Читать книгу Sybille lernt reiten - Christine Rödl - Страница 7
ОглавлениеKapitel 3
Durgeschwitzt ritt Nina im Schritt neben Iris her. Die Probe war diesmal deutlich anstrengender als gestern gewesen. Und jetzt dann mussten sie auch noch ihren gesamten Text aufsprechen. Trotzdem war sie froh um diese Art von Ablenkung. Sie wollte nicht zu ihren Eltern nach Hause. Was, wenn sie ihr mitteilen würden, dass sie sich trennten?
„Ich glaube, die beiden sind jetzt so weit, dass wir absteigen können. Wir legen ihnen einfach eine Abschwitzdecke auf“, riss Iris ihre Freundin aus den Gedanken.
Nina sah sie kurz verwirrt an, dann waren die Worte zu ihr durchgedrungen. Sie nickte und schwang sich aus dem Sattel. Mit steifen Gliedern führten sie die Ponys zurück zum Putzplatz. Auch jetzt herrschte hier wieder reges Treiben. Maria und Rolf waren fleißig damit beschäftigt die Reitschüler beim Absatteln und Versorgen der Pferde zu unterstützen.
„Geht ihr doch schon mal hinein und beginnt mit den Aufnahmen. Dann helfen wir den Reitern hier draußen“, schlug Iris vor. Rolf schüttelte jedoch den Kopf.
„Ihr habt uns heute so viel im Stall geholfen. Wenn überhaupt geht Maria rein, sie kennt sich eh besser damit aus, wer welchen Text aufsprechen muss“, erklärte er. Seine Frau, die gerade mit einem Stapel Abschwitzdecken herangetreten war, drückte ihm ihre Last in die Arme.
„Dann geh ich mal rein und koche direkt eine oder eher einige Kannen Tee. Jeder der hier draußen nichts mehr zu tun hat, kommt zur Aufnahme hinein.“ Sie gab Rolf einen Kuss auf die Wange und verschwand ins Haus.
Ihr folgten schon bald ein paar Reitschüler, die froh waren, sich endlich aufwärmen zu können.
Nina, Iris und Rolf blieben so lange draußen, bis auch das letzte Pferd versorgt worden war und traten schließlich zuletzt ein. Mittlerweile waren viele der Reiter schon wieder auf dem Heimweg, denn die meisten hatten nur einige Sätze gehabt, die aufgenommen werden mussten. Sie staunten nicht schlecht, als sie mitten auf dem Wohnzimmertisch einen Laptop und ein Mikrofon, auf einem speziellem Ständer, dafür vorfanden. Vor diesem Mikro saß Nadine, eine Reitschülerin, die im gleichen Alter wie Nina und Iris war. Ihr war die große Ehre zu Teil geworden Campari, einen stattlichen Rappen, während der Aufführung zu reiten. Mit ihm würde sie das Volk der dunklen Reiter anführen. Alleine dadurch hatte sie schon eine Menge Text. Da sie sich beim Einsprechen immer wieder verhaspelte und die Aufnahme neu gestartet werden musste, dauerte es eine ganze Weile, bis endlich alles aufgenommen worden war.
Da nach ihr noch drei weitere Mädchen warteten, verkrümelten sich Nina und Iris mit Tee und Keksen in Iris Zimmer. Mittlerweile hatte Nina wieder einige Nachrichten von Madeleine und Lisa bekommen, die sie nun durchlas. Während Lisa sich sicher war, dass es sich um einen harmlosen kleinen Streit gehandelt hatte, beschimpfte Madeleine Ninas Vater wüst und war der Meinung, Nina sollte kein Wort mehr mit ihm sprechen. Iris las die Nachrichten ebenfalls und legte den Kopf in den Nacken, um nachzudenken.
„Ich weiß doch noch nicht mal, ob er wirklich eine Freundin hat“, seufzte Nina und tippte die Worte gleichzeitig in ihr Smartphone.
„Na dann müssen wir das herausfinden“, kam die Antwort von Madeleine prompt via WhatsApp.
„Und wie?“, fragte Lisa nun.
„In dem wir ihn auf frischer Tat ertappen“, antwortete Iris, ebenfalls im Gruppenchat und Nina blickte sie erstaunt an.
„Und wie stellen wir das an?“, wollte sie wissen. Wenige Sekunden später tauchte die gleiche Frage von Madeleine im Nachrichtenverlauf auf.
„Iris? Kommt ihr?“, tönte da von unten Rolfs Stimme.
„Das überlegen wir uns, wenn wir unseren Text aufgesprochen haben“, entschied Iris und tippte eine kurze Antwort in den Chat. Anschließend gingen die Mädchen die Treppe hinunter.
Die anfängliche Nervosität bei der Aufnahme verflog schnell und bald machte es den beiden Freundinnen großen Spaß, ihren Text vorzulesen. Nina ging bei dieser Aufgabe richtig auf und betonte ihre Sätze wie eine echte Schauspielerin. Iris ließ sich von ihr anstecken und spielte ihre Rolle genauso überzeugend.
Als sie am Ende des Stücks angekommen waren, seufzte Nina. „Schade, das hat gerade so viel Spaß gemacht!“
Gemeinsam gingen sie zurück in Iris‘ Zimmer, denn nun mussten noch Rolf und Maria ihren Text aufsprechen.
Madeleine und Lisa hatten scheinbar wie auf heißen Kohlen vor ihren Smartphones gesessen. In regelmäßigen Abständen war ein „?“ in der WhatsApp-Gruppe aufgetaucht.
„Hast du schon einen Plan?“, fragte Nina nun neugierig.
„Nicht so richtig“, gab Iris zu, „erzähl doch erstmal ein wenig von deinem Papa und vor allem seiner Arbeit. Vielleicht fällt uns dann etwas ein. Wenn er deine Mama wirklich betrügt, muss er ja irgendwann zu seiner Freundin fahren.“
Um nicht alles zusätzlich noch tippen zu müssen, nahm Nina gleichzeitig eine Sprachnachricht für WhatsApp auf, als sie zu reden begann.
„Mein Papa ist Rechtsanwalt und eigentlich ist er immer bei der Arbeit. Auch oft am Wochenende. Zumindest behauptet er das. Ich glaube, dass er sich da aber vermutlich eher mit dieser anderen Frau getroffen hat. Ich weiß allerdings nicht, wer diese Frau ist und woher er sie kennt“, erklärte Nina.
„Vielleicht eine Mitarbeiterin oder eine Kundin?“, schrieb Madeleine.
Iris nickte sofort. „Das würde Sinn machen“, meinte sie.
„Hat er eine Sekretärin? In Filmen haben die Männer doch immer eine Affäre mit ihrer Sekretärin?“, kam es nun von Lisa.
Nina hielt inne. Tatsächlich hatte ihr Vater eine Sekretärin. Julia Krüger arbeitete schon eine ganze Weile für ihn. Nina hatte sie bereits öfter getroffen und etliche Male mit ihr telefoniert, als sie eigentlich versucht hatte ihren Papa zu erreichen. Sie war nett und wirklich hübsch, allerdings mindestens 10 Jahre jünger als Bernd. Genau das teilte sie jetzt auch ihren Freundinnen mit.
„Siehst du? Sie entschuldigt deinen Papa, weil sie die Zeit mit ihm verbringen möchte“, schlussfolgerte Madeleine sofort.
„Und zu dir ist sie bestimmt nur so nett, damit niemand einen Verdacht schöpfen kann“, fügte Lisa hinzu.
Nina, die bis gerade eben noch im Zimmer auf und ab gegangen war, ließ sich auf Iris‘ Bett plumpsen. Julia Krüger, diese freundliche und sympathische Frau, sollte eine falsche Schlange sein? Sie konnte und wollte es zuerst nicht glauben, doch je mehr sie darüber nachdachte, desto mehr ergab das Ganze Sinn! Wie oft hatte Julia in der letzten Zeit angerufen, um mitzuteilen, dass ihr Papa erst sehr spät heimkommen würde? Wie oft war er früh morgens angeblich schon aus dem Haus gewesen, also vermutlich gar nicht erst nach Hause gekommen?
Iris setzte sich neben ihre Freundin und legte ihr einen Arm um die Schulter. „Es tut mir so wahnsinnig Leid, Nina. Was sollen wir denn jetzt machen?“, fragte sie leise.
Sie schwiegen eine Weile, bis plötzlich ihre Handys gleichzeitig klingelten. Es war ein Videoanruf von Madeleine und Lisa. Erstaunt ging Nina ran und Iris drückte das Gespräch weg. Sie rückten näher zusammen und staunten nicht schlecht, als sie zeitgleich mit den anderen beiden ihrer Clique verbunden war.
„Ich wusste überhaupt nicht, dass man über WhatsApp auch mit mehreren gleichzeitig telefonieren kann“, gab Nina zu.
„Ich wusste noch nicht mal, dass man darüber überhaupt telefonieren kann, von einem Videoanruf ganz zu schweigen“, meinte Iris verlegen.
Madeleine winkte ab. „Wie das geht erkläre ich euch später“, sagte sie. „Jetzt ist es erstmal wichtig, dass wir uns überlegen, was wir wegen deines Papas machen, Nina. Willst du ihn direkt zur Rede stellen?“
Erschrocken schüttelte die Angesprochene den Kopf.
„Nein, dann muss ich mir am Ende noch etwas anhören, weil ich gelauscht habe!“, rief sie und Iris nickte bekräftigend.
„Ihr Papa dreht einem das Wort im Mund um, egal was man sagt. Er ist eben Rechtsanwalt“, erklärte sie.
„Dann müsst ihr ihn halt auf frischer Tat ertappen“, schlug Lisa vor.
„Und wie soll ich das bitte anstellen?“, fragte Nina und sah abwartend auf das kleine Videobild von ihrer Freundin.