Читать книгу Julia und der Hengst aus Spanien - Christiane Gohl - Страница 6
Ausritt im Rauhforst
Оглавление»Nun stellen Sie sich nicht so an, meine Damen! Schließlich wollen Sie eine Geländeprüfung ablegen, da müssen Sie schon mal raus aus der Halle!«
Reitlehrer Holthoff hatte seinen großen Fuchs Ephraim erklommen und betrachtete von oben das aufgeregte Häuflein seiner Reitschülerinnen. Für einige war dies der erste Ausritt, aber auch die anderen wirkten nervös. Lediglich Julia und ihr Danny standen wie ein Fels in der Brandung. Danny betrachtete die tänzelnden Pferde mit ruhigem Interesse, und das einzige, was Julia Sorgen machte, war Holthoffs Reaktion, wenn ihnen gleich im Rauhforst »rein zufällig« Kathi und Pretty begegneten.
»Kann ich hinter dir reiten, Julia?« fragte Frau Berndt. Ihr Schulpferd Corsar machte einen gelassenen Eindruck, aber die Reiterin war noch nie im Gelände gewesen. »Falls er scheut, meine ich.«
»Der Corsar scheut nicht, Frau Berndt, dazu müßte er sich ja bewegen. Nun machen Sie schon, Frau Medanz. Wir warten.« Holthoff wurde ungeduldig.
Seit einer Woche war Frau Medanz wieder bei den Übungsstunden dabei. Sie ritt allerdings nicht Placido, sondern das Schulpferd Scarlett, eine hübsche, aber leicht erregbare braune Stute.
Ephraim trat an, und die Reiterinnen reihten sich hinter ihm ein. Der Weg zum Rauhforst führte über zwei Kilometer Straße, wobei die Unterführung bei der großen Umgehungsstraße der heikelste Punkt war. Vorher mußten sie an Prettys Weide an der Ringstraße vorbei. Zur Zeit standen dort auch Stephanies Pferde, und Violetta begrüßte die Vorbeireitenden mit freudigem Wiehern. Pretty war schon unterwegs, wie Julia zufrieden feststellte.
Holthoff ließ seine Schüler abwechselnd hintereinander und paarweise nebeneinander reiten. Dabei achtete er genau auf die Abstände: eine Pferdelänge bei Einzelreitern, zwei Pferdelängen bei Paaren.
»Das wird abgeprüft!« drohte er Julia und Frau Berndt. Die beiden hatten angeregt miteinander geplaudert und dabei die Abstände vergessen.
»Und nun überqueren wir die Straße. Gleichzeitig links abbiegen und zügig auf gleicher Höhe drüber!«
Das Ganze sah aus wie eine Quadrilleübung, oder sollte es jedenfalls. Tatsächlich wurden alle Pferde schneller und begannen zu drängeln. Nur Danny und Corsar blieben zurück. Herr Holthoff schimpfte.
»Zügig habe ich gesagt, Julia. Mach das Pony gefälligst etwas flott. Das gilt auch für Corsar, Frau Berndt.«
Gehorsam begann Julia zu treiben.
»Und nun wechseln wir den Anfangsreiter. Julia geht an die Tete.«
Danny überholte die vor ihm gehenden Pferde und führte die Gruppe ruhig unter der Umgehungsstraße durch. Frau Fests und Frau Köpkes Pferde scheuten vor den Verkehrsgeräuschen, beruhigten sich jedoch schnell. Herr Holthoff rief jetzt Frau Brieskamp und schließlich Frau Berndt an die Tete.
»Und nun Sie, Frau Fest!« Sie hatten das Reitwegeschild am Anfang des Rauhforstes erreicht. »Überholen Sie in aller Ruhe und setzen Sie sich an die Spitze.«
Dieser Aufforderung kam Frau Fests Schimmelstute schneller nach als ihre Reiterin beabsichtigte. Schneeflocke beschleunigte zunächst gehorsam im Schritt, ging dann in den Trab über . . .
»Durchparieren!« schrie Herr Holthoff, aber es war schon zu spät. Frau Medanz’ Scarlett hatte die Anregung zu einem Rennen aufgegriffen und war ebenfalls angetrabt.
»Ich kann sie nicht halten«, schrie Frau Medanz überflüssigerweise. Frau Fest hatte schon bei den ersten Trabschritten die Kontrolle über ihr Pferd verloren.
»Alles stehenbleiben!« kommandierte Holthoff, als Scarlett und Schneeflocke sich jetzt im Galopp entfernten. »Hoffentlich landen die nicht in einer Fußgängergruppe!«
Julia nickte. Sie hatte da einschlägige Erfahrungen, denn eines ihrer früheren Pflegepferde war ihr hier einmal hoffnungslos durchgegangen und hatte Spaziergänger belästigt.
Frau Fest hegte wohl ähnliche Befürchtungen, denn immerhin bog sie vom Hauptweg ab in einen der schmalen, als Reitweg gekennzeichneten Pfade. Schneeflocke und Scarlett mußten hier hintereinander gehen, was sie ruhiger werden ließ, und außerdem stießen sie sehr schnell auf ein Hindernis. Kathi und Pretty warteten nämlich im Wald auf Julias Gruppe.
Als Schneeflocke heranpreschte, machte Pretty einen Hupfer, stand dann aber sofort wieder still. Da sie den Weg versperrte, hielt auch die Schimmelstute an.
»Gott sei Dank!« seufzte Frau Fest. Sie war etwas blaß um die Nase. Und nun keilte ihre Stute auch noch nach der auflaufenden Scarlett. Zum Glück traf sie nicht, und Frau Medanz bekam ihr Pferd wieder in den Griff.
»Üben Sie einzeln galoppieren?« fragte Kathi harmlos.
Das Auftauchen der Gruppe auf dem Hauptweg ersparte den Reiterinnen eine Antwort. Holthoff war froh, seine Schützlinge wieder zu haben. Er schimpfte deshalb nicht, als Kathi sich der Gruppe anschloß.
»Die Reiterpaßprüfung umfaßt einen Ausritt mit Hindernissen«, erklärte der Reitlehrer. »Damit sind allerdings weniger Sprünge gemeint als Geländeprobleme. Hänge rauf- und runterreiten, Wasserdurchquerungen, Brücken. Wir beginnen jetzt mit dem Bach.«
Im Schritt führte er die Gruppe zu einem idyllisch versteckten Bach. Schon als sie zum ersten Mal hiergewesen war, hatte dieser Wasserlauf Julia begeistert, obwohl sie einmal beim Durchreiten hineingefallen war.
»Wir reiten in der Gruppe hintereinander«, erklärte Holthoff. »Zügig, wenn ich bitten darf. Dann kommen die Pferde nämlich gar nicht darauf zu verweigern.«
Ephraim, Corsar und Frau Brieskamps Smutje durchquerten den Bach ohne Probleme. Auch Schneeflocke zögerte kaum, verband aber den Einstieg mit einem kleinen Sprung.
Die nächste war dann Julia. Der ruhige Danny sollte Scarlett und Picasso hinüberführen. Tatsächlich ging er gut ins Wasser, blieb dann jedoch stehen, senkte den Kopf und trank.
»Treiben, Julia!« schrie Herr Holthoff. Julia sah ihn verständnislos an. Bei ihren Ausritten mit Stephanie durften die Pferde hier immer trinken.
Scarlett und Picasso faßten Dannys Aufenthalt als Zögern auf. Auch als er schließlich weiterging, blieben sie unschlüssig am Ufer stehen.
»Ich versuch’s mal mit Führen«, erklärte Frau Köppke nach ein paar vergeblichen Versuchen, Picasso ins Wasser zu treiben. Sie saß ab, streifte die Zügel über und ging vorsichtig ein paar Schritte ins flache Wasser voraus. Dabei lockte sie Picasso mit sanfter Stimme. Unschlüssig trat der Wallach am Ufer von einem Fuß auf den anderen.
»Vorsicht, Frau Köppke!« riefen Julia und Herr Holthoff wie aus einem Mund. Aber es war schon zu spät. Picasso sprang ab und hielt dabei genau auf seine Reiterin zu. Wo die stand, so sagte ihm die Logik seines Pferdeverstandes, da konnte auch ihm nichts geschehen. Frau Köppke rettete sich rechtzeitig zur Seite, landete dabei aber im tieferen Wasser, und sofort lief ihr rechter Stiefel voll. Außerdem spritzte das Wasser an Picassos Landeplatz gewaltig auf, was ihr eine zusätzliche Dusche eintrug.
»Und jetzt das Pferd loben, Frau Köppke!« sagte Holthoff ungerührt.
»Reiterpaß ist viel lustiger als Reitabzeichen!« raunte Kathi Julia zu.
Scarlett als letztes Pferd war leichter zu überzeugen. Wie die meisten Schulpferde hing sie an der Gruppe und sprang sofort ins Wasser, als die anderen Pferde hinter der Uferböschung außer Sicht gerieten. Nur Herr Holthoff hatte gewartet, wendete Ephraim und machte auf das nächste Hindernis aufmerksam.
»Und jetzt ein Engpaß, meine Damen! Auf diesem Weg stehen die Bäume recht dicht. Bleiben Sie hintereinander und halten Sie Abstand.«
Die ruhigen und nervöseren Pferde in der Gruppe waren gut verteilt. Picasso ging hinter Danny, Schneeflocke hinter Corsar, und Scarlett folgte dem gemütlichen Falben Smutje. Keines der Führpferde schlug, was auch besser war, denn mit dem Abstandhalten klappte es noch nicht so gut.
»Wir reiten über die Brücke zurück«, bestimmte Herr Holthoff, nachdem sie eine Trabstrecke erfolgreich hinter sich gebracht hatten.
»Was ist, wenn die einbricht?« äußerte sich Frau Brieskamp besorgt. Sie selbst und ihr Pferd brachten allerlei Pfunde auf den Steg.
Kathi und Julia grinsten sich an.
»Sie können ja führen«, meinte Herr Holthoff. Er ritt Ephraim hinüber, und fast alle anderen Pferde folgten sofort. Die Brücke lag auf dem Heimweg, das machte es leichter. Lediglich Schneeflocke weigert sich beharrlich, hinüberzugehen. Schließlich führte Frau Fest.
»Gut gemacht!« sagte Holthoff. »Absteigen ist immer besser als ein Kampf mit dem Pferd.«
Auch das, dachte Julia, hat er von Stephanie gelernt.
»Wie war’s denn?« fragte Stephanie. Sie sammelte gerade den Mist von der Weide, als Kathi und Julia sich an der Ringstraße von der Gruppe trennten.
»Na ja«, murmelte Kathi. »Eben ein Ausritt . . .«
»Mit Hindernissen!« vollendete Julia.