Читать книгу Martin Luther und Ignatius von Loyola - Christiane Brendel - Страница 8
ОглавлениеAuf den Spuren des Ignatius in Rom
Januar 2010. Freisemester in Rom. Ich besuche die Jesuitenkirche Il Gesu. Es ist halb sechs Uhr abends. Über einen Lautsprecher ertönt Chormusik. Scheinwerfer beleuchten den großen Altar über dem Grab des Ignatius. Die schöne barocke Kirche erstrahlt in hellem Licht. Texte von Ignatius werden in italienischer Sprache gelesen. Zum Schluss zieht man eine Leinwand mit dem Bild des Ignatius nach unten und seine Gestalt wird als silberne Statue sichtbar. Übersät mit einer Fülle von Edelsteinen, hoch aufgerichtet, den Blick zum Himmel.
Ich trete näher heran und schaue mir die marmornen Gestalten im unteren Teil des Altares an. Zwei allegorische Frauengestalten mit einer Fackel und einem Kreuz in der Hand stürzen elende Gestalten mit verzerrtem Gesicht zu Boden. Kleine Engel helfen dabei. Neben den zu Boden geworfenen Gestalten liegen Bücher. Ein Engel reißt eifrig Seiten aus einem Buch, auf dessen Rücken ich bei der hellen Ausleuchtung den Namen Martin Luther entziffern kann. Auf dem Buchrücken zweier anderer Bücher kann ich Johannes Calvin und Huldreich Zwingli erkennen. Die Bücher der Reformatoren sollen vernichtet werden: Ignatius, der triumphale Kämpfer für den rechten Glauben. Auf der Postkarte zu dem Altar steht: »Der Glaube schlägt die Ketzerei nieder«.
Ich spüre an diesem Grabmal die Wucht des Kampfes zwischen Reformation und Gegenreformation. Was hat man auf beiden Seiten einander angetan, hat sich bekämpft, verteufelt und im Namen Gottes sogar getötet. Heute würde niemand mehr solche Werke in Auftrag geben. Welche Entwicklungen haben wir inzwischen durchgemacht! Mich erfüllt eine große Dankbarkeit für die andere ökumenische Situation, in der wir heute leben.
Als ich meinem geistlichen Begleiter, einem Jesuiten, betroffen von der Entdeckung des Grabmals erzähle, schreibt er mir: »Die Zerstörung der Lutherbücher am Ignatius-Altar … ist für mich immer ein Grund für Nachdenklichkeit, Scham und das Knüpfen aufrechter Beziehungen, die helfen, die Spaltung zu überwinden. Wegmeißeln wird man das am Marmor wohl nicht, aber es gibt ja Gott sei Dank andere Weisen der Revision, z.B. die Art, wie der Orden … sich heute um Ökumene bemüht.«
Eine eindrückliche Weise der Revision erleben wir als Communität in der Zusammenarbeit mit Jesuiten im Kloster Wülfinghausen, südlich von Hannover. Ausgebildet in katholischen Kursen für Exerzitienbegleitung und geistliche Begleitung,1 war die Wiederbelebung dieses alten Augustinerinnenklosters der Klosterkammer Hannover von Anfang an von ökumenischer Weite geprägt.
Inzwischen werden in unserer evangelischen Kirche Exerzitien im Alltag in vielen Gemeinden angeboten – oft ökumenisch verantwortet. Einzelexerzitien gehören zum Kursprogramm etlicher Einkehrhäuser unserer Kirche, besonders im Umfeld der evangelischen Communitäten. In einigen Landeskirchen werden seit einigen Jahren Ausbildungskurse für geistliche Begleitung angeboten.
Noch in meiner Jugend wurden Jesuiten und »Gegenreformation« in einem Atemzug genannt; die Jesuiten – der antiprotestantische Orden im Dienst des Papstes.
Durch die Wiederentdeckung der geistlichen Begleitung aus der ignatianischen Spiritualität hat ein fruchtbarer ökumenischer Austausch begonnen. Es ist ein Netz geistlicher Freundschaft zwischen evangelischen und katholischen Christen entstanden. Neue Räume geschwisterlicher Zusammenarbeit haben sich eröffnet, die für die Kirchen fruchtbar werden.
Sr. Adelheid Wenzelmann