Читать книгу Hinkels Mord - Christina Bacher - Страница 13

14. September 1861, Witwe Hilberg

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Was ist das doch für ein verdammter, dreckijer Lügner! Hat der lumpige Geselle vom Koburger wirklich behauptet, dass mein Ludwig was mit dem Mord zu tun hat? Herr Polizeioberhauptmann, das sagt er doch nur, um von sich selbst abzulenken. Was? Daran haben Sie noch gar nicht gedacht? Muss Ihnen eine alte Frau erklären, wie Sie Ihre Arbeit zu machen haben? Das weiß doch jeder hier, dass der seine Finger nicht bei sich lassen kann. Weil er nämlich aus demselben Holz geschnitzt ist wie die Wiegand, dieses dumme Hinkel. Gleich und Gleich gesellt sich gern, heißt es doch. Was? Der war zur Tatzeit auf der Arbeit, das können alle bezeugen? Pfff. Stecken doch alle unter einer Decke. Aber wenn Sie das glauben wollen, bitteschön. Mit einem Schreiner aus Niederweimar soll sie auch rumgemacht haben, das dumme Tier. Haben Sie den schon verhört? Vermutlich hat der sie abgeschlachtet. Ziemlich sicher sogar. Denn dass da ein Braten in der Röhre war, haben die Spatzen schon lange von den Dächern gepfiffen. Hat sich nicht mal geschämt dafür. Hat den Bauch stolz vor sich hergeschoben.

Woher ich die Wiegand kenne? Na, die hat hier doch gearbeitet. Ab und zu. Das war im Frühjahr. Aber das habe ich schon Ihren Kollegen von der Polizeidirektion gesagt. Heute könnt’ ich heulen, dass wir so ein Getier überhaupt ins Haus gelassen haben. Dumm und faul ist sie gewesen. Sollte dem Ludwig zur Hand gehen. Stattdessen hat sie nur rumgesessen, uns die Vorräte weggegessen und ist vorlaut und frech gewesen. Und sobald ich das Haus frühmorgens verlassen hab, hat sie aufreizend gelacht wie ein Pferd und sich an meinen Ludwig rangeschmissen. So, dass die Nachbarin mich schon darauf angesprochen hat. Da muss man sich doch schämen. Der arme Bub wusste nicht ein noch aus mit dem Weibsstück, da hab ich sie weggejagt. Wissen Sie, wie froh ich war, dass die dann nach Argenstein in den Dienst kam? Seitdem hab ich sie nur noch selten gesehen. Die hat sich ja schon als Kind hier mutterseelenallein in Ockershausen herumgetrieben und hat gebettelt und gestohlen. Die Mutter tot, der Vater weg. Um die ist es nicht schade, das sag ich Ihnen unter vier Augen. Da trauert keiner. Die hat ihren Tod durch ihr liederliches Verhalten doch selbst verursacht, wenn man so will. Und ihr Kind hat sie noch mit ins Verderben gerissen. Was ihr meinem guten Jungen da anhängen wollt, ist in Wahrheit Hinkels Mord. Dafür müsstet ihr euch schämen. Ihr haltet ihn schon tagelang ohne irgendwelche Beweise bei Wasser und Brot fest. Da geht es doch nicht mit rechten Dingen zu. Mein Bub ist ein Sündenbock, so sieht es nämlich aus. Weil es immer die kleinen Leute trifft, die sich nicht wehren können. Dabei hat er es schon schwer genug gehabt im Leben. Ohne Vater hat er aufwachsen müssen, weil alle aus der Familie so schwach auf der Brust sind und immer früh starben. Und als er tot war, mein Mann, hab ich mit seinen zwei Bälgern hier gesessen. Wir sind fast verhungert. Die Gürtelrose hat den Ludwig fast dahingerafft, da ist er erst elf Jahre alt gewesen. Ich hätt ja noch mal heiraten wollen, aber wer nimmt schon eine alte, krumme Witwe mit zwei Fressern? Aus dem Hettche-Haus hab ich mich aber nicht vertreiben lassen, obwohl die Haddamshäuser alles versucht haben, mich hier rauszuekeln. Krumm und buckelig geschuftet haben wir uns all die Jahre, die Buben und ich, um das Haus zu halten. Dabei pfeift es hier aus jedem Loch. Das Dach ist undicht und das Mauerwerk müsst mal nachgebessert werden. Hilfe bräucht ich. Und keine Scherereien.

Und jetzt kommen Sie daher und fragen mich, wo der Ludwig am Mordtag gewesen ist? Ja, hab ich das nicht schon Ihren Kollegen erzählt? Hier im Haus ist er gewesen. Gearbeitet hat er, den ganzen Tag, rechtschaffen wie er ist. Dann hat er, und das kann der feine Herr Steuereinnehmer Burk ja bezeugen, unsere Steuern entrichtet. Wie es sich gehört. Sehen Sie.

Was? Ich kann das gar nicht wissen, ob er zur nämlichen Uhrzeit daheim war, weil ich selbst nicht da war? Ich war beim Hassenpflug, in Gottes Namen. Wäsche waschen. Ja, darf man nicht mal seine Wäsche mehr waschen? Ich sag Ihnen mal was: Sie haben den Falschen in Gewahr. Ich gehe die Tage zum Koburger, sind ja nur ein paar Schritte rüber nach Marburg in die Barfüßerstraße 23, und werde ihn warnen, wen er sich da als Gesellen ins Haus geholt hat. Einen Lügner nämlich, der unbescholtene Familien beschuldigt.

Und was? Der Bürgermeister von Ockershausen hat Sie hier hergeschickt? ›Annere‹ sollen wir sein? Nur, weil der Ludwig nicht hier geboren ist? Über den feinen Herrn Bürgermeister könnte ich Ihnen auch allerhand erzählen, was nicht ganz koscher ist. Machen Sie schnell, dass Sie hier rauskommen, sonst vergesse ich mich noch. Verschwinden Sie sofort aus unserem ehrbaren Haus. Und bestellen Sie dem Herrn Staatsprokurator Brauns einen schönen Gruß. Seine Schuhe kann er in Zukunft woanders beschlagen lassen …«

Hinkels Mord

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