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Kurz nach Miroslavas zweiundzwanzigstem Geburtstag stolperte der alte Doktor über seine eigenen Füße. Er hatte die hochprozentige ‚Medizin‘, mit der er seinen Frust bekämpfte, überdosiert und musste für ein paar Wochen selbst das Bett hüten. Seine Vertretung, ein überarbeiteter junger Arzt, der noch nicht all seine Ideale verloren hatte, untersuchte die Mutter kopfschüttelnd und schickte sie zur Abklärung seines Verdachts ins Krankenhaus nach Plewen. Dort wurde eine fortgeschrittene Vergiftung durch irgendwelche körpereigenen Pilze festgestellt, und sie wurde unverzüglich dahingehend therapiert. Es war unglaublich, zu sehen wie die Mutter innerhalb kürzester Zeit wieder auflebte und sich straffte wie eine fast verdurstete Pflanze, deren Zellen sich wieder mit frischem Wasser vollsogen. Wie sie ihr Leben wieder in die Hand nahm und sich nun um ihre Tochter sorgte.

„Slavenka“, jetzt musst du endlich raus. Wir haben dich viel zu lange hier festgehalten.“

„Wo soll ich denn hin?“, fragte die verzagt. „Was soll ich überhaupt machen? Hab doch nichts gelernt. Die warten grade auf so ne alte Schachtel vom Land. Es gibt so viele hier, die keine Arbeit finden. Und von denen haben manche sogar noch eine gute Ausbildung. Vielleicht kann ich ja ins Ausland gehen wie Olga. Als Erntehelferin oder als Pflegekraft?“

„Aber, aber. Ich kenne meine Tochter nicht mehr. Mit so was hast du doch keine Zukunft. Du kannst immer noch was lernen. Mit deinem Talent für Sprachen dürftest du überhaupt keine Probleme haben. Du sprichst Bulgarisch, Rumänisch und Deutsch. Könntest deine Sprachkenntnisse ja noch etwas auffrischen. Deutsch kannst du ja sowieso ganz gut, aber Englisch ist, glaube ich, fast noch wichtiger. Du bist jung und hübsch. Den Vorteil musst du nutzen. Du hast so eine schöne, klare, helle Haut. Dazu deine tiefblauen Augen und das dichte dunkle Haar. Geh doch mal zu Lydja und lass es ein wenig in Form schneiden.“

Bei dem Gedanken an die Frisuren der alten Damen, die stolz ihre Köpfe reckten wenn sie mit blau getönten, frisch gewellten oder geflochtenen Haaren aus Lydjas „Salon“ stolzierten, verzog sie unwillkürlich das Gesicht.

Ihre Mutter lachte: „Gib ihr eine Chance. Sie studiert immer noch abends sehnsüchtig Magazine mit Frisurvorschlägen, die sie an ihren Klienten nicht ausprobieren kann. Ich weiß das.

Überhaupt kann ich dich mir gut am Schalter einer Bank oder so vorstellen. Und wenn du dann zu Besuch kommst, werden wir unverschämt mit dir angeben. Ja, so ist`s gut. Dein Lächeln hat noch gefehlt.

***

„Hallo, bist du das? Miroslava?“

Nicht nur der bewundernde Ausruf, sondern auch die Steine, die durch Mareks Motorrad beim Bremsen heftig aufspritzten, ließen sie abrupt anhalten. „Warst du in `ner Weibermühle?

„Nein, nur in der örtlichen Schönheitsfarm. Bei Lydja!“, lachte sie nach dem ersten Schrecken geschmeichelt. „Was führt dich seltenen Gast in diese Einöde? Bist du der Prinz, der Aschenbrödel endlich auf seinem Ross entführen will?“

„Wenn ich nicht den Stress hätte, dass sich schon zwei Schönheiten in der Stadt um mich streiten, würde ich mir das glatt überlegen!“, beantwortete er ihre nur zur Hälfte scherzhaft gemeinte Frage.

„Aber wenn du hier raus willst...“ Abschätzig betrachtete er die ärmlichen Katen links und rechts der mit Schlaglöchern übersäten Strasse und den zerlumpt gekleideten Mann, der sich mit seinem schäbigen Eselkarren gerade an seinem glänzenden Motorrad vorbei zwängen wollte und es mit offenem Mund bewunderte. Er zeigte ihnen dabei eine Zahnreihe, die noch üblere Lücken aufwies, als der verwitterte Straßenbelag vor ihnen, und führte ihr das allgegenwärtige Elend unbarmherzig vor Augen. „Ich habe letzte Woche Andrej getroffen. Kannst du dich noch an ihn erinnern? Er hat mir erzählt, dass er jemanden kennt, der über eine seriöse Agentur Aupair-Mädchen ins Ausland vermittelt. Das wär` doch was für dich. Du bist hier ja am Versauern. Wäre doch die Gelegenheit, eine fremde Sprache perfekt zu lernen. Ein Sprungbrett in tolle Jobs. Mit guten Sprachkenntnissen hast du überall viel bessere Chancen. Wenn du willst, kann ich für dich ja mal die Telefonnummer rausfinden.“

Miro

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