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Kapitel 1

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»Und Rolf?«, fragte Jana, als Mareike ihren Koffer in ihrem Wagen verstaut hatte und Anstalten machte, auf dem Beifahrersitz Platz zu nehmen. Jana hatte sich bereit erklärt, ihre Freundin und deren Lebensgefährten zum Flughafen zu fahren. Ein ziemliches Opfer. Immerhin war es erst fünf Uhr morgens.

»Bei seiner Mutter«, erklärte Mareike und zog die Tür hinter sich zu. »Nehme ich jedenfalls an. Er hat sie als Erste angerufen, als ich ihn rausgeschmissen habe.«

»Du hast was ...?« Jana war plötzlich hellwach.

»Na ja, man kann es auch eine einvernehmliche Trennung nennen«, meinte Mareike. »Er räumt meine Wohnung, behält aber das Sorgerecht für das Aquarium.«

Jana lachte. »Der Goldfisch hatte wahrscheinlich kein Mitspracherecht. Aber wie kommt das so plötzlich? Bis vor kurzem warst du doch ganz begeistert! Wilder Sex im Kräutergarten, auf dem Küchentisch ... und jetzt die romantische Reise ... Endlich mal ein kreativer Liebhaber!« Sie ließ das Auto an.

»Die Reise war meine Idee«, bemerkte Mareike. »Schon um mal vom Küchentisch runter zu kommen. Die Kreativität hatte nämlich Grenzen: die Outdoor-Variante, der Tisch, Bett bei Kerzenschein – zweimal haben wir’s fast in Brand gesteckt. Schließlich der Rücksitz von seinem Auto und die Badewanne. Anschließendes Aufwischen nicht inbegriffen. Wenn man’s genau überlegt, verfügte Rolf damit über insgesamt fünf Programme ...«

»Meine Waschmaschine hat zwölf.« Jana kicherte und lenkte den Wagen über die dunkle, regennasse Straße.

Mareike nickte. »Und außerdem spart sie vermutlich Wasser und Strom. Kann man von Rolf beides nicht sagen. Wie es aussieht, lebst du in der glücklicheren Beziehung. Wir wissen unsere Waschautomaten nur alle nicht richtig zu schätzen.«

Die Freundinnen lachten. Tatsächlich lebte Jana zurzeit allein, sie hatte Mareike ihren Rolf fast ein bisschen geneidet. Genau wie die Traumreise heraus aus dem schmuddeligen Märzwetter. Gut, die Kanaren waren nicht gerade ein exotisches Reiseziel, aber Mareike wollte in erster Linie entspannen – und jetzt, ohne Rolf, würde sie auch eher den Wellness-Angeboten des Fünf-Sterne-Hotels frönen, statt Tauchen oder Reiten zu lernen. Eigentlich hätte sie Jana mitnehmen können, aber die Freundin fungierte als ihre Stellvertreterin in der Versicherungsfiliale, die Mareike leitete. Wenn beide zur selben Zeit Urlaub machten, ginge es dort womöglich drunter und drüber.

»Wir sind viel zu früh«, murmelte Mareike, als sie den Flughafen erreichten. »Hätten wir glatt noch eine halbe Stunde schlafen können. Aber komm noch mit, ich checke schnell ein, und dann trinken wir einen Kaffee.«

Die Schalter hatten gerade erst geöffnet, und Mareike war eine der Ersten, die sich anstellten. Insofern kam sie schon wenige Minuten später erneut zu Jana, die bereits einen Tisch in der offenen Cafeteria besetzt hatte und rasch ihr Make-up überprüfte. Anscheinend hatte sie nicht damit gerechnet, bei diesem Ausflug unter Leute zu gehen, und bemühte sich nun hektisch, ihre Augenringe zu überschminken. Mareike bemerkte die zwar kaum, aber Jana war stets sehr um ihr Aussehen bemüht. Sie fand ihre Nase zu breit und ihre braunen Augen langweilig. Mareike hielt das für Unsinn. Sie führte Janas Probleme bei der Partnersuche eher auf einen etwas außergewöhnlichen Geschmack und eher abschreckende Hobbys zurück. Jana betrieb Seidenmalerei und klebte sonderbare Patchwork-Arrangements aus zerrissenen Servietten. Mit den Ergebnissen dekorierte sie ihre Wohnung. Ein Mann musste schon sehr verliebt sein, um darüber hinwegzusehen.

Die Freundinnen tranken Cappuccino und beobachteten die Schlangen an den Schaltern nach Fuerteventura. Viele ältere Pärchen, ein paar junge Familien, einige Paare in ihrem Alter, wenig alleinreisende Frauen. Alleinreisende Männer schien es gar nicht zu geben.

»Ich tippe mal drauf, dass dein Traumhotel nicht gerade ein Heiratsmarkt ist«, bemerkte Jana und warf ihr dunkles Haar zurück. Eben passierte ein offensichtlich Geschäftsreisender mit Designeraktentasche und Armani-Anzug ihren Tisch. Der Typ sah gut aus, hatte aber eindeutig nicht das Ziel Kanaren. »Wo machen eigentlich Junggesellen Urlaub?«

»Sie klettern in Rudeln auf Berge«, überlegte Mareike.

»Oder fallen über mallorquinische Strandkneipen her. Möglicherweise chartern sie auch Schiffe oder gehen auf die Jagd ...«

Jana runzelte die Stirn. »Im Ernst? Du meinst, es gibt so wenig brauchbare, weil sie abstürzen, ertrinken oder sich gegenseitig erschießen?«

Mareike kicherte. »Jedenfalls urlauben sie nicht in Wellness-Hotels. Und mir ist nicht nach Abenteuerurlaub. Die moderne Version der ›Zwei Königskinder ...‹. Da, sie rufen den Flug auf. Mach’s gut, und halt die Stellung!«

Mareike umarmte ihre Freundin und machte sich auf den Weg zum Flieger. Sie freute sich auf die Reise! Und Rolf hatte sie schon fast vergessen ...

Das Hotel war genauso traumhaft wie im Prospekt. Mareike bezog einen Bungalow am Strand und genoss das Schlemmerbüfett. Sie liebte es, sich verwöhnen zu lassen. Wenn sie dabei bloß nicht dick wurde! Pflichtschuldig blätterte sie in den Wellness-Angeboten und buchte einen »Gofio-Fitness-Tag – Schönheit von innen und außen nach geheimnisvollen Rezepten der kanarischen Ureinwohner«.

Schließlich spazierte sie entspannt durch den Park und träumte davon, einen Zaubergarten zu durchqueren. Der Vollmond konkurrierte mit der raffinierten, indirekten Beleuchtung der exotischen Pflanzen um den silbrigsten Glanz und den skurrilsten Schattenwurf, und Mareike sagte sich streng, dass sie dies eigentlich kitschig finden sollte. Aber tatsächlich gefiel es ihr, sie konnte nicht anders. Wahrscheinlich hätte sie auch Disneyland geliebt, sie war ja nicht wählerisch. Romantik dürfte ruhig etwas künstlich sein, Mareike freute sich auch über Plastikrosen, die ein Mann ihr auf der Kirmes schoss. Bloß anstrengen sollte er sich ein bisschen ... Womit sie gedanklich auch wieder beim Thema war ...

Mareike seufzte. Das Einzige, was hier fehlte, war der Traummann an ihrer Seite. Wenn sie sich ein bisschen konzentrierte, meinte sie fast, seine Hand in ihrer zu spüren und ihn nachlässig darüber lächeln zu sehen, dass sie hier wie ein verzaubertes Kind durch einen geheimnisvollen Garten tänzelte.

Aber das alles war nichts gegen das Meer im Mondlicht! Postkartenromantik pur, Mareike verharrte fast ungläubig vor dem Anblick der leuchtenden Scheibe über dem Atlantik. Umgehend träumte sie sich an den Strand, in die Arme ihres Märchenprinzen.

Wenn sie mit Rolf geflogen wäre, hätten sie jetzt mit einer Flasche Sekt an den Strand gehen und sich im Mondlicht verlieren können ...

Aber spätestens beim Aufschließen ihres Bungalows fand Mareike in die Wirklichkeit zurück. Ganz realistisch betrachtet stand in der Ecke des Wohnzimmers ein Fernseher. Zwanzig deutsche Programme. Rolf hätte sich aufs Bett geworfen und durchgezappt. Mondlicht wie Mondlicht.

Mareike sah sehnsuchtsvoll aus dem Fenster. Aber was hinderte sie eigentlich daran, allein in die Bucht zu gehen? Sie konnte sich ein Fläschchen Champagner aus der Minibar gönnen und ein bisschen mit dem Mann im Mond flirten ...

Fast etwas aufgeregt zog Mareike eine Jacke über und nahm den Sekt aus dem winzigen Kühlschrank. Hoffentlich machte sie sich nicht lächerlich. Wahrscheinlich war der Strand jetzt schon voller Paare, die auf die gleiche Idee gekommen waren wie sie – nur, dass sie den Mann im Mond nicht brauchten. Aber dann würde sie die Sektflasche einfach in der Tasche lassen und so tun, als machte sie einen Spaziergang.

Zu Mareikes Überraschung war der Strand völlig leer. Niemand saß im Sand und schaute auf das in Silber getauchte Meer, niemand küsste seine Geliebte unter dem Sternenhimmel. Mareike suchte sich einen Platz im Schatten eines Felsens und öffnete ihre Flasche. Sie trank genüsslich und gab sich ganz ihren Träumen hin. Mareike wollte mehr als Gesellschaft – und viel mehr als Sex auf dem Küchentisch! Sie wollte lieben und geliebt werden. Nicht beiläufig, sondern so sehr, dass es beinahe schmerzte ... Als die Sektflasche leer war, zerdrückte sie ein paar Tränen. Sie bedauerte die Trennung von Rolf nicht. Sie war es nur leid, neben ihren Partnern allein zu sein.

Gofio entpuppte sich als Brei aus geröstetem Getreide, der Mareike umgehend eine Erklärung für das Aussterben der kanarischen Ureinwohner bot. An sich hatte sie schon nach dem Frühstücksmüsli mit Ziegenmilch genug vom Fitness-Tag. Aber immerhin fand sie Gesellschaft – nach zwei mit Büchern und einsamen Strandspaziergängen verbrachten Tagen eine willkommene Abwechslung. Beim Gofio-Kneten versammelten sich sämtliche alleinreisende Hotelbewohnerinnen. Mareike genoss ihre »Gofio-Maske« neben Karina, die sich vor Begeisterung über die neu entdeckten Fitness-Rezepte gar nicht halten konnte.

»Es steht und fällt ja alles mit der Ernährung!«, behauptete die etwas füllige junge Frau und gestand, dass sie gleich drei Kilo Gofiomehl für zu Hause geordert hatte. »Früher habe ich mich makrobiotisch ernährt, aber jetzt ... es geht nichts über die Cocker-Diät!«

Vor Mareikes geistigem Auge erschien ein Wok, in dem zerlegte Cockerspaniels fettarm garten. Allein bei dem Gedanken verging ihr der Appetit.

»... Die arbeitet ja auch stark mit imaginativen Techniken ...«

Mareike grinste.

Während der Gofio-Entspannungsmassage informierte Karina sie dann über weitere Möglichkeiten, mittels Reiki und Lichtmeditation Gewicht zu verlieren. Mareike hatte da bislang eher an Jogging geglaubt, aber Karina machte ihr klar, dass das aktuelle Körpergewicht stark mit dem eigenen Essverhalten in früheren Leben zusammenhing.

Mareike hatte da wohl nicht gesündigt. Zumindest in diesem Leben war sie mit einer natürlich schlanken Figur gesegnet. Damit ging natürlich ein gewisser Mangel an weiblichen Formen im Brust und Hüftbereich einher – vielleicht hatte es ihr ja in früheren Leben an Sinnlichkeit gemangelt.

»In Bezug auf Partnerschaft ist es natürlich genauso«, bemerkte Karina, während die Frauen Gofiobrei mit Olivenöl verrührten. »Du suchst ständig nach der dir bestimmten zweiten Hälfte. Irgendwo wartet er, aber du musst etwas tun, um die Gräben zu überwinden ...«

Karina dachte hier eindeutig weniger an Online-Dating als an Tarot-Karten und die Magie der Edelsteine.

»Der Achat zum Beispiel! Er hilft dir, die Gefühle anderer zu erspüren!«

Mareike fand das Ganze ziemlich albern. Aber als Karina sie nach dem kargen Abendessen mit Gofio auf Zwiebel fragte, ob sie nicht Lust auf ein Glas Wein in einer Strandbar hätte, sagte sie zu. Vielleicht gab es ja Tapas zu dem Wein ... zumindest irgendetwas anderes als gerösteten Getreidebrei.

Karina trug einen Achat an einer Silberkette um den Hals und wirkte aufgekratzt, als sie Mareike in ihrem Bungalow abholte. Sie hatte ihr rotes Haar aufwändig frisiert – Mareike fragte sich, ob die Farbe wohl echt war oder ob Karina damit an der Macht der Hexen partizipieren wollte. Einen entsprechenden Workshop hatte sie neulich besucht ...

Mareike selbst hatte nach dem »Fitness-Tag« keine große Lust mehr gehabt, sich zu stylen. Sie fand sich aber trotzdem ganz ansprechend. Das azurblaue Flatterkleid mit Batikmotiven, das sie sich gestern in der Hotelboutique geleistet hatte, betonte ihr blondes Haar und die erste, zaghafte Sonnenbräune. Die frischen Blautöne schienen auch das sonst etwas langweilige Porzellanblau ihrer Augen stärker zum Leuchten zu bringen. Ihr halblanges Haar band Mareike mit einem Seidenschal im Nacken zusammen.

Karina plauderte noch ein bisschen über den Yogakurs im Hotel, den sie ab morgen besuchen würde, während Mareike den spektakulären Sonnenuntergang über dem

Meer genoss. Die Strandbar lag etwas abseits vom Hotel Richtung Stadt. Mareike vermerkte positiv, dass die Getränke hier zwar nicht ganz billig waren, aber auch nicht die im Hotel üblichen Phantasiepreise gefordert wurden.

Karina bestellte Caipirinha – womit sie sich die tagsüber gesparten Kalorien gleich wieder zuführte. Mareike nippte an ihrem Glas und beobachtete das Treiben im Lokal. Nach dem gemeinsam verbrachten Tag hatten sich die beiden Frauen nicht mehr viel zu sagen, aber das schien den Pärchen in der Bar nicht wesentlich anders zu gehen. Die meisten wirkten eher gelangweilt – als sei es ihre Pflicht, hier herumzuhängen und Cocktails zu trinken, bevor sie Sex hatten. Ob sie Sex hatten? Oder war dies die Alternative zum Zappen durch die Fernsehsender? Mareike musste endlich aufhören, an Rolf zu denken. Sie zwang sich, unternehmungslustig von ihrem Glas aufzusehen – und traf dabei den Blick eines dunkeläugigen Mannes. Er lächelte nicht, sondern sah sie kühl, fast kritisch an. Dabei zeigte er das kantige, verwegene Gesicht eines Abenteurers. Sein Haar war lang, im Nacken von einer Silberspange zusammengehalten. Dunkles, lockiges Haar. Tief gebräunte Haut, lange, sensible Hände, die mit einer Gitarre spielten. Das Instrument steckte allerdings noch in seiner Hülle. Der Mann schien nicht zu der Band zu gehören, die hier Livemusik spielte. Aber womöglich war dies ja nur die Vorgruppe, und er war der Star. Der Typ dafür war er. Er schien ganz in sich zu ruhen, ein Mann, der niemanden brauchte, außer seiner Gitarre und ...

Mareike lächelte über sich selbst. Das war nun wirklich

Kitsch in Reinkultur. Fast wie ein Werbespot aus jener Zeit, als man Schnaps und Zigaretten noch mit »harten Kerlen« vermarktete. In modernen Filmehen waren die Männer dagegen meist alleinerziehend oder wenigstens Tierarzt ...

Während Mareike ihren müßigen Gedanken nachhing, erhob sich der Mann und schob seinen Stuhl gelassen an ihren und Karinas Tisch.

»Ihr seid zum ersten Mal hier. Urlauber?« Er zeigte ein überlegenes Lächeln.

Mareike nickte.

»Du nicht?«, fragte Karina.

Der Mann schüttelte den Kopf. »Nein, ich lebe hier. Ich war Deutschland leid. Das Wetter ... die griesgrämigen Leute ...«

Mareike nahm einen Schluck von ihrem Cocktail. Sie fragte sich, was der Typ von ihnen wollte. Er musste doch auf den ersten Blick gesehen haben, dass sie keine Einheimischen waren.

»Du bist zu beneiden!«, quietschte Karina.

Mareike blieb kühler. »Könnte mir auch gefallen«, bemerkte sie schließlich. Der Mann war interessant, ließ aber ihre inneren Alarmglocken läuten. Warum gab sich der Typ mit ihnen ab? Er lebte hier – hatte er keine Bekannten, mit denen er ausgehen konnte? Wo steckte seine Freundin? Mareike schalt sich selbst für ihre Skepsis, die Jana wahrscheinlich mit »Selbsthass« erklärt hätte. Janas Ansicht nach ließen Frauen die wirklich tollen Typen nur deshalb nicht an sich heran, weil sie sich ihrer nicht würdig fühlten. Mareikes Ansicht nach gab es einfach zu wenig tolle Typen.

Karina hatte hier offensichtlich keine Probleme. Die himmelte ihre neue Bekanntschaft bereits an.

»Wovon lebt man denn hier so?«, erkundigte sich Mareike. Der Mann sah nicht gerade aus, als ob er einen festen Job hatte.

Er zuckte denn auch lässig die Achseln. »So dies und das ...«, antwortete er, räkelte sich auf seinem Stuhl und spielte mit seinem leeren Weinglas. »Ein bisschen Gitarre spielen, ein bisschen singen ... Ich brauche nicht viel. Etwas Rotwein, Brot und Käse ... Es ist warm hier, man kann am Strand schlafen.«

Karina seufzte hingerissen.

»Ich wünschte, ich könnte das Leben auch so leichtnehmen ...«, murmelte sie.

Der Mann ließ die Blicke kurz über sie und die eher skeptische Mareike schweifen und schien dann zu beschließen, besser Karina tief in die Augen zu sehen.

»Du musst nur ganz du selbst sein«, sagte er dabei. »Lös dich von den Zwängen des Alltags ... Auch von falschen Sicherheiten ... Ich bin übrigens Boris ...«

»Und was ist, wenn dir mal was passiert?«, platzte Mareike heraus. Sie wollte nicht wie eine Versicherungsvertreterin klingen, aber das hier wurde ihr entschieden zu abgehoben.

Boris und Karina sahen sie gleichermaßen verständnislos an.

»Wenn was passiert?«, fragte Boris.

»Na ja, wenn du krank wirst... oder einen Unfall hast...« Mareike nippte an ihrem Cocktail. Sie wusste, dass sie sich spießig anhörte.

»Daran darfst du einfach nicht denken!«, erklärte Boris, fast etwas beleidigt.

Karina strahlte. »Genau das sage ich auch immer! Man redet solche Dinge herbei! Wenn man dagegen ganz fest an das Glück glaubt ...«

Mareike stand auf. »Ich hole noch was zu trinken. Soll ich dir was mitbringen?« Sie wandte sich an Karina, aber Boris nickte als Erster.

»Aber nicht so ein süßes Zeug«, erklärte er und warf einen fast angeekelten Blick auf die Cocktailgläser der Frauen. »Einen Rotwein. Vino Tinto. Etwas Pures, Wahres ...«

Karina lächelte ihm zu. »Für mich auch einen Rotwein!«

Als Mareike zurückkam, waren beide in ein Gespräch über positives Denken und die Heilkraft von Edelsteinen vertieft. Keiner machte Anstalten, ihr das Geld für die Getränke zurückzugeben.

»Es gibt Jade in der Gegend – und die Einheimischen sagen, sie habe eine ganz besondere Kraft«, behauptete Boris gerade. »Allerdings muss man sich schon selbst in die ausgetrockneten Flussläufe begeben und sie suchen. Hättet ihr nicht Lust? Morgen? Ich kenne auch ein wunderbares Restaurant im Hinterland ... Hier am Strand wird man doch nur ausgenommen ...«

Karina nickte eifrig, während Mareike ihren Rückzug vorbereitete.

Sie konnte sich diesen Ausflug lebhaft vorstellen. Boris würde vor sich hin schwafeln, und Karina würde zahlen. Aber immerhin hatte sie ihren »Seelenverwandten« gefunden. Solange sie ihn aushielt, würde Boris jeden ihrer Träume teilen.

Mareike wanderte schließlich allein über den Strand zum Hotel zurück und überlegte, ob es ihr vielleicht an Seele fehlte. Womöglich sollte sie es mit Esoterik versuchen, wie Karina oder ihre Freundin Inge zu Hause. Die lebte neuerdings mit ihrem zum Buddhismus konvertierten Yogalehrer, und die gemeinsame Suche nach dem Nirwana machte sie offensichtlich glücklich. Oder Katja, die mit einem Sozialarbeiter aus Bielefeld schamanische Reisen unternahm ...

Aber Mareike konnte sich nicht helfen: Falls Romantik nur funktionierte, wenn man vorher die Brieftasche öffnete und den Verstand abstellte, blieb sie lieber allein.

Ein Geschenk vom Universum

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