frauenbild, so hier als ein Held gehalten.

Wir kamen eben dazu, als man dran war, Feuer zu legen an das Gotteshaus und jene Elenden mit Rauch zu ersticken. Hab hier männlich gethan was mir oblag, und da ich, so wie ich gern gewolt, keine Gewalt brauchen durft, gelang mirs, weiß selbst nicht wie, des Savelli hartes Herz zu regen, daß er ordentliche Capitulation einging und dem elenden Frauenvolk nebst Alten und Kindern einen ehrlichen Abzug versprach.

Zogen die also furchtsam heraus, nicht trauend selbst seinem höchsten Eyde, als wohl ermeßend, daß solch ein Mensch keines Eydes nicht achtet. Er auch nicht so bald die schönen Bilder wahrnahm, noch verschönt durch die Glut der Angst in den lieblichen Gesichtern, als er anders Sinns geworden.

Niedergebeugt von Furcht und Scham, die Kindlein fest an sich preßend mit der einen Hand, leitend mit der andern die Alten und Kranken, so schwebten sie einher, nicht wagend oder nicht wollend vor dem zu knien, zu danken oder zu bitten, wie sie gelehrt worden, dem sie lieber ganz unsichtbar hatten bleiben mögen.

Mir vergingen fast die Gedanken, denn eine hohe Jungfrau, über alle hervorragend, war ihre Anführerin. Sie allein einestheilsin Waffen, in der Hand das Schwerd, auf dem Haupt den offenen Sturmhut, schön wie ein gewapneter Engel. O Margaretha! Margaretha! konnt' ich dich verkennen? Mein Herz bebte, und jetzt erst kam mir ein, es sey einem Böswicht auch wol möglich zu brechen den heiligen Eyd, hülfloser Unschuld geschworen; mochte aber solches nicht äußern, und solches um deintwillen, du meines Lebens Leben! hätte, dich auszeichnend, des Wütrichs Augen lenken mögen sonderlich auf dich! Jedoch ausgezeichnet warst du schon genug, durch hohe Schönheit, des Gemüthes Tapferkeit, und männliche Waffen. O Margaretha, hättest du nur diese gelassen, nur diese: vielleicht wärst du unter den andern, die ja auch schön waren, den Augen des Tyrannen entkommen!

Doch die Heldin wolte das nicht. Kühn und ernst trat sie vor den Savelli. General, sagte sie, was ihr für uns thatet, das lohne euch Gott; wir danken für ehrlichen Abzug.

Darob er lachend erwiederte: Leben und Ehre hab ich euch geschenkt vor der Hand, mit nichten die Freyheit. Ehrlichen Abzug solt ihr ja haben, doch mit uns; was kann wol ehrlicher seyn, als zu ziehn mit dem Helden, der so gern sich der Thaten erholt in sanften Weiberarmen!

Hat auch flugs Anstalt gemacht, zu feßeln die zarten Weiblein, und sie auf Wagen zu werfen, oder sie zu binden an den Sattelknauf, in Willkühr des Reuters, ob ihm gemüthlich sey, ihrer zu schonen, oder sie zu Tode zu jagen über Dornen und Hecken.

Ich aber, als ich sah, daß meiner Margaretha – sage: meiner, meiner Margaretha – auch also geschehen solt, und sich der Savelli sie zur sondern Beute erkohren: da hab ich mich nicht mehr gekannt vor Zorn und grimmigen Wüten, hab einen Streich geführt nach dem Bösewicht , stark genug, ihn vonsammen zu spalten. Doch er traf leider ihn nur halb; sie fielen mir in die Arme, und weil ich denn einen Heerführer verwundet, war ich flugs in Ketten und Banden.

Als man mich zum Conti bracht, um ihn zu bewegen, mein Todesurtheil straks Angesichts zu fällen, und ich dargegen mächtiglich führte meiner Sachen Gerechtigkeit, antwortet er: Rittmeister, ihr habt über die Schnur gehauen6, und kann euch nun nicht helfen. Sehet, das Leben sey euch geschenkt, aber die Haft auf Ehrenwort hat nun ein Ende; erkennet nun auch die Haft in Ketten und Banden.

Wie? entgegnete ich; jener Vertrag ist null, und ihr beginnt einen neuen?

Kein Vertrag, antwortet er; eure Feßeln sagen gut für euch!– Worüber ich mich höchlich gefreuet, heimlich gedenkend, welches Gott mir verzeihe: Hast nun zurück das Ehrenwort nicht zu entweichen, bist so gut als frey; was sind gegen jenen Zwang eiserne Ketten und Bande! – Muß wol einst einem Mönchlein durch die Schul gelaufen seyn, um diesen Ausweg zu erlernen! –

Wie ich gedacht, so ist mirs gelungen. Haben mich ja wol ehr einen Samson genannt, wie hätte ich Bande nicht brechen sollen, zumalen bey wiederkehrenden Kräften und der Hüter Gelindigkeit, gewonnen durch jenen Freybrief, den Gott manchen der Seinen verleiht, daß sie niemand verletze, und ists oft mir Trost und Rettung gewest, daß ich wußt, ich hab einen solchen. Der Pöbel, auch in unsern Tagen die Vornehmen wol, nennen dies: fest seyn; und bin ich auch fest gewesen allewege, durch Vertrauen auf Gott, und aus mir verliehene Kräfte.

Als nun Nacht und Schlauheit mein Werk gedeckt hatten und ich frey war, bin ich nicht geflohen, sondern zurückblieben auf dem Aschenhaufen der an einigen Stellen noch brennenden Stadt, theils zu besserer Verheimlichung meines Einweichens und Verwirrung meiner Spur, theils um der Jungfrau nahe zu bleiben, von welcher meine Hüter, als ich noch in Banden war, mich versichern wolten, man wisse nichts von ihr, und sey sie vermuthlich in dem Getümmel von Savellis Verwundung entkommen.

War sie dies, so befand sie sich nirgend, als hier. Hatte ich doch in ihren Armen ein gerettetes Kindlein gesehen, als sie vor Savelli stand, und hielt sich doch hinten an ihr Gewand ein schwacher Alter, der sie, ich hört es, Tochter nannte. Hier in Pasewalk also war sie wahrscheinlich zu Hause, hier hielten sie Bande des Bluts, hier mußt ich sie finden.

Aber ich bin die rauchende Stätte viel Tage lang durchzogen, ohne die ich suchte zu finden. Elend zu lindern fand ich gnug, hatt auch die Kräfte dazu allermaßen. Wo nicht Rath nützt und That, da gnügt auch Geld wol zuweilen; hatte den Feinden manchen Ort abgelauscht, wo sie Schätze geborgen, und, vor eigenem Feuer fliehend, zurückgelassen hatten. Das zeigt ich denn den Abgebrannten ehrlich an; ihr war es, nicht das meine.

Gleichwol dankten die Armen mir dafür, als wärens gar große Dinge; wär gut gewesen, hätten sie mir danken können durch gute Nachricht von meiner Jungfrau. Was ich erfuhr, war ehr Gift, als Balsam in meine Wunden. Einige kannten sie gar nicht, andere, denen sie bekannt war, sagten: sie sey eine Reichsstädterin, nur durch Unfall zum alten Herzog kommen, sey nun über ein Jahr Bettmeisterin7 gewesen in seinem Hause, und ihm gar innig verbunden, habe ihn längst schon gewarnt vor dem Unglück, wie ihr denn die Gabe verliehen sey, Unglück vorauszuwißen und Menschen zu warnen, habe solches, mit dem Kindlein nach Pasewalk kommend, auch hier gethan, sey aber nicht gehört worden.

Mir gefiel in diesem Bericht gar wenig. Zwar schämt ich mich fast, der Bettmeisterstelle bei einem so frommen, alten Herzog schlimme Deutung zu geben, auch glaubt man heut zu Tage nicht viel von verborgenem Umgang mit Kunde gebenden Geistern: gleichwol bleiben solche Sachen in Dubio8, und hat mir das Vorauswißen künftiger Dinge bey einer christlichen Jungfrau, zusamt dem Kindlein in ihren Armen, schwerer Gedanken gar viele gemacht, so daß ich verging wie ein Schatten, mich auch des Lebens erwogen, und weiß schier nicht, welches härter ist, von dem Geliebten verbannt, oder irre seyn an dessen Gottesfurcht und Tugend.

Als ich endlich mit mir eins ward, die Margaretham gar mir aus dem Sinn zu schlagen, da hat mir Gott eine große Freude beschert, und ward damals durch dies Zeichen gewiß, daß mein Entschluß recht sey vor ihm.

Es kam nemlich unser schwedischer Held in diese Gegenden, mit seinem allweg siegreichen Heer, und könnt ich mich wieder zu ihm fügen, wie zu dem Haupte die Glieder. War nicht müßig gewesen in diesem verödeten Winkel: viel der versprengten Unsern hatt ich zu mir gesammelt, so daß ich mich mit einem ziemlichen Häuflein ihm darstellen konnte.

Seine Majestät war meines und der Meinen Anblicks froh, nannte uns alle bey Namen, und von mir allen Vorgang vernehmend, gebot er mir sein Führer zu werden über die verstörete Stätte.

Sein Herz brach vor Wehmuth, als er den Jammer gesehen; schier nichts als Aschenhaufen und Blutströme, verstümmelte Menschen und offene Gräber! Reichlich gab er, und erquickte die Verschmachtenden, wünschte auch mit gen Himmel gehobenen Händen, Einen Tag nur die Macht zu haben, die dort eben waltet, um alles Elend zu vertilgen von der Erde, da ers jetzt nothgedrungen oft mehren mußt; Einen Tag nur zu helfen, wenigstens hier, wo der unaussprechliche Jammer so heftig eindrang auf sein großes Herz, das eine ganze Welt mit Liebe umfasset. O dieser König ist viel zu groß für eine irdische Krone! Ohne die Zukunft zu wissen, wie Margaretha, wolt ich wol sagen, Gott habe ein besser Königreich dort ihm beschieden, werde auch nicht lang ihn darauf warten lassen; wehe aber alsdann, wenn er dahin ist, ja wehe uns Armen!

Gleich dem Herrn hat sich in diesem Winkel des Elends auch das Volk hülfreich erwiesen. Sie kamen hierher, und bedurften wol selbst der Labung, nach dem Feuer einer heißen Schlacht: aber jeder theilte seinen Bissen Brots mit den Verschmachtenden. Hab wol ehr gesehn, daß ein armer Kriegsknecht alle seine Taschen umgekehrt, um den hier verunglückten Armen auch das letzte zu geben, und ja nichts übrig zu lassen ihm selber.

Mir gab der König eine Bedeckung, um, wo ich könnte, Nahrung aufzutreiben und hier zu vertheilen, und dies alles für baare Zahlung, denn der Schwede hälts für schimpflich, ohne Geld etwas zu fordern, als wolte er betteln oder stehlen; überlassen solches den Wallenstein' schen, und andern, so der Ehre nicht achten.

Hat sich aber dermalen ein sonderer Casus zugetragen. Es ward nämlich unter den verirreten Kindlein, so keine Aeltern hatten, und die der König versorgte, ein ziemlich stämmiger Knabe zu ihm bracht, und als ichs beym Lichte besah, wars des Savelli Bub. Waren viele, die dem König riethen, solchen zu behalten, als Geißel irgend eines in Zukunft zu erlangenden Vortheils, worauf der König lachend sagte: Sind Gott Lob noch nicht so weit, anderes Vortheils zu bedürfen, als des Schwerdts und unserer guten Sache; wolt auch ihn laufen lassen, wozu ich allermaßen gerathen, dieser jungen Natter nicht alleweg zu trauen. Als ich aber zum König sprach, wie der Knabe werde vom Vater angelehret zu aller Untugend, ändert seine Majestät den Sinn, sagende: Bleib bey mir, Knab! sollsts gut haben, und lernen, was zum Rechtthun und zu christlichen Waffen gehört: halt ja, du seyst ein Christ? – woraus der Knabe tugendlicher geantwortet, als ich je ihm zugetraut; hat also des Königes Herz ihm gestohlen.

Wir zogen indeßen nun weiter; ich leider die Jungfrau immer im Herzen habend. Mocht thun was ich wollt, so stand straks ihr Bildniß vor mir. Habe mir solches zu großer Sünd gerechnet im Gefolg solchen frommen Königs, denn sie doch mein nicht werden könnt, nicht allein wegen des Kinds, sondern auch heimlicher Künste Verdacht. Wir hörten gar viel von ihr, wie sie im Warnen fast nie gefehlt, abschon nie gehört worden, gleich jener trojanischen Königstochter Caßandra, und war sie aus Augsburg, eine Fuggerin, alten Patrizier-Geschlechts, aber durch den Krieg und mancherley Unselde verirrt von Freundschaft und Heimath, welches gar wunderlich in meinem Sinne gepaaret das heißeste Mitleid mit heimlicher Furcht und Grauen. Und als ich solches einst dem König entdeckte, maßen er mit mir redete, wie ein Freund zu dem andern, antwortet er: Friz, mußt nicht also richten! der Pöbel hält alles für geistisch, was er nicht begreifen kann: halten mich ja für einen Engel Gottes, ihnen zum Schutz gesandt, weil ich nicht wüte, wie der Conti oder der Wallenstein, so ich doch nichts bin, als ein sündiger Mensch. Deine Margaretha halte ich gutes Verstandes und offener Augen, dazu heldenmüthigen Geistes, welche drey wol Wunder würken, bey Mann und Frauen. Bleib du der Jungfauen hold, bis aufdas Kind, als über welches ich freylich nicht kann, da alle sagen, es sey das ihre.

Es kamen aber nun andre Dinge, bei welchen einem die Liebessorgen wol vergingen. Glücklich oder auch unglücklich gnug war ich, einen Menschen beym Könige zu stürzen, welcher bisher meiner Gunst bey ihm fast die Wag gehalten. Es war der Quinti del Ponte.

Ich sah solches sein Ansehn beym König ohn allen Neid, welches Gott mir zeuge; ging mir auch gar hart ein, seine Majestät die Augen zu öffnen: aber der Ponte verdächtig war gar böser Stück, welche sich all erwiesen; hatte ich denn selbst Verräther werden sollen an meinem Herrn, aus Furcht, böslich und selbstisch gehalten zu werden, als der allein regieren wolt in des Königs Herzen? Nein, das sey ferne! ich habe offen geredet bis daß der Verräther vertrieben ward, zog mich aber alsdann zurück bestermaßen, so daß auch einst der König sagte: Fritz, wirst ja kein Ponte werden? woraus ich geantwortet: Daß ich solches nie werden kann, weiß Eure Majestät gar wohl, mag aber nicht scheinen, als der sich in des Ponte Erbschaft theilen wollt! woraus der, König gar freundlich lachte, sagend: Langer, mit uns bleibts beym alten!

Wir rückten aber gar mächtig vor in Eroberung der pommerschen Städte, und als gegen den Winter der Conti meynte, wir solten nun hinter den Ofen kriechen und unser wohl pflegen, maßen die Kälte den heißen Italianern scharf die Haut zusammenzog: da ließ ihm der König sagen durch mich: die Schweden wären Eisvögel, so im Winter ihren Raub am besten fänden, seyen auch Rastens nimmer gewohnt. Mir war lieb, daß der König mich zu solcher Botschaft nahm, und habe sie redlich und heldenmüthiglich ausgerichtet. Einige des Savelli kannten mich, als den, der diesen Sommer ihren Herrn gebracht an die Todespforten, auch dem Torquato mußte ich gar wohl bekannt seyn, obschon er sich deß nicht austhat; aber mich kümmerte das wenig, konnte ja beweisen, daß er mir mein Ehrenwort zurückgegeben, und mich den Banden vertraut, die er für sicherer hielt. Dem Savelli brachte ich seinen Buben wieder, welchen der König mir ließ, als der ihn in des Verräthers Ponte Sachen verflochten findend, endlich einsah, daß er nichts an dieser gottlosen Brut auferzog, als einen Aufmerker.

Auch diese des jungen Savelli Entfernung hat man mir ausgelegt als Neid um des Königs Gunst. Gedenke meiner, mein Gott, daß solche Tücke nie in mein Herz kommen ist!

Der Savelli nahm seinen Sohn gar kalt auf, woraus ich geschlossen, daß auch keine Naturliebe in solcher Menschen Herzen sey, oder daß der Bub abwesend gewesen auf sein Geheiß, als den er an Gustavs Seite wohl hätt brauchen können.

Von meiner Margaretha erfuhr ich hier nicht viel, ohne daß einige glaubhafte Frauen, denen ich Dienste geleistet, mir sagten, sie sey gen Magdeburg gezogen, zu Verwandten, die etwa hatte. Von dem Kind meyntem sie alle, sie habe es noch bey sich, aber es sey ihr keinesweges verwandt, obschon dem Herzog; worüber ich heimlich Freudenthränen geweint, dessen ich mich nicht schäme, maßen es kein Mensch gesehen. Glaube wol, daß selbst die starken Engel Gottes für Freude weinen, wenn sie hier und da Einen beßer finden, als er scheint. Glaubte auch alles gern zu meiner Jungfrauen Besten, wie denn der Mensch immerdar das Gute am liebsten für wahr hält; und war nun Margaretha wiederum eingesetzt in mein Herz, wenn mir nicht zuweilen ihr verborgenes Wissen einfiel, darob mir doch des Königs Auslegung nicht ganz genug that, denn selbst die Frauen, ihre Freundinnen, erzählten mir wunderlicher Dinge gar viele von ihr, die sie alle der Einwirkung guter Geister zuschrieben, ich aber in Dubio lassen mußte.

Hat mich der König nun gen Schweden gesand mit einer Botschaft an den Kanzler, so daß ich nicht eher wiederkam, als nach Magdeburgs Uebergang an den Tilly. O was habe ich gelitten durch das Gerücht, die Jungfrau dort wißend! O was hab' ich draus gelitten durch ganz andre Gerüchte von ihr? so daß ich auch abermalen mein Herz von ihr gewendet: wolt aber doch nicht trauen, als meinen Augen; kam desselben gar wohl zu Fund, leider Gottes! wie nun folgt.

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1650

Margaretha zur Fortsetzung.

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Und hier erlaube mir, mein lieber langer Fritz, daß ich deinen folgenden Bemerkungen die meinen an die Seite setze, sammt der Auslegung , damit die Deinen, die irgend deine langwierigen Blätter lesen werden, besser kennen lernen die Jungfrau, die du im July 1630 liebgewannst, der du im May 1631 entsagtest, und die gleichwol nunmehr dein glückliches Weib ist, und das seit mehr als achtzehn Jahren.

Ob ich dem jungen schwedischen Riesen, wie er unter allen genannt wurde, die seinen Namen nicht wußten, auch erstes Anblicks hold war, als ich, des alten Herzogs Bettmeisterin, dem lieben Undankbaren, der so oft mich verkannt, heilte: das gebührt euch, liebe Töchter, schwerlich zu wißen.

Mir hätten jene schweren Zeiten ja wol alle Gedanken vertreiben mögen, als an einen Retter. Ein Labsal des Gemüths ists, einen solchen zu wißen, und als eines solchen hätte ich ja doch des schwedischen Rittmeisters gedenken dürfen. O Friedrich, nie vergesse ich den Streich, den du auf den Savelli führtest, mich zu befreyen, und kein Unglück traf mich hinfort, daß nicht dein Bild, Schutzengeln gleich, an meiner Seite stand, und ich gedachte: Der Fritz würde dich wohl retten, wenn er könnte. Vom Savelli wurde ich frey durch die Mittel, die mir noch überall durchhalfen; durch keine übernatürlichen, meine Kinder, sondern durch Geduld und Hoffnung zu Gott, wie auch offene Augen auf alles was mich umgab, nebst ein wenig Anstelligkeit und Gewandheit. Die, welche mich bedrängten, sahen mich ruhig und froh: dies machte sie sicher. Bösen Anforderungen entging ich nie durch ein störriges Nein, sondern durch freundlichen, doch ehrenhaften Aufschub bis auf ein Morgen, das nimmer erschien: so kam endlich die Zeit heran, daß ich durch das Thürlein entschlüpfen konnte, das ich lang schon offen sah, und dessen Ausgang ich mir sicherte durch wohl erdichtete Blindheit.

Also entkommen nach Magdeburg, hab ich daselbst mehrere Monate ruhig gelebt bey meines Vaters Schwester, der Frau des Thumpredigers9 Baker, habe auch meinem lieben alten Herzog, der gen Wien zu dem Kayser geflüchtet ward, den kleinen Prinzen, seiner Tochter, der seeligen Markgräfin, Kind, zugeschickt, und weiß Gott, wie weh mir geworden, mich von dem lieben Knaben zu trennen, den ich geliebt, als wär er mein eigen; that aber wohl daran, hätte ihn schwerlich hier durchgebracht, wie zu Pasewalk und anderer Orten, da das Schwerdt gar oft über mein und des Kindes Haupt geschwebt, und ich beym Savelli ihn mir nicht schützen konnt anderer Weis, als durch die schimpfliche Sag, er sey mein.

Ueber das arme Magdeburg brachen nun die Schreckenstage herein, die ich keinem Weibe schildern kann. Wehe den Frauen und Jungfrauen, die derley erleben und mit eignen Augen sehen müssen! Daß ich das Unglück kommen sah, darf ich euch nicht sagen, denn ich haße den Schein der Selbstklugheit an einem Weibe, und habt ihr selbst gesehen aus des Vaters Schriften, was der unseelige Ruf ungemeines Wißens, in dem ich war, mir für Nachtheil gebracht, bey dem Edelsten der Menschen!

Was ich wußte, war Frucht der leidigen Erfahrung, die ich, in meinem einundzwanzigsten Jahre vom Unglück der Zeiten hin und her geschleudert, leider schon gemacht hatte. Mir ist immer nachdenklich gewesen, daß der erste Schritt zu meinem Unglück, die Reise war zu der Base Kunigunde Hochzeit, die ich allerdings unternahm gegen Mahnen der innern Stimme. So stellt Gott an jeden Scheideweg einen warnenden Engel, deßen Ruf ja keiner überhöre! Ward auf jenem mir selbst abgezwungenen Wege, trotz der Begleitung, die die Aeltern mir gaben, von den Kayserlichen geraubt, und ist dies der Anfang all der schweren Schritte gewesen, die ich euch oft schon erzählt, bis ich ins Haus kam der hochseeligen Markgräfin, und von ihr zu dem Herzog.

Was aber die Magdeburger betrift, zu welchen ich mich nun ohne weiteren Umschweif wiederum wende, so waren auch sie von meinem Oheim, dem ehrwürdigen Baker, oftermalen gewarnt, ließen aber alles aufs äußerste kommen. Unsere Ahndungen, daß man den schwedischen Retter, den großen Gustav, bey welchem auch mein Erlöser lebte, von uns zurückhalten würde, bis zum Untergang, trafen ein, und – Nun, wie ich euch gesagt, ich schildre Magdeburgs greulichen Uebergang nicht, der das, was ich zu Pasewalk erlebt hatte, noch weit übertraf.

Die schrecklichsten Stunden waren jetzt vorüber. Mein Oheim hatte uns in der Kirche geborgen. Hier waren meist alte Frauen und Jungfrauen der Stadt versammelt, an welchen ich genug zu trösten hatte, denn ihrer keine hatte erlebt, was ich schon mehr erlebte: Gottes Rettung aus Todes-Nöthen.

Ich sagte ihnen, daß beym Uebergang einer Stadt die ersten Stunden der Wut die fürchterlichsten seyn, so nun verfloßen. Auch des Mordens und der Gewaltthat werden die Teufel müde; die oberste Macht gebietet Stillstand, und das Stündlein der Gnade hat geschlagen.

Auch das unsrige schlug. Man gelobte uns freyen Abzug, die Flügel der Domkirche öffneten sich, mein Oheim an unserer Spitze, wir alle ihm nach in geschloßener Ordnung zogen heraus.

Als wir vorgeführet wurden vor den Tilly, graute mir doch ein wenig, wieder einen Savelli zu finden, maßen mir die Frauen, als wir aufgefordert wurden, selbst das Wort vor dem Sieger zu thun, einhellig das auftrugen, und das wol recht wider meinen Willen. Ich indeß, einen fast bejahrten grauhärigen Alten vor mir sehend, faßte ein Herz; dachte an den alten Senator von Pasewalk, den ich aus dem Feuer gerißen und dann bey uns in dortiger Kirche geborgen. Hat mir solcher noch beym Abschied geweissagt, ich werde allezeit Gnade finden bey den Alten. Wagts also, redete mit dem Tilly vernünftig, freundlich und herzhaft, daß er auch sagte: Jungfrau, ihr habt wohl geredet; was ihr bittet, soll geschehen, denn nun hat die Stunde der Gnade geschlagen.

Ich gedachte also nun einzugehen in die Ruhe des stillen Hauses, welches der Jungfrau liebste Wohnung ist, maßen der Feldherr uns bringen ließ nach dem Neuenhofe, der ganz unversehrt geblieben von dem Feuer, und schier abgesondert war jeder dieser Stunden Erinnerung. Wolten dort arbeiten für der Verwundeten Verband, bis, wie mir versprochen war, ich und meines Oheims Töchter sicher Geleit erhielten gen Augspurg, zu den Fuggern, unsern Verwandten.

Aber so hats mein Schicksal nicht gewolt; mußt erst noch tiefer hinein in das Unglück, mußt erst meinen trauten Schweden wiedersehen, und in welcher Gestalt!

Als der Tilly sein Wort hielt und wir schon des zweyten Tages bereit waren in den Wagen zu steigen, ich mich fast freuend auf Augspurg, denn unter uns die Rede ging, der Schwede gedenke dort hin, bei welchem ich wol Einen wußte, der mir lieb war: da kam schnell Botschaft von dem Feldherrn, die andern Jungfraun möchten nur abreisen, aber die Margaretha Fuggerin solte eilig zu ihm kommen.

Als ich dann kam, zitternd eben nicht, aber etwas verlegen, sagte er: Jungfrau, mir ist eben von euch gerühmt, daß ihr übernatürlicher Dinge kundig seyd, auch in der Heilkunst erfahren, und will ich, ihr solt hier bleiben, mir in beyden zu dienen. Ich will euch täglich sehen und von euch erfahren, was der Wallenstein aus seinen Sternen steht; doch solt ihr nicht bey mir wohnen, zu meiden bösen Verdacht: denn ob ich gleich gar alt und dafür bekannt bin, daß mir nie ein Weib behagte, so seyd ihr doch ein schönes Mensch, und die Welt ist bös. Es ist aber hier eine edle Jungfrau aus Thüringen, die Lucardis von Lichtenhayn, meines alten Waffenbruders Tochter, so ich nicht gewußt: die ist fliehend vor dem Eindringen eines meiner Hauptleute, etwa aus einem Fenster gesprungen, und hat sich das Bein verletzt ist aber gar schamhaft, will keinen Mann zu ihren Wunden sehen lassen, sondern lieber sterben. Gehet zu ihr, verbindet sie und wartet ihrer, das Arztlohn will ich euch zahlen.

Schweigend gehorchte ich, und gehorchte, was das letzte betraf, herzlichen gern. Meine Basen waren einmal dahin: wo konnte mir, da ich hier bleiben mußte, beßer gerathen seyn, als in der ehrenhaften Nähe einer meines Geschlechts? Von der Lucardis heldenmüthigen Flucht an jenem Tage des Schreckens; wo der Jungfrauen viele den Tod wählten, hatten wir wol gehört, und bedenkend, daß heute war der dritte Tag nach dem Fall, habe ich fast geeilt zu ihr zu kommen; und sie reichte mir schwächlichen die Hand und nannte mich ihren Engel, gönnte mir auch sogleich des Schadens Ansicht, worüber ich sehr erschrocken, maßen Hülfe hier fast zu spät war. Als mir aber nach einigen Wochen es doch gelang sie zu heilen, und sie nur mit einem leichten Hinken, so ihr nicht übel ließ10, davon kam, da haben die Leute wieder Wunder geschrien und von verborgenen Künsten geredet. Ich, nicht wissend, was solch Gerücht mir bereits für Schaden gethan in eines Biedermannes edlem Herzen, lachte deß, widerlegts auch nicht groß, dankte aber heimlich Gott und meinem Vater, daß ich Gelegenheit gehabt, statt Saitenspiel, Sang und Tanz, den Künsten andrer Jungfraun, als wovon mir wenig bewußt, gefährlicher Wunden Behandlung aus dem Grunde11 zu lernen. Denke noch dran, daß mein Vater zu mir sagte: Margaretha, du hast zum Erbe den fuggerschen Namen, aber nicht den fuggerschen Reichthum; weil du nun auch geerbt hast der Fugger mildreiches Herz, so gehe aus in die Häuser, die deine Anherrn den Armen und Preßhaften12 bauten, und lerne lindern mit eigner Hand, was du nicht vermagst mit Gold und Gelde; bin also unter des seligen Licentiaten13 Weingarten Anweisung wohl gelehrt worden, in dem, was ich jetzo übte.

Die Uebung des andern, was der Tilly mir aufbürdete, wurde mir schwer, denn, obschon gegen ihn hartnäckiglich leugnend, daß mir von verborgenen Dingen ichtwas14 bewußt, wie dem auch wahr war, mußte ich ihm am Ende doch seinen Glauben lassen. Meine Lucardis, mir durch die innigste Freundschaft verbunden, dazu ein Hoffräulein, des Sinns der Weltleute kundig, rieth mir allermaßen, nicht länger zu streiten mit des Feldherrn Wahn, sondern klüglich zu nutzen, was mir durch denselben in die Hand gegeben ward; und, hilf Gott! welch ein Schatz war dies! wär er früher mein worden, wärs gut gewesen für Magdeburg! die erlaubte Lust, die der Wüterich seinen Bluthunden meynte dort einen Tag oder einen halb gönnen zu müssen, hätte ich ihnen schon verkümmern wollen! Habe viel durch dies Mittel gehindert und gelindert, manche Grausamkeit zurückgehalten, hab auch oft den Feldherrn gewarnt vor eigner Gefahr, denn obschon er ein grausamer Tyrann war, so war mir doch etwas wie Dank gegen ihn in meinem Herzen, weil er mich ehrte und hochhielt, mir auch die Lucardis geschenkt, und oftermalen mir folgte; hoffte immer noch, ganz ihn herumzubringen, und einen Menschen aus ihm zu machen.

Was mich am meisten hier schmerzte, war, daß ich eins seyn und scheinen mußte mit dem Feinde des Guten, mit dem Feinde der mir so theuren Schweden, die ich nie aus dem Sinne ließ, absonderlich den Einen, von dem ich oft jammerte gänzlich vergessen zu seyn; wär auch vergangen ohne Lucardis Trost, die nicht von mir wich, obschon sie dessen Erlaubniß hatte von dem Freunde ihres Vaters. Sie besaß ein schönes Schloß in Thüringen auf einem Felsen am Ufer der Saale, vom Kriege noch unversehrt; hätte auch wol dort ruhig leben können, wärs ihr möglich gewesen mich zu verlassen.

Wie viel Tage nun verfloßen in solchem Zustand, wie auch des Kriegs wechselnde Auftritte, das laßt euch von eurem Vater erzählen, ihr Töchter! Ich eile zum letzten meiner Unglücksfälle; ach, zu jenen Tagen in 1632sten Jahr nach unsers Herrn Geburt, da Friedrich von Lilienström sich losriß auf ewig von seiner Margaretha — wie er meynte, muß ich sagen! O hätte ichs damals geahndet, einst noch sein zu werden, und so glücklich!

Im May, in der schönsten Pracht des Frühlings war es, da wir uns Leipzig näherten, und war wol dieser guten Stadt das nämliche Schicksal zugemessen, wie Pasewalk und Magdeburg. Alle mein Bitten und Warnen half diesmal bey dem Tyrannen nichts, und sah ich wol, daß ich nichts geschafft an seinem bösen Herzen, auch hier wenig Gehör finden würde im Lindern und Retten. Es hielt mir der General unabläßig vor der Leipziger Unbesonnenheit und Tücke, indem sie ihm die Zufuhr des Proviants abgeschnitten, auch, als er letztmals nahte jetzt im Herbst, in ihre eigene Eingeweide wüthend, ihm zum Trotz und Hinderung alle Vorstädte abgebrannt bis zum hallischen Thor.

Die Tage, zum Untergang Leipzigs bestimmt, waren schon genannt; persönlich der Stadt nahend, um einsam einiger Umstände Augenkunde einzunehmen, fand sich kein Zugang für den Feldherrn, als am besagten Thor. Mir war fast Angst über dem Schicksal der armen Stadt, denn solche persönliche Erkundigungen des Generals waren immer, wie ich aus den Berichten seiner Leute wußte, Vorboten des Unwiderruflichen. Lucardis und ich brüteten über Nacht einen Anschlag aus, den einzigen, durch arglistige Kunst erfunden, der schaden konnte indem er half, dessen ich mich je bezüchtigen kann, der aber im Grunde mehr auf Rechnung des Hoffräuleins kam, als aufdie meine. Es war aber solche Lucardis eigentlich in Leipzig geboren, und wolte schier verzweifeln über dem Schicksal ihrer Vaterstadt, und verschiedener darin wohnender Verwandten; wußt auch des Orts Gelegenheit wohl, und konnt in unserm Vorhaben mich leiten.

Verschaffe, sagte sie, als man am Morgen mich zu dem Tilly ries, verschaffe nur das Eine, daß er nicht versäume die Einfahrt genau an benannter Stelle; muß das übrige dem Himmel empfehlen! du aber ermangele nicht ihn vorzubereiten, und auf das Bereitete fortzubauen, wie ich gesagt.

Thät ich denn also, wie mich die Freundin geheißen. Sprach den ganzen Morgen nichts, als von Nichtigkeit und Hinfälligkeit menschlicher Größe, von der Rechenschaft des letzten Augenblicks, und zu übender Barmherzigkeit, damit auch uns Barmherzigkeit wiederfahre, daß er mich endlich schweigen geheißen, wenn ich anders nichts vorzubringen wüßt. Ich schwieg denn, an meiner Worte Wirkung gar verzweifelnd; waren sie aber tiefer gefaßt15, als ich meynte.

Er, der Graf, pflegte mich aber oft mit sich in seinem Wagen fahren zu lassen, und trug ich dann, um dieß der Menge nicht zum Aergerniß zu machen, kaiserlichen Soldaten-Mantel und Hut; dieß geschahe auch heut, doch fuhren wir nur einer halben Stunde Wegs, bis über das Dörflein Podelwitz16, als wo wir über die Lober17 gegangen, dann sind wir ausgestiegen, um unerkannter den Weg zu Fuße zu machen.

Hier ward ich gewahr, daß ein Reuter, von welchem des Generals Diener, hinter uns auf dem Wagen stehend, uns einigemal schon zugeflüstert, er sey uns unabläßig gefolgt, auch einst schon vor uns langsam vorübergeritten, welches wir beide, im Gespräch vertieft, nicht wahrgenommen; daß dieser Reuter, sag ich, sich schnell im nahen Wäldchen verlor. Ich schauderte freudig und angstvoll zusammen, denn ach, mich dünkte die Gestalt meines Lilienström zu sehen; wie denn die Schweden in der Nähe, unweit Düben18 standen.

O Friedrich! die Freude dich mir nahe zu wissen! und meine Angst um dich! Warst du es, so kamst du ja wol nur um meinetwillen! aber wurdest du entdeckt, welch meuchelischer Verdacht, bey dem, der sich ohnedem immer von Meuchelmördern umgeben dachte!

Angst um das letzte wurde bey mir verschlungen von Gewißheit des ersten. Ja ja, du warsts, warst um meinetwillen hier; ich wußt in solchem Augenblick, daß es nicht anders seyn konnt, und giebt von des Geliebten Nähe uns sichere Kunde der Liebesengel, den Gott denjenigen sendet, die er bestimmt hat zu frohem Ehebunde. Thut auch, ich muß es euch endlich gestehen, ihr Töchter, ein Mägdlein keine Sünde, so es, diese Stimme untrüglich hörend, sich hingiebt treuer, hoffender, tugendlicher Liebe; nämlich im Herzen, nicht durch äußere Zeichen, als welche der löblichen Zucht und Sitte entgegen sind, auch oft des Zweckes stracklich19 verfehlen.

Ich, ganz in solche Gedanken vergraben, insonderheit der Möglichkeit nachsinnend, wie der Geliebte mich reißen könnt aus des Tilly Gewalt, ging stumm neben dem General her; der Weg aber zog sich dicht an dem Wäldlein hin. Der Himmel über uns ward düster, und düster schienen auch des alten Helden Gedanken zu seyn (wie ich bald merkte) über des schwarzen Reuters Kommen und Verschwinden; das auch mir, aber freudig, im Sinn lag. Fragt auf einmal, was ich von Gespensterwerk halte. Ich, so schnell und wundersam aus meiner Liebesträumerey gerissen, gestand etwas erschrocken, daß mir nie etwas begegnet, und ich mich deshalb billig des Urtheils enthalte, ausgenommen der Vorzeichen, welche wol nicht allerdings zu verwerfen seyn möchten. Sagte dies diesmal ohne Absicht, als meiner innern, wahren Herzensmeynung, wolt auch schon Exempel hinzuthun, als wir hart an der Stadt Feldmark20, von einem heftigen Platzregen überfallen, genöthigt wurden, Obdach zu suchen. Hatten aber der Leipziger Flammen gewütet bis hieher, und war kein Obdach zu finden, als ein einzig klein weiß Häuslein, auf welches der Feldherr mächtiglich zuschritt. Ich folgte nach Vermögen, aber unsere wenigen Leute, dem Herrn nacheilend, hatten mir schon den Vorsprung abgewonnen, so daß ich tüchtig durchnäßt eintrat; schier als jene dem Grafen sich nach, wie im Getümmel, hineingedränget hatten.

Ich trete ein, und, Kinder! was erblick ich! Hifs Gott! das ist ein Beinhaus21! nichts, als weißgebleichte Schädel rings umher, und dem Eingang gegenüber grinzt ein groß, riesenhaft aufgestellt menschlich Beingerüst uns entgegen. Ich schaue mich um nach dem Grafen, der steht unter seinen erschrockenen Leuten, hart an die Wand gelehnt, bleich, athemlos, mit festgeschlossenen Augen.

Mein General! rufe ich, und springe erschrocken hinzu. Er aber schüttelt geschloßner Augen das Haupt, und winkt nach dem Auswege. Eilig bringt man ihn hinaus, und ich, mit Arzneyen, die ich allezeit bey mir trage, und Hülfe des herabströmenden Regens, bringe den alten Helden endlich völlig zur Besonnenheit.

Inständig bat ich, als er Mund und Augen wieder öffnete, das verlaßene Schirmdach wiederzu suchen: aber er wehrte mit der Hand, wolt auch davon nichts hören, so daß ich, zusammengenommen mit einigen ihm entfallenen Worten, klärlichen22 ersehn, das Todtenbild hab ihn als Vorzeichen erschreckt, und wären meine vorbedachte und unbedachte Worte nicht verloren gegangen.

Ich war wol selbst etwas entsetzt, maßen mir aus der Lucardis Reden zwar so viel klar war, daß dem alten Grafen hier ein Schrecknis erwartete, von welcherley Art aber war mir verborgen; und hatte mich, die reines Gewißens, der Anblick des Todtenbilds mit heimlichem Schauer erfüllt, wie viel mehr diese blutbelastete Seele! Waren hier unvorhergesehene Dinge viel würksam gewesen, den heimlichen Anschlag zu begünstigen, von des schwarzen Reuters Erscheinung bis auf den Regen, der uns in das Todtenhäuslein jagte, das zwar schwerlich auch ohne diesen, von dem fürsichtigen General unbesichtigt blieben wäre, so die Lucardis wol denken konnt.

Ich hatt indessen sogleich einen der Leute nach dem Dörflein gesandt, wo wir den Wagen gelassen hatten, solchen herbeyzuholen, leiteten indessen wir andern den Grafen langsam am Wäldlein hin, weil ich das Gehen für ihn dienlicher hielt, als das Ruhen auf nasser Erde.

Er sprach kein Wort, verharrete immer bleich und zitternd, so daß mich jammerte seiner hohen Jahre, und ihm unabläßig das Gläslein vorhielt, ihn zu laben, ihm auch die Schläfe gerieben mit der Kräuter starkriechenden Säften.

Endlich jagte der Wagen daher, und der Ermattete gewann Kräfte, unterstützt allein von mir einzusteigen, da ich dann mich eilig ihm nach hineinwarf, an seine Seite, dem Führer gebietend nun zuzujagen.

Die Pferde gingen in Flüchten davon; und quer über den Weg, ihnen beynah in die Zügel, stürzt ein Reuter aus dem Walde, schwarz gerüstet mit bleichem Todtengesicht. O konnte, konnt ich ihn verkennen? Nein! es war der Fritz! Wilde Verzweiflung aus seinem Gesicht, und ein Blick fiel aus seinen hohlen Augen auf mich, den ich nimmer, o nimmer vergeße.

Wie? Lilienström! so solt ich dich wiedersehen? War dies ein Blick der Liebe? Warst du's vielleicht nicht selbst? Wars nur dein Geist, mich zum Tode zu mahnen? Fast sinnlos sank ich zurück, so daß nach einer Weile mich der General zuerst ansprach: Nun, Jungfrau, sagte er, wo ist euer Muth? ich halte23, das Todesbild hat auch euch gar mächtig ergriffen. Mein Herz ist rein! entgegnete ich mit schwacher Stimme. Aber das meine? erwiederte er. Und ich mich schnell besinnend, was hier mir zu thun sey nach meiner Verabredung mit Leipzigs Retterin, fuhr fort: Ist das Herz des Feldherrn nicht rein von vergangener Schuld, so kann er es wenigstens rein erhalten vor künftiger.

Er, mich zorniglich anschauend, sagt: Ich frage, was eure Gedanken sind, von jener Erscheinung?

Ein Zeichen, antwortet ich achselzuckend; ein Zeichen ists allemal!

Und von was?

Der große Tilly wird hier nicht glücklich seyn!

Was groß, schrie er, wenn mirs gegen dieses Nest fehlen solte! Hab Magdeburg gewonnen, und wol noch andre!

Ein jeder Held, antwortet ich, hat noch ein Ziel gefunden, wo er aufhörte, groß zu seyn. Wohl ihm, wenn er beherzigte die Zeichen der Zeit, und sich warnen ließ!

Er hieß mich hier abermal schweigen, hat auch des ganzen Wegs über kein Wort mehr gesprochen, als am Ende: Ich solte nicht etwa glauben, daß er sich vor dem beinern Mann entsetzet habe, ihn habe blos Erhitzung und Regen etwas machtlos gemacht! Hat auch seinen Dienern verboten, von dem ganzen Vorgang etwas zu entdecken. Des schwarzen Reuters gedachte er gar nicht, und ich, die etwa ein Unglück im Hinterhalt lauernd besorgte24, ihn darob mit Zittern befragend, bekam zur Antwort: Mußt nicht bang seyn, Margaretha! bist sonst so fest! ist etwa ein Schatten gewesen der kommenden Nacht, wie ich das mehr erlebt an unheimlichen Orten. Sahe also wol, daß der Feldherr nicht frey war eines Glaubens, der meinem Fritz zu gut kam und mich einigermaßen tröstete.

Was dieser Dinge Wirkung auf sein Gemüth nun seyn mochte, so ist doch dies wahr, daß er von nun an abstand von Belagerung der Stadt. Zog sich zurück bey zwey Stunden Wegs, und lagerte sich bey einem Walddörflein, dessen Namen ich vergessen, hinter einer Reihe Hügel, der Stadt den Rücken kehrend, den Schweden entgegen, die immer mehr anrückten.

Ließ mich des andern Abends zu sich kommen, sagend: Jungfrau, ihr habt wohlgerathen; die Retter jener Stadt, die der Tod bewachte, waren zu nah.

Ich konnte wenig hierauf antworten, beurlaubte mich auch kurz, maßen ich diesen Gang über Vermögen gemacht, und nach Hause eilen mußt, um mich zu legen; denn, hilf Gott, ach hilf Gott, welche Nachricht hatte ich beym Heimkehren von der Lucardis erhalten! – Ja ja! ihr Anschlag war gelungen, Leipzig war gerettet, welches ich ihr und der guten Stadt wol nicht mißgönne, aber mein Glück, mein ganzes Glück war dahin!

Kurz vorher, ehe ich an des Feldherrn Seite von jener Farth zurückkam, läßt sich bey der Lucardis ein Fremder melden, tritt auch sogleich der anmeldenden Dienerin nach; eine Riesengestalt, fast schrecklich anzusehn. Es war mein Lilienström. Jungfrau, ruft er, man sagt, ihr seyd der Fuggerin Gefreundte; rathet ihr, daß sie vom Bösen ablaße. Ein Mann, der sie im Herzen getragen und ihr nun entsagt, hat sie wol mehr zweifelhaft, aber heut ganz schimpflich erfunden25. Hat ihr nun vorgemahlt meine Vertraulichkeit mit dem alten Grafen, meine Besorgnis um ihn, und alles aufs schnödeste gedeutet, sogar bis auf den kaiserlichen Mantel und Hut, die mich jedoch, wie er grausamlich hinzugesetzt, nicht so unkenntlich gemacht, als mein geändertes Leben, das mir auf Stirn und Wangen geschrieben stünd.

O meine Lucardis! Dank dir, daß du, du Zeugin meines heimlichsten Wandels, du Zeugin selbst meiner Gedanken, ihn, der sich schnell entfernen gewolt, nicht von dir gelaßen, bis du ihm das Verständniß geöffnet über all mein Thun und Wesen! Hättest, o hättest du nur ihm dies Eine verschwiegen, wie auch ich ihn immer im Herzen getragen, und mich in allem nur seiner getröstet! Dies, ja dies verschlimmert alles, denn nun wird er mich ewig nicht achten!

So klaget ich damals: jetzt weiß ichs anders! Halb und halb von meiner Unschuld überzeugt durch der Freundin mächtige Worte, hatte die Entdeckung, wie unaussprechlich lieb er mir sey, meine Entschuldigung schier ganz vollendet, (durch welche Art zu schließen, das ist Gott bewußt;) er hat mirs nachmals gestanden.

Gegen Lucardis äußert er damals nichts hieven. Jungfrau, hat er gesagt, ich gehe, wohin mich der Tod ruft. Alles setze ich dran, um den Wüterich zu tödten, der sich des Liebsten anmaßt, das ich hatte. Ich gehe zu Grunde, das weiß ich, beym Angriff des zehnfach Bewachten in offener Schlacht: aber ich sterbe vergnügt, befreye ich die Jungfrau und das Land von einem Ungeheuer.

Ich legte mich diesen Abend krank zu Bette. Vom Geräusch der Schlacht, die in wenig Tagen geliefert wurde, vernahm die scheidende Seele gar wenig, obgleich der vielpfündigen Kugeln gnug in unser Dörflein gefallen sind; mir hat alles vorgeschwebt als im Traum, und hab ich die bey meinem Lager angstvoll ab- und zugehende Freundin nur immer getröstet, die Nacht werde nun bald vorüber seyn, der Tag anbrechen. Habe wol jenen himmlischen Morgen gemeynt, maßen ich nicht mehr auf der Welt war.

Als das Schicksal entschieden hatte, war Sprache und Verstand bey mir gar dahin, und glaubte die Freundin bey meiner Leichen zu weinen, als der Schweden Siegslied ertönte.

Ja, die Schweden hatten gesiegt, die Kayserlichen flohen , der Tilly schwer verwundet; ihn hat ein einzelner Reuter mitten unter den Seinen gefaßt, und nicht von ihm abgelassen, bis der Tod entschied.

Lucardis warf sich und mich der siegenden Macht in die Arme. Sie ging selbst, für uns beym großmüthigen Gustav Adolph zu bitten, und sie erhielt von dem milden Könige alles, was sie wünschte.

Als ich nach einigen Wochen genaß, sagte sie mir, wie sie das Versprechen vom Könige erhalten, sie dürfe sich von den umliegenden Schweden eine Bedeckung aussuchen, an jeden Ort zu kommen, der ihr oder ihrer kranken Freundin gefällig.

Ich sah sie sehnlich an, und nannte meinen Lilienström. Lucardis schwieg, und Thränen stürzten aus ihren Augen. Ach, als sie Audienz beym Könige hatte, da wurde ihm Hut, Ringkragen und Schwerdt eines schwedischen Hauptmanns gebracht, dessen Leichnam eben vom Schlachtfelde hereingeschafft worden war. Es ist mein braver Lilienström, sagte der König, und Thränen traten in des Helden Augen. Er wollte mir alles gewinnen, indem er den Wüterich tödtete, und hat mir sein Leben geopfert! ohne Ruh verfolgte er den Feldherrn, hat auch ihn gefährlich verwundet, aber das Leben des Edeln bezahlte für die versuchte Heldenthat! Auf! daß ich die Ueberreste meines Freundes sehe, und ehrlich ihn begrabe!

Meine Freundin sagte mir solches in jener Stunde nicht, aber ihre Thränen ließen michs ahnen, und bin ich also, als sie mir es endlich nicht mehr zu läugnen vermocht, mehr todt als lebendig in den Reisewagen gehoben, und gen Augspurg gebracht worden, unter schwedischer Bedeckung.

Ich wars, die für meine Vaterstadt entschieden hatte, und Lucardis zog die Pflicht, die Freundin nicht zu lassen, der Ruhe vor auf ihrem stolzen Schloße, wohin ihr diesmal zu folgen ein innerer Trieb mich hielt, der mich zum Glück leitete.

O diesen Trieb, dieses Anmahnen, jenes zu thun, dieses zu lassen, rühme ich mich oft bemerkt zu haben, obwol nicht immer. Er ist die einzige Macht fremder Kräfte, die ich je gekannt, der ich auch allemal nachging, wenn sie mir deutlich ward.

Ein halbes Jahr nach meiner Ankunft bey den Meinen kam das Gerücht, wie der siegreiche Gustav im Sinn habe, mit großem Gefolg gen Augspurg zu kommen. Meines Leibes Gesundheit war damals ziemlich hergestellt, obgleich das Herz noch krank war, denn meinen Fritz konnt ich ja nimmer und nimmer vergessen. Ich schwamm in Thränen, da alles sich schmückte und freute, dem schwedischen Helden entgegen. Die kriegerische Musik war mir ein Todtentanz. Kaum konnte mich meine Lucardis bewegen, hinter dem Vorhange ein wenig zu lauschen, bey des Königs Einzug.

Jetzt gewahrend den freundlichen König, der mit Dank und Gruß alles erfreute, was hier verfügt war, ihn zu erfreuen und zu ehren , drückte ich die Stirn an das verhangene Fenster, und meine Thränen troffen nieder vor mir. Auf einmal ruft die Lucardis im Erker: Margaretha, sieh doch! o sieh doch! Und jetzt kommt sie, jetzt reißt sie mich hin auf den offenen Umgang. Dies ist Gustav, spricht sie, der große König; aber wer reitet da hinter ihm, schier Herzog Bernharden zur Seiten?

Und ich schaue, schaue noch einmal, und die Augen vergehen mir, mit ihnen die Kräfte, Fritz! rufe ich, mein Fritz! und sinke rücklings zu Boden.

Unvorsichtige Freundin! was hattest du gethan! Doch du wußtest es ja selbst nicht, warest ja selbst fast von Sinnen vor Freude über das Glück der Armen, die schon jedem Glück entsagt hatte!

Während man mich auf das Bette brachte, war Lucardis, die meine Pflege meinen Schwestern überließ, schon aus auf Kundschaft, ob der Fritz auch wirklich lebe, lebe für mich! Aber noch ehe sie hierin etwas thun konnte, war schon Botschaft bei uns von dem freundlichen Könige: er hätte wahrgenommen, daß eine Jungfrau hier ohnmächtig geworden, wolle nicht hoffen durch des Einzugs Geräusch, welches ihm leid sey, und würde sein Leibarzt gleich da seyn, zu hindern, daß die Freude der guten Stadt nicht in diesem Hause in Leid verkehrt würde.

Was der König gesagt hatte, geschah, und von dem Doctor erfahrend, daß wir zu den Fuggern gehörten, in deren Häusern er Herberg genommen, hat er uns höflicher Dinge noch viel sagen lassen, und Lucardis ist ihm vorgestellt worden, die er schon kannte; hat selbst sogleich nach der kranken Jungfrau gefragt, und ob ich noch krank sey von jener Zeit her bei Leipzig. Worauf meine Freundin gar viel von mir mit ihm gesprochen, ist auch gar lang geblieben: was sie aber geredet, das wolt sie nicht sagen; that mir das Einige kund, daß Lilienström noch lebe, und nicht gestorben sey an seinen Wunden; ob er aber lebe auch für mich, das konnt sie nicht sagen, maßen ihn der König ausgeschickt nach dem Herzog von Lauenburg, der mit einem Theil des Heers noch zurück war, und den er, als ihm gar lieb, gern um sich haben wolt, zur Feyerung hiesiger Feste, indeß der Fritz beym Heer blieb.

Bey mir begann jetzt Freude und Hoffnung sich neu zu beleben, und sagten mir die Leute, ich sey schöner als je, obschon ein wenig schmächtiger und zarter als wol sonst, wegen Krankheit und Grams, der mich auch wol sicher zu Tode gefördert hätte, ohne des Geliebten Leben.

Wir Jungfraun aber, den König inniglichen verehrend, wie dann alle Welt that, ersannen der Dinge gar viel, ihm Freude zu machen: wolten nur nicht recht gelingen, weil das Hoflager aus lauter Männern bestand, und sich nichts mit Geschick unternehmen ließ, maßen die Gegenwart keiner Fürstin unser ungefordertes Erscheinen rechtfertigte. Mir lag sehr daran, dem König nahe zu kommen, weil mir etwas im Herzen saß, blos seine Person betreffend, das ich niemand entdecken wolt, selbst nicht der Lucarde; war ja kaum selbst darob mit mir eins!

Wir blieben also mit unsern Anschlägen daheim, bis der Herzog von Lauenburg ankam, ach ohne Lilienström! – Es war aber solcher Herzog ein Lust- und Weltliebender Herr, der oftmals Tänze anstellte, und die Jungfrauen aus den alten Geschlechtern der Patrizier dazu lud. Ach wie oft hab ich da nach dem Abwesenden geseufzt! wie gern hätt ich ihn vertauscht um den Lauenburg, der allweg uns nahe war, so daß man nicht eins ohne ihn an den König kommen konnt, wozu mir auch, wenns zum Treffen kam, oft der Much gebrach.

Es war aber der Herzog gar oft in unserm Hause, und darf ich wol sagen, daß die schöne Lucardis ihm gefiel, ungeachtet des kleinen Fehlers am Bein. Sie aber haßte ihn, wie die Sünde, und als wir ihn näher beobachteten, und die Stellung seines Gemüths gegen den König, so wie auch dessen gegen ihn, da, hatten wir seltsamer Gedanken gar viele, und manches ging mir auf, was seit Gustavs Anblick nur dunkel gelegen in meiner Seele. Es war das eben der innere Sinn, was aus einmal in mir wach ward, und den sie mir als einen Wahrsagergeist auslegen; wußt jetzt garwohl, was ich dem König sagen wolt, entdeckte aber niemand, ob ich schon schier des Nachts nicht schlafen konnt vor innerm Triebe den Helden zu warnen wegen heimlicher Feinde.

Eines Tages, es war am heiligen Pfingsttag, recht am 30. May, als meinem Geburtstag, wie wir des Morgens aus des Docter Fabricii Predigt kamen, wo auch der König gewesen, da tritt der Herzog herein, und nachdem er die Mutter begrüßt, sagt er: Lustig, ihr Jungfraun! Es giebt heut ein Neues. Der König hat auf diesen Abend, nachdem er des Morgens fromm gewesen, einen Tanz bestellt, und soll es zwar, so will ich, ein Mummentanz werden, ob auch ihm dies zu weltlich scheinen möchte.

Wir Jungfrauen wußten nicht, was ein Mummentanz sey, welches er uns dann begreiflich machte mit der Mutter Hülfe, die solcher neu hergebrachten Weise aus Welschland26 nicht unkundig war, vom kayserlichen Hofe; hat selbe jedoch Bedenken getragen, uns die Theilnahme zu erlauben, und haben wir erst, als der Herzog abgetreten, auf heißes Bitten Vergunst erhalten der gefährlichen Lust, nicht ohne Warnung und Lehre, welches ich der Mutter gar nicht verdenke.

Kaum war der Lauenburg fort, so kam ein Page des Königs mit Einladung. Ich aber schreie laut auf vor Wunder, denn hier war abereins27 ein Bekannter, nämlich des Savelli Sohn, der sich von neuem an den schwedischen Hof gefunden.

Eitel Dankbarkeit wär es, sagt er auf Befragen, das ihn wieder zu seinem königlichen Wohlthäter gebracht, und Sehnen nach besserer Zucht, als bey seinem Vater; mir aber mißdünkte28 hierob, und wolte mir nicht gefallen. Man durfte nur dem Buben in die kleinen, schwarzen, tiefliegenden Augen blicken, und des Mundes falschen Zug beobachten, um in ihm den künftigen Böswicht zu sehen, wenn nicht schon den gegenwärtigen. Mir wandelte allemal ein Grausen an, wenn ich ihn ersah, als sollt er einst in mein, oder vielleicht noch ungebornen Meinigen Geschick widrig verflochten werden.

Daß seiner Tücke auch für die Gegenwart nicht zu trauen war, das sollten wir heut diesen Tag noch erfahren.

Lucardis und ich, insgeheim schon über unsere Abendmummerey einig, gingen aus, einige Blumen zu kaufen zu unserm Anzug, maßen nach jetziger Weise sich keine Verlarvung schicken will, ohne Blumenschmuck. Ich brauchte deren gar viel, die Lucardis zu ihrem Geschäft einzig einen Mohnkranz. Und als wir zu dem Kunstgärtner in den großen Garten kamen, zeigt er uns, zunächst der Blumen, eine seltene persische Frucht, durch künstliche Hitze erzeugt jetzt im Frühjahr, da sie sonst im späten Herbst erst mit dem Wein reif wird, dem sie gleich ist an Saft und Süße, und ist solche ein großer, grünlich gelber, samitner Apfel, in der Mitte ein wenig gespalten, sanft mit lieblichem Roth schattirt, so daß Lucardis, die ein wenig leckerhaft ist, lächelnd sprach, ihr wäßere der Mund, von solcher Köstlichkeit etwas zu genießen. Und Jungfrau, erwiedert der Gärtner, dies kann leicht geschehen, heut diesen Abend. Hangen an diesem Ast solcher Aepfel sieben, auf Königs Tafel bestimmt: er wird euch einen reichen, als der schönsten, welches ich nicht darf, so gern ich auch möchte.

Ey, entgegnet der junge Savelli, der uns heimlich gefolgt war, ob ihn schon Lucardis von sich getrieben, weilen er ihr einen Kuß angemuthet, den keine züchtige Jungfrau einem zwölfjährigen Knaben gestatten wird, besondere keinem solchen! Ey, Meister, schaut doch zu, wo sind denn die sieben? zähle ihrer nur fünf! – Und als der Gärtner ängstiglich umschaut, ohne zu finden, auch uns gar argwöhnisch ansieht, beginnt die junge Natter: Schaut nach bey mir, wenn ihr etwa mich verdächtig haltet, gethan zu haben nach Knaben Art; doch bitte ich, besucht auch die Jungfraun! Und haben sich, als der Gärtner halb scherzend solches that, zwei Stücken des köstlichen Obsts funden in der Lucardis Handsack29.

Denkt euch unsre Beschämung, ihr Kinder! Hochanglühend vor Scham und Unmut, bezahlten wir des Meisters schwere Forderung, gern unsere Blumen dahinten lassend. Savellis Bub aber dehnt sich lachend an der hohen Lucardis hinaus, und bettelt den versagten Kuß von neuem, so daß wir eigen30 sahen, dies sey gewesen, ihr etwa zum Spott, ein Gaukelspiel von ihm aus der schwarzen Taschen, wobey man schier nicht allemal weiß, ob nicht der Böse sein Spiel habe.

Wir entfliehen wollend, steht auf einmal der Lauenburg bey uns, vernimmt die Sache, bezüchtiget den Buben öffentlich der That, welches jener auch nicht leugnet, ist also die Lucardis gerechtfertigt, und sind uns unsere Blumen wieder worden. Hat auch der Herzog doppelt für den Savelli bezahlt und alles in einen Scherz verkehrt, wir aber haben deß wenig geachtet, und sind im Stillen des Anschlags noch fester worden, den wir des Abends ausführen wollten.

Als uns der Herzog nach Hause gebracht, befragte er uns ob unserer Masken; lagen viele weiße Mäntel schon fertig für uns und die Schwestern, wie auch lachende Larven, alle einander fast ähnlich. Wir zeigten sie ihm, vorgebend, daß, mit solchem Spiel unbekannt, wir nicht, verlangten, durch irgend eins hervorgezogen oder zum Sprechen, genöthigt zu werden, welches den Herzog nicht gefiel, zeigt uns auch köstliche Verlarvung gar viel, so sein Diener bracht, und lehrt uns, wie die eine von uns sich als eine Schäferin, die andre als Nonne, jene als des Großtürken Gemal, diese als Hexe (oder Zauberin) zu gebehrden habe. Die vorletzte schien er nicht übel willens meiner Lucardis anzueignen, vielleicht gesinnet, ihr Soltan zu werden, so wie er die gar allerletzte mir darbot, fast mit Beleidigung sagend: Ich halte ja, Jungfer Fuggerin, ihr seyd deß etwas! und waren solche zwey letzte Mummenkleidungen schier die prächtigsten. Wir verschmerzten alles, blieben bey unserm Nein, unsere Blödigkeit vorschützend; blieben auch bey unsern einfältig lachenden Weißmänteln, als uns am ähnlichsten von Sinn und Gemüth, so daß er endlich von uns abließ, und nur die Mutter heftig anstrengend, darauf beharrte, uns einzuführen, welches sie ihm auch abgeschlagen, unter dem Vorwand, daß der Lucardis Brüder, beyde schon unter dem schwedischen Heer brave und mannhafte Leute, solches verrichten würden, darauf er also abgezogen mit seinem Savelli.

Nun war uns aber kund worden, wie sich der Herzog vermummen wolt; nämlich um dem König eine Lust und schmeichelndes Vorspiel künftiger Siege zu geben, hatt er eine Larve gewählt, dem Wallenstein fast ähnlich,, mit gelbledernem Koller31, blutrothem Mantel und Hosen, rother Feder des Huts, auch blutfarbner Scherpe. Den jungen Savelli hatte er dunkel gekleidet, gleich einem versuchenden Dämon; solte dieser im Saal auf und nieder hüpfen, das anwesende Frauenvolk zu necken, besonders aber bleiben ihm selbst zur Seiten, gleichsam anzudeuten, daß der Wallenstein sey mit dem Geiste des Abgrunds im Bunde: war denn schon also verfügt, zur schnöden Schmeiley32 für einen Herrn wie der König, daß am Ende der verlarvte Feind und Helfer fallen solten zu des Helden Füßen.

Wie? sprach Lucardis zu mir, als ihre Getreue uns diese Verlarvungen brachte zur Ansicht. Wie? diese blutige Maske Lauenburg? Hat er unsern Anschlag errathen? Daß er günstig wählen würde für uns, das hatt ich erwartet: was kann dieser ersinnen, dem heimliche Strafe nicht nachhinkt? aber fast ist dieses zu treffend!

Daß wir ihm nicht verrathen seyn konnten, wußten wir indeß; niemand kennet unser Geheimniß, als wir zwey und die Mutter. Und schickten wir uns schnell nun zur Arbeit des Putztisches; die Schwestern, und anderer Jungfraun ein Paar, waren vorlängst33 schon abgeführt von der Lucardis Brüdern nach dem Tanzsaal.

Und es schuf die Mutter, den Possen nur um des guten Endzwecks willen billigend, meine Freundin zur hinkenden Ate, mich aber zum glänzenden Schutzgeist. Ist aber jene, die Ate, eine alte heidnische Göttin der Strafe, so unabläßig dem Laster, dem blutigen, nachschleicht. Und ward sie vorgestellt als eine dunkle Gestalt, welcher, um nur ein wenig ins Auge zu fallen, Blumen wol nöthig gewesen waren; aber als diese Ate fragte, wo ist mein Mohnkranz? entgegnete die Mutter: Laß also seyn; wir wollen das Laster wecken, nicht einschläfern! Auch mir hat sie keine Blumen gegönnt, ungeachtet mich, als Schutzgeist, ein ganzer Frühling hätte umduften sollen; hatte fürsichtiglich alle den Weißmänteln gegeben, denn uns solche hätten verrathen können an den Lauenburg, der sie kannte. Zog aber hervor für mich, meiner Pathe, der alten Frau Fuggerin, ganzes Gepränge, neu in Gold gesetzt, fast blendend, daß einem die Augen vergingen: und so erschien ich im weißen Engelkleide, himmelblau umgürtet, mit wallendem Haar, als glänzender Schutzgeist.

Und die Mutter, alle Wege kennend des Fuggerschen Palasts, bracht uns nun selbst durch heimliche Stiegen und Gänge, ungesehen an eine der Thüren des Tanzsaals, so daß wir standen mitten unter der glänzenden Versammlung, ohne daß einer wußte, wie oder woher wir kamen.

Ich stand anfangs erschrockener, als einem Genius zukam, aber Ate gewahrte bald ihr blutiges Opfer, das eben unter den freundlichen Weißmänteln eine Lucardis glaubte ausfündig gemacht zu haben. Indem sie begann diesem Fliehenden durch alle Säle mit ihrer Geißel und mit beißendem Spott zu verfolgen, (wie denn ihr Zünglein das wohl konnte,) gewann ich Muth, hinter den König zu treten. Mein strahlender Aufzug machte mir Platz, und der Gedanke an das, was ich vorstellte, erhob meine Seele. Gustav, du bester der Könige, wer wollte dein Schutzgeist nicht seyn! und wer, gesandt dich zu warnen, sich an deine Seite nicht wagen, selbst mitten unter den Feinden!

Ich verharrete still auf meinem Posten; die Art Wesen, worunter ich mich geschwungen, begünstigte mein Schweigen, maßen die Himmelsgeister nicht viel sprechen sollen!

Der König, mich gewahrend, maß mich unabläßig mit den Augen, in welchen ich einiges Wohlgefallen wahrnahm. Statt der Larve beschattete meine Augen nur ein leichter Flor, der mich unkenntlich machte, ohne zu entstellen die etwanige Lieblichkeit des jungfräulichen Gesichts.

Schöner Engel, wer bist du? fragte der König endlich.

Dein Schutzgeist, Gustav!

Hast du Botschaft an mich?

Der Geist spricht zu dem Menschen nur, wenn er allein ist!

Und siehe, nun sind wir allein, begann er nach einer Weile von neuem, als man sich, vermuthlich mit Absicht, entfernte.

Nicht so ganz allein! versetzte ich; denn wehe, dort ist noch das blutige Laster, von der Strafe verfolgt! Sieh, sieh, jetzt krümmt sichs durch seine Schlangengänge dir näher!

Das ist der Wallenstein, lachte der König, den sie mir vorspielen! Einfältige Mummerey: ich kann sie nicht leiden!

Das ist der Lauenburg! entgegnete ich ernst. Er ist in des Wallensteins Farbe! denke dem Räthsel nach, und hüte dich!

Engels, was sagst, und wer bist du?

Dein Warner, o Gustav! auch dein Retter vielleicht, willst du anders mir trauen und folgen!

Willst du mir Wichtiges entdecken, sagte er leise, so rede! jetzt ist es Zeit!

Und ich redete und sagte so viel, aber nicht gnüglich; wie war dies möglich, hier unter tausend Aufmerkern! Der König staunte, glaubte, glaubte nicht, forderte Beweise; hier war zu Beweisen der Ort nicht.

Mittlerweile geißelte Ate den Lauenburg heran, ach zu zeitig! Die Jungfraun brachten zu gleicher Zeit den bösen Dämon, der ihnen diesen Abend tausend schlimme Streiche gespielt aus seiner Taschen. Sie hatten ihn mit Blumenketten gebunden und stellten ihn vor Gericht des Königs. So ward dies ernst gemeynte Schauspiel eine Posse, und verfehlte seines Endzwecks, so wie immer geschieht, wenn Wahrheit zu lachend sich kleidet. Ach, Verdacht hatt ich vielleicht gesäet in das Herz des verrathnen Königs, aber keine Rettung; dies erwies ja die Zukunft!

Unsere Masken fielen, der König fragte nach meinem Namen. Lucardis nannte mich ihm. Ey, sagte er, so muß ich auch dem guten Geiste, der mich bewacht, eine Himmelsbelohnung geben! Man rufe den wachhabenden Rittmeister an der südlichen Pforte!

Der Geforderte kam, und mein Geliebter, euer Vater, meine Kinder, lag in meinen Armen.

Daß er euer Vater ist, liebe Töchter, das sage euch, womit der König seinen Schützern, dem irdischen und dem sogenannten himmlischen, an diesem Tage lohnte. Er legte unsre Hände zusammen, der folgende Tag war unser Hochzeittag.

Lauenburg, der etwas von den Geheimnissen unserer Mummerey in dem Kaltsinn des Königs muthmaßen mochte, nahm seine Masregeln. Nie konnte dem Helden der Schutzgeist wieder nahen!

Ate entkam dem Laster, das nun sie verfolgte, auf ihr einsames Bergschloß; mich schirmte die Hand des treuen Gatten. – –

Euch aber, ihr Töchter, euch warne ich vor dem bösen Dämon; auch dich, Ludmilla, meiner Schwester einziges Kind! Siehe, fast zwanzig Jahr sind seit jenem Abend verfloßen. Ein Savelli wirbt um dich. Siehe zu, obs nicht jener sey, der aus einem bösartigen Knaben unmöglich ein tugendhafter Mann geworden seyn kann.

Solt ich mich, wie nach meines Lilienström Tode mir oft freudig der innere Sinn sagt, schnell niederlegen zu sterben: so sey dir, Maria, das Bedenkliche vertraut! Eile und warne die Freundin!

B. N.

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Erschienen bei:Friedrich Rochlitz: Selene; 1807; Eilftes Heft.

Drei Erzählungen von Christiane Benedikte Naubert in einer Transkription von Sylvia Kolbe:

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