Читать книгу Lesekompetenz fördern - Christine Garbe - Страница 8

1.3 Das didaktische Mehrebenenmodell der Lesekompetenz

Оглавление

Cornelia Rosebrock und Daniel Nix bauen in ihren »Grundlagen der Lesedidaktik« (2008, 8. Aufl. 2017) auf dem sozialisationstheoretisch fundierten Modell auf. Auch sie betonen, dass man für das Messen von Leseverstehensleistungen (bei PISA, IGLU u. a.) ein anderes Modell benötigt als für die Diagnose von Leseschwächen und die Gestaltung von Leselernprozessen [21]im Unterricht. Gerade im Hinblick auf eine Systematisierung der Handlungsdimensionen von Leseförderung wird ein detailliertes Modell benötigt, das eine Zuordnung einzelner Fördermethoden zu den verschiedenen Aspekten von Lesekompetenz erlaubt.


Abb. 4: Mehrebenenmodell des Lesens (nach Rosebrock & Nix 2017, S. 15)

Rosebrock & Nix stellen ein »Mehrebenenmodell des Lesens« vor, das visualisiert ist als kegelförmiger Ausschnitt aus drei konzentrischen Kreisen: Der Innenkreis beschreibt die Prozessebene des Lesens und umfasst vor allem die kognitiven [22]Anforderungen des Leseaktes. Dazu gehören insgesamt fünf Anforderungsdimensionen, die von den hierarchieniedrigen zu den hierarchiehöheren Prozessen voranschreiten: a) Buchstaben-, Wort- und Satzerkennung; b) lokale Kohärenzbildung durch Verknüpfung von Satzfolgen sowie Einbezug von Sprach- und Weltwissen; c) globale Kohärenzherstellung über Thema und Inhalt des gesamten Textes; d) Einordnen eines Textes in »Superstrukturen«, das heißt Textsortenmuster, die zum Verständnis des Textes herangezogen werden, und e) Aufbau eines mentalen Modells und Identifikation von (formalen) Darstellungsstrategien und Erzählkonventionen (vgl. Rosebrock & Nix 2017, S. 17 ff.).

Der mittlere konzentrische Kreis(ausschnitt) beschreibt die Subjektebene, der äußere konzentrische Kreis(ausschnitt) die soziale Ebene (vgl. ebd., S. 20 ff.). Die Subjektebene umfasst vor allem die Dimensionen, die im sozialisationstheoretischen Modell Motivationen, Emotionen und Reflexionen heißen; an die Stelle des Terminus »Emotionen« tritt hier der Terminus »innere Beteiligung«, der eine umfassendere Bedeutung hat. Ferner ist ergänzt die Dimension des subjektiven Weltwissens und das »Selbstkonzept als (Nicht-)Leser/in«, in dem sich alle Aspekte der Subjektebene bündeln. Die aktuellen Selbstwirksamkeitsüberzeugungen eines Subjekts – zum Beispiel im Hinblick auf das Lesen – sind das Ergebnis einer langen Lerngeschichte, bei der positive wie negative Erfahrungen in einer bestimmten Weise interpretiert (»attribuiert«) wurden. Dieses Selbstkonzept als (Nicht-)Leser/in dürfte einen starken Einfluss auf die je aktuelle Lesemotivation haben; dies haben insbesondere Möller & Schiefele (2004) hervorgehoben (vgl. Kap. 3 in diesem Band).

Die soziale Ebene umfasst verschiedene Sozialisationsinstanzen (Familie, Schule, Peergroup) sowie im weitesten Sinne das kulturelle Leben und beschreibt die Dimension der [23]Anschlusskommunikation (vgl. ebd., S. 23 ff.). Damit ist gemeint, dass der gesamte Prozess des Erwerbs von Lesekompetenz in Kindheit und Jugend besonders intensiv auf stützende soziale Kontexte angewiesen ist. Von den frühen Vorlesegesprächen im Kleinkindalter bis zum »Literarischen Gespräch« im Deutschunterricht, von der Buchempfehlung im Freundeskreis bis zum Lektürezirkel im akademischen Betrieb gilt: Lesen ist keine »einsame Tätigkeit«; die lebensgeschichtliche Ausbildung einer stabilen Lesepraxis ist auf personale Beziehungen angewiesen.

Im Vergleich mit dem sozialisationstheoretischen Modell von Hurrelmann systematisieren Rosebrock & Nix stärker unter didaktischen Aspekten, an welchen Dimensionen von Lesekompetenz einzelne Maßnahmen der Leseförderung ansetzen. In ihrem Buch »Grundlagen der Lesedidaktik und der systematischen schulischen Leseförderung« beschreiben sie sechs Verfahren der Leseförderung im weiterführenden Leseunterricht5, die geeignet sind, jeweils eine oder mehrere Dimensionen der in dem Modell ausdifferenzierten kognitiven, subjektiven und sozialen Aspekte der Lesekompetenz gezielt zu fördern. Für ein systematisches Lesecurriculum in der Schule ist zu beachten, dass diese Verfahren einander ergänzend eingesetzt werden müssen, um alle Aspekte der Lesekompetenz, Lesefreude und Lesemotivation angemessen zu fördern.

Lesekompetenz fördern

Подняться наверх