Читать книгу Die Jagd - Christine Rödl - Страница 5

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Schlechte Neuigkeiten

„Irgendwie habe ich das Gefühl, dass in den Ferien die Zeit deutlich schneller läuft“, bemerkte Nina, während sie das Fell ihres Haflingers Donnerhall striegelte.

„Das Gefühl kommt mir bekannt vor“, erwiderte Iris, Ninas beste Freundin. Sie war gerade dabei die Hufe ihrer Welsh Cob Stute Hilde auszukratzen.

„So, das reicht für heute! Was meinst du Donny?“, rief Nina und streichelte ihrem Pony über den Hals. Donny war Donnerhalls Spitzname.

Zusammen führten die beiden Mädchen ihre Pferde auf die Weide. Die Herbstsonne brachte das dunkelgraue Fell des Haflingers zum Schimmern und obwohl er seine Mähne seit der letzten Schulwoche kurz trug, sah der Kohlfuchs majestätisch aus, als er die Wiese hinauf trabte.

Anstatt hinter her zu laufen, ließ sich Hilde an einer besonders staubigen Stelle nieder und wälzte sich. Ihr zuvor glänzendes braunes Fell war nun schmutzig grau. Iris seufzte tief. „Für was habe ich dich vorhin eigentlich geputzt!“, schimpfte sie, meinte es aber natürlich nicht böse. Eine Weile lang sahen die Mädchen den Pferden noch zu, wie sie fleißig Gras abrupften und über die Weide wanderten. Dann wandten sie sich gemeinsam ab und gingen zurück zum Stall. Dort machten sie ihre Putzutensilien sauber und räumten sie in die Putzkästen.

„Weißt du, was echt komisch ist?“, fragte Nina und sah ihre Freundin an. „Ich freue mich tatsächlich auf morgen, wenn wir wieder ins Internat fahren.“ Jetzt musste Iris lachen. Nina hasste die Schule normalerweise. Doch seit sie im September beide ins Pferdeinternat Bachhaupt gewechselt hatten, einem reinen Mädcheninternat, hatte sich die Einstellung ihrer Freundin deutlich geändert. Sie hatte sogar den Vorschlag gemacht, zusammen mit ihr für die Mathearbeit nach den Herbstferien zu lernen, und Iris hatte gerne zugestimmt, ihr unter die Arme zu greifen.

„Stell dir vor, ich freue mich auch schon drauf, wieder dort zu sein. Frau Graf hat mir nämlich versprochen, dass wir endlich mal auf die Geländestrecke gehen!“, freute sich Iris. Frau Graf, eine kleingewachsene, zierliche Frau, war die Reitlehrerin des Internats.

Nina war nicht ganz so begeistert, über diese Aussicht. Die Hindernisse auf der Geländestrecke waren fest, was bedeutete, dass sie nicht nachgaben, wenn das Pferd mit einem Bein hängen blieb.

„Räumt ihr dann gleich alles in den Pferdeanhänger?“, fragte Rolf, Iris Vater, der gerade mit dem riesigen Apfelschimmel Popcorn um die Ecke bog, um ihn in die Box zu bringen. Das ließen sich die Mädchen nicht zweimal sagen. Sie liefen los, um die Sachen ihrer Ponys zu holen.

Der Pferdeanhänger vom Keilhof war für zwei Pferde ausgelegt. Eine kleine Tür an der linken Seite des Anhängers gehörte zu der integrierten Sattelkammer. Dort verstauten die Mädchen nun nacheinander Trensen, Putzkästen, Sättel und was sie sonst noch für ihre Lieblinge brauchen würden. Als sie fertig waren, schloss Iris die Tür gewissenhaft ab und Nina verabschiedete sich.

Am nächsten Morgen fuhr Sybille, Ninas Mutter, mit ihrer Tochter und deren Gepäck am Keilhof vor. Die Mädchen hatten beschlossen, direkt in der früh loszufahren, damit sie gemeinsam mit ihren Freundinnen Madeleine und Lisa am Nachmittag noch in Ruhe ausreiten konnten.

Iris und Nina holten ihre Pferde und putzten sie grob mit einer Wurzelbürste. Sie mussten nicht blitzblank sein, für die Hängerfahrt, sollten aber ordentlich aussehen, wenn sie am Internat ankamen. Nachdem sie auch noch die Hufe ausgekratzt hatten, führten die Mädchen die Ponys nach draußen zum Anhänger. Rolf hatte ihn bereits an Sybilles Auto angehängt und Maria, Iris Mutter, lud das Gepäck ihrer Tochter in den Kofferraum des Wagens.

Die Pferde waren schnell verladen und Iris verabschiedete sich kurz von ihren Eltern, dann stiegen sie endlich ein und die Fahrt konnte losgehen.

Nach knappen zwei Stunden kamen sie am Pferdeinternat Bachhaupt an und luden zu allererst die Ponys aus und führten sie in den Offenstall 2, in dem sie untergebracht waren. Das Internat stellte sowohl Boxen als auch Laufboxen und Offenställe für die Pferde der Schülerinnen zur Verfügung. Für Nina und Iris war es keine Frage gewesen, Hilde und Donny in einem der Offenställe unterzubringen. Als sie zurück zum Hänger gingen, um die Sachen ihrer Ponys zu holen, fuhr gerade ein weiteres Gespann vor. Der Wagen war noch nicht richtig zum Stehen gekommen, da sprang Lisa bereits heraus und rannte auf Nina und Iris zu. Die Mädchen fielen sich in die Arme und Lisas Vater meinte kopfschüttelnd: „Man könnte meinen, sie hätten sich ein Jahr lang nicht gesehen, dabei war es nur eine Woche.“

Natürlich halfen sie Lisa beim Ausladen ihres Trakehners Cornet. Die Fuchsstute stieg entspannt aus dem Hänger. Sie kannte diese Prozedur gut, immerhin war Lisa bereits das zweite Jahr auf dem Internat und nahm die Stute jedes Mal mit hier her. Iris und Nina trugen Cornets Sachen hinter Lisa her, die ihr Pferd in den Stall führte. Cornet war im gleichen Offenstall wie Hilde und Donny untergebracht.

Als auch ihr Zubehör verstaut war, luden die Mädchen ihr eigenes Gepäck aus den Autos und verabschiedeten sich von ihren Eltern. Sie winkten ihnen, bis sie auf die Hauptstraße gebogen waren und gingen dann gemeinsam in das Wohngebäude des Internats.

„Wenn wir uns beeilen, können wir für Madeleine vielleicht noch Neptun reservieren. Da freut sie sich bestimmt, sobald sie hier ist!“, schlug Lisa vor. Madeleine ging ebenfalls mit ihnen in die Klasse und war Lisas beste Freundin. Neptun war ihr absolutes Lieblingsschulpferd. Er war ein Norwerger, der gerne seine Reiter testete und auch mal buckelte. Trotzdem liebte sie ihn heiß und innig. Sie hatte ihren Freundinnen anvertraut, dass sie sich gar kein eigenes Pferd wünschte, solange sie sich hier um das Fjordpferd kümmern konnte.

Nachdem sie ihre Sachen in die Zimmer gebracht und sich umgezogen hatten, wollten sie Lisas Vorschlag in die Tat umsetzen. Sie liefen zur großen Reithalle. Dort hing eine Tafel, auf der alle Schulpferde aufgelistet waren. Hinter den Namen konnten sich die Schüler ohne einem eigenen Pferd eintragen. Nina nahm den Stift, der an einer Schnur an dem schwarzen Brett befestigt war. Sie fuhr mit dem Finger über die Pferdenamen nach unten, bis sie bei N wie Neptun angekommen war. Nina stockte. Neptuns Name fehlte auf der Liste. Als sie ihre Entdeckung den anderen mitteilte, kontrollierten diese auch nochmal die Pferdeliste und ob er vielleicht nur falsch eingetragen worden war. Doch Neptuns Name tauchte auf der gesamten Liste nicht auf.

Mit einem komischen Gefühl gingen sie zu seiner Box. Das erste, was ihnen auffiel, war, dass sein Namensschild an der Boxentür fehlte. Statt Neptun stand dort Primadonna. Trotzdem warfen sie einen kurzen Blick in die Box selbst. Darin befand sich eine große Rappstute mit einer ungleichmäßigen Blesse.

„Madeleine wird ausflippen“, prophezeite Lisa und seufzte.

„Natürlich wird sie das! Ihr Lieblingspferd ist weg!“, rief Iris aufgebracht. Nina sah zwischen ihren Freundinnen hin und her. „Wisst ihr was? Wir suchen jetzt Frau Graf und fragen sie, wo Neptun ist. Er kann doch nicht einfach vom Erdboden verschluckt worden sein!“, bestimmte sie und marschierte voraus.

Als sie vom Schulstall aus in den Boxenstall für die Schüler traten, sahen sie, wie Helene Burgmeier ihre Stute Estrelle gerade in ihre Box führte. Helene ging ebenfalls mit ihnen in die Klasse, war aber recht hochnäsig und arrogant. Vor den Ferien waren Helene und Iris aneinandergeraten. Weil Helene ihr einen Turniersieg nicht gegönnt hatte, hatte sie versucht mit einem Trick Iris‘ Eltern Hilde abzukaufen. Das hatte aber nicht geklappt und Helene hatte am Ende von Frau Graf die Strafe erhalten, Hildes Sattel und Zaumzeug zu putzen.

„Die hat uns ja gerade noch gefehlt“, brummte Iris. Helene, die die Gruppe für gewöhnlich kaum beachtete, trat nun aus der Box.

„Na? Auch schon angekommen?“, fragte sie freundlich lächelnd.

„Siehst du doch“, antwortete Nina schroff. „Wir müssen zu Frau Graf, hast du sie gesehen?“

Helene schüttelte den Kopf. „Falls es um die Sache mit Neptun geht“, erklärte sie, „den habe ich vor den Ferien mit nach Hause genommen.“ Mit offenen Mündern starrten sie die Anwesenden an. Das konnte nicht ihr Ernst sein! Sie hasste doch solche Wuschelponys! Für sie zählten nur Abstammung und Erfolg auf Turnieren.

„Von wegen! Neptun stand nicht zum Verkauf!“, rief Lisa wütend und Helene begann zu lachen.

„Wenn man genug Geld hinlegt, ist alles zu verkaufen“, meinte sie achselzuckend. „Und da Madeleine der Meinung war, mich auf Grund meiner Strafarbeit vor den Ferien auslachen zu müssen, war das ja wohl das Mindeste!“

Die Jagd

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