Читать книгу Leichenwasser - Christina Kreuzer - Страница 9

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Kapitel 2

B

oschi fuhr mit Jette und Hilde von Jettenbach am späten Nachmittag noch einmal ins Klinikum. Jettes Vater schlief nach der schweren OP tief und fest. Der Oberarzt bezeichnete seinen Zustand als stabil und Hilde wollte unbedingt über Nacht bei ihm bleiben. Auch Jette wollte bei ihrem Vater am Krankenbett ausharren, doch ihre Mutter mochte allein mit ihrem Mann sein und ließ keinen Widerspruch gelten. Schließlich standen Jette und Boschi etwas verloren vorm Eingang des Klinikums.

„Was machen wir jetzt?“, fragte Boschi gelangweilt und zündete sich eine Zigarette an.

„Hast du Hunger?“ Ohne auf Boschis Antwort zu warten, hakte sich Jette kurzerhand bei ihm ein und steuerte auf ihr rotes Mini Cabrio zu. „Komm ich lad dich zu einer Pizza ein.“

„Hunger hab ich noch nicht, später vielleicht, aber ein Weißbier wär jetzt nicht schlecht.“

„Dann steig ein und halt dich fest, hihi!“ Jette lächelte verschmitzt, denn Boschi bremste bei ihrer Fahrweise immer mit und sie hatte Spaß daran, wenn er sich ängstlich krampfhaft an der Seitenarmlehne der Autotür festhielt.

Jette brachte Boschi zu einem idyllischen Biergarten am Künettegraben in der Nähe der Festung. Wie ein glückliches Ehepaar saßen beide nebeneinander unter alten Kastanienbäumen und unterhielten sich. Nur ging es bei ihnen nicht um Familie oder Kindererziehung, sondern um einen fünffachen Mörder.

„Ich bin mir 100 Prozent sicher Boschi. Der Einbrecher war Angus Streitberger!“, wiederholte Jette zum x-ten Mal.

„Das kann doch nicht sein! Überleg mal, die Schussverletzungen, der Sturz vom Wasserfall, das viele Treibholz im Kienbach! Der alte Mann ist ertrunken und wurde in den Ammersee gespült.“ Boschi versuchte Jette zu überzeugen, das sie ihre Aussage nochmal genau überdenken sollte, bevor sie diese morgen früh bei der Polizei abgab.

„Wir haben die Leiche nicht gefunden!“ Jette wollte sich nicht beirren lassen und verteidigte ihren Standpunkt energisch. „Der alte Streitberger war topfit. Der ist kilometerweit barfuß gelaufen und konnte mit einem Sensenschlag einen Menschen köpfen.“

„Der Mann war 84 Jahre alt und lebte im Altenheim. Der ist halb bewusstlos in den hochwasserführenden Kienbach gefallen und sein Körper knallte wahrscheinlich unkontrolliert gegen jeden Stein im Bachbett zwischen Kloster Andechs und dem Ammersee.“ Boschi gab nicht auf Jette umzustimmen, denn ihre Aussage könnte Oberstaatsanwalt Höglmeier dazu bewegen, Jette wegen psychischer Probleme in den Innendienst zu versetzen oder gar dienstunfähig zu schreiben.

„Boschi, ich weiß ganz genau was du denkst. Aber der Einbrecher hatte die gleiche Statur, dieselben Haare und das allerwichtigste … er bewegte sich genauso, wie der irre Streitberger! Seine Bewegungsabläufe, die ich stundenlang studieren konnte, als ich in der Höhle gefangen war, vergess ich nie. Der alte Mann ist nicht tot, Boschi!“

Boschi wollte mit Jette keinen Streit anfangen, gab sich schließlich geschlagen und wechselte das Thema. „Kannst du mir hier ein günstiges Hotel empfehlen?“

„Boschi, willst du uns beleidigen? Nach allem, was du für uns getan hast. Du schläfst natürlich bei uns!“

„Ich will keine Umstände machen. Ich hab nicht mal eine Zahnbürste dabei, geschweige denn einen Schlafanzug!“

„Keine Widerrede Boschi. Zahnbürsten kauft Mama immer auf Vorrat und den Schlafanzug bekommst du von Paps. Trink aus, ich hab jetzt Hunger auf Pizza! In Ingolstadt gibt es die beste Pizza der Welt. Der Luigi kommt aus Sizilien und verwendet nur Produkte aus seiner Heimat.“

„Ach geh zu!“ Boschi hätte sich lieber eine knusprige Hax`n hier im Biergarten bestellt, die laufend an ihrem Tisch vorbei getragen wurde, doch Jette schwärmte so von ihrem Italiener, dass er ihr zuliebe auf die Haxe verzichtete. Die Pizza schmeckte wirklich lecker und der Nero d’Avola, ein sizilianischer Rotwein, war ein regelrechter Gaumenkitzler. Jette und Boschi saßen sich in einer kleinen, etwas schummrigen Nische im hinteren Teil der Pizzeria gegenüber und unterhielten sich großartig über Gott und die Welt. Die Zeit verging wie im Flug. Jette trank nur ein Glas Wein und danach Mineralwasser, während Boschi genüsslich den Rest der Karaffe leerte. Schließlich bezahlte Boschi, Gentleman-like, seinen kleinen Schwips und das hervorragende Abendessen. Sie gingen zum Ausgang und Boschi wollte vor der Pizzeria schnell noch eine Zigarette rauchen. Beim Anzünden fiel ihm das Feuerzeug zu Boden. Jette und Boschi bückten sich. Gleichzeitig griffen beide nach dem Feuerzeug, Boschi berührte dabei kurz Jettes Handrücken und ein elektrostatischer Schlag durchzuckte ihn. Einen Moment kamen sich ihre Gesichter ganz nah und hielten stumm inne. Jette war schneller, gab Boschi Feuer und schob das Feuerzeug aufreizend langsam in seine rechte kleine Jeanstasche. Dann drehte sich Jette schnell um und lief davon. „Mir ist kalt Boschi, ich warte im Auto auf Dich!“ Verlegen und mit hochrotem Kopf zog Boschi an der Zigarette, die auf einmal viel zu langsam verbrannte. „Warte doch Jette! Ich bin schon fertig!“, rief er Jette hinterher, lief los, nahm schnell noch einen kräftigen Lungenzug, schnippte mit den Fingern die Zigarette in Richtung eines Kanaldeckels und sprang in Jettes Auto.

Zuhause zog Jette für ihren Chef das Wohnzimmersofa aus, brachte Bettzeug, Zahnbürste und Schlafanzug. Als Boschi aus dem Bad zurück kam, wartete sie schon auf ihn. Jette legte die Arme um Boschis Hals und küsste seine stopplige Wange. „Danke für den schönen Abend, Boschi, gute Nacht, schlaf gut!“, hauchte sie an sein linkes Ohr und ehe sich Boschi versah rannte sie die Treppe zum ersten Stock hoch.

„Gute Nacht Jette!“, rief er ihr total überrascht hinterher. Zufrieden machte es sich Boschi auf dem Sofa gemütlich und konnte lange nicht einschlafen. Gedanken von Mord, abgehackten Köpfen, Schweinshaxn und dazwischen immer wieder die hübsche Jette, wanderten durch seinen Kopf. Versunken im Gedankenreich schlief Boschi schließlich bei der Erinnerung an den heutigen Abend mit Jette ein und träumte so richtig bildlich davon, wie er mit Jette auf der Terrasse seines Hauses in Schlagenhofen ein Glas Wein trank. Jette strich zärtlich mit einer Hand durch seine Haare und wollte Boschi gerade Küssen, als eine Stimme das schöne Bild in seinem Kopf auslöschte. „Guten Morgen! Aufstehen!“

Boschi öffnete mühsam die Augen, staunte, denn vor ihm stand Jette mit einer Tasse duftenden Kaffee in der Hand. „Ach geh zu! Guten Morgen Jette!“, stopselte Boschi verschlafen.

„Beeil dich Boschi! Ich muss um 10 Uhr auf der Wache sein und meine Aussage unterschreiben. Du kommst doch mit, oder?“ Jette zeigte dabei auf ihre Armbanduhr.

„Ja, natürlich! Du bleibst bei deiner Aussage?“, fragte Boschi, während er sich schwankend auf einen Bein stehend, die Jeans anzog.

Jettes Lächeln verschwand blitzartig. „Auf jeden Fall! Ich weiß genau, was ich gesehen und gehört habe und das war eindeutig Angus Streitberger. Hast du Angst, der Fall wird dann wieder aufgerollt?“

„Ich hab vor niemand Angst! Ich hab nur ein wenig Angst um dich. Die Staatsanwaltschaft hat den Streitberger offiziell für tot erklärt. Oberstaatsanwalt Höglmeier wird toben und dich umgehend in eine Therapie schicken!“, gab Boschi nochmal zu bedenken.

„Das ist mir egal! Bist du fertig! Wir müssen los!“ Jette sprang auf und schnappte sich ihren Autoschlüssel.

Boschi nahm noch einen großen Schluck Kaffee und stolperte mit einem Schuh in der Hand und einem Schuh am Fuß hinterher. „Warte! Nicht so schnell!“

Jette fuhr rasant in den Norden der Stadt zur Kriminalpolizeiinspektion an der Esplanade und unterschrieb, nach genauen Durchlesen, ihre Aussage. Boschi stand daneben und dachte an Oberstaatsanwalt Höglmeier und an die Folgen der Zeugenaussage. Er würde Jette aufgrund der Aussage und den schrecklichen Erlebnissen, als schwer traumatisiert abstempeln und sie bestimmt vom Dienst suspendieren.

Danach besuchten sie Jettes Eltern im Klinikum Ingolstadt. Auf der Intensivstation bekam Jette zunächst einen riesigen Schreck, weil weder ihr Vater in seinem Zimmer lag, noch sah sie ihre Mutter. Die Stationsschwester klärte beide schnell auf, dass es Franz von Jettenbach besser ging und auf Station III, Zimmer 326 verlegt worden war. Jette fiel ein Stein von Herzen, als sie die Tür zum Krankenzimmer öffneten. Ihr Vater Franz saß fast aufrecht im Krankenbett, löffelte gerade so was ähnliches wie eine Suppe und Mutter Hilde redete ihrem Mann gut zu. „Du musst etwas essen Franz, desto schneller kommst du zu Kräften und nach Hause.“

„Das schleimige Zeug schmeckt grauenhaft, Hilde! Hol mir eine Wurstsemmel!“ Franz von Jettenbach verzog angewidert das Gesicht und schob den Teller beiseite.

„Paps! Ich sehe dir geht’s bereits besser! Hihi!“ Erst jetzt bemerkten die beiden, dass Jette und Boschi in der Tür standen. Jette lief zu ihren Vater, drückte ihn vorsichtig und küsste ihn auf die Stirn. „Du hast ja schon wieder Appetit! Das ist der erste Weg zur Besserung!“

„Jette, hol du mir was Anständiges zum Essen. Bitte! Schau dir nur diese eklige Suppe an. Ich verhungere hier!“ Jette ignorierte die Reklamation ihres Vaters einfach und begrüßte erstmal ihre Mutter.

„Hallo Mama! Wie geht es dir? Du schaust müde aus.“ Jette schob den letzten Stuhl ans Bett und setzte sich.

Boschi musste stehen, gab ganz verlegen zuerst Frau von Jettenbach und danach Jettes Vater die Hand. „Guten Morgen!“

„Seit ich weiß, dass die OP von Franz gut verlaufen ist und er auf Station verlegt wurde, ist meine Müdigkeit wie weg geblasen. Jette, sag lieber deinen dickköpfigen Vater, den alten Sturesel, dass er seine Suppe aufessen soll!“

„Eben die OP ist gut verlaufen! Ich hab Hunger! Junger Mann, bitte holen Sie mir was zum Essen. Etwas zum Kauen!“ Franz von Jettenbach schaute Boschi mitleidig an.

Boschi brauchte nicht zu antworten, denn Frau von Jettenbach half ihm aus der Patsche. „Ja nicht, Herr Dippold! Die Oberschwester hat gesagt, er bekommt erst morgen normales Essen. Bis dahin gibt es nur Passiertes! Übrigens, Franz, darf ich dir Vorstellen, Hauptkommissar Robert Dippold. Er ist Jettes Chef und ist gestern Nacht sofort gekommen, um uns zu helfen. Herr Dippold, ich glaube es ist an der Zeit Sie zu duzen. Sie kümmern sich so toll um unsere Tochter, unterstützen uns nach diesem schrecklichen Überfall und sind jetzt ein guter Freund der Familie. Ich bin die Hilde und der starrköpfige, alte Mann im Bett ist der Franz!“

„Robert Dippold, aber alle sagen Boschi zu mir.“ Erneut gab Boschi Jettes Eltern die Hand und sah aus den Augenwinkeln, wie sich Jette freute. „Das ist doch nicht der Rede wert. Ich helfe gerne.“

In diesem Moment öffnete sich die Tür zum Krankenzimmer. Der Oberarzt kam zur Visite und bat die Angehörigen den Raum kurz zu verlassen. Hilde von Jettenbach flüsterte den Oberarzt im Vorbeigehen noch ins Ohr, ihren Mann zum Essen zu animieren. Boschi verabschiedete sich gleich von Franz und wollte vorm Krankenhaus auf Jette warten. Sie kam mit ihrer Mutter nach drei filterlosen Zigaretten und zusammen fuhren sie nach Hause. Jette setzte ihre Mutter vor dem Haus ab und fuhr mit Boschi gleich weiter.

„Auf was hast du Lust, Boschi?“, fragte Jette, während sie in unnachahmlicher Art durch Ingolstadt kurvte.

„Weißwurstfrühstück?“ Boschi lief das Wasser im Mund zusammen.

Jette und Boschi verbrachten zusammen einen wunderbaren Tag in Ingolstadt. Zuerst bekam Boschi seine kesselfrischen Weißwürste im Weißbräu, einer bayrischen Wirtschaft gegenüber vom alten Rathaus. Gemeinsam saßen sie vor dem Lokal, unter der Markise im Schatten, und lauschten dem Glockenspiel über dem Eingang der Traditionsgaststätte. Danach zeigte Jette ihren Chef den Auwaldsee im Südosten von Ingolstadt. Sie spazierten nebeneinander den Rundweg entlang, begegneten einigen Joggern und vielen Sonnenanbetern, die am Ufer des Sees die Liegeflächen bevölkerten. Darunter viele verliebte Pärchen, die ungeniert in der Nachmittagssonne flirteten oder sich küssten. Jette trug ein leichtes, knielanges Sommerkleid, in dem sich ihr Busen deutlich abzeichnete, während es Boschi in seiner alten Jeans und dem grünen Polohemd langsam zu heiß wurde. Er bemerkte das Jette immer ruhiger wurde und schließlich gar nichts mehr sagte. Eine ganze Weile liefen sie wortlos am See entlang. Plötzlich nahm Jette Boschis Hand und sah ihn hoffnungsvoll an. Boschi lächelte und drückte leicht Jettes Finger. Während sie still weitergingen, streichelte Jette mit ihrem Zeigefinger immer wieder Boschis Handinnenfläche. Boschi schwitzte noch mehr, bekam einen roten Kopf und war gleichzeitig froh und traurig, als sie an einem Waldlehrpfad ankamen und Jette seine Hand losließ. Gemeinsam rieten beide die gestellten Fragen auf der Holztafel um die Wette und alberten herum wie Schulkinder. Die Zeit verging viel zu schnell. Zurück am Ausgangspunkt verlor Boschi noch mit fünf Schlägen mehr als Jette auf der Minigolfbahn und danach schlemmten beide ein Stück Torte mit Kaffee in der Gaststätte am See. Nach einem Glas „Hugo“ für Jette und einen „Veneziano“ für Boschi, entdeckten sie den, zwischen hohen Schilf versteckten, kleinen Bootsverleih. Den ganzen Tag hatte sie schon die Ruderboote auf den See beobachtet.

„Komm Jette, wir leihen uns ein Boot!“ Ohne eine Antwort abzuwarten legte Boschi 30 Euro auf den Tisch des Bootsverleihers, nahm Jettes rechte Hand und zog sie in Richtung Steg.

Jette sträubte sich wie ein Kindergartenkind. „Halt Boschi! Ich kann nicht!“

„Was kannst du nicht? Hast du Angst? Kannst du nicht schwimmen?“, fragte Boschi überrascht, denn auf der Polizeischule musste eigentlich jeder Anwärter schwimmen lernen.

„Doch schon … aber nicht so richtig“, druckste Jette herum.

„Ach geh zu! Haha! Hast du nur das kleine Seepferdchen geschafft?“ Boschi war klar, dass Jette ungern zugab, etwas nicht richtig zu können. Jette besaß einfach den Ansporn überall die Beste zu sein.

„Hör auf zu lachen Boschi. Das ist nicht lustig!“

„Keine Angst Jette! Ich hab eine Ausbildung als Rettungsschwimmer bei der Wasserwacht Wörthsee. Nun komm schon! Ich rette dich, wenn das Boot untergeht, haha!“

Zögerlich folgte Jette ihren Chef und dachte dabei. „Was denkt der sich … der … Nein, Boschi ist doch lieb. Ich mag ihn eigentlich ganz gern.“ Ängstlich und unsicher stieg Jette ins schwankende Boot. Boschi hielt sie dabei mit seinen starken Händen fest. Jette saß endlich, krallte sich aber zitternd mit beiden Händen am Bootsrand fest. Boschi nahm in der Mitte Platz, schnappte sich beide Ruder und paddelte los. „So Jette, jetzt geht es dir endlich mal genauso wie deinem Beifahrer, wenn du mit ihm, mit achtzig durch die Stadt rast, haha!“

„Du bist gemein! Außerdem rase ich nie!“ Dann hielt Jette lieber den Mund und konzentrierte sich darauf die Schwankungen des Bootes so gut wie möglich auszugleichen. Fünf Minuten später hatte sie sich an das Schaukeln gewöhnt, sie fühlte sich sicherer und es machte Spaß von Boschi über den See gerudert zu werden. In der Mitte des Sees zog Boschi die Ruder auf einmal ein und ließ das Boot treiben.

„Du sitzt viel zu weit weg!“, stellte Boschi nach einer Weile fest. „Komm setz Dich zu mir!“

Jette sah ihn fragend an. „Das Boot ist viel zu klein! Da ist kein Platz für zwei Leute nebeneinander. Außerdem hab ich Angst aufzustehen. Hilfe! Das Boot kentert gleich!“ Jette versuchte im schwankenden Boot zu stehen und bemühte sich das Gleichgewicht zu halten.

Boschi machte ihr Mut. „Trau dich Jette! Das Boot liegt ganz ruhig auf dem Wasser. Komm setz dich vor mich hin. Ich halte dich fest!“

Vorsichtig, auf allen Vieren, krabbelte Jette auf Boschi zu. Der zog sie zwischen seine Beine und umschloss mit seinen Armen ihre Hüfte. Jette ließ sich die Umarmung wortlos gefallen. Sie fühlte sich in Boschis Nähe so geborgen. Still und fast bewegungslos lag das Boot im See. Der Abendhimmel zeigte die erste zarte Rötung am Firmament und Boschi roch den zarten Duft von Jettes langen, blonden Haaren, die seinen Hals kitzelten. Boschi versuchte ruhig zu bleiben und die Zeit mit Jette zu genießen. Langsam streichelten seine Finger ihren festen Bauch. Sein Verstand sagte Boschi, kein Verhältnis mit einer Abeitskollegin anzufangen, doch sein Gehirn weigerte sich. Vorsichtig näherten sich Boschis Lippen Jettes Kopf. Er konnte sich nicht mehr zurückhalten und küsste Jette zärtlich in die Halsbeuge. Sie zuckte leicht, schlang ihre Arme rücklings um seinen Kopf, suchte Boschis Lippen und erwiderte hingebungsvoll seinen Kuss. Minutenlang ließen sich ihre Lippen nicht los und ihre Körper bebten nach Verbundenheit. Langsam setzte die Dämmerung ein und der Abendhimmel zeigte sich postkartenwürdig. Boschi und Jette schmiegten sich liebevoll aneinander und beobachteten vereint, wie die rot glühende Sonne den Tag verabschiedete. Erst ein rücksichtsloser Pfiff vom hektisch winkenden Bootsverleiher, der endlich Feierabend machen wollte, riss beide aus dem leidenschaftlichen Miteinander. Schnell ruderte Boschi ans Ufer und übergab mit hochrotem Kopf das Ruderboot an den grinsenden Bootsverleiher.

*

Jettes Elternhaus war dunkel. Ihre Mutter Hilde hatte ihnen eine Nachricht am Küchentisch hinterlassen, dass sie die Nacht im Krankenhaus bei Franz verbringen wolle. Außerdem hatte sie für Jette und Boschi vorgekocht. Auf dem Herd stand eine leckere, noch warme Bolognese Sauce. Während Jette Spaghetti kochte und den Tisch deckte, ging Boschi in den Keller zum Weinregal und holte eine Flasche Südtiroler Edelvernatsch. Sie verstanden sich fast wortlos, als wenn sie schon immer miteinander leben würden. Beim Essen saßen sie sich gegenüber und beide konnten die Augen nicht voneinander lassen. Jette konnte kaum die Beine ruhig halten, ihr Schoß erzitterte, sehnte sich nach Zärtlichkeit. Sie beobachtete Boschi, der auch unruhig und nervös auf seinem Stuhl hin und her rutschte. Jette gab sich sichtlich einen Ruck, trank ihr Glas in einem Zug aus, stand mit schlottrigen Beinen auf und ging zu Boschi. Mutig fasste sie in Boschis kurze Haare und küsste seine Stirn. „Du bist mein größter Schatz. Ich liebe Dich!“, hauchte sie ihm zu.

„Eigentlich ist es reiner Wahnsinn, was wir machen. Jette! Aber ich liebe dich auch!“ Boschi zog Jette auf seinen Schoß und küsste sie zärtlich auf ihre bebenden Lippen.

„Komm Boschi!“ Jette schubste ihn die Treppe in den ersten Stock hinauf, drängte Boschi in ihr Jugendzimmer und ineinander verschlungen fielen sie auf Jettes Bett.

*

Eine unheimliche Gestalt, mit einer schwarzen Mönchskutte bekleidet, schlich durch die nächtlichen Straßen von Tutzing. Leise kichernd blieb sie immer wieder vor dunklen Häusern mit Hinterhöfen stehen und hielt minutenlang Ausschau in der Umgebung. Manchmal hörte man ein leises „Miauen“ und danach wieder ein unheimliches Kichern. Kein Mensch war in der dunklen Nacht unterwegs und niemand sah, wie sich eine graue Katze zutraulich und neugierig dem geheimnisvollen Mönch näherte. Blitzschnell fasste der zu und die Katze verschwand laut kreischend in einem Sack unter der Kutte. „Hahaha!“ Ein lautes hämisches Lachen schallte durch die nächtlichen Straßen von Tutzing.

*

Jette erwachte durch lautes Vogelgezwitscher und die Sonnenstrahlen, die ihre Nase kitzelten. Sie öffnete die Augen und blickte auf ihre Lieblingspuppe Sara, die sie mit großen Augen, halb verdeckt von ihrem Sommerkleid, anstarrte. Blitzartig erinnerte sie sich an den vergangenen Abend. Jette spürte, neben ihr lag der schönste Mann der Welt. Sie drehte sich vorsichtig und betrachtete Boschi, der ruhig, mit gleichmäßigen Atemzügen neben ihr schlief. Sie bewunderte sein hageres Gesicht mit den kurzen Bartstoppeln am Kinn und den Wangen. Seine Wimpern waren fast länger als ihre! Mein Gott, welch schöne ebenmäßige, gerade Nase Boschi nur hat. Aber das Beste waren seine göttlichen Lippen. Diese Lippen hatten sie in der vergangenen Nacht an den Rand der Bewusstlosigkeit geküsst. Wie ein griechischer Gott lag er neben Jette im Bett. Vorsichtig pustete sie Boschi Luft ins Gesicht. Erst reagierte er nicht, dann drehte er sich plötzlich zur Seite und brummelte in das Kopfkissen. „Ich liebe Dich auch!“

„Aufstehen Schatz!“ Boschi zeigte keinerlei Reaktion. „Du willst es also nicht anders haben!“ Jette fing an Boschi zu kitzeln. „Aufstehen!“

„Haha!“ Boschi zuckte herum und stürzte sich auf Jette. „Das gibt Rache!“ Boschi hockte sich blitzschnell auf ihrem Bauch, hielt ihre Arme neben dem Kopf fest und leckte wie ein Hund Jettes Gesicht.

„Igitt! Geh runter von mir!“, lachte Jette und versuchte sich zu befreien. „Ich geb auf!“

Boschi hielt inne und küsste Jette zärtlich. Dann sprang er nackt aus dem Bett und streifte seine Jeans über. „Ich geh schnell duschen Schatz.“

Jette lag noch eine ganze Zeit lang glücklich im Bett und dankte Gott für den wunderbaren Menschen, der ihr Leben verändert hatte. Ruhig schaute sie sich um, ihr Blick ging zufällig zur Uhr. „Scheiße! Schon 11 Uhr!“ Jette sprang auf, rannte nach unten in die Küche und zuckte überrascht zusammen.

„Guten Morgen, mein Kind! Hast du gut geschlafen?“ Hilde von Jettenbach war unvermutet früh zurück aus dem Krankenhaus und packte gerade frische Semmeln aus.

Jette wusste im ersten Moment nicht, wie sie reagieren sollte. Ihre Mutter hatte sicher bemerkt, das Boschi nicht auf dem Sofa geschlafen hatte. „Ah, gut. Wie geht es Paps?“, versuchte Jette abzulenken.

„Besser! Am Montag darf er aufstehen und wahrscheinlich am Mittwoch nach Hause. Musste Robert schon wieder zurück nach Starnberg?“

Jette wurde schlagartig rot im Gesicht. Mama anlügen half eh nicht. Boschi würde gleich frisch geduscht und freudestrahlend die Treppe herunter kommen. „ Nein Mama, er hat oben, bei mir geschlafen!“, gab Jette schüchtern zu.

„Das hab ich mir schon gedacht. Du hast ihn ja, seit er hier ist, in einer Tour angehimmelt. Hast du dich in ihn verliebt?“

„Ja! Er ist ein wundervoller Mann, Mama“, schwärmte ihr Jette freudestrahlend vor.

„Ich finde, ihr seid ein hübsches Paar! Wie alt ist Robert eigentlich?“

„Vierzig. Sag jetzt ja nicht, Boschi ist zu alt für mich?“ Jette sah ihre Mutter fragend an.

„Keine Angst mein Kind. Nein, das Alter ist doch heutzutage unwichtig. Liebe kennt keine Altersunterschiede. Ich frage nur wegen der Babysöckchen, hihi!“

„Mama! So weit ist es noch lange nicht. Wir kennen uns doch …“

„Guten Morgen, meine Damen!“ Boschi kam vom Duschen. „Was ist noch nicht so weit?“

„Äh, der Kaffee!“, bemerkte Hilde von Jettenbach gedankenschnell, während Jette grinsend eine Semmel aufschnitt. „Robert schau doch gleich mal, ob der Kaffee inzwischen durchgelaufen ist und bring die Kanne mit!“

Boschi setzte sich an den Frühstückstisch und wunderte sich, weil sich Jette und ihre Mutter nicht weiter unterhielten. Boschi tastete mit den Fingern in sein Gesicht und blickte dann von oben nach unten auf seine Kleidung. „Hab ich noch Schaum auf dem Kopf? Ich bin frisch geduscht, hab alles richtig herum an und der Hosenschlitz ist auch zu, haha! Stimmt etwas nicht? Geht es Franz etwa schlechter!“

„Hihi! Nein Boschi, alles OK bei Paps!“ Jette stand auf und küsste Boschi liebevoll auf die Wange. „Ich hab Mama nur von uns beiden erzählt, Schatz!“

„Ach geh zu!“ Boschi war erst mal richtig perplex, wie offen Mutter und Tochter miteinander umgingen. Jetzt hatte es ihm die Sprache verschlagen. „Jette hätte wirklich noch ein wenig warten können, ihr Verhältnis preiszugeben. Was soll`s! Die Familie Jettenbach ist ehrlich zueinander und ich lieb Jette einfach zu sehr, um ihr böse zu sein. Jetzt gibt es keine Heimlichtuerei und man kann ganz offen reden“, dachte sich Boschi und war froh über Jettes mutiger Aktion. Die Stimmung beim Frühstück war danach locker und harmonisch und Boschi bemerkte, wie ihn Jette bei jeder Gelegenheit anlächelte. Sie war einfach verliebt und Boschi ging es nicht anders.

Nach dem Frühstück packte Boschi seine wenigen Sachen zusammen, während Jette und ihre Mutter den Tisch abräumten. Boschi musste sich schweren Herzens verabschieden. „Jette, kommst du noch mit nach draußen?“

„Wieso? Musst du schon weg? Bleib doch noch bis Sonntag“, sagte Jette überrascht.

„Ich muss Jette! Meine Minka vermisst mich bestimmt schon und wartet auf ihr Futter. Ich bin ja mitten in der Nacht los und konnte den Nachbarn nicht Bescheid geben, mal nach der Katze zu schauen.“

Besorgt dachte Jette an Boschis Hauskatze. „Ach so, ja natürlich! Schade, ich hab ja ganz vergessen, das zuhause eine weitere Liebschaft auf dich wartet!“

Boschi verabschiedete sich von Frau von Jettenbach mit einer Umarmung. Jette begleitete ihn nach draußen zu seinem VW Käfer. Zum Abschied küssten sie sich leidenschaftlich, Boschi spürte ein verlangendes Zittern in Jette und er versuchte seine aufkommende Erregung zu unterdrücken. Boschi löste die Umarmung und strich Jette die langen blonden Haare aus dem Gesicht. „Ich liebe dich!“

„Ich liebe dich auch, Boschi!“, schluchzte Jette und war den Tränen nahe. Boschi stieg in sein Auto und kurbelte schnell die Scheibe der Beifahrertür herunter.

„Jette, warte! Fast hätte ich es vergessen. Äh, du musst ja am Montag auch wieder arbeiten. Könntest du vielleicht schon am Sonntag losfahren. Ich möchte gerne am Abend für dich kochen.“

„Du kannst Kochen?“ Jette schmunzelte bei der Vorstellung. Boschi in Kochschürze! „Ich freue mich Schatz. Soll ich vorsichtshalber Pizza mitbringen, hihi!“

„Da gibt`s gar nichts zu lachen! Warte nur, du wirst dich wundern!“, rief Boschi durch das Fenster, startete den Motor und fuhr hupend los.

*

Am Nachmittag besuchte Jette, zusammen mit ihrer Mutter, ihren Vater im Krankenhaus. Ihm ging es wesentlich besser. Er wollte unbedingt aufstehen, machte bereits Späße und hielt das Pflegepersonal auf Trab. Jette hatte mit ihrer Mutter vereinbart, ihren Vater noch nichts von der Beziehung zwischen ihr und Boschi zu erzählen. Wenn er wieder gesund war, wollte es ihm Jette unbedingt selbst sagen. Am Abend ging sie mit ihrer Mutter chinesisch essen. Jette konnte die ganze Zeit keinen klaren Gedanken fassen. In ihrem Kopf drehte sich alles um ihre Liebe zu Boschi. Später, vor dem Einschlafen, als sie allein in ihrem Bett lag, wünschte sie sich, er wäre bei ihr. Vergeblich schnüffelte sie am Kopfkissen, ob es vielleicht noch den angenehmen Geruch von Boschi behalten hatte. Sie vermisste ihn schon jetzt. „Hoffentlich ist es bald Sonntagabend!“, dachte Jette mehrmals, bevor sie endlich einschlief.

*

Jette besuchte am Sonntagmorgen nochmal ihren Vater im Krankenhaus, dem es von Tag zu Tag besser ging. Beruhigt über seinen Gesundheitszustand stieg sie in ihr Auto und fuhr zurück nach Percha, in der Nähe von Starnberg, in ihre kleine Zweizimmerwohnung, um sich für Boschi hübsch zu machen. Sie konnte es kaum erwarten Boschi in die Arme zu schließen und wusste natürlich wieder mal nicht, was sie anziehen sollte. Die Hitzewelle der letzten Tage hielt weiter an und die Wettervorhersage sagte 29 Grad mit einzelnen Gewittern voraus. Jette entschied sich schließlich für einen kurzen Jeansrock und einem floralen T-Shirt, dazu flache Ballerinas. Einen schwarzen Bikini zog sie anstatt Unterwäsche drunter, denn Boschis Haus besaß eine große Terrasse und vielleicht konnte sie ja vor dem Abendessen noch ein wenig Sonne tanken. Jette war viel zu früh dran. Es war erst vier Uhr, als sie bei Boschi ankam. Sie hoffte, er war ihr nicht böse über den vorzeitigen Besuch.

Boschi lag auf einer Holzliege unter einem riesigen, terracotta farbenen Sonnenschirm im Schatten. Er hatte sich gerade ein kühles Weißbier eingeschenkt und eine seiner filterlosen Zigaretten angezündet. Damit er nicht die ganze Zeit am Herd stehen musste und genügend Zeit für Jette hatte, war sein Abendessen mit Jette gut vorbereitet, fast fertig. Er sah Jette in ihrem roten Flitzer ankommen und reagierte erst mal nicht. Es war viel zu warm um aufzustehen.

Jette nahm sich Zeit für den kurzen Weg vom Gartentor bis zur Terrasse, denn sie war begeistert von Boschis blühenden Garten. Rosen, Clematis, Lilien, Fingerhut, Hortensien dufteten um die Wette. Bienen und Schmetterlinge stritten sich um Nektar und im Gartenteich spiegelten sich die Loopings von bunten Libellen auf dem Wasser, in dem Goldfische und rot-weiß-orange Kois ruhig ihre Kreise zogen. Viele Blumen und Blüten kannte Jette gar nicht. Letztes Jahr im November, als Boschi den Führerschein abgeben musste, hatte sie ihn fast jeden Tag chauffiert und damals war ihr zwar aufgefallen, dass er einen großen Garten besaß, doch hatte außer lila- und rosafarbenen Herbstastern nichts mehr geblüht. Boschi lebte ja in einem Paradies, nur sah sie ihn nirgends. Sie ging ums Haus zur Terrasse. Auf dem Tisch stand ein frisch eingeschenktes Weißbier. Eine verräterische Rauchfahne stieg hinter einer Sonnenliege auf. Boschi rauchte wieder einen seiner stinkenden Glimmstengel. Jette kam eine Idee, griff sich eine herumstehende volle Gießkanne und schlich sich von hinten auf Zehenspitzen an.

Boschi verhielt sich im Liegestuhl ganz ruhig und wunderte sich, was Jette so lange machte.

„Feuer! Feuer!“, schrie Jette plötzlich und leerte die Gießkanne über den überraschten Boschi. „Haha, hihi! Es brennt! Hihi!“

Boschi sprang pitschnass von der Liege auf, sah sich kurz von oben nach unten an und wischte sich das Wasser aus den Augen. „Na warte, wenn ich Dich erwische!“ Er versuchte Jette einzufangen, die jedoch blitzschnell kehrt gemacht hatte und in Richtung Gartentor davon lief. Boschi verfolgte sie, war aber in seinen Badeschlappen viel zu langsam. Jette versteckte sich im hinteren Teil des Gartens und entdeckte ein Gewächshaus. Während Boschi zwischen den Holunderbüschen und Johannisbeeren nach ihr suchte, schlich sie durch die offene Tür des Treibhauses, in dem in der Mitte ein rot-weiß gestreifter Strandkorb stand. Schnell verkroch sich Jette hinter den dicken Polsterauflagen. Boschi hatte Jette in den Augenwinkeln gerade noch im Glashaus verschwinden sehen, ließ sich jedoch nichts anmerken und suchte scheinbar weiter. Von hinten schlich er auf Zehenspitzen zum Gewächshaus und schnappte sich dabei den Gartenschlauch. Schon an der Tür hörte er Jette im Strandkorb leise kichern. Boschi drehte den Wasserschlauch voll auf, goss scheinheilig zuerst Gurken und Tomaten, bevor er mit vollem Strahl den Strandkorb unter Wasser setzte.

„Uah! Halt! Boschi, hör auf! Hilfe! Ich ertrinke!“, prustete Jette pudelnass und hielt sich ein Polster schützend vors Gesicht.

„Strafe muss sein, mein Schatz! Du hast angefangen!“ Boschi ließ den Schlauch fallen, drückte Jette in die nassen Polster und küsste sie leidenschaftlich. „Schön, das du schon da bist!“

Minutenlang konnten beide nicht voneinander lassen. Boschis Lippen und Hände wanderten über alle Regionen ihres nassen Körpers. Sein kitzelnder drei-Tage-Bart versetzte Jette in ein berauschendes Hochgefühl. Sie spürte ein heftiges Verlangen nach Boschis Glied in ihrem Schoß aufkommen, dass sich jetzt deutlich in seinen nassen Shorts abzeichnete. Kurz bevor bei ihr der Verstand aussetzte, wurde Jette bewusst, dass sie sich in einem Glashaus befanden, das jedermann einsehen konnte. „Ich liebe Dich Boschi! Aber …“

„Pst!“ Boschi legte zärtlich seinen Zeigefinger auf Jettes Lippen. „Ich weiß Schatz! Keine Angst, hier sieht uns niemand!“

„Bist … du … sicher?“, keuchte Jette erregt, gab sich Boschis Zärtlichkeiten demütig hin und kostete von Boschis Liebeskunst, getrieben von ihrer überschwänglichen Lust.

*

Das vorhergesagte Gewitter blieb heute aus. Der Föhn hatte den ganzen Tag angehalten und die Berge rund um den Starnberger See waren zum Greifen nahe. Eingebettet lag der See wie in einem riesigen Amphitheater. Die Urlauber, Tagestouristen und Wassersportler hatten einen traumhaften Tag am See erlebt. Jetzt ging die Sonne in einem wunderschönen Abendrot unter und langsam kehrte wieder Ruhe ein. Die leichten Wellen im See kräuselten sich silberfarben im letzten Licht. Plötzlich erschienen Luftblasen im Wasser. Zuerst nur wenige, dann immer mehr. Abruppt schwappte ein lebloser, aufgeweichter Körper an die Wasseroberfläche und trieb Richtung Ufer.

*

Jette erwachte im feuchten Strandkorb und fröstelte. Das Gewächshaus stand inzwischen im Schatten der Bäume und Boschi war verschwunden. „Mein Gott, ich bin ja splitternackt!“, dachte Jette beschämend. Sie suchte hektisch nach ihrem Bikini, den sie schließlich auf dem Dach des Strandkorbes fand. Ihre restliche Kleidung war nicht auffindbar. Jette lief ums Haus zur Terrasse. Ihr T-Shirt und ihr Rock trockneten auf den Sonnenliegen in der Abendsonne.

„Setz dich Schatz! Das Essen ist gleich fertig.“ Boschi kam mit verschiedenen Tellern und Besteck in den Händen aus der Terrassentür. „Was möchtest du trinken?“

„Was hast du denn gekocht?“, fragte Jette neugierig, nahm Boschi die Teller ab und deckte den Terrassentisch.

„Schwimmerli Supp, gefolgt von Kalbstafelspitz mit Meerrettichsoß und breite Nudel. Zur Nachspeise, Arme Ritter“, antwortete Boschi, während er rote Stoffservietten in kunstvolle Rosenblüten verwandelte. „Dazu würde hevorragend a Schöbble Rotling passen!“

„Äh, was für Suppe? Und welche Nachspeise? Ritter? Tafelspitz kenn ich!“ Jette verstand nur „Bahnhof“ und wartete ratlos auf die Übersetzung.

„Haha, Schwimmerli sind bei uns in Franken Backerbsen und arme Ritter ist ein Semmelauflauf“, klärte Boschi Jette schnell auf. „A Schoppen Rotling ist ein Glas leichter, halbtrockener, roséfarbener Frankenwein.“

„Das hört sich ja lecker an, hoffentlich schmeckt es auch so.“ Jette lief das Wasser im Mund zusammen.

„Darauf kannst du dich verlassen, mein Schatz. Hobby Nummer 1 ist mein Garten und Hobby 2 ist Kochen!“

„Haha, und an welcher Stelle komme ich?“, lachte Jette erwartungsvoll.

„Du? Das muss ich mir erst noch genau überlegen!“, antwortete Boschi frech und verschwand schnell im Haus.

Boschis Menü schmeckte Jette hervorragend. Das Beste war die Nachspeise, der Semmelschmarrn, den Boschi noch mit heißen Kirschen übergossen hatte. Nach dem Essen räumten sie zusammen die leeren Teller ab und genossen mit einem Glas Wein die Abendsonne. Nebeneinander lagen sie wortlos in den Sonnenliegen und betrachteten glücklich den Sonnenuntergang. Die Sonne verschwand vom wolkenlosen Himmel hinter den sanften Hügeln um den Wörthsee in einem fantastischen Farbenspektakel. Jette beugte sich hinüber zu Boschi und küsste ihn. „Ich liebe dich!“

„Ich liebe dich auch! Komm!“ Boschi trug Jette auf Händen ins Schlafzimmer.

Leichenwasser

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