Читать книгу Sybille lernt reiten - Christine Rödl - Страница 6
ОглавлениеKapitel 2
Am nächsten Tag erwachte Nina früh am morgen. Sie rieb sich den Schlaf aus den Augen und warf einen Blick auf ihr Handy. Mehrere Nachrichten von ihren Freundinnen waren eingetrudelt. Sie brauchte einen Augenblick, um sich an ihren gestrigen Hilferuf zu erinnern. Mit einem Schlag war sie hellwach und sprang aus dem Bett. Der Streit ihrer Eltern! Wie der Wind zog sie sich an und schlich leise ins Bad. Sie putzte sich die Zähne und schmiedete währenddessen einen Plan für den heutigen Tag.
Als sie ihre Morgentoilette beendet hatte, stahl sie sich die Treppe hinunter und lauschte vor der Küchentür, es war nichts zu hören. Nina hatte keine Lust darauf, ihren Eltern zu begegnen. Sie schrieb ihnen einen Zettel, dass sie den Tag im Stall verbringen wollte und schmierte sich zwei Brote. Außerdem steckte sie noch einige Äpfel in ihren Rucksack.
Sie schlüpfte aus der Haustür und zog sie lautlos hinter sich zu. Es war eisig und die kalte Luft brannte auf ihrer Haut. Doch Nina kümmerte es nicht. Sie schwang sich auf ihr Fahrrad und fuhr damit, so schnell sie konnte, die wenigen Kilometer bis zum Keilhof.
Rolf, der gerade die Pferde vor dem Misten auf den Paddock führte, sah erstaunt auf, als er sie hörte.
„Guten Morgen, was machst du denn schon so früh hier? Probe ist doch erst um 10 Uhr?“, fragte er und entließ Popcorn auf den befestigten Auslauf. Der Apfelschimmel machte sich sofort auf den Weg zu der Heuraufe, aus der bereits auch andere Pferde einzelne Heubüschel rupften.
„Ich dachte mir, ich helfe euch mit der Stallarbeit. Wo ist denn Iris?“ Nina sah sich suchend nach ihrer Freundin um.
„Sie wollte schonmal im Boxenstall anfangen“, antwortete Rolf und nickte in Richtung des besagten Gebäudes, aus dem er so eben das letzte Pferd geführt hatte.
Tatsächlich fand sie Iris in einer der Boxen. Sie hievte gerade eine Gabel voll Mist auf eine Schubkarre.
Ohne zu zögern, nahm sich Nina ebenfalls eine Mistgabel von der Wand. Sie begrüßte kurz ihre Freundin und widmete sich der gegenüberliegenden Pferdebox.
„Was war denn gestern los? Du hast überhaupt nicht auf unsere Nachrichten reagiert. Ich hatte mir schon Sorgen gemacht!“ Iris lehnte die Forke an die Boxenwand und trat zu Nina. Diese legte seufzend ebenfalls die Arbeit nieder.
„Als ich gestern heimgekommen bin, habe ich meine Eltern bei einem riesigen Streit erwischt. Sie waren nur am Brüllen und haben deshalb wohl auch die Haustür nicht gehört“, begann sie und berichtete vom gestrigen Abend.
Iris hörte ihr aufmerksam zu und fragte schließlich: „Denkst du, dass sich deine Eltern scheiden lassen werden?“
Nina hatte den Blick gesenkt und wischte sich schniefend mit dem Ärmel über die Augen. „Ich glaube schon“, antwortete sie.
Iris umarmte ihre Freundin und diese weinte sich eine ganze Weile an ihrer Schulter aus. Es dauerte ein wenig, bis sie sich beruhigt hatte.
„Wir kriegen das sicherlich wieder hin!“, versprach Iris ihr immer wieder, als müsse sie sich auch selbst davon überzeugen. Wie sie das allerdings genau bewerkstelligen sollten, konnte sie noch nicht sagen.
Irgendwann straffte Nina die Schultern und richtete sich auf. Sie wischte sich mit dem Ärmel die Tränen aus dem Gesicht.
„Wir sollten jetzt weiter machen. Sonst sind wir bis zur Probe noch immer nicht fertig“, erklärte sie und wandte sich der Mistgabel zu.
Irritiert sah Iris zu ihrer Freundin, dann nickte sie und widmete sich ebenfalls wieder der Stallarbeit.
Als die Ställe blitzsauber waren und alle Pferde ihr Futter genossen, gönnten sich die zwei Freundinnen eine kurze Verschnaufpause in der Küche. Sie machten sich Kakao und Nina nahm sich endlich die Zeit die Fragen im Gruppenchat zu beantworten. Sie erzählte Lisa und Madeleine von dem gestrigen Vorfall und ihren Bedenken. Allerdings schienen die beiden noch zu schlafen, da ihre Nachricht weder von ihnen gelesen, geschweige denn beantwortet wurde.
Iris wechselte schnell das Thema und erinnerte Nina an das bevorstehende Training für das Wintermärchen.
„Ich bin schon gespannt, wie es heute laufen wird. Mein Papa hat gestern noch einen Baumstamm besorgen können. Ich hoffe, wir kommen da problemlos drüber. Ein Bauer aus der Umgebung stellt ihn uns zur Verfügung und will ihn nachher vor dem Training vorbei bringen“, sprudelte es aus Iris heraus.
Nina war dankbar für die Ablenkung und leerte ihre Kakaotasse in einem Zug.
„Worauf warten wir dann noch?“, rief sie und sprang auf. Ungeduldig sah sie ihrer Freundin dabei zu, wie sie ihren Kakao leer trank und schließlich auch aufstand.
Gemeinsam gingen sie zu dem Offenstall, in dem Hilde und Donny wohnten. Bis jetzt war die Heuraufe dort nicht komplett kahl gefressen, aber der größte Hunger der Herde war gestillt. Nur Gary, ein rangniedriges Pony, zupfte noch Futter heraus.
Wie jedes Mal riefen sie zuerst nach ihren Pferden, doch selbst Donnerhall, der relativ häufig zu seiner Besitzerin lief, wenn sie ihn rief, zuckte heute lediglich mit den Ohren.
„Die halten wohl noch ihren Verdauungsschlaf“, mutmaßte Nina lachend.
„Den können sie auch am Putzplatz machen“, bestimmte Iris grinsend und legte ihrer Stute das Halfter an.
Die Freundinnen banden ihre Pferde nebeneinander an und holten die Putzkästen aus der Sattelkammer. Während sie die Ponys striegelten, füllte sich der Parkplatz des Keilhofs. Immer mehr Reiter trafen ein, fingen ihre Vierbeiner ein und begannen sie zu putzen. Nina und Iris griffen den Reitschülern unter die Arme und nach einer halben Stunde waren alle Pferde gesattelt und getrenst. Jetzt tauchte auch Maria Keil auf und begrüßte sie kurz.
„Heute im Anschluss an die Probe würden wir gerne die Texte aufsprechen. Ihr müsst dafür einfach nur mit schöner Betonung vorlesen. Während der Aufführung wird dann die Aufnahme abgespielt und ihr braucht euch nur aufs Reiten konzentrieren“, erklärte sie. Sie schickte die Weihnachtsfeen und die schwarzen Gestalten zum Warmreiten auf den Reitplatz. Diese hatten zuerst ihren Auftritt und mussten daher auch als erste fertig sein.
In einer langen Karawane machten sich die Reiter auf den Weg. Am Reitplatz bildete sich eine Warteschlange vor der Aufstiegshilfe. Um die Warterei sinnvoll zu nutzen, führten Iris und Nina ihre Ponys noch zwei Runden um den Platz. Sie bauten direkt einige Führübungen ein und zogen den Sattelgurt nach jeder ihrer Runden etwas fester.
Zu Beginn ging es am langen Zügel im Schritt um die ganze Bahn. Nach und nach nahmen die Reiter die Zügel auf und und trabten die Pferde an. Auf ein Zeichen von Maria ritten sie aus dem Platz hinaus zur Reithalle, wo das große Tor geöffnet war. Die dunklen Gestalten blieben vor der Halle stehen, die Feen lenkten ihre Pferde hinein.
Die Quadrille der Feen, die als Erstes auf dem Programm stand, musste zweimal wiederholt werden, bis Maria zufrieden war. Danach durften die schwarzen Reiter ihren Auftritt proben, der eine Art Hetzjagd mit einigen Feen darstellte. Hierbei stahlen die schwarzen Gestalten den Weihnachtszauber und das Abenteuer nahm seinen Lauf.