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DIE VERHAFTUNG

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Ich saß im Gebüsch und beobachtete die Umgebung. Der Abend dämmerte schon, aber die Gegend war hell erleuchtet. Überall fuhren Polizeiautos, überall liefen aufgeregte Polizisten herum. Ich verstand nicht alles, was sie sich zuriefen, denn sie sprachen flämisch – ich befand mich in Belgien. Und ich wusste nicht, wie ich mich nun verhalten sollte. Gerade wurde mein damaliger Mann Klaus-Dieter verhaftet, und nun suchte man mich. Anscheinend zwangen sie meinen Mann, mich aus meinem Versteck zu locken, denn er trat – umringt von schwerbewaffneten Polizisten – aus dem Haus. Die Arme hatte er hinter seinem Kopf verschränkt, und er rief nach mir. Vergeblich! Denn ich versteckte mich nur noch tiefer im Gebüsch und überlegte, was ich nun tun sollte. Zuerst kroch ich rückwärts, um den nahen Wald zu erreichen. Die Polizisten, die immer noch schwerbewaffnet herumliefen, ließ ich dabei nicht aus den Augen. Ich gelangte tatsächlich ungesehen an den Waldrand und lief nun gebückt ein ziemliches Stück in den Wald hinein. Leider erreichte ich das andere Ende des Waldes sehr schnell.

Voller Entsetzen musste ich feststellen, dass anscheinend das ganze Dorf von der Polizei umringt war. Mir wurde klar, dass ich wohl keine Chance hatte, den Beamten zu entkommen. Wohin auch? Ohne Geld, ohne Papiere, in einem fremden Land und alleine? Ich verhielt mich ruhig und überlegte. Ja, ich hatte auch Angst. Angst, erschossen zu werden. Aber was passierte, wenn ich mich stellte? Gefängnis! Viele Jahre vielleicht.

Wie viel Zeit wirklich vergangen ist, seit Klaus-Dieter verhaftet wurde, weiß ich heute nicht mehr. Es war jedenfalls mitten in der Nacht, als ich mich entschloss, umzukehren und mich zu stellen. Ich konnte unbemerkt wieder zu dem Gebüsch schleichen, in dem ich mich zuvor versteckt hatte. Ich hatte Angst, einer der Polizisten würde vielleicht die Nerven verlieren und auf mich schießen, wenn er mich bemerkte. Doch dann fasste ich allen Mut zusammen und rief den aufgeregten Männern zu: „Nicht schießen! Ich komme!“ Ich konnte gar nicht so schnell reagieren, wie die Polizisten mich umringten. Ihre Schnellfeuergewehre waren auf mich gerichtet, als zwei der Männer mir sofort Hand- und Fußfesseln anlegten. An Ort und Stelle wurde ich von den Männern nach Waffen durchsucht. Ich war aber unbewaffnet. Dann wurde ich in das Haus gestoßen, auf dessen Grundstück wir uns befanden. Die Männer redeten mit barschen Worten auf mich ein, aber ich war viel zu aufgeregt, um alles zu verstehen. In der Küche des Hauses saß bereits Klaus-Dieter und sah mich zerknirscht an. Ich wurde auch auf einen Stuhl gestoßen.

Einer der Polizisten in Zivil sprach fast akzentfreies Deutsch. Er verlangte Auskunft darüber, was wir mit den Waffen vorgehabt hätten. Ich stellte auf stur und gab keinen Laut von mir. Auch Klaus-Dieter verhielt sich so.

Achselzuckend wurden wir nun in die Polizeiautos gebracht und in das Gefängnis nach Gent gefahren. Dort ließ ich meine Vergangenheit Revue passieren.

Die Aussteigerin. Autobiografie einer ehemaligen Rechtsextremistin

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