Читать книгу Genderleicht - Christine Olderdissen - Страница 6

Vorwort

Оглавление

»Die Frau, der Frau, der Frau, die Frau«. »Der Mann, des Mannes, dem Mann, den Mann«. Es muss in der dritten oder vierten Klasse gewesen sein, als Frau Peters uns das Deklinieren beibrachte. Ich hing an ihren Lippen und wollte alles richtig machen. Frau Peters, eine ältere Dame mit schwungvoll hochgesteckten grauen Haaren, war meine Lieblingslehrerin. Jahrzehnte später beschäftige ich mich wieder mit der deutschen Grammatik: Pronomen, Adjektive, semantische Kongruenz. Alles Begriffe, die zum tieferen Verständnis des Genderns nötig sind.

Was aber ist Gendern? Das Einstreuen von Gendersternchen in jeden beliebigen Text, das Sprechen mit Minipause, auch genannt Glottisschlag, die Neuerfindung merkwürdiger Partizipien wie Teilnehmende, Radfahrende und Kandidierende? Ja und nein. Gendern ist zunächst einmal das Bewusstmachen, wie männlich dominiert die deutsche Sprache ist, übrigens wie viele andere Sprachen. Und dann zu überlegen, wie können wir Frauen darin sichtbarer machen?

Frauen haben in den vergangenen Jahrzehnten extrem viel für die Gleichstellung getan: Sie sind im Beruf erfolgreich, stehen uns als Expertinnen mit ihrem professoralen Wissen zur Seite, gestalten Politik. Es führt kein Weg daran vorbei, dass wir das sprachlich abbilden. Es ist eine Frage der Gerechtigkeit, der Sorgfalt und Wahrhaftigkeit. Im Journalismus ist diese Notwendigkeit mittlerweile von vielen erkannt worden. Es gehört schlicht zum Handwerkszeug, geschlechtergerecht zu berichten.

Daneben gibt es die Gruppe der genderqueeren Menschen, eine Minderheit gegenüber der Mehrheit von Frauen und Männern. Sie stellen ihre Zuordnung zum binären Geschlechtersystem infrage und definieren sich als trans-, intergeschlechtlich oder nicht-binär. Ihr Anliegen ist es, mithilfe von Genderstern & Co. sprachlich sichtbar zu sein. Das mildere Mittel ist, möglichst geschlechtsneutral zu schreiben. Eine Gesellschaft, die sich wandelt, öffnet sich der Diversität und nimmt die Vielfalt der Menschen besser wahr als je zuvor.

Elegantes, schönes Gendern wagt den Spagat: mehr Sichtbarkeit für Frauen sowie Respekt für die Vielfalt der Menschen. Der Rat für deutsche Rechtschreibung sieht zwar Genderzeichen als Fremdkörper, dennoch unterstützt er das Vorhaben, der Sprache mehr Geschlechtergerechtigkeit zu entlocken, genauso wie die Gesellschaft für deutsche Sprache und der Duden. Spielen ist erlaubt, probieren wir also aus, wie weit wir mit dem Genderstern kommen.

Auch ohne Genderzeichen ist im Deutschen viel mehr Geschlechtergerechtigkeit möglich, als uns lange bewusst war. Selbst wenn wir die allgemeinen Rechtschreibregeln beachten, können wir so geschickt gendern, dass sich alle angesprochen fühlen ohne Anlass zur Empörung. Bedauerlicherweise ist es schwer, mit dieser Botschaft durchzudringen. Nehmen Sie dieses Buch als Anregung, Ihren eigenen Weg zum Gendern zu finden. Oder besser: zu einer geschlechtergerechten Sprache, die der Vielfalt Respekt zollt.

Christine Olderdissen

Oktober 2021

Genderleicht

Подняться наверх